Read: Ridvan 157, 2000


Das Universale Haus der Gerechtigkeit

Bahá'í-Weltzentrum

Ridván 2000



An die Bahá'í der Welt


Innig geliebte Freunde,

1. Wir verbeugen uns in Dankbarkeit vor dem Herrn der Heerscharen und unsere Herzen fließen über vor Freude, da wir Zeuge dessen sind, welch wunderbaren Unterschied die vier Jahre seit dem Beginn des globalen Planes bewirkt haben, der nun an diesem Fest des Glanzes abgeschlossen wird. So deutlich ist der in dieser Zeit erreichte Fortschritt, dass unsere Weltgemeinde Höhepunkte erreicht hat, von denen aus neue leuchtende Horizonte für ihre künftigen großen Errungenschaften klar erkennbar sind.

2. Der zahlenmäßige Zuwachs ergab sich hauptsächlich aus einer entscheidenden Qualitätssteigerung. Die Kultur der Bahá'í-Gemeinde hat einen Wandel erlebt. Dieser Wandel ist erkennbar an erweiterten Fähigkeiten, der Methodik zielgerichteten Handelns und der daraus resultierenden gewachsenen Zuversicht der drei am Plan beteiligten Ebenen - dem Einzelnen, den Institutionen und der örtlichen Gemeinde. Dies ist so, weil die Freunde sich nachhaltiger damit befassten ihre Kenntnis der göttlichen Lehren zu vertiefen und weil sie viel - und dies systematischer als zuvor - darüber gelernt haben, wie diese bei der Verbreitung der Sache Gottes, bei individuellen und gemeinschaftlichen Aktivitäten und bei der Zusammenarbeit mit ihren Nachbarn angewandt werden können. Mit einem Wort, sie begaben sich auf einen anwendungsorientierten Lernprozess, von dem aus zielgerichtetes Handeln verfolgt wurde. Die treibende Kraft dieses Wandels war das System der Bahá'í-Institute, die in der ganzen Welt mit großer Geschwindigkeit errichtet wurden - eine Leistung, die sich auf dem Gebiet der Ausbreitung und Festigung als das größte Vermächtnis des Vier-Jahres-Planes qualifizierte.

3. Durch die gesteigerte Befähigung der Einzelnen den Glauben zu lehren, was sich in dem neuen Schwung individueller Initiativen zeigt; durch die verbesserte Fähigkeit der Geistigen Räte, Regionaler Räte und Ausschüsse, die Bemühungen der Freunde zu leiten; durch die Einführung neuer Denk- und Handlungsmuster, die das gemeinschaftliche Verhalten der örtlichen Gemeinden beeinflusste - in all diesen Beziehungen bewies das System der Bahá'í-Institute seine Unverzichtbarkeit als ein Motor im Prozess des Beitritts in Scharen. Viele Institute haben ihre Fähigkeit vergrößert, weite Regionen mit ihren Programmen zu versorgen, indem sie ihr Wirkungsfeld durch örtliche Studienkreise erweiterten. So hat zum Beispiel die Mongolei 106 Studienkreise eingerichtet und verzeichnete als Ergebnis einen beachtlichen Zuwachs an neuen Gläubigen. Gleichzeitig zu derartigen Entwicklungen richteten die Mitglieder unserer weltweiten Gemeinschaft mehr Aufmerksamkeit darauf, auf die Macht des Gebets zu vertrauen, über das heilige Wort Gottes zu meditieren und die geistigen Wohltaten aus der Teilnahme an Andachten zu beziehen. Durch das Zusammenwirken dieser Elemente einer intensivierten Transformation des Einzelnen und der Gemeinschaft wächst tatsächlich die Größe der Gemeinde. Obgleich die Zuwachsrate neuer Gläubiger bis jetzt nur geringfügig die der vergangenen Jahre übertraf, ist es doch ungemein erfreulich zu sehen, dass diese Zunahme geographisch weit gestreut ist, immer größere Teile der Gemeinde engagiert und erfolgreich Neuerklärte in das Leben der Sache Gottes integriert.

4. Ein so gesunder und vielversprechender Zustand des Glaubens verdankt unermesslich viel der Institution der Berater; ihrem beratenden Einfluss, ihrer Rolle in der Zusammenarbeit und ihrer praktischen Arbeit. Die Zahl der Berater wurde im Hinblick auf die Errichtung und Funktion der Institute vergrößert, was den rechtzeitig gegebenen Ansporn durch ein pulsierendes und immer wachsames Internationales Lehrzentrum widerspiegelte.

5. Das zentrale Thema des Vier-Jahres-Planes - der Fortschritt beim Prozess des Beitritts in Scharen - erzeugte ein hohes Maß an Integration des Denkens und Handelns. Es konzentrierte die Aufmerksamkeit auf eine bedeutende Entwicklungsstufe in der Evolution der Bahá'í-Gemeinde, die während des Gestaltenden Zeitalter erlangt werden muss; denn ehe nicht in hohem Maße für den Beitritt von Scharen gesorgt wird, werden die Bedingungen nicht reif sein für Massenerklärungen, jenem Durchbruch, den Shoghi Effendi in seinen Schriften verheißt. Der thematische Brennpunkt des Planes erzeugte Auswirkungen auf alle Arten von Bahá'í-Aktivitäten; er benötigte eine Klarheit des Verständnisses, die systematische und strategische Planung als Voraussetzung für individuelles und gemeinschaftliches Handeln möglich machte. Die Mitglieder der Gemeinde begannen allmählich zu begreifen, wie Systematisierung die Prozesse des Wachstums und der Entwicklung ermöglicht. Dieser Aufschwung des Bewusstseins war ein gewaltiger Schritt zu einem Anstieg der Lehraktivitäten und zur Veränderung der Gemeindekultur.

