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Selbsterkenntnis und Psychologie
Ein Memorandum der Forschungsabteilung des Universalen Hauses der Gerechtigkeit
vom 1. August 1988
Die Forschungsabteilung hat die im Brief vom 21. Juni 1988 vom Nationalen Geistigen Rat von Italien ent-
haltene Frage an das Universale Haus der Gerechtigkeit studiert. Der Nationale Rat ist besorgt über das
wachsende Interesse an Psychologie in der Bahá’í-Gemeinde. Er hat die Beobachtung gemacht, daß Psycho-
logie ein übertriebenes Gefühl für die Wichtigkeit der Selbstreflexion wecken kann, was dann die jungen
Gläubigen stark beschäftigt und sie vom Lehren und Vertiefen ablenkt. Der Nationale Rat erbittet eine Zu-
sammenstellung von Auszügen aus den Schriften zu diesem Thema, die als Grundlage für seine Bemühun-
gen dienen soll, die Mitglieder der italienischen Gemeinde hier zu unterstützen. Wir bieten folgende Ant-
wort an.
Die Schriften bestätigen eindeutig die Wichtigkeit der Selbsterkenntnis, betonen die Notwendigkeit, sich um
die Unterordnung des Ego zu bemühen und weisen darauf hin, daß die „sehr junge und nicht
exakte Wissenschaft“ der Psychologie dabei eine Funktion hat. Die beigefügte Zusammenstellung behandelt
diese Themen und schneidet eine Reihe von Punkten an, die dem Nationalen Geistigen Rat bei seiner Unter-
suchung der verschiedenen Aspekte dieses wichtigen Gegenstandes helfen könnten.
Einige der in der Zusammenstellung behandelten Themen:
1. Selbsterkenntnis
* ihre Bedeutung (Auszug 1 und 2)
* das „wahre Selbst“ (Auszug 3)
* die Grundlage für das „wahre Verständnis“ des Selbstes (Auszug 12)
2. Entwicklung des Selbstes
* die Bedeutung der Erziehung (Auszug 8 und 10)
* die Rolle des individuellen Wollens und Bemühens (Auszug 5 und 9)
* der „Schlüssel“ zum Sieg über das Selbst (Auszug 14)
3. Gefahren der alleinigen Konzentration auf das Selbst (Auszug 11 und 13)
4. Die Notwendigkeit, über das Selbst hinauszuschauen
* ein „weltumfassender“ Blick (Auszug 4)
* lebhafte Anteilnahme an den „ Nöten der Zeit“ (Auszug 7)
5. Das Ego und das Selbst
* zwei Bedeutungen des Selbstes (Auszug 15)
* Unterordnung oder Auslöschung des Egos (Auszug 20)
* Notwendigkeit, gegen das Ego anzukämpfen (Auszug 16)
* moderne Überbetonung des Egos und des Selbstes in der Psychologie (Auszug 20)
6. Die Rolle der Psychologie in der Bahá’í-Religion
* Kommentar über Freud, Psychiatrie, Psychologie und Kinderpsychologie (Auszug 17)
* Bahá’í wird nicht abgeraten, psychiatrische und psychologische Hilfe anzunehmen (Auszug 17)
* Die Psychologie ist vorläufig eine „ sehr junge und ungenaue Wissenschaft“ (Auszug 18)
* Ratschlag für Bestimmungsmöglichkeiten „welche Konzepte der Psychologie nach Bahá’í-Maßstäben
gültig sind“ (Auszug 21)
* Bahá’í werden Beiträge zur Entwicklung des ganzen Bereiches der Psychologie machen (Auszug 18 und
19)

Selbsterkenntnis
Aus den Schriften Bahá’u’lláhs
1. Das erste Taraz und der erste Lichtstrahl, der am Horizont des Mutterbuches anbricht, ist, daß der
Mensch sich selbst erkennen und unterscheiden soll, was zu Erhöhung und Erniedrigung, zu Ruhm und
Schande, zu Reichtum und Armut führt....
Botschaften aus Akka 4:8
2. Wahren Verlust erleidet, wer seine Tage in völliger Unkenntnis über sein wahres Selbst verbringt.
Botschaften aus Akká 10:22
3.... Durch die Lehren dieser Sonne der Wahrheit wird jeder Mensch fortschreiten und sich entwickeln, bis
er die Stufe er reicht, auf der er alle in ihm verborgenen Kräfte offenbaren kann, mit denen sein Innerstes
wahres Selbst begabt worden ist. Zu eben diesem Zweck sind in jedem Zeit alter und in jeder Sendung die
Propheten Gottes und Seine Auserwählten unter den Menschen erschienen und haben eine Kraft gezeigt,
wie sie von Gott geboren ist, und eine Macht, wie sie nur der Ewige offenbaren kann.
