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1993 Feb 7, Issues concerning community functioning

M E M O R A N D U M

From: Research Department

7 February 1993

Fragen zur Arbeitsweise von Gemeinden

A memorandum prepared by the Research Department of the Universal House of Justice

In letzter Zeit haben sich eine Reihe von Fragen ergeben, wie man mangelhaft funktionierenden örtlichen Bahá'í-Gemeinden helfen kann, besonders jenen, die nur schwer den Bedürfnissen und Problemen ihrer Mitglieder gerecht werden, deren Geistige Räte keine Entscheidungen treffen können und die das Bestehen von Problemen in ihren Gemeinden leugnen. Als einen Beitrag zur Entwicklung solcher Gemeinden geben wir folgende Kommentare.

1. WIE MAN VERÄNDERUNGEN IN DER BAHÁ'Í-GEMEINDE ERLEICHTERT

1.1 DAS WESEN DES WANDELS

Ehe man sich der Frage zuwendet, welche Schritte ergriffen werden können, um einen Wandel in der Bahá'í-Gemeinde zu erreichen, ist es nützlich, das Wesen des Wandels unter Bahá'í-Gesichtspunkten zu betrachten. In Briefen, die in seinem Auftrag geschrieben wurden, unterstreicht Shoghi Effendi den evolutionären Charakter des Wachstums und der Entwicklung von Bahá'í-Gemeinden. Er bezeichnet die unvermeidlichen Schwierigkeiten, die sich aus der Unreife der einzelnen Gläubigen wie auch der Institutionen ergeben, als "Wachstumsschmerzen", die man, wie er überzeugend versichert, schließlich überwinden wird, weil das von Bahá'u'lláh eingeführte System vollkommen ist. Im folgenden zitieren wir eine Auswahl von Auszügen aus diesen Briefen:

"Sie beklagen den unbefriedigenden Zustand, der in der Bahá'í-Gemeinde in ..... herrscht; der Hüter ist sich der Situation des Glaubens dort durchaus bewußt, aber er ist zuversichtlich, daß, welcher Art die sich dem Glauben entgegenstellenden Hindernisse auch sein mögen, man sie schließlich überwinden wird. Unter gar keinen Umständen sollten Sie sich entmutigt fühlen oder es zulassen, daß diese Schwierigkeiten, mögen sie auch noch so sehr das Ergebnis von Fehlverhalten oder mangelnder Fähigkeiten oder Vision der Mitglieder der Gemeinde sein, Sie in Ihrem Glauben und der grundsätzlichen Loyalität der Sache Gottes gegenüber wankend machen. Gewiß sollten die Gläubigen, unabhängig von ihren Qualifikationen als Lehrer oder Administratoren des Glaubens oder ihren noch so hohen intellektuellen und geistigen Verdiensten niemals als Maßstab angesehen werden, an dem man die göttliche Autorität und die Mission des Glaubens abschätzen oder messen kann. Allein auf die Lehren selbst und auf das Leben der Begründer des Glaubens sollten die Gläubigen schauen, um daraus ihre Führung und Inspiration zu beziehen, und nur indem sie streng diese richtige Einstellung beibehalten, können sie hoffen, ihre Loyalität Bahá'u'lláh gegenüber auf eine feste und unerschütterliche Grundlage zu stellen. Sie sollten daher Mut fassen und mit unverminderter Wachsamkeit und nicht nachlassenden Bemühungen ihren vollen Beitrag zur Entfaltung der Göttlichen Weltordnung leisten." (23. August 1939 an einen einzelnen Gläubigen)

"Die Freunde müssen miteinander Geduld haben und sich bewußt sein, daß der Glaube noch in seinen Kinderschuhen steckt und seine Institutionen noch nicht vollkommen funktionieren. Je mehr Geduld, liebevolleres Verständnis und Nachsicht die Freunde einander erweisen, umso größer wird der Fortschritt der ganzen Bahá'í-Gemeinde als solcher sein.