6. Die gesamten Aspekte des Themas wurden bei den Bemühungen zur Planung, zum Aufbau institutioneller Kapazität und zur Entwicklung menschlicher Ressourcen deutlich. Die Verbindungslinien zwischen ihnen können vom Beginn des Planes bis zu seinem Ende verfolgt werden. Die Konferenz der Kontinentalen Beraterämter im Dezember 1995 im Heiligen Land bildete den Anfang. Dort wurden die Berater in die besonderen Merkmale des Planes eingeführt. Danach wurde mit den Nationalen Geistigen Räten in nationalen Planungssitzungen hierüber beraten; die Beratungen wurden auf regionaler Ebene fortgesetzt, bei denen dann Hilfsamtsmitglieder, Örtliche Geistige Räte und ihre Ausschüsse beteiligt waren. So wurden Elemente der Bahá'í-Administration in den Planungsprozess einbezogen. Sie gelangten darüber hinaus zur Stufe der Umsetzung, auf der die institutionelle Kapazität geschaffen werden musste, um mit dem Beitritt in Scharen umgehen zu können. In diesem Zusammenhang wurden zwei wichtige Maßnahmen ergriffen: Eine war die Errichtung von Bahá'í-Instituten; die andere war die formelle Errichtung und weit verbreitete Einführung von Regionalen Bahá'í-Räten. Sie sind administrative Einrichtungen zwischen der örtlichen und der nationalen Ebene, um die administrativen Fähigkeiten solcher Gemeinden zu stärken, in denen die zunehmend komplexen Angelegenheiten, vor die sich die Nationalen Geistigen Räte gestellt sahen, diese Entwicklung erforderlich machten. Von gleicher Bedeutung für die Verbindung der wesentlichen Elemente des Prozesses waren die für die Arbeit für soziale und wirtschaftliche Entwicklung - einem entscheidenden Teil der Festigung - und für auswärtige Angelegenheiten definierten Strategien. Diese werden es als einem lebenswichtigen Faktor dem Glauben ermöglichen, die Folgen seines Hervortretens aus der Verborgenheit zu bewältigen. Die hieraus erzielten überwältigenden Ergebnisse aufzuzählen, würde den Rahmen dieser Seiten bei weitem sprengen. Wir fühlen uns jedoch bewegt, gewisse Glanzpunkte zu nennen, die das Ausmaß der Errungenschaften innerhalb des Plans illustrieren.

7. Im Heiligen Land wurde der Bau der Terrassen und der Gebäude am Bogen mit der Gewissheit fortgesetzt, dass - wie angekündigt - der Termin zu ihrer Fertigstellung am Ende dieses gregorianischen Jahres eingehalten wird. Darüber hinaus wird das Gebäude in Haifa, das wir in unserer letzten Ridván-Botschaft im Zusammenhang mit der Vergrößerung der Pilgergruppen erwähnten, zu diesem Ridván bereit für die Nutzung sein. Im selben Zusammenhang wurden Architektenpläne für in Bahjí zu bauende Einrichtungen genehmigt, die dringend benötigt werden, um Pilger und andere Bahá'í- und Nicht-Bahá'í-Besucher unterzubringen. Die Übersetzung der Texte für den zu erwartenden neuen Band von Bahá'u'lláhs Schriften wurde fertiggestellt; seine Veröffentlichung wird derzeit vorbereitet.

8. Fortschritte bei der Ausbreitung und Festigung waren auch auf noch nicht erwähnten Gebieten erkennbar: beim Pionieren, der Proklamation, der Veröffentlichung von Literatur, dem Einsatz der Künste, der Bildung von Geistigen Räten und bei den Gesellschaften für Bahá'í-Studien. Etwa 3.300 Gläubige siedelten sich als Lang- und Kurzzeitpioniere international an. Dass viele Länder, die normalerweise Pioniere erhalten, selbst Pioniere ins Ausland schickten, ist ein weiteres Anzeichen für den Reifungsprozess von nationalen Gemeinden. Treu dem ihnen übertragenen Auftrag ragen die Gemeinden von Kanada und den Vereinigten Staaten durch die Zahl der Pioniere, die ihr Land verließen, besonders hervor. Dies gilt auch für die viel größere Anzahl von Reiselehrern, wobei die Jugend in bedeutsamer Weise vertreten war. Besonders beachtlich war auch die ermutigende Reaktion der Gläubigen afrikanischen Ursprungs in den Vereinigten Staaten auf den Aufruf, als Bahá'í-Lehrer nach Afrika zu reisen.

9. Die Proklamation der Sache Gottes geschah durch vielfältige Aktionen, wobei ein weites Spektrum von Gelegenheiten als Anlass dienten - Jahrestage, Gedenktage, Diskussionsgruppen, Ausstellungen und ähnliches. Hierdurch lernte eine große Zahl von Menschen die Lehren des Glaubens kennen. Die Häuser der Andacht waren magnetische Anziehungspunkte für Besucher, die in zunehmender Zahl eintraten, besonders in Indien, wo im letzten Jahr etwa fünf Millionen Menschen begrüßt wurden. Zu solchen Aktivitäten kam noch die vielfältige Nutzung der Medien hinzu, um die Bahá'í-Botschaft zu übermitteln. In den Vereinigten Staaten gab es 60.000 Anfragen als Reaktion auf eine Medienkampagne, die vom Nationalen Lehrausschuss entworfen worden war. In der ganzen Welt verbreitete sich die Kenntnis über den Glauben durch wohlwollende Artikel in den Druckmedien, die häufiger als bisher unaufgefordert erschienen. Es gab auch eine ähnlich breitere Publizität durch die Bereitschaft seitens Radio- und Fernsehstationen, regelmäßige Bahá'í-Programme aufzunehmen; dies war der Fall in Ländern wie der Demokratischen Republik des Kongo und Liberia. Solch günstige Entwicklungen wurden gekrönt durch die unabhängige Wahl internationaler Medieneinrichtungen, den Schrein des Báb und die Terrassen als Standort eines Fernsehbeitrags aus dem Heiligen Land für weltweite Medienprogramme zu nutzen, die das Kommen des Jahres 2000 feierten.