Ährenlese 27:5
4. Laßt eueren Blick weltumfassend sein, anstatt ihn auf euer Selbst zu beschränken. Ährenlese 43:5
5. Und nun zu deiner Frage nach der Erschaffung des Menschen. Wisse, daß alle Menschen in der von
Gott, dem Bewahrer, dem Selbstbestehenden, bestimmten Art erschaffen sind. Jedem ist, wie auf Gottes
mächtigen, wohlverwahrten Tafeln verfügt, ein vorbestimmtes Maß zugewiesen. Alles, was ihr an Anlagen
besitzt, kann jedoch nur als Ergebnis eueres eigenen Wollens offenbar werden. Euere Taten bezeugen diese
Wahrheit....
Ährenlese 77:1
6. Alles in den Himmeln und auf Erden ist unmittelbar Beweis dafür, daß sich darin Gottes Eigen-
schaften und Namen offenbaren, da jedes Atom die Zeichen verwahrt, welche für die Offenbarung des
Größten Lichtes beredtes Zeugnis ablegen. Mich dünkt, ohne die Macht dieser Offenbarung könnte kein
Wesen je bestehen. Wie hell strahlen die Leuchten der Erkenntnis in einem Atom, wie weit hin wogen die
Meere der Weisheit in einem Tropfen! In höchstem Grade gilt dies für den Menschen, der unter allem Er-
schaffenen mit dem Gewande solcher Gaben bekleidet und für die Herrlichkeit einer solchen Auszeichnung
auserkoren wurde. Denn in ihm sind alle Namen und Eigenschaften Gottes der Anlage nach in einem Maß
offenbart, das nichts Erschaffenes sonst überragt oder übertrifft. Alle diese Namen und Eigenschaften tref-
fen auf ihn zu. So hat Er gesagt: „Der Mensch ist Mein Geheimnis, und Ich bin sein Geheimnis.“ Mannigfal-
tig sind die Verse, die in all den himmlischen Büchern und den heiligen Schriften wiederholt zu diesem
tiefsten, erhabensten Thema offenbart worden sind. So hat Er offenbart: „Wir werden ihnen sicherlich Unse-
re Zeichen zeigen in der Welt und in ihnen selbst.“ (Qur’an 51:21-22) Und wiederum offenbarte Er: „Und
seid nicht wie jene, die Gott vergessen und die Er darum ihr eigenes Selbst vergessen ließ.“ (Qur’an 59:20)
In diesem Zusammenhang hat Er, der ewige König - mögen die Seelen aller, die im mystischen Tabernakel
wohnen, ein Opfer für Ihn sein - gesprochen: „Der hat Gott erkannt, der sich selbst erkannt hat.“ (Ausspruch
des Imam’Alí)
Ährenlese 90:1
7. Der allwissende Arzt legt Seinen Finger an den Puls der Menschheit. Er erkennt die Krankheit und
verschreibt in Seiner unfehlbaren Weisheit das Heilmittel. Jede Zeit hat ihr eigenes Problem, jede Seele ihre
besondere Sehnsucht. Das Heilmittel, dessen die Welt in ihren gegenwärtigen Nöten bedarf, kann nicht das
gleiche sein, das ein späteres Zeitalter erfordern mag. Befaßt euch gründlich mit den Nöten der Zeit, in der
ihr lebt, und legt den Schwerpunkt eurer Überlegungen auf ihre Bedürfnisse und Forderungen.
Ährenlese 106:1
8.... Betrachte den Menschen als ein Bergwerk, reich an Edelsteinen von unschätzbarem Wert. Nur die Er-
ziehung kann bewirken, daß es seine Schätze enthüllt und die Menschheit daraus Nutzen zu ziehen vermag.
Ährenlese 122:1
9. Aus dem erhabenen Quell, aus dem Wesen Seiner Gunst und Güte hat Er alles Erschaffene mit ei-
nem Zeichen Seiner Erkenntnis betraut, auf daß keines Seiner Geschöpfe davon ausgeschlossen sei, seinen
Anteil von dieser Erkenntnis kundzutun, jedes nach seiner Fähigkeit und nach seinem Rang. Dieses Zeichen
ist der Spiegel Seiner Schönheit in der Welt der Schöpfung. ..