Der Hüter meint, daß durch das Gewinnen neuer Seelen der Glaube seine gegenwärtigen Begrenzungen überwinden und wirkungsvoller funktionieren wird." (27.Februar 1943 an einen einzelnen Gläubigen)

Er hat es sehr bedauert, von der Uneinigkeit der Freunde dort zu hören; er meint, daß die einzige vernünftige Methode für alle Freunde darin bestehe, sich dem Lehren des Glaubens zu widmen und mit ihrer Nationalen Körperschaft zusammenzuarbeiten. Oft erscheinen uns diese Prüfungen und Tests, durch die jede Bahá'í-Gemeinde unweigerlich hindurch muß, im ersten Augenblick als schrecklich, aber im Nachhinein verstehen wir, daß sie auf die Schwäche der menschlichen Natur, auf Mißverständnisse und Wachstumsschmerzen zurückzuführen sind, die jede Bahá'í-Gemeinde durchstehen muß." (25. November 1956 an einen einzelnen Gläubigen)+)

Es ist ein großes Unglück, daß einige Freunde nicht zu verstehen scheinen, daß die Verwaltungsordnung, die Örtlichen und Nationalen Räte, das Muster für die Zukunft sind, so unzulänglich sie auch manchmal scheinen mögen. Wir müssen diesen Körperschaften gehorchen und sie unterstützen, denn darin besteht das Bahá'í-Gesetz. Ehe wir das nicht lernen, können wir keinen echten Fortschritt erzielen

... Die Bahá'í sind als einzelne oder im Dienst einer gewählten Körperschaft weit von Vollkommenheit entfernt, aber das System Bahá'u'lláhs ist vollkommen, und langsam werden die Gläubigen reifen und das System wird besser funktionieren ..." (1. November 1950 an einen einzelnen Gläubigen)

1.2 DEN WANDEL FÖRDERN

Im Hinblick auf die Methoden, diesen Wandel in der Bahá'í-Gemeinde zu fördern, fügen wir eine Zusammenstellung von Auszügen aus Briefen bei, die im Auftrage von Shoghi Effendi geschrieben wurden. Wenn diese Auszüge auch nicht speziell von Strategien handeln, die chronisch schlecht funktionierenden Gemeinden helfen könnten, so bieten sie doch eine nützliche Führung in Bezug auf Maßnahmen, die zum Erreichen von Veränderungen in Bahá'í-Gemeinden ergriffen werden können. Bevor man solche Maßnahmen ins Auge faßt, ist es zu empfehlen, über die Tatsache nachzudenken, daß jede Maßnahme von Weisheit und Geduld begleitet sein muß und daß jede feindliche Haltung gegenüber dem Rat oder der Bahá'í-Gemeinde vermieden werden muß. In der Ährenlese rät Bahá'u'lláh, zwei extreme Einstellungen bezüglich des Glaubens zu vermeiden. Er sagt:

An diesem Tage können Wir weder das Verhalten des Furchtsamen billigen, der seinen Glauben zu verbergen sucht, noch das Benehmen des erklärten Gläubigen gutheißen, der lärmend seine Treue zu dieser Sache bekundet.

Beide sollten dem Gebot der Weisheit folgen und mit Eifer danach streben, dem Wohle des Glaubens zu dienen. Man beachte, daß Er das "Gebot der Weisheit" und den Eifer "dem Wohle des Glaubens zu dienen" betont.

Gemäß den beigefügten Auszügen gibt es offensichtlich eine Reihe von Maßnahmen, die die Gläubigen ergreifen können, um die Bahá'í-Gemeinden auf die nächsten Stufen der Entwicklung zu führen. Dazu gehören:

1.2.1 DAS BEISPIEL DES EINZELNEN

In einem Brief vom 30. September 1949, in seinem Auftrage an einen einzelnen Gläubigen geschrieben, sagt Shoghi Effendi, daß "der erste und beste Weg", eine schlecht funktionierende Gemeinde in Ordnung zu bringen, darin besteht, daß der einzelne "das Richtige tut". (S. Auszug Ia)

Zusätzlich zu Vertiefung, Lehren und Dienst am Glauben betont der Hüter, daß solche Eigenschaften wie Ausdauer, Aufopferung, Geduld und liebevolles Vergeben wichtig und vorteilhaft sind. (S. Auszüge Ib und Ic)

1.2.2 HILFE FÜR DEN ÖRTLICHEN GEISTIGEN RAT

Shoghi Effendi weist darauf hin, daß der einzelne Gläubige die Entwicklung des Örtlichen Geistigen Rates fördern kann, indem er an seiner Wahl teilnimmt, seine Entscheidungen unterstützt und verteidigt und sich an ihn wegen der Lösung von Problemen wendet. (S. Auszüge IIa - IId)