10. Die Einbeziehung der Kunst wurde zu einem wichtigen Faktor bei der Proklamation, dem Lehren, der Vertiefung und den Andachten der weltweiten Gemeinde. Die Künste zogen junge Leute an, die sie in ihren Lehr- und Vertiefungsaktivitäten verwendeten, hauptsächlich in den zahlreichen aktiven Drama- und Tanzworkshops in vielen Teilen der Welt. Aber der Schwung der Künste führte jenseits des Singens und Tanzens zu einem weiten Spektrum einfallsreicher Aktivitäten, die den Menschen die Grundlagen der Sache Gottes vermittelte. Dort, wo Volkskunst eingesetzt wurde, besonders in Afrika, wurde die Lehrarbeit sehr aufgewertet. So wurde zum Beispiel in Ghana und Liberia ein Projekt "Licht der Einheit" gestartet, um die Künste beim Lehren zu fördern. In Indien verfolgte die "Communal Harmony Group" ein ähnliches Ziel.

11. Hauptsächlich auf Betreiben der Berater und mit Unterstützung des Kontinentalen Fonds wurde der Übersetzung und Veröffentlichung von Bahá'í-Literatur besonders in Afrika und Asien Aufschwung verliehen. Außerdem erschien der Kitáb-i-Aqdas in einer vollständigen arabischen Ausgabe und in anderen Sprachen.

12. Obwohl die Beschränkung der Bildung von Örtlichen Geistigen Räten auf den ersten Ridvántag, was seit 1997 gilt, die Zahl dieser Institutionen erwartungsgemäß absinken ließ, so war die Abnahme doch nicht erheblich. Seitdem blieb die Zahl konstant, und ein gesunder Prozess der Festigung hat stattgefunden. Acht neue Pfeiler des Universalen Hauses der Gerechtigkeit wurden errichtet, wodurch die Gesamtzahl von 181 Nationalen Geistigen Räten erreicht wurde.

13. Besonders erfreulich während dieser vier Jahre war der zunehmende Schwung, mit dem die Aktivitäten der Bahá'í-Gelehrsamkeit mit ihrer lebenswichtigen Aufgabe voranschritten, die intellektuellen Grundlagen für die Arbeit des Glaubens zu stärken. Unschätzbare Ergebnisse waren zum einen die beeindruckende Erweiterung der Bahá'í-Literatur und zum zweiten die Verfassung verschiedener Dissertationen, die unterschiedliche Probleme unserer Zeit im Lichte der Bahá'í-Prinzipien untersuchten. Das Netzwerk der Gesellschaften für Bahá'í-Studien, das in diesem Jahr seinen 25. Jahrestag begeht, konnte im Laufe des Planes fünf neue Schwestergesellschaften begrüßen. Die auf diesem Feld des Dienstes sichtbare Vielfalt und Kreativität zeigt sich darin, dass die erste Konferenz für Bahá'í-Studien in Papua-Neuguinea abgehalten wurde und dass die japanische Gesellschaft in bahnbrechender Weise ihre Aufmerksamkeit auf die geistigen Ursprünge der traditionellen japanischen Gelehrsamkeit richtete.

14. Auf dem Gebiet der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung fand ein eindeutiger qualitativer Fortschritt statt, obgleich die Zahlen, die eine Zunahme der Projekte ausweisen, auch beeindruckend sind. Die jährlich gemeldeten Aktivitäten steigerten sich von etwa 1.350 zu Beginn des Planes auf mehr als 1.800 an seinem Ende. Zunehmend systematisches Vorgehen blieb das vorherrschende Kennzeichen bei dieser Arbeit während dieser Zeit. Um die Beratung über die Prinzipien der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung und ihre Durchführung zu fördern, führte das Büro für Soziale und Wirtschaftliche Entwicklung am Weltzentrum 13 regionale Seminare durch, an denen schätzungsweise 700 Vertreter aus 60 Ländern teilnahmen. Dieses Büro kümmerte sich auch darum, Pilotprojekte und geeignetes Material zu entwickeln, mit denen organisierte Kampagnen gestartet werden konnten, um Jugendliche unter anderem im Lesen und Schreiben zu unterrichten, um Mitarbeiter im Gesundheitswesen der Gemeinde auszubilden, um Frauen zu fördern und um moralische Erziehung anzubieten. Ein Beispiel ist das Programm in Guyana, das mehr als 1.500 Helfer für die Alphabetisierung ausbildete; ein weiteres ist die Fertigstellung von acht Lehreinheiten zur Förderung der Frauen in Malaysia. Diese wurden auch zur Grundlage für Ausbildungsveranstaltungen in Afrika, Asien und Südamerika. Im Guaymi-Bezirk von Panama wurde ein Plan in Angriff genommen, Bahá'í-Radiostationen mit der Arbeit der Bahá'í-Institute zu verbinden. Da Institute das Potenzial besitzen, Ausbildung für soziale und wirtschaftliche Projekte zu leisten, bemühte sich ein Dutzend von ihnen in dieser Richtung und ist dabei, auf den Gebieten der Alphabetisierung, der Ausbildung zum Gemeindesanitäter und beruflicher Ausbildung zu experimentieren. Eine Reihe von durch die Bahá'í geförderten und inspirierten Initiativen haben ihre Energie Projekten gewidmet wie zum Beispiel einem, das mit der Weltgesundheitsorganisation zusammenarbeitet, um die Fluss-Blindheit in Kamerun zu bekämpfen; dort erhielten mehr als 30.000 Menschen durch dieses Bahá'í-Projekt die nötigen Medikamente. Ein weiteres Beispiel ist die Privatuniversität in Äthiopien, Unity College, die inzwischen 8.000 Studenten hat, ferner die Landegg Akademie in der Schweiz, die neben der Ausweitung und Konsolidierung ihrer Studienpläne wertvolle Hilfe bei der anhaltenden Suche nach einer Lösung der ungeheuren sozialen Folgen des Balkankonflikts geleistet hat. Auch die Núr-Universität in Bolivien, die in einem gemeinsamen Projekt mit Ecuador eine Ausbildung für mehr als 1.000 Lehrer in einem Programm über moralische Führung anbieten konnte, ist ein weiteres Beispiel hierfür. Auf dem Gebiet der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung waren solche Beweise des Ausbaus von Fähigkeiten von großem Vorteil, um die Ziele des Planes zu verwirklichen.