Es kann keinen Zweifel geben, daß durch die Anstrengungen, die jeder Mensch bewußt unternimmt, und
durch den Einsatz seiner geistigen Fähigkeiten dieser Spiegel vom Schmutz irdischer Befleckung so gerei-
nigt und von teuflischem Wahn so befreit werden kann, daß er den Auen ewiger Heiligkeit nahen und die
Höfe immerwährender Gemeinschaft erreichen kann....
Ährenlese 124:2, 3
10. Wer immer sich unter euch erhebt, die Sache seines Herrn zu lehren, der lehre vor allem sein eige-
nes Ich, damit seine Rede die Herzen seiner Hörer anziehe. Ehe er sich nicht selbst lehrt, werden die Worte
seines Mundes das Herz des Suchers nicht berühren. Habt acht, o Menschen, daß ihr nicht zu denen gehört,
die anderen einen guten Rat geben, aber vergessen, ihn selbst zu befolgen.
Ährenlese 128:5
11. Selig bist du, weil du den Götzen des Selbstes und des leeren Trugs vernichtet und den Schleier
eitlen Wahns durch die Kraft und Macht deines Herrn, des höchsten Beschirmers, des Allmächtigen, des
einzig Geliebten, zerrissen hast....
Ährenlese 135:2
12. O Meine Diener, könntet ihr begreifen, mit welchen Wundern Meiner Großmut und Freigebigkeit
Ich eure Seelen betrauen will, ihr würdet euch in Wahrheit von der Bindung an alles Erschaffene lösen und
wahre Erkenntnis eurer selbst gewinnen -eine Erkenntnis, die das gleiche ist wie das Begreifen Meines eige-
nen Seins. Ihr würdet euch von allem außer Mir unabhängig finden und würdet mit euerem inneren und äu-
ßeren Auge, klar wie die Offenbarung Meines strahlenden Namens, die Meere Meiner Güte und Freigebig-
keit in euch wogen sehen. Laßt nicht zu, daß euere nichtigen Einbildungen, euere bösen Leidenschaften,
euere Unaufrichtigkeit und Herzensblindheit den Glanz einer so erhabenen Stufe traben oder ihre Heiligkeit
beflecken.
Ährenlese 253:6
13.... manche schwachen Seelen sind der Sonne der geistigen Bedeutung und der Geheimnisse des ewigen
Geliebten beraubt, da sie den Boden der Erkenntnis mit der Mauer des Ichs und des Begehrens und durch
die Schleier der Achtlosigkeit und Blindheit begrenzt haben. Sie sind weit von den Juwelen der Weisheit der
offenbaren Religion des Herrn der Boten abgewichen und vom Heiligtum der Erhabenen Schönheit und der
Ka’bih der Herrlichkeit ausgeschlossen worden. Dies ist der Zustand des heutigen Menschen!
Sieben Täler, Tal der Einheit

Aus den Worten ‘Abdu’l-Bahás
14.... Heute ist die Bestätigung des Abhá Königreiches mit jenen, die sich selbst verleugnen, die eigene
Meinung vergessen, von Persönlichkeiten unabhängig zu werden und an das Wohl anderer denken. Wer sich
selbst vergaß, hat das Weltall und seine Bewohner gefunden. Wer mit sich selbst beschäftigt ist, wandert in
der Wüste der Achtlosigkeit und des Schmerzes. Der „Universalschlüssel“ zur Selbstbeherrschung ist
Selbstvergessen. Der Weg zum Palast des Lebens führt durch den Pfad der Selbstverleugnung.
(„ Star of the West, Bd. 17, Nr. 2, v. Ma’ 1926, S. 348)

Aus Briefen im Auftrage Shoghi Effendis
15.... Der Begriff „Selbst“ hat in den Bahá’í-Schriften tatsächlich zwei Bedeutungen oder wird in zweifa-
chem Sinn gebraucht. Zum einen ist das Selbst die Identität des von Gott geschaffenen Individuums. Es ist
das Selbst, das in Sätzen wie diesem gemeint ist: „ Der hat Gott erkannt, der sich selbst erkannt hat“ usw.
Das andere Selbst ist die Ichhaftigkeit, das dunkle triebhafte Erbe, das jeder von uns hat, die niedere Natur,
die zu einem Ungeheuer von Selbstsucht, Brutalität, Lust usw. auswachsen kann. Dieses Selbst - oder diese
Seite unserer Natur - ist es, gegen das wir ankämpfen müssen, um das geistige Wesen in uns zu kräftigen
und zu befreien und ihm zu helfen, seine Vollkommenheit zu erlangen.....