1.2.3 EMPFEHLUNGEN FÜR INSTITUTIONEN

Einzelne Gläubige haben "das Recht, offen ihre Kritik an Maßnahmen und der Politik eines jeden Rates vorzubringen" und Vorschläge und Empfehlungen zur Verbesserung der örtlichen Gemeinde zu machen, vorausgesetzt, diese Kritik und diese Vorschläge werden in konstruktiver Weise vorgebracht, ohne die Autorität des Rates zu untergraben. (S. Auszüge IIIa und IIIb)

In einem Brief vom 3. August 1982 an einen einzelnen Gläubigen hat das Universale Haus der Gerechtigkeit folgende Richtlinien gegeben, wie der einzelne seine Ansichten innerhalb der Bahá'í-Gemeinde darlegen soll:

Es ist jedoch wichtig, zu beachten, daß der einzelne, der seine Ansichten darlegen will, dies in einer Weise tut, die mit dem Geiste der Bahá'í-Beratung übereinstimmt. Es kommt manchmal vor, daß ein einzelner darauf besteht, bei einer Bahá'í-Versammlung seine Ansichten eingehend darzulegen, oft die Zusammenkunft stört und ein solches Verhalten sogar in der Gegenwart von Nicht-Bahá'í zeigt. Wenn er trotz Ermahnungen und Warnungen durch die entsprechenden Bahá'í-Institutionen unnachgiebig auf einem solchen Verhalten beharrt, wird man ihn irgendwie daran hindern müssen, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen und den Bahá'í-Interessen zu schaden. Wenn derartige Meinungsverschiedenheiten entstehen, ist es wichtig, daß eine offene und liebevolle Beratung zwischen der betreffenden Person und dem Örtlichen Geistigen Rat und im Bedarfsfalle mit dem Nationalen Geistigen Rat stattfindet, vielleicht kann auch die Institution der Berater bei der Lösung des Problems helfen.

1.2.4 BERATUNG MIT DEN HILFSAMTSMITGLIEDERN

Die Hilfsamtsmitglieder und ihre Assistenten sind damit beauftragt, die Bahá'í-Gemeinde von Grund auf anzuregen und den Reifeprozeß der Örtlichen Geistigen Räte zu fördern und dabei zu helfen. Es kann sehr vorteilhaft sein, wenn ein einzelner Gläubiger oder der Örtliche Geistige Rat Ideen und Ratschläge von den Hilfsamtsmitgliedern erbittet, wie die in der Gemeinde bestehenden speziellen Schwierigkeiten gelöst werden können.

1.2.5 BERUFUNG BEIM NATIONALEN GEISTIGEN RAT

Einzelne Gläubige haben das Recht, gegen einen Beschluß eines Örtlichen Geistiger Rates beim Nationalen Rat Berufung einzulegen. (Einzelheiten zu diesem Verfahren siehe "The Constitution of the Universal House of Justice"**) S.14f) Die Entscheidung, ob er dieses Recht wahrnimmt, liegt beim einzelnen. Der folgende Auszug aus einem Brief im Auftrag des Universalen Hauses der Gerechtigkeit vom 12. September 1988 bezieht sich auf diese Angelegenheit:

"Wie Sie wissen, steht es Ihnen frei, den Rat darum zu bitten, seine Entscheidung erneut zu überdenken. Vielleicht wollen Sie aber diese Schritte abwägen und die möglichen Reaktionen berücksichtigen, die für Sie zusätzliche Belastungen verursachen könnten. In einigen Fällen ist es vorzuziehen, daß man die Ansicht des Rates demütig und mit Opferbereitschaft ohne weitere Diskussionen akzeptiert. Dann kann eine eventuell falsche Entscheidung schließlich richtig gestellt werden. Wenn die Gläubigen nachgiebig und im Geiste der Selbstaufgabe reagieren, so bewirkt das Gottes Wohlgefallen, was in sich selbst schon einen Trost für das Herz darstellt."