15. Geführt durch die den Nationalen Geistigen Räten 1994 übermittelte Strategie in auswärtigen Angelegenheiten hat sich die Leistungsfähigkeit der Gemeinde auf dem Gebiet der diplomatischen und öffentlichen Information ebenfalls in erstaunlicher Weise gesteigert, wobei die Bahá'í-Gemeinde in eine dynamische Beziehung zu den Vereinten Nationen, Regierungen, Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) und den Medien getreten ist. Die Strategie konzentrierte sich auf internationaler und nationaler Ebene auf zwei wichtige Ziele: die Prozesse in Richtung auf den Weltfrieden zu beeinflussen und die Sache Gottes zu schützen. Durch die Maßnahmen zur Verteidigung unserer geliebten Glaubensbrüder im Iran gewann die Internationale Bahá'í-Gemeinde ein neues Maß an Achtung und Unterstützung. Daraus ergaben sich Gelegenheiten, andere Ziele dieser Strategie zu verfolgen. Um sich der Herausforderung der hartnäckigen Situation im Iran zu stellen, entwickelten unsere Institutionen und Vertretungen für auswärtige Angelegenheiten neue Vorgehensweisen, um verfügbare Instrumentarien von Regierungen und den Vereinten Nationen zu aktivieren. Die Verfolgungen im Iran beschäftigten die höchsten Instanzen auf unserem Planeten. Die Nachricht, dass ein iranischer Gerichtshof Todesurteile gegen zwei der Freunde bestätigt und ein ähnliches Urteil gegen einen dritten ausgesprochen hatte, rief sogar eine scharfe Reaktion durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten hervor, der an den Iran eine deutliche Mahnung richtete. Als Auswirkung der Interventionen von politischen Führern in der Welt und der Vereinten Nationen hörten die Hinrichtungen von iranischen Bahá'í praktisch auf und ging die Zahl der zu langjährigen Gefängnisstrafen Verurteilten drastisch zurück.

16. Wir begrüßen diese Interventionen und preisen zugleich den aufopfernden Geist, die Seelenstärke und den unbeugsamen Glauben unserer Brüder und Schwestern im Iran, die all diesen Bemühungen Stärke verliehen haben. Diese offenkundigen Eigenschaften der Seele bringen ihre Landsleute durch ihre Standhaftigkeit zum Staunen, mit der sie den tückischen und mitleidslosen Angriffen widerstehen. Wie sonst könnte man erklären, dass es so wenigen möglich war, sich so lange gegen so viele zu behaupten? Wie sonst hätten sie die Sorge der Welt und aktive Reaktionen auslösen können, sobald auch nur ein Einziger von ihnen mit dem Tode bedroht war? Es ist die Tragödie des Iran, dass die Angreifer es bis jetzt nicht eingesehen haben, dass die göttlichen Prinzipien, für die die Verfolgten ihren Besitz und sogar ihr Leben opfern, genau jene Lösungen enthalten, die die Sehnsüchte der Bevölkerung in dieser Stunde der Unzufriedenheit befriedigen würden. Es besteht jedoch nicht der geringste Zweifel, dass die systematische Willkürherrschaft, der unsere iranischen Freunde so grausam ausgesetzt sind, schließlich der Macht des Allmächtigen weichen wird, die den geheimnisvollen Verlauf der Dinge seiner verheißenen Bestimmung in all seiner Herrlichkeit entgegenführt.

17. Das zweite Ziel der Strategie für auswärtige Angelegenheiten bezog sich auf vier Themen - Menschenrechte, der Stellung der Frau, globales Wohlergehen und moralische Entwicklung. Unsere Berichte zeugen von einem gewaltigen Fortschritt bei der Arbeit für Menschenrechte und die Stellung der Frau. Zu ersteren führte das Büro bei den Vereinten Nationen ein kreatives Programm für die Erziehung zu Menschenrechten durch, das bis jetzt dazu beitrug, bei nicht weniger als 99 Nationalen Geistigen Räten die Fähigkeit zur diplomatischen Arbeit aufzubauen. Bezüglich der Stellung der Frau zeigen 52 nationale Büros für den Fortschritt von Frauen, die Beiträge zahlreicher Bahá'í Frauen und Männer bei Konferenzen und Arbeitskreisen auf allen Ebenen, die Wahl von Bahá'í-Vertretern in Führungspositionen bei wichtigen NGO-Ausschüssen - so auch beim Entwicklungsfonds für Frauen der Vereinten Nationen -, wie die Anhänger Bahá'u'lláhs beharrlich für Sein Prinzip der Gleichberechtigung von Frau und Mann eintreten.

18. Gleichzeitig verbreiten eine ganze Reihe von Initiativen Informationen über die Bahá'í-Religion an verschiedenste Gruppen in der Öffentlichkeit. Zu diesen innovativen Maßnahmen gehören: der Start einer Web-site "The Bahá'í World", die im Durchschnitt schon 25.000 mal im Monat besucht wird; die Herausgabe des Statements "Wer schreibt die Zukunft?", das den Freunden in der ganzen Welt hilft, über zeitgenössische Themen zu sprechen; die Sendung des persischen Radioprogrammes "Payam-e-Doost", das für eine Stunde pro Woche im Bereich von Washington D.C. ausgestrahlt wird und das über das Internet seit letztem November jederzeit in der ganzen Welt verfügbar ist; die Durchführung eines höchst originellen Fernsehprogramms, in dem moralische Prinzipien auf tägliche Probleme angewandt werden und das von Regierungsstellen in Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Ungarn, Rumänien, Slowenien und der früheren jugoslawischen Republik Mazedonien wärmstens befürwortet wird.

