Read: %2Fde%2FBahaitum%2FBahai-Studien%2FSonstiges%2FTaherzadeh%2C Schenk dein Herz


Schenk dein Herz
Bahá’u’lláh
nach einem Referat
von Adib Taherzadeh

Die Offenbarung Bahá’u’lláhs hat uns viele wunderbare Begriffe gebracht. Einer bezieht sich auf das Lehren
der Sache Gottes. Während in »Nicht-Bahá’í-Kreisen« der Hauptzweck beim Lehren einer Religion die Ver-
mehrung der Mitglieder einer Gemeinde ist, ist im Glauben Bahá’u’lláhs das Lehren der Sache ein Akt der
Hingabe an Gott und in Seinen Augen die lobenswerteste Tat. Bahá’u’lláh ermahnt Seine Anhänger mit die-
sen Worten: '"Lehrt die Sache Gottes, o ihr vom Volke Bahás, denn Gott hat es jedem zur Pflicht gemacht,
Seine Botschaft zu lehren und sieht es als die verdienstvollste aller Taten an. (»Ährenlese«, S. 18Z). Und
'Abdu'l-Bahá sagt: »Das Lehren der Sache ist von äußerster Wichtigkeit, denn es ist der Haupteckstein des
Fundamentes.«

Der Hauptzweck des Lehrens ist nicht einfach, die Mitgliederzahl der Bahá’í-Gemeinde zu vergrößern, ob-
wohl dies eines der Resultate ist. Der wesentlichste Beweggrund ist, daß jeder einzelne Mensch Bahá’u’lláh
erkennen und Ihm näher kommen soll. In der ganzen Schöpfung gibt es nichts Wichtigeres als die Hinwen-
dung der Seele zu Gott.

In der physischen Welt sehen wir die Anziehungskraft zwischen der Erde und allem, was in den Einfluß ihrer
Schwerkraft kommt. Die Erde neigt dazu, alles anzuziehen, und das Ziel eines jeden Gegenstandes ist es
schließlich, sie zu erreichen und auf ihr zu ruhn.

Das gleiche Gesetz der Anziehung bindet den Schöpfer an Seine Schöpfung. Die Seele ist hingezogen zu
den Welten Gottes, und wenn die Schranken, die zwischen beiden stehen, fallen, wird der Mensch seine
wahre Bestimmung erreichen. Die Sache Gottes lehren ist die Handlung, um diese Schranken zu beseitigen.
Wenn die Seele Bahá’u’lláh erkennt, wird sie ihren Wohnsitz erreichen, und nichts ist in den Augen Gottes
verdienstvoller, als daß Seine Diener sich völlig Ihm zuwenden.

Das Ziel des Bahá’í-Lehrers ist, daß die Botschaft Gottes verherrlicht werde und die Menschen befähige,
Seine Sache anzunehmen, Seinen Ruhm zu künden und sich Ihm mehr zuzuwenden. Das Lehren ruft mehr
als alles andere das Wohlwollen Gottes hervor.

In einem Seiner Tablets versichert Bahá’u’lláh, daß zwei Dinge Gott gefallen: die Tränen, die aus Furcht vor
Ihm vergossen werden und das Blut des Märtyrers, das auf Seinem Pfade vergossen wird. Aber da das letz-
tere nicht immer möglich ist und Bahá’u’lláh Seinen Anhängern geraten hat, ihr Leben nicht absichtlich hin-
zugeben, hat Er dies durch das Lehren der Sache ersetzt. Wir wissen, wie erhaben die Stufe jener ist, die
das Märtyrertum auf dem Pfade Gottes angenommen haben. Bahá’u’lláh offenbart in den Verborgenen Wor-
ten diese erhabene Stufe: »0 Sohn des Menschen! Bei Meiner Schönheit! Wenn du dein Haar mit deinem
Blute färbst, so ist dies in Meinen Augen größer als die Schöpfung des Weltalls und der Glanz, beider Wel-
ten...« (»Verborgene Worte« [arab.] Nr 47).

Und doch, so erhaben ist die Stufe der Lehrer in den Augen Gottes, daß Bahá’u’lláh in einem anderen Tablet
versichert, daß in dieser Sendung es vorzuziehen ist, mit Weisheit zu lehren, anstatt sein Leben hinzugeben.
Deshalb können wir sehen, daß das .ehren weit tiefere geistige Bedeutung hat als es auf den ersten Blick
erscheint. Um einen solchen Akt der Hingabe auszuführen, dem das gleiche Verdienst zukommt, als wenn
man auf dem Pfade Gottes sein Leben gibt, bedarf es einiger geistiger Voraussetzungen. Ohne diese wird
das Lehren zu einer mechanischen Handlung, die keinen Eindruck auf die Hörer macht.

Diese Voraussetzungen sind in den Schriften von Bahá’u’lláh und ‘Abdu’l-Bahá zu finden. Shoghi Effendi hat
einige von ihnen in seinem Brief an die nordamerikanischen Gläubigen »Das Kommen Göttlicher Gerechtig-
keit« (S. 37-55) aufgezählt; ein Jahr später gab er ihnen ihren wichtigsten Plan, den ersten Siebenjahresplan.
Man kann diese Voraussetzungen in einem Satz zusammenfassen, nämlich: »das Leben im Einklang mit
den Bahá’í-Lehren zu leben«.

Es steht auch sehr klar in den Schriften, daß ohne diese Voraussetzungen niemand im Lehren der Sache
Erfolg haben wird. Bahá’u’lláh sagt in einem Seiner Tablets: »Gott hat jedem die Pflicht auferlegt, Seine Sa-
che zu lehren. Wer sich erhebt, um diese Pflicht zu erfüllen, muß sich vor dem Verkünden Seiner Botschaft -
das ist unerläßlich -mit dem Schmuck eines aufrechten und lobenswerten Charakters zieren, damit seine
Worte die Herzen derer anziehen, die für seinen Ruf empfänglich sind. Ohne diesen kann er niemals hoffen,
auf seine Hörer einzuwirken.«
(»Ährenlese«, S. 219).