2. BERATUNG UND GEFÜHLSAUSDRUCK

Es ist die Ansicht vertreten worden, daß ein offener Gefühlsausdruck und ein ehrliches Aussprechen von Gedanken für eine produktive Bahá'í-Beratung entscheidend sind und daß das 12-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker (A.A.) einen wichtigen Beitrag zu einer ehrlichen und offenen Kommunikation bilden kann. In diesem Zusammenhang wurde um Führung nachgesucht, was Gefühlsausdruck im Zuge der Beratung anbetrifft.

Während es sehr wohl Übereinstimmungen zwischen Elementen des Beratungsprozesses und dem 12-Schritte-Programm geben mag, so unterscheiden sie sich doch in ihrer übergeordneten Zielsetzung. Die Absicht, wenn ein einzelner sich offen ausdrückt, wie es bei den A.A. praktiziert wird, besteht im großen und ganzen darin, daß eine Heilung erzielt und eine Befreiung von den Trinkgewohnheiten erreicht werden soll. Das Ziel der Beratung ist dagegen "die Suche nach der Wahrheit".

Der Unterschied zwischen dem Zweck der Beratung und einer therapeutischen Bemühung wird in dem folgenden Auszug aus einem Brief im Auftrage des Universalen Hauses der Gerechtigkeit deutlich:

"Man sollte sich bewußt sein, daß es das Ziel jeder Beratung ist, zu einer Lösung eines Problems zu kommen, und dies unterscheidet sich sehr von jener Art von Seelenbekenntnissen in der Gruppe, wie sie in manchen Kreisen heute üblich ist, und was an die Art von Beichte grenzt, die im Glauben verboten ist. (Aus einem Brief des Universalen Hauses der Gerechtigkeit vom 19. März 1973 an einen Nationalen Geistigen Rat, veröffentlicht in: "Beratung, eine Kompilation", Nationaler Geistiger Rat der Schweiz, 1978, S. 14)

"In bezug auf Ihre Frage betreffs des fünften Schrittes im A.-12-Schritte-Programm, sind wir gebeten worden, Ihnen folgenden Auszug aus einem Brief im Auftrage des Universalen Hauses der Gerechtigkeit vom 26. August 1986 an einen einzelnen Gläubigen mitzuteilen:

6 ... Es gibt keinen Einwand gegen die Mitgliedschaft von Bahá'í bei den Anonymen Alkoholikern, die eine Vereinigung sind, die bei der Hilfe für Alkoholiker, ihren bedauernswerten Zustand zu überwinden, sehr viel Gutes tun. Der durch die Mitglieder praktizierte Austausch von Erfahrungen steht nicht im Widerspruch zu dem Bahá'í-Verbot des Sündenbekenntnisses; es ist eher eine Art therapeutisches Verhältnis zwischen Patient und Psychiater." (Aus einem Brief vom 5. November 1987 im Auftrage des Universalen Hauses der Gerechtigkeit an einen einzelnen Gläubigen)

Der aufrichtige Gefühlsausdruck in der allgemeinen Kommunikation bedarf sowohl der Weisheit wie auch der Mäßigung. In der Ährenlese berät Bahá'u'lláh die Gläubigen folgendermaßen:

"Wer zum Volk Gottes gehört, hat nur den Ehrgeiz, die Welt zu erneuern, ihr Leben zu veredeln und ihre Völker zu beleben. Wahrhaftigkeit und guter Wille haben allezeit die Beziehungen dieses Volkes zu allen Menschen gekennzeichnet." (S.236)

"Hütet euch, mit jemandem zu streiten, strebt vielmehr danach, ihn freundlich auf die Wahrheit aufmerksam zu machen und ihn überzeugend zu ermahnen." (S. 243)

"Was die Grenzen der Mäßigung überschreitet, hört auf, wohltätigen Einfluß auszuüben." (S. 189)

In einem Brief vom 5. Juli 1947, geschrieben in seinem Auftrage, äußert sich Shoghi Effendi folgendermaßen über die Bedeutung der "Ausgewogenheit in allen Dingen":

"Man kann die Lehren Bahá'u'lláhs mit einer Kugel vergleichen; es gibt Punkte, die sich auf gegenüberliegenden Polen befinden, und dazwischen gibt es Gedanken und Lehren, die die Verbindungen zwischen ihnen herstellen.