19. Ein Phänomen, das sich gegen Ende des Jahrhunderts verstärkt zeigt, ist das Bemühen der Menschen weltweit, ihre Sehnsüchte durch sogenannte "Organisationen der Zivilgesellschaft" auszudrücken. Es muss für die Bahá'í überall eine Quelle größter Genugtuung sein, dass die Internationale Bahá'í-Gemeinde, die als eine Nicht-Regierungsorganisation einen Querschnitt der ganzen Menschheit darstellt, als eine einheitsstiftende Kraft in bedeutenden Diskussionen, die die Zukunft der Menschheit gestalten, solches Vertrauen gewonnen hat. Unser Hauptvertreter bei den Vereinten Nationen wurde zum gleichberechtigten Vorsitzenden des Ausschusses für Nicht-Regierungsorganisationen ernannt, der vom Wirtschafts- und Sozialrat eingerichtet wurde - eine Stellung, die der Internationalen Bahá'í-Gemeinde eine Führungsrolle bei der Organisation des Millennium-Forums einräumt. Diese von Kofi Annan, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen für kommenden Mai einberufene Versammlung, wird den Organisationen der Zivilgesellschaft Gelegenheit geben, ihre Ansichten und Vorschläge zu globalen Fragen zu formulieren. Diese werden dann von dem im September dieses Jahres folgenden Millennium-Gipfel aufgenommen werden, bei dem sich Staats- und Regierungschefs treffen.

20. Dass die Menschheit sich der geistigen Dimension des Wandels in der Welt bewusst wird, hat für Bahá'í eine besondere Bedeutung. Der interreligiöse Dialog hat sich intensiviert. Während des Vier-Jahres-Planes war der Glaube in zunehmendem Maße als anerkannter Partner daran beteiligt. Das Parlament der Weltreligionen führte im letzten Dezember in Kapstadt 6.000 Teilnehmer zusammen, darunter eine starke Bahá'í-Delegation. Bahá'í waren im südafrikanischen und internationalen Leitungsgremium an der Planung der Veranstaltung beteiligt. Für die Bahá'í ergab sich ein besonderes Interesse an dieser Veranstaltung aus der Tatsache, dass der Name Bahá'u'lláhs öffentlich zum ersten Mal im Westen beim Parlament in Chicago 1893 erwähnt worden war. Auf zwei im letzten November in Jordanien abgehaltenen interreligiöse Veranstaltungen wurden Bahá'í als geladene Teilnehmer empfangen; es waren dies die Konferenz über Konflikte und Religionen im Nahen Osten und die Jahrestagung der Weltkonferenz für Religion und Frieden (WCRP). Bahá'í-Vertreter nahmen auch an Veranstaltungen in der Vatikanstadt und in Neu Delhi teil, die von der römisch-katholischen Kirche veranstaltet wurden. Beim zweiten Anlass war Beraterin Zena Sorabjee eine der Vertreterinnen von Religionen, die in Gegenwart von Papst Johannes Paul II zur Versammlung sprachen. Im Vereinigten Königreich trat der Glaube in die öffentliche Arena, als Bahá'í-Vertreter mit Mitgliedern von acht anderen großen Religionen zu einer interreligiösen Milleniumsfeier in der Königlichen Galerie im Westminster-Palast zusammenkamen, wo in Gegenwart von Mitgliedern des Königshauses, des Premierministers, des Erzbischofs von Canterbury und anderen hervorragenden Persönlichkeiten auf die Versammlung der "neun großen Religionen des Vereinigten Königreiches" Bezug genommen wurde. In Deutschland wurden die Bahá'í zum ersten Mal am interreligiösen Dialog beteiligt. Damit änderte sich eine langjährige Einstellung der christlichen Konfessionen, die wegen eines von einem Bundesbrecher geschriebenen und von einem lutherischen Verlag 1981 herausgegebenen Buches die Berührung mit dem Glauben vermieden hatten. Abhilfe erfolgte durch eine 600 Seiten starke von drei Bahá'í geschriebene wissenschaftliche Widerlegung, die in einem führenden Nicht-Bahá'í-Verlag 1995 erschien, was einen außergewöhnlichen Sieg für die deutsche Bahá'í-Gemeinde darstellt. Eine englische Übersetzung wurde im letzten Jahr des Planes herausgegeben. In ungewöhnlicher Form fand ein interreligiöser Dialog statt, als 1998 Vertreter der Weltbank und von neun großen Religionen im Lambeth-Palast eine Veranstaltung abhielten, die zur Bildung eines Entwicklungsdialogs der Weltreligionen führte. Es ist das vom Dialog verkündete Ziel zu versuchen, den Graben zwischen den Religionsgemeinschaften und der Weltbank zu überbrücken, um ihnen eine wirkungsvollere Zusammenarbeit bei der Überwindung der Armut in der Welt zu ermöglichen. Die Häufigkeit und der umfassende Charakter dieser interreligiösen Versammlungen ist ein neues Phänomen in den Beziehungen der Religionen untereinander. Es ist offensichtlich, dass sich die verschiedenen Religionsgemeinschaften darum bemühen, den Geist der Freundlichkeit und Brüderlichkeit untereinander zu erreichen, den Bahá'u'lláh Seine Anhänger aufgerufen hat, den Anhängern anderer Religionen gegenüber an den Tag zu legen.