Diese Darlegung Bahá’u’lláhs ist unwiderruflich, denn Er sagt: »Ohne diesen kann er niemals hoffen, auf
seine Hörer einzuwirken«. Das Wort »niemals« ist sehr betont und schließt jede andere Lehrweise aus. In
unzähligen anderen Tablets hat Bahá’u’lláh ähnliche Erklärungen offenbart.

‘Abdu’l-Bahá schreibt in einem Seiner Tablets: »Das Ziel ist dieses: die Absicht des Lehrers muß rein sein,
sein Herz unabhängig, sein Geist angezogen, sein Denken in Frieden, seine Entscheidung fest, seine Groß-
mut erhaben und in der Liebe zu Gott eine leuchtende Fackel. Wenn er so wird, wird sein geheiligter Atem
sogar Felsen anziehen; anders wird es keinen Erfolg geben.<r (»Der Bahá’í und die Bahá’í-Gemeinschaft«,
S. 107).

Wieder bemerken wir, wie betont der letzte Satz ist: »Anders wird es keinen Erfolg geben.« Es gibt zahllo-
se Tablets von ‘Abdu’l-Bahá mit ähnlichen Schlußfolgerungen.

Shoghi Effendi hat ebenso in vielen seiner Briefe unsere Aufmerksamkeit auf diese Wahrheit gelenkt. Hier
nur eine bekannte Stelle:

»Nicht durch die Stärke unserer Zahl, nicht durch die bloße Darlegung einer Anzahl neuer, edler Grundsätze,
nicht durch einen wohlorganisierten Lehrfeldzug, gleichviel wie weltweit und durchdacht er im Wesen sein
mag, ja nicht einmal durch die Festigkeit unseres Glaubens oder die Kraft unserer Begeisterung können wir
am Ende hoffen, in den Augen eines kritischen und skeptischen Zeitalters den erhabenen Anspruch der Ba-
há'í-Offenbarung zu rechtfertigen. Eines, und nur eines wird unfehlbar und mit Gewißheit den unzweifelhaften
Sieg der Heiligen Sache sichern, nämlich das Maß, in dem unser persönliches, inneres Leben und unser
eigenes Verhalten vielfältig den Glanz dieser ewigen von Bahá’u’lláh verkündeten Wesensmerkmale wider-
spiegeln.«
(»Der Bahá’í und die Bahá’í -Gemeinschaft«, S. 17).

Mit dieser Erklärung hat Shoghi Effendi keinen Raum gelassen für eine Alternative zu dieser lebenswichtigen
Voraussetzung des Lehrens, das ist »das Leben zu leben«. Denn er sagt (und wir wollen auf die besondere
Betonung des letzten Satzes achten): »Eines, und nur eines wird unfehlbar und mit Gewißheit den un-
zweifelhaften Sieg der Heiligen Sache sichern, nämlich das Maß, in dem unser persönliches, inneres
Leben und unser eigenes Verhalten vielfältig den Glanz dieser ewigen von Bahá’u’lláh verkündeten
Wesensmerkmale widerspiegeln.«

Das Universale Haus der Gerechtigkeit ließ kürzlich an die Bahá’í-Welt einige Zitate aus den Schriften Ba-
há’u’lláhs, ‘Abdu’l-Bahás und Shoghi Effendis über das Lehren hinausgehen. Bei Prüfung dieser Zitate wird
klar, daß das Lehren dann erfolgreich wird, wenn der Lehrer der Sache völlig ergeben ist, sich mit einem
guten Charakter schmückt und in Übereinstimmung mit den Lehren Bahá’u’lláhs lebt.

Es gibt viele Menschen, die nicht Bahá’í sind, aber erzogen wurden, ein gutes Leben in ihren Traditionen zu
leben. Seit ihrer Kindheit üben sie sich, höflich, freundlich und liebevoll zu sein. Sie zeigen viele gute Qualitä-
ten, die ihnen seit ihrer Kindheit eingeprägt wurden und die ihnen nun zur zweiten Natur geworden sind. Sie
vollbringen gute Taten als Selbstverständlichkeit und aus Gewohnheit. Natürlich sind solche Menschen zu
loben. Aber da sie nicht mit dem Geist des Glaubens Bahá’u’lláhs ausgestattet sind, sind sie wie vollkomme-
ne Lampen, die nicht angezündet sind.

Das Leben als Bahá’í zu leben unterscheidet sich insofern, als sein Herz in Liebe zu Bahá’u’lláh entflammt
ist. Es ist diese Liebe, die den Unterschied macht und die fähig ist, die Lehren Bahá’u’lláhs »widerzuspie-
geln«.

Die Frage ist immer: wie können wir beginnen, das Leben als Bahá’í zu leben?

Der erste Schritt, das Leben zu leben, ist, sich in Bahá’u’lláh zu verlieben. Ohne diese Liebe ist es unmög-
lich, in diesem Glauben irgend etwas zu erreichen. Sicher ist die Geschichte jeder Religion in der Sprache
der Liebe geschrieben. Oft erkennen Menschen Bahá’u’lláh mit dem Verstande an. Das ist nicht genug. Ehe
der Mensch nicht Bahá’u’lláh liebt, kann er nicht die geistige Fassungskraft erhalten, der Sache Gottes an
diesem Tage zu dienen. Das Lehren der Sache erfordert Reinheit der Beweggründe, die ihren Ursprung in
der Liebe haben, die der Gläubige in seinem Herzen zu Bahá’u’lláh hegt.