Wir glauben an eine Ausgewogenheit in allen Dingen; wir glauben an Mäßigung in allen Dingen... wir dürfen nicht zu emotional reagieren, aber auch nicht knochentrocken und ohne Gefühl; wir dürfen nicht so liberal sein, daß wir aufhören, den Charakter und die Einheit des Bahá'í-Systems zu erhalten, aber auch nicht fanatisch und dogmatisch."

Was nun einen offenen Gefühlsausdruck während der Beratung anbetrifft, so bilden ein Gefühlsausdruck und eine emotionale Redeweise bei der Interaktion einen wichtigen Beitrag zum Beratungsprozeß. In einer Seiner Ansprachen beschreibt `Abdu'l-Bahá Liebe und Freundschaft als das Fundament wahrer Beratung. Er sagt:

15 "... wahre Beratung ist eine geistige Konferenz in der Haltung und Atmosphäre der Liebe. Die Mitglieder müssen einander im Geiste der Freundschaft lieben, damit gute Ergebnisse gezeitigt werden. Liebe und Freundschaft sind das Fundament." (PUP p.72f)

Die Tablets von Abdu'l-Bahá, die in "Bahá'í Administration: Selected Messages 1922 - 1932" S.20-23 zitiert werden, können, was den Gefühlsausdruck bei Beratungen anbetrifft, eine wertvolle Hilfe sein.

1. `Abdu'l-Bahá ruft die Mitglieder eines Geistigen Rates auf, in solcher Weise einig zu sein, daß ihre Gedanken, ihre Ansichten und ihre Gefühle zu einer Wirklichkeit werden und den Geist der Einheit über die ganze Welt verbreiten" (S. 20f).

2. - Der Meister rät den Mitgliedern, "in solcher Weise zu beraten, daß kein Anlaß zu Groll oder Uneinigkeit entstehen kann."

Er versichert, daß "dies erreicht werden kann, wenn jedes Mitglied seine eigene Ansicht in völliger Freiheit ausdrückt und seine Argumente darlegt. Wenn jemand widerspricht, dürfen wir uns in keiner Weise verletzt fühlen, denn erst wenn die Angelegenheit ausgiebig diskutiert wurde, kann sich der richtige Weg zeigen. Der leuchtende Funke der Wahrheit zeigt sich erst nach dem Zusammenprall unterschiedlicher Meinungen..." (S. 21)

Man muß hier festhalten, daß die Wahrheit sich erst nach dem Zusammenprall sorgfältig ausgesprochener Ansichten zeigt (die sehr wohl mit Begeisterung und Nachdruck vorgetragen werden können), aber nicht durch den Zusammenprall von Gefühlen. Ein Zusammenprall von Gefühlen wird die Wahrheit wahrscheinlich verdunkeln, während unterschiedliche Meinungen die Entdeckung der Wahrheit vereinfachen.

1. Abdu'l-Bahá gibt den folgenden Rat, wie Ansicht während einer Beratung ausgedrückt werden sollten. Man könnte meinen, daß dieser Rat auch den Gefühlsausdruck betrifft:

"Sie müssen dann mit der äußersten Ergebenheit, Höflichkeit, Würde, Sorgfalt und Mäßigung ihre Ansichten ausdrücken. In allen Dingen müssen sie die Wahrheit suchen und nicht auf ihrer eigenen Meinung beharren; denn Halsstarrigkeit und das Beharren auf der eigenen Meinung führen schließlich zu Uneinigkeit und Streit und die Wahrheit wird verborgen bleiben..." (S.22)

Wegen zusätzlicher Aussagen aus den Schriften, zum Thema Gefühlsausdruck beim Beratungsprozeß, könnte man "Beratung: eine Zusammenstellung" zu Rate ziehen.