21. Während dieser vier Jahre spielten sich die konzentrierten Bemühungen der Bahá'í zu einer Zeit ab, da die Gesellschaft im Allgemeinen mit einer Flut widerstreitender Interessen zu kämpfen hatte. In dieser kurzen aber äußerst bewegten Zeitspanne schritten die in der Bahá'í-Gemeinde und in der Welt waltenden Kräfte mit unerbittlicher Beschleunigung voran. In ihrem Sog offenbarten sich die sozialen Phänomene, auf die Shoghi Effendi hingewiesen hatte, klarer als je zuvor. Vor mehr als 60 Jahren zog er die Aufmerksamkeit auf "diese gleichzeitigen Vorgänge des Aufstieges und des Unterganges, des Zusammenschlusses und des Auseinanderfallens, der Ordnung und des Chaos mit ihren ständigen und wechselseitigen Auswirkungen aufeinander". Diese zwei Prozesse spielten sich nicht isoliert von jenen ab, die für die Bahá'í-Gemeinde typisch waren, sondern führten, wie schon gezeigt wurde, zur direkten Beteiligung des Glaubens. Sie scheinen auf der anderen Seite des gleichen Zeitkorridors zu laufen. Auf der einen Seiten wüteten an etwa 40 Stellen Kriege, die von religiösen, politischen, rassischen oder Stammeskonflikten geschürt wurden; ein plötzlicher totaler Zusammenbruch der bürgerlichen Ordnung lähmt eine Reihe von Ländern; Terrorismus als politische Waffe wurde zur Epidemie; eine Woge internationaler krimineller Netzwerke versetzte die Menschen in Schrecken. Auf der anderen Seite jedoch gab es ernsthafte Versuche, Methoden der kollektiven Sicherheit auszuarbeiten und umzusetzen, was Bahá'u'lláhs Vorschriften für die Erhaltung des Friedens in Erinnerung ruft; es gab einen Aufruf, einen internationalen Strafgerichtshof einzurichten, eine weitere Maßnahme, die mit den Erwartungen der Bahá'í übereinstimmt. Um die Aufmerksamkeit auf die dringende Notwendigkeit, ein angemessenes System zur Lösung von globalen Fragen einzurichten, haben sich die Führer der Welt auf einem Millennium-Gipfel verabredet; neue Kommunikationsmethoden haben den Weg dafür frei gemacht, dass jeder mit jedem auf diesem Planten in Verbindung treten kann. Wirtschaftliche Auflösungserscheinungen in Asien drohten die Weltwirtschaft zu destabilisieren, führten aber zu Bemühungen, die unmittelbare Gefahr zu beheben und Methoden zu entwickeln, einen Sinn für Gerechtigkeit in den Bereich des internationalen Handels und der Finanzen einzuführen. Dies sind nur einige Beispiele für die beiden gegensätzlichen aber aufeinander einwirkenden Tendenzen der Zeit, die Shoghi Effendis inspirierte Zusammenfassung über die Kräfte, die in Gottes Größerem Plan am Werke sind, bestätigen, "dessen letztes Ziel die Einheit und der Frieden der gesamten Menschheit ist".

22. Zum Abschluss dieser vier ereignisreichen Jahre kommen wir an ein gewaltiges Zusammentreffen von Abschlüssen und Anfängen in der gregorianischen Zeitrechnung und der Bahá'í-Ära. In einem Sinne bedeutet dieses Zusammentreffen das Ende des zwanzigsten Jahrhunderts und in einem anderen eröffnet es eine neue Stufe in der Entfaltung des Gestaltenden Zeitalters. Die Perspektive dieser zwei Zeitrahmen veranlasst uns, über eine Vision von weltgestaltenden Entwicklungen nachzudenken, die zeitlich zusammenfallen; wir tun dies unter Berücksichtigung der Einsicht, die von Shoghi Effendi so plastisch bei der Gründung des von ihm entworfenen Bogens am Berge Carmel dargelegt wurde. Im Verlauf des Planes gewann diese Vision eine leuchtende Klarheit, als die Bauprojekte am Berge Carmel voranschritten, als die Führer der Welt kühne Schritte in Richtung auf die Gestaltung eines weltweiten politischen Friedens unternahmen, und als örtliche und nationale Bahá'í-Institutionen ein neues Niveau in ihrer Evolution erreichten. Wir tragen mit uns eine heilige und dauerhafte Erinnerung an das zwanzigste Jahrhundert in uns, die unsere Energien weckt und uns den Weg vorzeichnet: Zu ihm gehört jener zukunftsweisende Augenblick in der Geschichte der Menschheit, als der Mittelpunkt des Bundes Bahá'u'lláhs im Laufe einer Amtszeit, die ohne Parallele ist, die Struktur der neuen Weltordnung entwarf und als anschließend im Verlauf einiger seiner verheerendsten Jahre der Hüter des Glaubens seine äußerste Energie darauf verwendete, die Struktur eines administrativen Systems zu errichten, das am Ende des Jahrhunderts in der Ganzheit seiner essenziellen Form vor den Augen der Welt ausgebreitet liegt. Wir stehen damit an einer Brücke zwischen den Zeiten. Die Fähigkeiten, die im Laufe eines Jahrhunderts der heftigen Anstrengungen und Opfer von einer Handvoll von der Liebe zu Bahá'u'lláh berauschter Gläubiger entwickelt wurden, müssen jetzt auf die für das Gestaltende Zeitalter unausweichlich verbleibenden Aufgaben angewandt werden; die zahlreichen Epochen unermüdlicher Arbeit dieses Zeitalters werden schließlich zum Goldenen Zeitalter unseres Glaubens führen, wenn der Größte Friede die Erde umfassen wird.