Aber wie die meisten Dinge dieses Lebens wachsen, so wächst die Liebe zu Bahá’u’lláh in unserem Herzen.
Immer gibt es da einen Beginn für diese Liebe. Wenn ein Mensch die Sache Bahá’u’lláhs annimmt, erscheint
der Funke des Glaubens in seinem Herzen. Nun macht er den ersten Schritt auf der Reise seiner Liebe zu
Bahá’u’lláh. Die Kerze seines Herzens ist dann gerade angezündet. Aber seiner Liebe muß gestattet werden,
zu wachsen; diesem Licht muß erlaubt werden, ein großes Feuer zu werden.

Hier muß der Mensch seine Reise der Liebe zu Bahá’u’lláh fortsetzen. Wenn er sich in den Ozean der Worte
Bahá’u’lláhs versenkt, wenn er sein Herz dem Einfluß Seiner Offenbarung öffnet, wenn er sich mit ergebenen
Bahá’í die für den Glauben entflammt sind, vereinigt, wenn er die Gesellschaft mit den Ungläubigen meidet
und er sich erhebt, um der Sache zu dienen, dann wird seine Liebe zu Bahá’u’lláh von Tag zu Tag wachsen,
und er wird ein tiefer Bahá’í werden.

Vertiefung im Glauben wird oft mißverstanden. Man versteht darunter nur Studienklassen, Kurse und die
Teilnahme an intellektuellen Diskussionen. Oft führen wir in diesen Diskussionen unsere eigenen Gedanken
und auch moderne Theorien in die Lehren Bahá’u’lláhs ein und lassen dadurch den Glauben so kompliziert
erscheinen wie eine hochentwickelte wissenschaftliche Theorie, während das Studium des Glaubens so ein-
fach ist, daß jeder Mensch mit gesundem Menschenverstand, selbst wenn er ohne Bildung ist, seine Wahr-
heit voll verstehen kann vorausgesetzt, sein Herz ist rein. Wenn wir die Ansprachen 'Abdu’l-Bahás im Wes-
ten betrachten, merken wir, in welch einfacher Sprache er einige grundlegende Themen erklärte. Seine An-
sprachen sollten uns Vorbild für die Lehrarbeit werden.

Wirkliche Vertiefung findet statt, wenn der Gläubige die Schriften mit den Augen des Glaubens liest im Be-
wußtsein, daß er das Wort Gottes liest, nicht die Worte eines Menschen — Worte, die mit einer ungeheuren
Wirksamkeit ausgestattet sind. Vertiefung findet auch statt, wenn der Gläubige mit jemandem zusammen-
trifft, der in Liebe zu Bahá’u’lláh erglüht ist. Die bloße Gemeinschaft mit solch einem Menschen vergrößert
den eigenen Glauben an Gott. Bahá’u’lláh sagt in den Verborgenen Worten:

» Wer die Gemeinschaft mit Gott sucht, der nehme Zuflucht zu Seinen Geliebten, und wer das Wort Gottes
hören will, der lausche den Worten Seiner Auserwählten.«

Dies ist der Grund, weshalb viele Menschen, die nicht Bahá’í sind, geistig erhoben werden, wenn sie an ei-
nem Bahá’í-Treffen teilnehmen, an dem die Einheit der Gläubigen und ihre Liebe zu Bahá’u’lláh offenbar
werden. Dies ist der Grund, weshalb jene, die einen wahren Diener Bahá’u’lláhs treffen, mit einem neuen
Geist erfüllt werden.

Zu Lebzeiten des Báb und Bahá’u’lláhs hatten die Gläubigen keinen Zugang zu allen Schriften, und oft wuß-
ten sie nicht viel über die Lehren Bahá’u’lláhs. Sie hatten nicht die klare Führung Shoghi Effendis und des
Universalen Hauses der Gerechtigkeit, um erleuchtet zu werden, aber ihre Herzen waren so erfüllt mit der
Liebe zu Bahá’u’lláh daß viele von ihnen ihr Leben auf Seinem Pfade hingaben.

Eine der besten Arten der Vertiefung der Bahá’í in jenen Tagen war das häufige Zusammentreffen, um sich
Wissen und die Liebe zu Bahá’u’lláh gegenseitig mitzuteilen. Zum Beispiel konnte ein ergebener Bahá’í, der
in der Gegenwart Bahá’u’lláhs gewesen war und dessen Herz erfüllt war mit Liebe zu Ihm, oder der einige
Tablets von Ihm hatte, sowohl sein Feuer und seinen Glauben wie auch sein Wissen und Verständnis ande-
ren mitteilen, die mit ihm zusammenkamen.

Heute sind wir so überschwemmt mit Studienkursen und Lehrtechniken, daß wir dazu neigen, die Vertiefung
zu einer mechanischen Handlung werden zu lassen, beinahe zu einer akademischen Vorstellung. Die wis-
senschaftliche Methode hat die Herzen der Menschen so umwölkt, daß die Strahlen der Sonne der Wahrheit
außerstande sind, in sie hineinzuscheinen. Was wir heute außer der Kenntnis des Glaubens brauchen, ist,
unsere Herzen der wirkenden Offenbarung Bahá’u’lláhs zu öffnen, mit Seinem Geist vertraulich zu verkeh-
ren, sich Seines Namens zu erfreuen und besonders die Gemeinschaft mit Seinen wahren Geliebten
zu suchen. Ohne daß wir den Geist des Glaubens in unser Leben eindringen lassen, ohne daß wir unsere
Herzen in Demut Bahá’u’lláh zuwenden, können wir uns nicht in der Sache vertiefen, weil die Gotteserkennt-
nis zuerst im Herzen der Menschen reflektiert wird und danach wird der Verstand sie begreifen. Das steht
klar in den Schriften. Wir haben also festgestellt, daß der erste Schritt, das Leben als Bahá’í zu leben, der
ist, unsere Herzen Bahá’u’lláh zuzuwenden und uns zu gestatten, uns in Ihn zu verlieben.