Auszüge aus im Auftrage von Shoghi Effendi geschriebenen Briefen Die Förderung der Entwicklung von Bahá'í-Gemeinden

1. DAS BEISPIEL DES EINZELNEN

Sie dürfen nicht den großen Fehler begehen, unseren Glauben nach einer Bahá'í-Gemeinde zu beurteilen, die es offensichtlich nötig hat, die Bahá'í-Lehren zu studieren und ihnen zu gehorchen. Menschliche Schwächen und Absonderlichkeiten können eine große Prüfung darstellen. Der einzige Weg, oder ich sollte besser sagen der erste und beste Weg, die Situation zu verbessern, besteht darin, daß man selbst das Richtige tut. Eine Seele kann die Ursache der geistigen Erleuchtung eines ganzen Kontinents sein. Jetzt, da Sie in Ihrem eigenen Leben einen großen Fehler erkannt und verbessert haben, jetzt, da Sie deutlicher erkennen, was in Ihrer eigenen Gemeinde fehlt, hindert Sie nichts daran, daß Sie sich erheben und ein solches Beispiel setzen, eine solche Liebe und einen Geist des Dienstes zeigen, daß die Herzen Ihrer Mit-Bahá'í entflammt werden.

Er drängt Sie, die Lehren gründlich zu studieren, andere zu lehren und mit anderen Bahá'í, die dazu bereit sind, die tiefergehenden Lehren unseres Glaubens zu studieren und durch Vorbild, Bemühungen und Gebete eine Änderung herbeizuführen. (30. September 1949 an einen einzelnen Gläubigen)

Das Heilmittel für Uneinigkeit in einem Rat kann nicht darin bestehen, daß irgend jemand von den Mitgliedern resigniert oder sich zurückzieht. Er muß lernen, trotz störender Elemente als Ganzes weiter zu funktionieren, anderenfalls würde das ganze System in Mißkredit geraten, weil Ausnahmen von der Regel eingeführt werden.

Die Gläubigen, die den Glauben über alles lieben und seine Interessen den eigenen voranstellen, müssen bereit sein, alle sich ergebenden Schwierigkeiten zu ertragen, welcher Art sie auch sein mögen. Nur durch eine solche Beharrlichkeit und Selbstaufopferung können wir hoffen, einerseits unsere göttlichen Institutionen intakt zu erhalten und andererseits uns selbst dazu zu zwingen, edlere und bessere Werkzeuge für den Dienst in diesem herrlichen Glauben zu werden. (20. November 1941 an einen einzelnen Gläubigen)

Bezüglich Ihrer Frage nach der Notwendigkeit größerer Einheit unter den Freunden gibt es keinen Zweifel, daß diese Notwendigkeit wirklich besteht. Der Hüter meint, daß eines der Hauptwerkzeuge, um sie zu erreichen, darin besteht, die Bahá'í selbst durch Unterricht und Verhaltensregeln zu lehren, daß Liebe zu Gott - und folglich zu den Menschen - die wesentliche Grundlage jeder Religion einschließlich unserer eigenen ist. Ein größeres Maß an Liebe wird ein größeres Maß an Einheit erzeugen, denn sie ermöglicht es den Menschen, nachsichtiger, geduldiger und verzeihender zu sein. (7. Juli 1944 an einen einzelnen Gläubigen, zitiert in "Bahá'í News" Nr. 173, Februar 1945 S. 3) +)

2. UNTERSTÜTZUNG DES ÖRTLICHEN GEISTIGEN RATES

Inzwischen müssen wir alles nur mögliche tun, um die Örtlichen und Nationalen Räte zu stärken und zu unterstützen, indem wir bei der Wahl sehr sorgfältig vorgehen, um damit die Wahl der weisesten und geeignetsten Mitglieder sicherzustellen und dann, indem wir loyal zusammenarbeiten und Gehorsam zeigen. Wenn wir Einwände gegen ihre Entscheidungen haben, müssen wir es sorgfältig vermeiden, diese Angelegenheit mit anderen Freunden zu besprechen, die keine Möglichkeit zur Verbesserung haben. Wir müssen unsere Ansicht dem Rat selbst offen vorlegen, und erst wenn wir keine befriedigende Antwort erhalten, dürfen wir uns an den Nationalen Rat wenden, falls es sich um das Verhalten eines Örtlichen Rates handelt und an Shoghi Effendi, falls es sich um den Nationalen Rat handelt. (4. März 1925 an einen einzelnen Gläubigen)