23. An diesem Ridván beginnen wir einen Zwölf-Monate-Plan. So kurz er auch ist, muss und wird er ausreichen, gewisse lebenswichtige Aufgaben zu erfüllen und das Fundament für den nächsten zwanzig Jahre andauernden Vorstoß des Göttlichen Planes des Meisters zu legen. Was vor vier Jahren so sorgfältig begonnen wurde - die systematische Aneignung von Kenntnissen, Qualitäten und Dienstfertigkeit - muss erweitert werden. Wo immer es sie gibt, müssen nationale und regionale Institute die Programme und Systeme, die sie eingeführt haben, in vollem Umfang zur Anwendung bringen. Neue Institute müssen gebildet werden, wo der Bedarf danach erkannt wurde. Größere Schritte müssen unternommen werden, um die Lehrarbeit zu systematisieren, die durch individuelle Initiative und durch institutionelle Förderung unternommenen wird. Es ist teilweise zu diesem Zweck, dass die Berater und die Nationalen Räte in verschiedenen Gegenden jedes Kontinents "Regionale Wachstumsprogramme" aufgestellt haben. Die Ergebnisse werden einen Erfahrungsschatz liefern, der für zukünftige Pläne nützlich sein wird. Der Einzelne, die Institutionen und die örtlichen Gemeinden werden dringend gebeten, ihre Aufmerksamkeit auf diese wesentlichen Aufgaben zu richten, damit sie für das nächste Fünf-Jahres-Unternehmen, das zu Ridván 2001 beginnt, voll gerüstet sind - eine Unternehmung, die die Bahá'í-Welt zur nächsten Phase beim Fortschritt im Prozess des Beitritts in Scharen führen wird.

24. Aber jenseits der Aufmerksamkeit, die auf diese Aufgaben gerichtet wird, gibt es noch eine dringende Herausforderung, vor der wir stehen: Unsere Kinder müssen geistig genährt und in das Leben der Sache Gottes integriert werden. Man sollte darf zulassen, dass sie ziellos in einer Welt umherirren, die voll von moralischen Gefahren ist. Im gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft sehen sich die Kinder einem grausamen Schicksal gegenüber. Millionen und Abermillionen von ihnen sind in allen Ländern sozial entwurzelt. Die Kinder sind ihren Eltern und der Erwachsenenwelt gegenüber entfremdet, ob sie nun unter armen oder reichen Lebensbedingungen leben. Diese Entfremdung hat ihre Wurzeln in der Selbstsucht, die aus dem Materialismus entsteht, welcher sich im Kern der Gottlosigkeit befindet, die die Herzen der Menschen überall erfasst. Die soziale Entwurzelung der Kinder unserer Zeit ist ein sicheres Anzeichen einer Gesellschaft des Niedergangs; dieser Zustand beschränkt sich jedoch nicht auf eine Rasse, Klasse, Nation oder wirtschaftliche Bedingung - er betrifft alle. Es betrübt unsere Herzen zutiefst festzustellen, dass in vielen Teilen der Welt Kinder als Soldaten benutzt, als Arbeiter ausgebeutet, in die Sklaverei verkauft, in die Prostitution gezwungen, zum Objekt für Pornographie herabgewürdigt, von Eltern, deren Denken nur um ihre eigenen Begierden kreist, verlassen werden oder auf andere Arten - zu zahlreich, um sie aufzuzählen - zu Opfern gemacht werden. Viele dieser Schrecken fügen Eltern selbst den eigenen Kindern zu. Der hieraus entstehende geistige und psychologische Schaden kann überhaupt nicht abgeschätzt werden. Unsere weltweite Gemeinde kann den Folgen dieser Zustände nicht entfliehen. Das Bewusstsein dieser Tatsache sollte uns alle zu dringlichen und beständigen Anstrengungen für die Interessen von Kindern und der Zukunft antreiben.

25. Obgleich Aktivitäten für Kinder auch ein Teil früherer Pläne waren, haben sie dem tatsächlichen Bedarf auf diesem Feld nicht annähernd entsprochen. Geistige Erziehung von Kindern und Junioren ist von größter Bedeutung für den weiteren Fortschritt der Gemeinde. Es ist daher geboten, Abhilfe für diesen Mangel zu schaffen. Die Institute müssen sicherstellen, dass ihre Programme die Ausbildung von Kinderklassenlehrern mit einschließen, die dann den örtlichen Gemeinden ihre Dienste zur Verfügung stellen können. Aber wenn auch eine geistige und schulische Ausbildung für Kinder wesentlich ist, bildet dies doch nur einen Teil dessen, was in die Entwicklung ihres Charakters und in ihre Persönlichkeitsbildung einfließen muss. Es ist notwendig, dass der Einzelne und die Institutionen auf allen Ebenen, d. h. die Gemeinde als Ganzes, Kindern gegenüber eine angemessene Haltung zeigen und sich allgemein für ihr Wohlergehen interessieren. Eine solche Einstellung sollte sich völlig abheben von derjenigen einer schnell zerfallenden Ordnung.

26. Kinder sind der kostbarste Schatz, den eine Gemeinde besitzen kann, denn in ihnen liegt die Verheißung und die Garantie für die Zukunft. In ihnen liegt keimhaft der Charakter der zukünftigen Gesellschaft, der im Wesentlichen durch das gebildet wird, was die Erwachsenen der Gemeinde für die Kinder tun oder zu tun versäumen. Sie sind ein Pfand, das keine Gemeinde ungestraft vernachlässigen darf. Eine allumfassende Liebe für die Kinder, die Art, wie man sie behandelt, die Qualität der ihnen geschenkten Aufmerksamkeit, der Geist, mit dem sich Erwachsene ihnen gegenüber verhalten - dies alles gehört zu den lebenswichtigen Aspekten der erforderlichen Einstellung. Liebe erfordert Disziplin, den Mut, Kinder an Mühsal zu gewöhnen, nicht allen ihren Launen nachzugeben und sie nicht ihren eigenen Neigungen ganz zu überlassen. Es muss eine Atmosphäre gewahrt werden, in der Kinder fühlen, dass sie zur Gemeinde gehören und sich an ihrem Ziel beteiligen. Sie müssen liebevoll aber nachdrücklich dahin geführt werden, nach den Bahá'í-Maßstäben zu leben und die Sache Gottes in einer Weise zu erforschen und zu lehren, wie es ihrem Lebensumfeld entspricht.