Der zweite Schritt, der folgen muß, ist, Seine Gebote auszuführen aus Liebe zu Bahá’u’lláh . Bahá’u’lláh
sagt im Kitáb-i-Aqdas

»Befolge Meine Gebote aus Liebe zu Meiner Schönheit.«

Es gibt aber ein Gebot, das, wenn es befolgt wird, uns auf den Weg führen wird, alle restlichen zu befolgen,
das uns allmählich im Glauben vertiefen und uns führen wird, das »Leben zu leben«. Dieses Gebot ist »das
Lehren der Sache«. Denn Lehren ist ein Akt der Gottergebenheit und die verdienstvollste aller Taten in Sei-
nen Augen.

'Abdu’l-Bahá sagt: »Wenn die Aufgabe, die Botschaft zu geben, vernachlässigt wird, wird die Unterstützung
völlig abgeschnitten werden, denn es ist unmöglich, daß die Freunde Gottes Unterstützung erhalten, wenn
sie es nicht auf sich nehmen, die Botschaft zu verbreiten.« Daraus folgt, daß eines der wichtigsten Gebote,
das wir in unserem Bahá’í-Leben zu befolgen haben, das Lehren der Sache ist, da uns sonst der göttliche
Beistand nicht erreicht; und ohne ihn können wir nichts tun, auch nicht das Bahá’í-Leben leben. Wie schon
aus den Schriften zitiert, können wir, obwohl das Lehren der Sache Gottes der wichtigste Schritt ist, keine
Erfolge erzielen, bevor wir uns nicht anstrengen, auch die übrigen Gebote Bahá’u’lláhs zu befolgen. Sollte
jedoch ein Gläubiger, der die Liebe zu Bahá’u’lláh in seinem Herzen trägt, sich aus reinen Beweggründen
erheben, um die Sache zu lehren, so wird schon diese Handlung allein ihn ohne Zweifel dazu befähigen, die
Lehren und Wesensmerkmale unseres Glaubens widerzuspiegeln.

Tatsächlich hat es sich immer wieder gezeigt, wenn Bahá’í Schwierigkeiten und Probleme in ihrem Leben
haben Probleme, die unlösbar scheinen -, daß ein entscheidendes Heilmittel, welches geeignet ist, alle
Schwierigkeiten zu beseitigen, das Lehren der Sache ist, vorausgesetzt, man erhebt sich zum Lehren aus
reinen Motiven. Wenn sich ein Mensch erhebt, um den Glauben zu lehren, damit seine Schwierigkeiten sich
lösen, so ist das kein reines Motiv, es geschieht vielmehr aus Zweckmäßigkeit oder aus Eigennutz. Solch
eine Handlung ist in Gottes Augen nicht verdienstvoll. Bahá’u’lláh hat das Merkmal des Dienstes an Seiner
Sache mit folgenden Worten klargelegt: »Befolge Meine Gebote aus Liebe zu Meiner Schönheit<

Bis jetzt haben wir über Voraussetzungen für das Lehren gesprochen. Nun wollen wir über die Lehrarbeit
selbst sprechen. Das Lehren findet statt, wenn ein Bahá’í die Botschaft Bahá’u’lláhs und die Nachricht Sei-
nes Kommens einer Seele bringt, die nicht Bahá’í ist. Es gibt keine vorgeschriebenen Methoden oder Ver-
haltensweisen für das Lehren. Uns wurden gewisse Wesensmerkmale und Richtlinien vom Schöpfer unseres
Glaubens, von ‘Abdu’l-Bahá und Shoghi Effendi gegeben. Diese Wesensmerkmale und Richtlinien sind völ-
lig im Gegensatz zu den Maßstäben und Einführungsmethoden, die in Nicht-Bahá’í-Kreisen bei der Verbrei-
tung verschiedener Ideologien üblich sind, wo jede als zweckmäßig erachtete Maßnahme angewandt wird,
um Menschen zu beeinflussen und zu bekehren.

Die Sache Bahá’u’lláhs gründet sich auf die Wahrheit der Gottesoffenbarung, und Wahrheit kann nicht ge-
kleidet sein in zweckmäßige Maßnahmen oder falsche Vorbilder. Sie kann nicht die Techniken von Ge-
schäftstüchtigkeit und Propaganda, von Zweckmäßigkeit und Kompromiß in der Lehrtätigkeit anwenden.

Bei unserer Lehrtätigkeit reichen wir den Menschen die Botschaft von Bahá’u’lláh , wie man einem König ein
Geschenk reicht. Denken Sie daran, daß das oberste Ziel unseres Lehrens nicht die Vermehrung der Mit-
glieder, sondern vielmehr der ist, eine Seele zu ihrem Gott zu bringen. Wir nähern uns unseren Mitmenschen
mit Gefühlen der Liebe und Demut und darüber hinaus bringen wir ihnen die umformende Kraft Bahá’u’lláh,
und nichts von uns selbst. Wenn wir versuchen, uns selbst zu projizieren und mit unserem Wissen und un-
seren Fähigkeiten beim Lehren der Sache Eindruck zu machen, wird die Kraft Bahá’u’lláhs uns gewiß nicht
erreichen. Wichtigstes Erfordernis für die Lehrarbeit ist, zu beten, um vom eigenen Selbst befreit zu werden.