Die Situation in ..., über die ihm der Nationale Geistige Rat schon ausführlich schrieb, hat ihn sehr bekümmert und sein Herz bedrückt, da er davon überzeugt ist, daß nichts außer einer vollkommenen Einheit unter den Freunden, sowohl in ihren einzelnen wie gemeinsamen Bemühungen, insbesondere in dieser Zeit der administrativen Organisation und Entwicklung der Sache, den stetigen Fortschritt des Glaubens in jenem Zentrum sicherstellen kann. Es gibt keine Aufgabe, die dringlicher wäre als die Errichtung vollkommener Harmonie und Freundschaft unter den Freunden, besonders zwischen dem Geistigen Rat und den einzelnen Gläubigen. Der Örtliche Rat sollte in den einzelnen Gläubigen Vertrauen wecken, und diese sollten ihrerseits die Bereitwilligkeit ausdrücken, sich den Entscheidungen und Direktiven des Örtlichen Rates voll zu unterwerfen. Beide müssen Zusammenarbeit lernen und sich bewußt werden, daß die Institutionen der Sache nur durch eine solche Zusammenarbeit wirkungsvoll und ausdauernd funktionieren können. Während Gehorsam dem Örtlichen Rat gegenüber uneingeschränkt und aufrichtig sein soll, so muß diese Körperschaft ihre Entscheidungen in einer Weise durchsetzen, daß der Eindruck vermieden wird, sie durch eine diktatorische Haltung motiviert seien. Der Geist ist Glaubens wird von gegenseitiger Zusammenarbeit, nicht durch Diktatur bestimmt.

Die Gläubigen sollten den Richtlinien und Anweisungen ihres Rates Vertrauen entgegenbringen, selbst wenn sie nicht von deren Gerechtigkeit und Richtigkeit überzeugt sind. Sobald der Rat durch die Mehrheitsentscheidung seiner Mitglieder zu einem Beschluß gekommen ist, sollten die Freunde ihn bereitwillig befolgen. Besonders die Mitglieder des Rates mit einer abweichenden Meinung sollten der Gemeinde mit gutem Beispiel vorangehen und ihre persönlichen Ansichten dem Prinzip der Mehrheitsentscheidung opfern, das dem Funktionieren aller Bahá'í-Räte zugrunde liegt. (28. Oktober 1935 an einen einzelnen Gläubigen)

Die Räte sind errichtet worden, um die Angelegenheiten der Sache mit Autorität zu verwalten. Die Gläubigen haben das Recht, für jeden zu stimmen, den sie wollen. Auch wenn sie die Maßnahmen ihres Rates nicht gutheißen, so müssen sie doch um der Einheit des Glaubens willen dessen Entscheidungen mittragen. Der einzelne hat das Recht, Vorschläge zu machen, zu protestieren, aber er hat keine Rechte über den Rat. Seine Macht ist seine Stimme. Wenn einer der Freunde mit der örtlichen Situation unzufrieden ist, so sollte er dennoch mit seinem Örtlichen Geistigen Rat zusammenarbeiten und ihm nach Kräften helfen. Er kann für ihn beten, er kann durch sein eigenes Tun ein edles Bahá'í-Beispiel abgeben. Das System ist vollkommen; auch wenn die Instrumente unvollkommen sind, müssen wir doch das System unterstützen, wohl wissend, daß Gott Seine Sache bewahren und schützen wird und daß derartige Zustände vorübergehend sind und verschwinden werden, in dem Maße, wie die Sache wächst und die Bahá'í an Reife gewinnnen.

Er bittet Sie dringend, nicht zu verzagen und niemals mit dem Dienst am Glauben aufzuhören. Ganz egal, welche Einstellung die anderen haben, sie kann Sie nie von der Verpflichtung zu einer richtigen Einstellung entbinden; Ihre Pflicht besteht Gott gegenüber, und Sie können versichert sein, daß Er letztlich alle diese Probleme lösen wird. (14. November 1948 an einen einzelnen Gläubigen) +)

