Read: 1984 Zur Frage der Apartheit


ZUR FRAGE DER APARTHEIT

Die Prinzipien und Grundaussagen der Bah‡Õ’-Religion sind in letzter Zeit bei verschiedenen Gelegenheiten Teil der šffentlichen Diskussion auch in der Bundesrepublik Deutschland geworden. Im von den Vereinten Nationen proklamierten Èinternationalen Jahr des FriedensÇ 1986 setzten sich die Bah‡Õ’ in Dutzenden von PodiumsgesprŠchen, Symposien und Vortragsveranstaltungen fŸr den Gedanken des Friedens und der Einheit der Menschheit ein. Dabei fŸhrten sie mit evangelischen und katholischen Theologen, UniversitŠtsprofessoren und Politikern, darunter Mitgliedern des Deutschen Bundestags, oft fruchtbare Dialoge. Den Auftakt zu diesem verstŠrken šffentlichen Engagement der Bah‡Õ’-Gemeinde bildete ein Aufruf des Universalen Hauses der Gerechtigkeit, der hšchsten FŸhrungsinstitution der Bah‡Õ’-Welt, anlŠ§lich des internationalen Jahres des Friedens an die Všlker der Welt. In diesem Aufruf wird der Rassismus Steines der verhŠngnisvollsten, hartnŠckigsten †bel, ein Haupthindernis fŸr den Frieden.. genannt und weiter ausgefŸhrt: ÈWo er herrscht, wird die MenschenwŸrde zu schŠndlich verletzt, als da§ es unter irgendeinem Vorwand gebilligt werden kšnnte. Der Rassismus hemmt die Entfaltung der unbegrenzten Mšglichkeiten seiner Opfer, korrumpiert die TŠter und vereitelt den menschlichen Fortschritt. Die Einheit der Menschheit, vollzogen durch geeignete rechtliche Ma§nahmen, mu§ allgemein gŸltig anerkannt werden, wenn dieses Problem Ÿberwunden werden soll... Die hier veršffentlichte Stellungnahme fŸhrt den Grundgedanken der †berwindung des Rassismus weiter aus. Verfa§t wurde sie von dem im Jahre 1984 vom Universalen Haus der Gerechtigkeit gegrŸndeten InformationsbŸro der BahŠ'i International Community in Haifa.

Vor etwas mehr als einhundert Jahren erklŠrte Bah‡ÕuÕll‡h, der Stifter der Bah‡Õ’-Religion, die Menschheit trete in ein neues Zeitalter ihrer Geschichte ein, in welchem der immer rascher ablaufende Proze§ ihres Zusammenwachsens der allgemeinen Erkenntnis zum Durchbruch verhelfe, da§ die Menschheit nur eine einzige Gattung, nur eine Spezies ist. Bah‡ÕuÕll‡h rief die Všlker der Welt auf, diese grundlegende Wahrheit zu akzeptieren und alle Schranken der Rasse, NationalitŠt und Kultur - die Hauptursachen der Kriege, die unsere Geschichte seit je begleiten - zu beseitigen. Nach Bah‡ÕuÕll‡h gibt es keine Mšglichkeit fŸr einen Weltfrieden, solange das Grundprinzip der Einheit nicht anerkannt ist und in der Gestaltung der Gesellschaft Anwendung findet.

Daher ist die Bah‡Õ’-Welt-gemeinde seit ihren AnfŠngen vor mehr als einem Jahrhundert geprŠgt durch die Integration der zahlreichen sie konstituierenden religišsen, rassischen, ethnischen, kulturellen, sprachlichen und nationalen Elemente. Zur Ehe zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer und kultureller Abstammung, insbesondere zwischen schwarzen und wei§en Bah‡Õ’, wird in den Bah‡Õ’-Schriften sehr ermutigt. Um sicherzustellen, da§ Angehšrige solcher Gruppen, die in der Gesellschaft diskriminiert werden, nicht auch bei der Mitwirkung am Gemeindeleben behindert sind, enthalten die Bah‡Õ’-Lehren administrative GrundsŠtze zur †berwindung von Benachteiligungen aus sozialer Ungleichheit. Etwa in FŠllen der Stimmengleichheit bei einer Bah‡Õ’-Gemeindewahl oder bei gleicher Qualifikation zweier GlŠubiger fŸr ein Amt wird grundsŠtzlich dem der Vorrang gegeben, der einen benachteiligten oder unterdrŸckten Teil der Gesellschaft reprŠsentiert.

Seit Anfang dieses Jahrhunderts sind die Bah‡Õ’ in SŸdafrika diesen GrundsŠtzen gefolgt. Nachdem die Apartheidsgesetze bei bestimmten šrtlichen Vereinigungen, zu denen die gewŠhlten Geistigen RŠte der Bah‡Õ’ zŠhlen, eine gemischt rassische Zusammensetzung untersagten, verzichteten die wei§en Bah‡Õ’ auf das Recht, in diese Gremien gewŠhlt zu werden, getreu dem Grundsatz, benachteiligten Bevšlkerungsschichten den Vorzug zu geben. Mit Ausnahme dieser šrtlichen entscheidungsbefugten Kšrperschaften, deren Mitgliedschaft ausdrŸcklich durch staatliches Recht eingeschrŠnkt war, gab es bei Bah‡Õ’-Zusammen-kŸnften in SŸdafrika keine Rassenschranken. Diese Tatsache ist den Behšrden wohlbekannt.