In den frühen Tagen des Glaubens strahlten die Gläubigen, wo immer sie auch gingen, die Liebe Ba-
há’u’lláhs aus. Jene, die mit ihnen in Berührung kamen, wurden, wenn sie rein im Herzen waren, hingezogen
zur Sache, und eine große Anzahl wurde Bahá’í, und viele gaben ihr Leben hin auf dem Pfade Gottes. Es ist
wahr, wenn man sagt, daß während des heroischen Zeitalters des Glaubens die im Herzen Reinen unter den
Persern in den Schatten der Sache gebracht wurden. In jener Zeit nahmen die Edelsten jener Nation den
Glauben an. Die meisten dieser Lehrer waren keine gebildeten Menschen. Sie besaßen aber einen uner-
schütterlichen Glauben und eine leidenschaftliche Liebe zu Bahá’u’lláh und dem Báb. Beim Umgang mit
Menschen unterdrückten diese heroischen Seelen völlig ihr eigenes Selbst und ihr Ich; deshalb waren sie
fähig, als vollkommene Kanäle für die Kraft Bahá’u’lláhs zu wirken.

Einen Schimmer des gleichen Geistes sahen wir vor einigen Jahren unter den einheimischen Gläubigen Ir-
lands. Vor einigen Jahren begegneten in Limerick einige Menschen dem Glauben. Sie waren so hingerissen
von den ehrfurchtgebietenden Ansprüchen Bahá’u’lláhs, daß sie ernsthaft und immer stärker die Sache ver-
folgten, bis sie fähig waren, die Stellung Bahá’u’lláhs zu erkennen; ihre Herzen wurden von Seiner Liebe
erfüllt, und sie nahmen Seinen Glauben an. Keiner von ihnen war ein Gelehrter oder gebildet. Die große
Mehrheit von ihnen hatte nur elementare Schulausbildung. Aber durch ihren Glauben und ihre Liebe wurden
sie im Glauben vertieft. Man konnte an ihren Gesichtern und in ihren Handlungen deutlich sehen, daß sie
durch Bahá’u’lláh in andere Wesen verwandelt worden waren. Sie gaben ihre alten Gewohnheiten auf und
praktizierten die Gesetze und Lehren Bahá’u’lláhs in ihrem täglichen Leben.

Die ersten, die diese ungeheure Veränderung wahrnahmen, waren ihre Freunde und ihre Mitbürger, von
denen viele darauf brannten, die Sache kennenzulernen. Es gab keine Werbung, keine Plakate in den Stra-
ßen, keine öffentlichen Veranstaltungen. Aber die Menschen wurden zum Glauben hingezogen, weil sie eine
wunderbare Veränderung an diesen wenigen Seelen wahrgenommen hatten. Viele kamen, um nachzufor-
schen. Es gab Zeiten, da Tag und Nacht Menschen kamen, um über den Glauben zu hören. Nacht für Nacht
war der große Raum des ersten Pioniers in dieser Stadt voll gefüllt. Bald gab es einen beispiellosen Anfang
für jenen einmaligen Beitritt zur Sache. Viele Menschen erkannten die Wahrheit der Sache und wurden be-
geisterte Gläubige.

Diese Worte Shoghi Effendis wurden in jenen Tagen eindrucksvoll erfüllt: »Eines und nur eines wird ... den
unzweifelhaften Sieg der Heiligen Sache sichern, nämlich, das Maß, in dem unser persönliches, inneres Le-
ben und eigenes Verhalten vielfältig den Glanz dieser ewigen von Bahá’u’lláh verkündeten Wesensmerkma-
le widerspiegeln«.

Diese aufregenden Entwicklungen zeigten der ganzen Gemeinde eine große Herausforderung - das Lehren
der Öffentlichkeit.

Zum ersten Mal in der Geschichte des Glaubens in Irland wurde Lehrarbeit auf der Straße vom Nationalen
Rat gebilligt, und dieses Unternehmen stellte sich als erfolgreich heraus und wurde eine denkwürdige Gele-
genheit. Ein Ergebnis dieser ersten Straßenlehrarbeit in dieser Stadt war es, daß mehr Menschen den Glau-
ben annahmen.

Wenn wir heute nur dem selben Geist der Hingabe gleichzukommen versuchten, könnten wir viele Seelen für
die Sache gewinnen, selbst auf einem Kontinent, der geistig so kalt wie Europa ist.

Unter der liebevollen Führung des Nationalen und der örtlichen Räte versammelten sich die Gläubigen in
Limerick an einem Wochenende, um an der ersten Straßenlehrarbeit teilzunehmen. Einige Stunden lang
wandten sie ihre Herzen Bahá’u’lláh zu, einige Gebete wurden gelesen, dann Stellen aus den Schriften, dann
wurden Referate gehalten über Bahá’u’lláh, Seine Offenbarung, Seine Majestät, Seine Stellung, die Ge-
schichte der Märtyrer und die Macht Seiner Sache. Die Herzen wurden gerührt und Tränen flossen. Nach-
dem die Gläubigen einige Stunden in dieser geistigen Atmosphäre verbracht hatten, gingen sie in Paaren
hinaus, um ihre Mitmenschen auf der Straße mit Begeisterung und Vertrauen zu lehren. Der Schlüssel für
den Erfolg dieser Lehrarbeit war eine Sache, und nur eine Sache, nämlich: daß die Kraft Bahá’u’lláhs eine
große Rolle darin spielen durfte.

Daß wir der Kraft Bahá’u’lláhs erlauben müssen, für uns zu arbeiten, ist eines der Wesensmerkmale der
Schöpfung. Gott schüttet die schöpferischen Energien Seiner Offenbarung über die Menschen. Aber der
Mensch kann diese Gnadengaben nur dann erhalten, wenn er sein Herz für ihren Einfluß öffnet. Das ist
das Bündnis Gottes mit den Menschen. Der Vergleich mit einem Elektrizitätswerk verdeutlicht dies: Obwohl
das Elektrizitätswerk, das die Elektrizität erzeugt, seine Energie an das Stromnetz abgibt, kann es nur dann
Energie an ein Gerät abgeben, wenn dieses Gerät an das Stromnetz angeschlossen wird. Eine Lampe wird
nie brennen, selbst wenn sie neben dem Elektrizitätswerk steht, wenn sie nicht an das Stromnetz ange-
schlossen ist.