Beim Durcharbeiten der Korrespondenz, die er von Ihrem Rat erhält, ist er immer wieder davon betroffen, daß die Freunde so wenig gemäß der Administration verfahren. Statt ihre Beschuldigungen, Probleme oder Gefühle des Unglücklichseins vor den Örtlichen Rat zu bringen, wenden sie sich an einzelne Freunde oder einzelne Mitglieder des Rates, oder sie weigern sich, mit dem Rat zusammenzukommen. Als erstes sollten die Freunde sich an den Rat wenden - dazu haben wir ihn! Er meint, daß es diese Schwierigkeiten nie gegeben hätte, wenn die Bahá'í die Räte in der nötigen Weise benutzen würden. Eines der Heilmittel, das Bahá'u'lláh einer kranken Welt verschrieben hat, sind die Räte (die in Zukunft Häuser der Gerechtigkeit sein werden); ihre Mitglieder haben eine sehr heilige und schwere Verantwortung; ihre Macht bei der Führung der Gemeinde und beim Schutz und der Hilfe für die Mitglieder ist ebenfalls sehr groß. (30. Juni 1949 an einen Nationalen Geistigen Rat) +)

3. EMPFEHLUNGEN FÜR INSTITUTIONEN

Nun in bezug auf Ihren letzten, lieben Brief, in dem Sie fragen, ob ein Gläubiger das Recht hat, offen seine Kritik an einer Maßnahme oder Politik eines Rates auszusprechen: Es ist nicht nur das Recht, sondern die lebensnotwendige Verantwortung eines jeden loyalen und intelligenten Mitglieds der Gemeinde, offen und frei, aber mit der nötigen Achtung und Rücksicht vor der Autorität des Rates jeden Vorschlag, jede Empfehlung oder jede Kritik pflichtbewußt zu unterbreiten, um gewisse bestehende Zustände oder Tendenzen in seiner Gemeinde zu verbessern oder zu heilen, und es ist die Pflicht des Rates, solche ihm von irgendeinem Gläubigen vorgelegten Ansichten gewissenhaft in seine Überlegungen mit einzubeziehen. Die beste Gelegenheit zu diesem Zweck bietet das 19-Tagefest, das außer seinen sozialen und geistigen Aspekten auch verschiedene administrative Bedürfnisse und Erfordernisse der Gemeinde befriedigt. Dazu gehören hauptsächlich die offene und konstruktive Kritik und die Beratung über den Stand der Dinge in der örtlichen Bahá'í-Gemeinde.

Hierbei muß aber wieder betont werden, daß jede negative Kritik und Diskussion, die die Autorität des Rates als Körperschaft untergraben könnte, streng zu vermeiden ist. Denn anderenfalls käme die Ordnung des Glaubens selbst in Gefahr, und Uneinigkeit und Verwirrung würden in der Gemeinde herrschen. (13. Dezember 1939 an einen einzelnen Gläubigen) +)

Bezugnehmend auf die Angelegenheit von Frau ... und die Uneinigkeit, die unter gewissen Freunden in ... zu herrschen scheint: Wenn die Bahá'í erlauben, daß die dunklen Kräfte der Welt Eingang in ihre Beziehungen untereinander im Glauben finden, so gefährden sie ernstlich seinen Fortschritt. Es ist die allererste Pflicht der Gläubigen, des Örtlichen Geistigen Rates und besonders des Nationalen Geistigen Rates, Harmonie, Liebe und Verständnis unter den Gläubigen zu pflegen. Alle sollten bereit und willig sein, jedes persönliche Gefühl des Beleidigtseins - ob zu Recht oder Unrecht - zum Wohl des Glaubens zurückzustellen, denn die Menschen werden ihn nie annehmen, ehe sie nicht im Gemeindeleben das widergespiegelt finden, was in der Welt so schrecklich fehlt: Liebe und Einheit.

Bahá'í haben das volle Recht, Kritik an ihren Räten zu üben; sie dürfen offen ihre Ansicht über die Politik und einzelne Mitglieder ihrer gewählten Körperschaften dem Örtlichen oder Nationalen Rat gegenüber äußern, aber dann müssen sie aus ganzem Herzen den Rat oder den Beschluß des Rates akzeptieren, gemäß den Prinzipien, wie sie für diesen Zusammenhang in der Bahá'í-Administration niedergelegt sind. (3. Mai 1945 an einen Nationalen Geistigen Rat)

Footnotes
1. (Wilmette: Baha'i Publishing Trust, 1983)
2. (Haifa: Baha'i World Centre, 1972)
3. (Wilmette: Baha'i Publishing Trust, 1980)

(The memorandum was published by Australia in 1993)

(The nine references are from previously unavailable material (with the exception of the one quote previously published in the Baha'i News). The footnotes give the publishing information for the books cited in the main text; there are only 3 of them)

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