27. Unter den Jugendlichen in der Gemeinde sind auch die Junioren, im Alter etwa zwischen 12 und 15. Sie bilden eine besondere Gruppe, die besondere Bedürfnisse hat, da sie sich irgendwo zwischen Kindheit und Jugend befinden und viele Veränderungen in ihnen vorgehen. In schöpferischer, hingebungsvoller Aufmerksamkeit gilt es, sie an Programmen für Aktivitäten zu beteiligen, sie dabei mit ihren Interessen einzubeziehen, ihre Befähigungen für das Lehren und den Dienst zu bilden und sie in die sozialen Interaktionen mit älteren Jugendlichen einzubinden. Die Einbeziehung der Künste in ihren verschiedenen Formen kann in solchen Aktivitäten von großem Wert sein.

28. Und nun möchten wir einige Worte an Eltern richten, die bei der Erziehung ihrer Kinder die Hauptverantwortung tragen. Wir rufen sie auf, ihre ständige Aufmerksamkeit auf die geistige Erziehung ihrer Kinder zu richten. Es scheint, dass einige Eltern annehmen, dies liege ausschließlich in der Verantwortung der Gemeinde; andere glauben, dass die Unabhängigkeit der Kinder bei der Erforschung der Wahrheit gewahrt bleiben müsse und deshalb der Glaube ihnen nicht gelehrt werden dürfe. Wiederum andere fühlen sich unfähig, diese Aufgabe zu bewältigen. Nichts davon trifft zu. Der geliebte Meister sagte: "Vater und Mutter sind verpflichtet, Tochter und Sohn mit größter Anstrengung auszubilden", und fügte hinzu: "Wer diese Aufgabe vernachlässigt, der wird in Gegenwart des gestrengen Herrn zur Rechenschaft gezogen und mit Vorwürfen überhäuft werden." Unabhängig vom Niveau ihrer eigenen Ausbildung sind Eltern in der entscheidenden Lage, die geistige Entwicklung ihrer Kinder zu formen. Sie sollten unter keinen Umständen ihre Fähigkeit, den moralischen Charakter ihrer Kinder zu bilden, unterschätzen. Denn sie üben einen unersetzbaren Einfluss durch die häusliche Umgebung aus, die sie bewusst durch ihre Liebe zu Gott, ihr Bemühen, sich an Seine Gesetze zu halten, ihren Geist des Dienstes für Seine Sache, ihre nicht fanatische Einstellung und ihre Freiheit von den zersetzenden Wirkungen der üblen Nachrede schaffen. Jeder Elternteil, der an die Gesegnete Schönheit glaubt, hat die Verantwortung sich in solcher Weise zu benehmen, wodurch bei den Kindern spontan der Gehorsam gegenüber den Eltern entsteht, dem die Lehren solch hohen Wert beimessen. Natürlich sollten die Eltern zusätzlich zu ihrem Bemühen im Hause die von der Gemeinde eingerichteten Bahá'í-Kinderklassen unterstützen. Man muss auch daran denken, dass die Kinder in einer Welt leben, die sie durch den direkten Kontakt mit den Schrecken, die wir beschrieben haben, und durch die unvermeidliche Überflutung der Massenmedien über die rauhen Realitäten informiert. Viele von ihnen werden daher zwangsläufig vorzeitig reif, und unter diesen gibt es solche, die nach Maßstäben und einer Disziplin suchen, nach der sie ihr Leben ausrichten können. Auf diesem düsteren Hintergrund einer dekadenten Gesellschaft sollten Bahá'í-Kinder als die Sinnbilder einer besseren Zukunft strahlen.

29. Wir hegen die lebhaftesten Erwartungen, wenn wir daran denken, dass die Kontinentalen Berater sich im Januar 2001 aus einem Anlass versammeln werden, bei dem wir den Einzug des Internationalen Lehrzentrums in seinen ständigen Sitz am Berge Gottes feiern werden. Hilfsamtsmitglieder aus der ganzen Welt werden mit ihnen an einer Versammlung teilnehmen, die sich zweifellos als eines der historischen Ereignisse des Gestaltenden Zeitalters erweisen wird. Die Zusammenkunft eines solchen Kreises von Bahá'í-Amtsträgern muss allein naturgemäß für eine Gemeinde, die dann kurz vor dem Ende eines Planes und dem Eintritt in einen neuen Plan stehen wird, zahllose Wohltaten bringen. Während wir über diese Auswirkungen nachsinnen, wenden wir uns mit dankbaren Herzen an die geliebten Hände der Sache Gottes 'Alí-Akbar Furútan und 'Alí Muhammad Varqá, die durch ihren Aufenthalt im Heiligen Land die Fackel des Dienstes hochhalten, die der geliebte Hüter in ihren Herzen entzündet hat.

30. Mit diesem Zwölf-Monate-Plan überqueren wir eine Brücke, zu der wir niemals zurückkehren werden. Wir beginnen diesen Plan in der Abwesenheit von 'Amatu'l-Bahá Rúhíyyih Khánum aus diesem irdischen Dasein. Sie blieb bei uns praktisch bis zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts als ein Strahl jenes Lichtes, das während jener unvergleichlichen Periode in der Geschichte der Menschheit schien. In den Sendschreiben zum Göttlichen Plan beklagte der Meister Seine Unfähigkeit, durch die Welt zu reisen, um den göttlichen Ruf zu erheben, und da er Seine Enttäuschung so intensiv fühlte, schrieb Er die Hoffnung nieder: "Es möge Gott gefallen, dass ihr es erreicht!" 'Amatu'l-Bahá reagierte darauf mit grenzenloser Energie, berührte weit verstreute Gegenden dieser Erde in den 185 Ländern, die dazu ausersehen waren, ihre unvergleichlichen Geschenke zu erhalten. Ihr Beispiel, das für immer seinen Glanz behalten wird, erleuchtet die Herzen von Tausenden und Abertausenden auf dem ganzen Erdball. Da jede andere Geste unangemessen erscheint, sollten wir nicht alle während dieses Planes unsere demütigen Bemühungen dem Gedenken jener widmen, für die Lehren das oberste Ziel, die vollkommenste Freude des Lebens war?



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