Wir wissen, daß der Mensch durch die Gnade Gottes erschaffen und erhalten wird, und daß ohne Seine
Liebe und Gnade die ganze Schöpfung nicht hätte entstehen können. Wenn wir jedoch das Bündnis Gottes
mit den Menschen betrachten, so stellen wir fest, daß wir die Kraft Bahá’u’lláhs beim Lehren oder in jedem
anderen Gebiet menschlicher Bemühung nicht anziehen können, ehe wir uns Ihm frei von unserem Selbst
zuwenden. Das Wesensmerkmal ist: »Liebe Mich, damit Ich dich liehe. Wenn du Mich nicht liebst, kann Mei-
ne Liehe dich niemals erreichen.« (»Verborgene Worte [arab.], Nr. 5«). Das ist ein unwiderrufliches We-
sensmerkmal.

Um auf die Geschichte der Straßenlehrarbeit in Limerick zurückzukommen: Die Gläubigen beteten darum,
zu wartenden Seelen geführt zu werden. Manche Paare, die auszogen, um die Mitmenschen zu lehren,
gingen nicht allein, sie nahmen die Kraft Bahá’u’lláhs mit. Um dies zu tun, mußten sie, wie sie wußten,
ihre Herzen reinigen und das Leben als Bahá’í leben. Als sie auf der Straße liefen, waren diese Seelen sich
der Gegenwart Bahá’u’lláhs bewußt. So glühten ihre Gesichter vor Liebe und Vertrauen. Sie sprachen in
einfachen Worten über das Kommen Bahá’u’lláhs mit jemandem, von dem sie meinten, daß er empfänglich
sein könnte, und wenn die Person günstig reagierte, luden sie sie zu einem Fireside ein. Sie verteilten keine
Broschüren, sondern näherten sich dem Menschen vielmehr so, daß Bahá’u’lláh sein Herz gewinnen konnte.
In einer solchen Annäherung ist kein Platz für Argumente oder lange Diskussionen; die Unterhaltung ist sehr
kurz. Der Einfluß auf den Hörer vollzieht sich durch die Kraft Bahá’u’lláhs.

Es ist interessant, daß einige derer, die durch Straßenlehrarbeit Bahá’í wurden, uns erzählten, daß sie bei
ihrem ersten Zusammentreffen mit den Bahá’í nichts über die Sache verstanden. Was sie zur Sache hinzog,
waren die Jugendlichen, die sie auf der Straße ansprachen. Sie sahen in ihren Gesichtern eine Freude und
ein Strahlen gepaart mit einem Vertrauen, das sie nie zuvor gesehen hatten; sie wurden von ihnen angezo-
gen und gingen jeden Abend zu ihren Firesides, bis sie im Glauben gestärkt waren.

So etwas geschieht, wenn der Bahá’í-Lehrer sich vollkommen Bahá’u’lláh unterwirft und Ihn in den Stand
setzt, die Seelen zu Seiner Sache hinzuziehen. Natürlich wurden anderswo ähnliche Siege errungen, aber
wenn wir genau hinsehen, können wir in vielen Fällen feststellen, daß die Lehrarbeit mit Erfolg vorangeht und
dann nachläßt. Das ist sehr traurig. Es gibt immer einen Grund dafür. Es braucht nicht mehr als einen Bahá’í
in der Stadt zu geben, der das verursacht, ohne es überhaupt zu merken. Es ist ein einzelner Mensch, der
offen die Gesetze Bahá’u’lláhs bricht, seinen Geboten entgegenhandelt und der Sache in der Öffentlichkeit
Schande bringt. Wenn das passiert, hört das stete Wachstum des Glaubens auf. Ein anderer Grund ist Un-
einigkeit unter den Gläubigen.

Das ist nicht nur immer wieder passiert, sondern Bahá’u’lláh bestätigt es auch. In einem Seiner Tablets
macht er eine erschütternde Feststellung, daß nämlich, wenn die Gläubigen ergeben und in Einklang mit
Seinen Geboten gehandelt hätten, die ganze Menschheit Ihn erkannt und Seine Sache zu Seinen Lebzeiten
angenommen hätte.

Heute hat das Universale Haus der Gerechtigkeit uns die Aufgabe gegeben, den Fünfjahresplan zu erfüllen.
Weil diese Körperschaft »die Quelle alles Guten und frei von jeglichem Irrtum« ist und unter der Führung des
Báb und Baha'u'llahs steht, werden alle Kräfte der Welt, ob konstruktiv oder destruktiv, direkt oder indirekt
uns helfen, diese Ziele zu erreichen, vorausgesetzt, daß wir die Ziele des Planes mit Bestimmtheit und mit
von Liebe zu Bahá’u’lláh erfüllten Herzen verfolgen.

Der Fortschritt der Sache liegt also in unserer Hand. Wenn wir Bahá’u’lláh nicht den Weg öffnen, für uns zu
handeln, so können Seine Bestätigungen uns nicht erreichen. »Liebe Mich, damit Ich dich liebe. Wenn du
Mich nicht liebst, kann Meine Liebe dich niemals erreichen.« Wir können uns fragen, wie wir Bahá’u’lláh
lieben können. Das hängt vollkommen von unserem Glauben an Ihn ab. Bahá’u’lláh intellektuell anzuerken-
nen, reicht nicht aus. Das Herz muß gestärkt werden.