10. Dezember 1947, an einen Gläubigen (Zum wirklichen Leben, S.28)
16.... Das Leben ist ein ständiger Kampf, nicht nur gegen die Kräfte um uns, sondern vor allem gegen unser
eigenes „ Ego“ . Wir können es uns niemals erlauben, auf unseren Lorbeeren auszuruhen, denn wenn wir es
tun, werden wir bald merken, wie die Strömung uns zurücktreibt. Viele, die von der Sache abdriften, tun
dies, weil sie auf gehört haben sich weiterzuentwickeln. Sie werden selbstgefällig oder gleichgültig und
hören daher auf, die geistige Stärke und Lebenskraft aus der Sache zu beziehen, die sie brauchen.- Natürlich
versagen einige manchmal, weil sie sich einer Prüfung nicht stellen, und oft bereiten wir uns gegenseitig die
schlimmsten Prüfungen. Gewiß sollten die Gläubigen versuchen, diese Dinge zu vermeiden und wenn es
trotzdem geschieht, sie durch Liebe zu heilen. Ganz allgemein kann man sagen, daß neun Zehntel der
Schwierigkeiten der Freunde daher rühren, daß sie in ihrer Beziehung zu einander, zu den Verwaltungs-
einrichtungen oder in ihrem persönlichen Leben nicht das tun, was Bahá’í tun sollten.
(Aus einem Brief an einen Gläubigen, veröffentlicht in Principles of BahᒠíAdministration: A Compilati-
on“, 3. Ausgabe (London: Bahá’í Publishing Trust, 1973), S. 87-88)
Aus Briefen des Universalen Hauses der Gerechtigkeit oder in dessen Auftrag geschrieben
17. Ihr Brief vom 4. Dezember berichtet über gewisse Pilgernotizen, die dem geliebten Hüter abwerten-
de Bemerkungen über Psychiatrie und Psychologie zuschreiben. Folgender Auszug aus einem Brief des Hü-
ters, der in den U. S. Baha’f News Nr. 236, Oktober 1950, veröffentlicht wurde, könnte Ihnen bei dieser
Frage von Nutzen sein:

In unseren Lehren steht nichts über Freud und seine Methoden. Psychiatrische Behandlung im allgemeinen
ist ohne Zweifel ein wichtiger Beitrag zur Medizin, aber wir glauben, daß es eher eine sich noch im Wachs-
tum befindende, als eine ausgereifte Wissenschaft ist. Da Bahá’u’lláh uns aufgefordert hat, die Hilfe guter
Ärzte zu suchen, steht es den Bahá’í selbstverständlich nicht nur frei, sich an die Psychiatrie um Hilfe zu
wenden, sondern sie sollten es auch tun, wenn diese zur Verfügung steht. Dies bedeutet nicht, daß Psychia-
ter immer weise sind und immer Recht haben; es bedeutet, daß es uns freisteht, das beste für uns in An-
spruch zu nehmen, was die Medizin uns zu bieten hat.
Was der Hüter über Psychiatrie gesagt hat, kann ganz allgemein auch über die Psychologie gesagt werden,
einschließlich der Kinderpsychologie, aber wir haben keine Texte gefunden, die dies belegen.