Neben ihrem Versuch, ein ermutigendes Beispiel fŸr die Rassenintegration zu geben, hat sich die Bah‡Õ’-Gemeinde in SŸdafrika mit Nachdruck darum bemŸht, im einzelnen Bah‡Õ’-GrundsŠtze wie die Einheit der Menschheit zu verankern und ihm ein SelbstwertgefŸhl und soziale Verantwortung einzuprŠgen. Parallel dazu wurde ein Programm durchgefŸhrt, dessen Ziel es war, die Geistigen RŠte in den GrundsŠtzen der Beratung und Problemlšsung zu schulen. Die Ergebnisse dieser BemŸhungen erfŸllen die Bah‡Õ’ mit besonderem Stolz, da so den schwarzen GlŠubigen die hšchsten €mter der Gemeinde durch Wahl oder Ernennung eršffnet wurden.

Dieser historische Hintergrund unterstreicht die †berzeugung der Bah‡Õ’, da§ es zur Lšsung von Konfliktsituationen wie der in SŸdafrika der Kraft des Beispiels bedarf. Ein grundlegender Wandel im sozialen Verhalten wird am ehesten dann erreicht, wenn die entsprechenden geistigen und moralischen GrundsŠtze mutig vorgelebt werden und wenn MŠnner und Frauen guten Willens sehen kšnnen, wie andere sich erfolgreich bemŸhen, diesen Idealen in ihrem persšnlichen Leben wie in der Gemeinschaft praktischen Ausdruck zu verleihen.

Das System der Apartheid verstš§t gegen die MenschenwŸrde; es erweckt daher in den Menschen aller Nationen und Kulturen tief empfundene Abscheu. Bah‡Õ’ teilen dieses GefŸhl in besonderem Ma§e. Doch ist die daraus erwachsende moralische Herausforderung inzwischen zutiefst mit parteipolitischen Interessen vermengt. Diese Verflechtung ist so vollkommen, da§ beide Aspekte des Konflikts nicht mehr voneinander getrennt werden kšnnen: Sozialer Protest aus moralischer Empšrung hat den Charakter politischer Aktionen angenommen.

Unter der Voraussetzung des Freund-Feind-VerhŠltnisses, das die politischen Traditionen in aller Welt bestimmt, ist dies nur folgerichtig. Aber politische Aktionen ohne die Bedingung wirklicher Beratung, in der Parteiinteressen den Interessen des Ganzen untergeordnet werden, kšnnen fŸr sich allein bei so ernsten Problemen, wie sie SŸdafrika erschŸttern, keine dauerhafte Lšsung bringen. Doch unabhŠngig davon, wie schwierig die Aufgabe und wie entmutigend die derzeitige Lage auch sei, jene Teile der sŸdafrikanischen Bevšlkerung, die in der všlligen Integration die zentrale Aufgabe sehen, stehen vor der Herausforderung, durch gemeinsame Anstrengungen solche Bedingungen zu schaffen. Dies ist eine moralische Pflicht; sie ist so dringlich wie jede andere, die Menschen guten Willens motiviert, SŸdafrika von seiner schrecklichen Last zu befreien.

Die BahŠ'i sind durch die Lehren ihres Glaubens gehalten, sich jeder parteipolitischen AktivitŠt und jeder Beteiligung an Unruhen zu enthalten. Dies gilt unabhŠngig davon, ob es sich um Reaktionen auf rassische UnterdrŸckung wie in SŸdafrika handelt oder ob sich der Widerstand gegen die verbreiteten Versuche wendet, das Volk zu spalten und zu schwŠchen, sei es durch Verfolgung der Religion, die UnterdrŸckung der Frau, oder die Verweigerung politischer Freiheit. Schmerzliche Erfahrungen unter all diesen Bedingungen haben in den Bah‡Õ’ die Gewi§heit wachsen lassen, da§ die Menschheit lernen kann, wie eine Familie zu leben, und da§ die KrŠfte der Geschichte unsere Gattung heute rasch in diese Richtung drŠngen. Der Druck dieser Gewalten ist unausweichlich; selbst SŸdafrika wird schlie§lich darauf eingehen mŸssen. In welcher Art und wie rasch dies geschieht, hŠngt ebenso sehr von geistigen und moralischen Bedingungen ab wie von škonomischen und politischen.

Vor Gott gibt es keine Wei§en und Schwarzen. Alle Farben sind eins, sie alle sind die Farbe des Dienstes fŸr Gott.

Wichtig ist das Herz. Ist das Herz rein, so sind weder wei§, noch schwarz, noch eine andere Farbe von Bedeutung. Gott sieht nicht auf die Farbe; Er sieht auf das Herz. ÔAbduÕl-Bah‡

(Promulgation, S. 44)

(aus Bah‡Õ’-Briefe Nr. 52) 1984

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