Der Erwerb wahren Glaubens ist die größte Erfüllung des Menschen. Der Glaube stattet den Menschen mit
Kräften aus, denen keine irdische Tätigkeit gleichkommen kann. Durch die Kraft des Glaubens haben die
Gläubigen unüberwindlich scheinende Hindernisse überwunden und denkwürdige Siege für die Sache Ba-
há’u’lláhs errungen. Um Glauben zu haben, muß der Mensch aus seinem Herzen jede Spur von leeren und
eitlen Vorstellungen verbannen. Wir wollen den Weg zu diesem erhabenen Ziel und die vielen Fallen und
Hindernisse untersuchen, mit denen die Seele auf ihrer Suche konfrontiert wird.

Es gibt zwei Brennpunkte enormer Kraft im Menschen. Einer ist das Gehirn, das Zentrum des Intellekts und
Denkens und der Speicher seines Wissens und Lernens. Durch das Zentrum seiner Fähigkeiten kann der
Mensch die einzigartigen Kräfte des Verstandes enthüllen, die ihn vom Tier unterscheiden. Der Verstand ist
die größte Gabe Gottes an die Menschen. Aber da der Mensch frei in seiner Willensentscheidung ist, so
kann er von diesem entweder zu Glauben und Vertrauen in Gott, oder aber zum Unglauben geführt werden.

Der andere Brennpunkt ist das Herz, das Zentrum von Liebe und Herzlichkeit. Das Herz des Menschen ver-
liebt sich in die Welt und in sein eigenes Selbst. Aber es ist auch die Stätte, in der Gottes Eigenschaften of-
fenbart sind. Bahá’u’lláh sagt: »Dein Herz ist Meine Wohnstatt; reinige es für Mein Kommen . . .«`

Der Funke des Glaubens wird im Herzen entzündet. Aber das kann nur geschehen, wenn das Herz frei von
der Bindung an die Welt wird. Bahá’u’lláh erklärt in den Verborgenen Worten:

»0 Sohn des Staubes!
Alles, was im Himmel und auf Erden ist, habe Ich für dich bestimmt außer dem Menschenherzen, das Ich zur
Wohnstatt für Meine Schönheit und Herrlichkeit machte. Du aber hast Meine Wohnung und Mein Heim einem
anderen als Mir überlassen. Wenn immer die Offenbarung Meiner Heiligkeit ihren Wohnort suche, fand sie da
einen Fremden; heimatlos geworden, eilte sie zum Heiligtum des Geliebten zurück. Dennoch wahrte Ich dein
Geheimnis und wünschte nicht deine Schande.«

Gott hat den Menschen so erschaffen, daß die zwei Brennpunkte seines Seins, nämlich der Verstand und
das Herz, sich ergänzen sollen. Der Verstand ohne das durch den Glauben erleuchtete Herz erlangt nicht die
Fähigkeit, die Wahrheit der Sache Gottes zu erforschen, oder die Sprache, sie zu verstehen. Ähnlich wie das
Auge, das des Lichtes beraubt ist, ist er unfähig, die Welt des Geistes zu erforschen. Statt dessen entwickelt
er seine Fähigkeiten im Materialismus und lehnt natürlich die Vorstellung von Gott und Religion ab. So wird
er die stärkste Schranke für den Menschen, Glauben zu erwerben. Unter solchen Umständen wird das Herz
von Liebe zur Welt und seinem eigenen Selbst erfüllt, denn es ist eine Eigenschaft des Herzens, zu lieben.
Wenn es Gott nicht lieben darf, so wird es sich selbst lieben und seine irdischen Besitztümer. Und dies ist
eine Bedeutung des »Fremden«, auf den Bahá’u’lláh sich in den Verborgenen Worten bezieht:

»0 Mein Freund dem Worte nach!
Denke ein wenig darüber nach! Hast du jemals gehört, daß Freund und Feind im selben Herzen wohnen? So
vertreibe den Fremdling, daß der Freund in Seiner Wohnung Einzug halte.«

Um Glauben zu erlangen, muß der Mensch den »Fremden« aus seinem Herzen hinauswerfen. In dem Ma-
ße, wie ihm dies gelingt, wird er Glauben erlangen. Sobald der Funke des Glaubens im Herzen entzündet ist,
muß er zu einer Flamme heranwachsen können, sonst könnte er wieder absterben infolge der Bindung an
diese Welt. Wenn zum Beispiel ein Mensch den Punkt erreicht, wo er Bahá’u’lláh als Manifestation Gottes
anerkennt, empfängt sein Herz das Licht der Sache Gottes für diesen Tag. Wenn der Gläubige sich von An-
fang an in den Ozean der Offenbarung Bahá’u’lláhs versenkt, seine Schriften täglich liest, und zwar nicht nur,
um sein Wissen zu erweitern, sondern um Nahrung für den Geist zu erhalten, wenn er die Gesellschaft der
Rechtschaffenen sucht und sich erhebt, Ihm mit Aufrichtigkeit und Loslösung zu dienen, dann wird er stetig in
seinem Glauben wachsen und eine strahlende und begeisterte Seele werden. Er kann ein tieferes Verständ-
nis der Schriften erlangen und ein Stadium erreichen, wo sein Geist und sein Herz in Harmonie zusammen-
arbeiten. Solch ein Gläubiger wird schließlich keinen Widerspruch mehr zwischen den Lehren Bahá’u’lláhs
und seinem eigenen Denken finden. Er wird manche Weisheiten, die in den Aussprüchen Bahá’u’lláhs ver-
borgen sind, entdecken und die Grenzen und Mängel seines eigenen begrenzten Geistes erkennen.