(18. Februar 1972, geschrieben vom Universalen Haus der Gerechtigkeit an einen Gläubigen)
18. Bei all dem sprachen wir über die Einstellung, die Bahá’í gegenüber dem Gesetz Bahá’u’lláhs haben
sollten. Jedoch werden Sie als Arzt, der hauptsächlich als Berater in Familien- und Sexualproblemen arbei-
tet, zum großen Teil damit beschäftigt sein, Nicht-Bahá’í zu beraten, die die Gesetze Bahá’u’lláhs nicht
anerkennen und auch keinen Grund sehen, sie zu befolgen. Sie sind bereits ein qualifizierter Fachmann auf
Ihrem Gebiet und geben ohne Zweifel Ihren Rat auf der Basis dessen. was Sie aus dem Studium und der
Erfahrung gelernt haben - ein Geflecht von Konzepten über den menschlichen Geist und Verstand, sein
Wachstum, seine Entwicklung und richtiges Funktionieren, das Sie ohne Bezug auf die Lehren Bahá’u’lláhs
gelernt und erarbeitet haben. Nun, als Bahá’í wissen Sie, daß das, was Bahá’u’lláh über den Zweck des
menschlichen Lebens, die Natur des Menschen und die richtige Lebensführung des Menschen lehrt, göttlich
offenbart und daher wahr ist. Es wird Sie jedoch unweigerlich Zeit kosten, die Bahá’í-Lehren so zu stu-
dieren, daß Sie sie nicht nur verstehen, sondern auch herausarbeiten, wie sich Ihre beruflichen Konzepte
ändern. Dies ist natürlich für einen Wissenschaftler keine ungewöhnliche Situation. Wie oft im Laufe der
Forschung wurde ein Faktor entdeckt, der eine Revolution im Nachdenken über ein weites Gebiet menschli-
chen Bemühens erforderte. In jedem Fall müssen Sie von Ihrem eigenen professionellen Wissen und Ur-
teilsvermögen, das von Ihrem wachsenden Verständnis der Bahá’í-Lehren erleuchtet wird, geführt werden;
zweifellos werden Sie feststellen, daß Ihr eigenes Verständnis der menschlichen Probleme, mit denen Sie
bei Ihrer Arbeit zu tun haben, sich ändert und entwickelt und Sie werden neue und bessere Wege finden, wie
Sie den Menschen helfen können, die zu Ihnen kommen. Psychologie ist noch eine sehr junge und ungenaue
Wissenschaft, und mit den Jahren werden Bahá’íPsychologen, die durch die Lehren Bahá’u’lláhs das wahre
Muster des Lebens erkennen, fähig sein, große Fortschritte in der Entwicklung dieser Wissenschaft zu ma-
chen, und werden tiefgreifend zur Linderung menschlichen Leidens beitragen.
(12. Januar 1973 geschrieben vom Universalen Haus der Gerechtigkeit an einen Gläubigen)
19. Was das System der Individualpsychologie betrifft, so ist in den Schriften nichts zu finden, was
irgendeine besondere Theorie dieser Wissenschaft unterstützt.... Ohne Zweifel werden mit der Zeit fähige
Bahá’í mit akademischen Neigungen, die Zugang zu den gesamten Texten der Heiligen Schriften haben,
große Fortschritte in der Entwicklung der Psychologie, wie auch in anderen Wissenschaften, zum Nutzen
der ganzen Menschheit machen.
(21. Juni 1976 im Auftrag des Universalen Hauses der Gerechtigkeit an einen Gläubigen)
20. Das Universale Haus der Gerechtigkeit hat Ihren Brief vom 24. April über moderne Vorstellungen
der Psychologie erhalten und hat uns gebeten, seine Anmerkungen zu übermitteln.

Ihre Besorgnis bezüglich der Überbewertung des Selbstes und des Ego wiederholt ein zentrales Thema der
Manifestation und ist Gegenstand vieler Andeutungen in Seinen Schriften, worin Er etwa von „dem Übel
der Ichhaftigkeit“ und von jenen, die „Gefangene der Ichhaftigkeit“ sind, spricht. Der Meister bezieht sich
auf „den Rost der Ichhaftigkeit“ und spricht von „... der Spitzfindigkeit des menschlichen Ego. Es ist der
Verführer (die spitzfindige Schlange des Verstandes) und die arme Seele, die von seinen Einflüsterungen
nicht ganz frei ist, wird solange getäuscht, bis sie sich vollkommen von allem außer Gott löst.“ In einem
anderen Abschnitt sagt Er: „Solange das Ego den fleischlichen Gelüsten untertan ist, werden Sünde und
Irrtum weiterbestehen. „ Und Er verspricht, daß mit beharrlichem Bemühen „der Mensch von Egoismus frei
werden wird: er wird von der materiellen Welt erlöst..“.
Auszüge aus im Auftrag des geliebten Hüters von seinen Sekretären geschrieben Briefen werden hilfreich
sein, gewisse Ihrer Fragen zu klären:
In bezug auf Ihre Fragen, die Sie in Ihrem Brief gestellt haben: Die einzigen Menschen, die wahrlich von
„der Schlacke des Selbstes „ frei sind, sind die Propheten, denn vom eigenen Ego frei zu sein, ist ein Kenn-
zeichen der Vollkommenheit. Wir Menschen werden niemals vollkommen werden, denn Vollkommenheit
gehört zu einem Bereich, in den einzutreten für uns nicht bestimmt ist. Wir müssen jedoch beständig immer
höher steigen und versuchen vollkommener zu werden.