Aber wenn ein Gläubiger, nachdem er Bahá’u’lláh anerkannt hat nicht seinem Pfade folgt, wird er sich bald
mit vielen Aspekten des Glaubens Bahá’u’lláhs in Konflikt befinden. Sein Verstand wird nicht fähig sein, die
Weisheit vieler Seiner Lehren zu verstehen, er wird sogar einige Seiner Vorschriften ablehnen und schließlich
den Glauben ganz verlieren. Viele Menschen kämpfen jahrelang, um dieses Problem zu überwinden, weil sie
sich danach sehnen, in ihrem Glauben bestätigt zu werden. Oft kann solch einem Menschen von denen, die
wirklich an Bahá’u’lláh glauben und von dieser Welt losgelöst sind, geholfen werden, wirkliches Verständnis
zu erlangen.

Aber wenn alles andere fehlschlägt, ist das einzige Heilmittel für einen Menschen, der noch einen Schimmer
von Glauben in seinem Herzen hat, aber an der Sache zweifelt, zuzugeben, daß er Unrecht haben könnte in
seiner Bewertung der Lehren des Glaubens, zu bestätigen, daß Bahá’u’lláhs Wissen göttlich ist, und seine
Gefühle und Gedanken vollständig Ihm zu unterwerfen. Wenn er sich in dieser Weise unterwirft und so
durchhält mit Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit, dann öffnen sich die Kanäle der Gnade Gottes, und sein Herz
wird das Licht wahrer Erkenntnis wahrnehmen. Irgendwann in seinem Leben wird er entweder durch Intuition
oder durch Gebet und Meditation die Antwort zu all seinen Problemen und Einwendungen entdecken. Jede
Spur von Konflikt wird aus seinem Denken verschwinden. Er wird bereitwillig die Gründe eben dieser Lehren,
die vorher seinen Verstand verwirrten, verstehen und viele Geheimnisse in den Äußerungen Bahá’u’lláhs
finden, deren er sich in früheren Tagen überhaupt nicht bewußt war.

Die folgenden Worte Bahá’u’lláhs in den Verborgenen Worten machen deutlich, daß der Mensch, ehe er sich
nicht Gott unterworfen hat, kein Wissen über Seine Offenbarung erlangen kann:


»0 Sohn des Staubes!
Werde blind, damit du Meine Schönheit schauest, werde taub, damit du den lieblichen Klang Meiner Stimme
hörest. Lege alle Gelehrsamkeit an, damit du an Meinem Wissen teilhabest. Löse dein Herz vom Besitz, da-
mit du aus dem Meer Meines ewigen Reichtums einen unvergänglichen Anteil gewinnest. Werde blind, das
heißt für alles außer Meiner Schönheit. Werde taub für alles außer Meinem Worte. Lege alle Gelehrsamkeit
ab außer dem Wissen von Mir, damit du mit klarem Auge, reinem Herzen und wachem Ohr den Hof Meiner
Heiligkeit betrittst.«

Glauben erlangt der Mensch durch Unterwerfung unter Gott. Die Unterwerfung des Selbstes mit all seinen
Fähigkeiten macht die Seele frei von der Bindung an diese vergängliche Welt. Sie verjagt den »Fremden«
aus dem Herzen und befähigt ihn, den »Freund« in seinem Heiligtum zu empfangen. Bahá’u’lláh sagt:

»0 Sohn des Menschen!
Sei ehrfurchtsvoll vor Mir, damit Ich Mich gnädig zu dir wende... .«

An anderer Stelle offenbart er:
»O Sohn des Menschen!
Wenn du Mich liebst, wende dich ab von dir, und wenn du Mein Wohlgefallen suchst, achte nicht auf deines,
damit du in Mir vergehest und Ich ewig in dir lebe.«

Wenn der Mensch auf diese Weise Glauben erlangt, so muß er seinen Glauben wachsen und stärker wer-
den lassen. Wenn der Glaube nicht täglich wächst, so ist dies ein Zeichen von geistiger Krankheit. Denn
nichts bleibt unverändert in diesem Leben. Entweder wächst man, oder man läßt nach. Bahá’u’lláh ermahnte
Seine Anhänger in seinen Tablets, ihr Leben so zu gestalten, daß ihre geistige Verfassung sich täglich ver-
bessert.

Zum Schluß wollen wir einige der erwähnten Punkte zusammenfassen:

* Lehren ist die verdienstvollste aller Taten in den Augen Gottes; es steht auf einer Stufe mit dem Märtyrer-
tum.

* Ohne das Lehren wird Gottes Beistand den Menschen nicht erreichen.

* Das Lehren der Sache ist ein Akt der Unterwerfung unter Gott.

* Die Voraussetzungen für einen solchen Akt der Unterwerfung können zusammengefaßt werden als »das
Leben als Bahá’í zu leben«.

* Ohne diese kann der Gläubige »niemals hoffen, auf seine Hörer einzuwirken«.

* Der erste Schritt, das Leben zu leben, ist, Bahá’u’lláh zu lieben. Dafür müssen wir Glauben erlangen, die
Worte Gottes lesen, uns mit ergebenen Bahá’í zusammentun und die Gesellschaft der Gottlosen meiden.

* Der zweite Schritt ist, die Sache zu lehren aus Liebe zu Bahá’u’lláh. Diese Tat als solche wird uns helfen,
das Leben zu leben, das unsere Lehrarbeit wiederum wirksamer machen wird.

* Wir müssen die Kraft Bahá’u’lláhs bei unserer Lehrarbeit für uns wirken lassen.

* Und schließlich, die lebenswichtigste Handlung ist das Gebet, ein Gebet, das uns frei vom Selbst machen
und uns zu empfänglichen Seelen führen soll.

(Aus Bahá’í-Nachrichten Juli 1978)

Vertiefung: Schenk dein Herz Bahá’u’lláh - nach einem Referat von Adib Taherzadeh (R. Zimmel)


Hamburg, den 12.06.2003 Datei: Schenk-deinHerz.doc Seite: 1

Holy-Writings.com v2.7 (213613) © 2005 - 2021 Emanuel V. Towfigh & Peter Hoerster | Imprint | Change Interface Language: DE EN