Das Ego ist das Tier in uns, das Erbe des Fleisches, welches voller selbstsüchtiger Begierden ist. Indem wir
den Gesetzen Gottes gehorchen, versuchen, das Leben so zu leben, wie es in unseren Lehren niedergelegt
ist, und durch Gebet und Mühe, können wir unser Selbst überwinden. Wir nennen jene Menschen „Heilige“,
die den höchsten Grad der Beherrschung Ihres Selbstes erreicht haben.
Es besteht kein Widerspruch zwischen Ährenlese 27:3 und 124:3. An einer Stelle sagt Er, daß der Spiegel
niemals sich selbst vom Schmutz befreien kann, an einer anderen sagt Er, er wird so „gereinigt sein, daß er
fähig wird,“ usw. Dies ist relativ; Vollkommenheit wird niemals erreicht, aber großer und immer größerer
Fortschritt kann gemacht werden.
(an einen Gläubigen, am 8. Januar 1949)
Die Gläubigen sollten sich, wie wir alle wissen, bemühen, ein solches Vorbild in ihrem persönlichen Leben
und Verhalten zu sein, daß andere sich gedrängt sehen, einen Glauben anzunehmen, der den menschlichen
Charakter verwandelt. Leider erreicht jedoch nicht jeder leicht und schnell den Sieg über das Selbst. Jeder
Gläubige, neu oder altgedient, sollte sich bewußt machen, daß die Sache (Gottes) die geistige Kraft besitzt,
uns neu zu erschaffen, wenn wir die Anstrengung machen, dieser Macht zu erlauben, Einfluß auf uns zu
haben, und die größte Hilfe hierzu ist das Gebet. Wir müssen Bahá’u’lláh bitten, uns zu helfen, die Schwä-
chen unseres Charakters zu überwinden und auch unsere eigene Willenskraft einsetzen, um unser Selbst zu
meistern.
(an einen Gläubigen, am 24. Januar 1945)
Zu den Punkten, die Sie in Ihrem Brief anschneiden: Die völlige, gänzliche Auslöschung des Ich würde
Vollkommenheit bedeuten—die der Mensch nie ganz erreichen kann—aber das Ich kann und sollte in stei-
gendem Maß der erleuchteten Seele des Menschen untergeordnet werden. Das ist mit geistigem Fortschritt
gemeint.
(an einen Gläubigen, am 19. Dezember 1941)
Vielleicht ist es für Sie von zusätzlicher Hilfe, sich in dieser komplexen Frage des Selbstes und seiner Ei-
genschaften mit Bahá’í zu beraten, die in Psychologie und Psychiatrie ausgebildet und vielleicht in der Lage
sind, die Unterschiede zwischen den heutigen wissenschaftlichen Begriffen des Verstandes und seiner Funk-
tionen und den Begriffen, die aus den Heiligen Schriften herrühren, zu erklären.
Die Schriften beziehen sich häufig auf die Unverletzlichkeit des einzelnen, aber auch auf die sozialen Re-
geln, die auf den ethischen Grundsätzen des Glaubens gründen - Grundsätze, die jeder von uns beachten
muß, wenn wir nicht dabei versagen wollen, in unserem Leben jene Tugenden widerzuspiegeln, die von dem
großen Lehrer unseres Tages vorgetragen werden, und damit versäumen, unserer wahren Bestimmung als
geistige Wesen zu entsprechen. (4 August 1977 im Auftrag des Universalen Hauses der Gerechtigkeit an
einen Gläubigen)
21. In bezug auf Ihre Frage, welche Konzepte der Psychologie dem Bahá’í-Standard entsprechen,
schlägt das Universale Haus vor, daß ein genaues Studium des Teils IV der „Beantworteten Fragen“, beson-
ders Kapitel 48 über „Den Unterschied zwischen Mensch und Tier“, Ihnen helfen wird, jeden Begriff in der
richtigen Perspektive zu sehen, der im Rahmen ihres Promotions-Lehrplans gelehrt wird. Als Bahá’í können
Sie feststellen, wann ein Begriff den geistigen Teil des Menschen unberücksichtigt läßt.
(14. September 1980 im Auftrag des Universalen Hauses der Gerechtigkeit an einen Gläubigen)


Vertiefung: Selbsterkenntnis und Psychologie Memorandum der Forschungsabteilung UHG 1.8.1988


Hamburg, den 12.06.2003 Datei: psychologie Seite: 5

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