ZUR FRAGE DER APARTHEIT
Die Prinzipien und Grundaussagen der BahÕ-Religion sind in letzter Zeit bei verschiedenen Gelegenheiten Teil der ffentlichen Diskussion auch in der Bundesrepublik Deutschland geworden. Im von den Vereinten Nationen proklamierten Èinternationalen Jahr des FriedensÇ 1986 setzten sich die BahÕ in Dutzenden von Podiumsgesprchen, Symposien und Vortragsveranstaltungen fr den Gedanken des Friedens und der Einheit der Menschheit ein. Dabei fhrten sie mit evangelischen und katholischen Theologen, Universittsprofessoren und Politikern, darunter Mitgliedern des Deutschen Bundestags, oft fruchtbare Dialoge. Den Auftakt zu diesem verstrken ffentlichen Engagement der BahÕ-Gemeinde bildete ein Aufruf des Universalen Hauses der Gerechtigkeit, der hchsten Fhrungsinstitution der BahÕ-Welt, anl§lich des internationalen Jahres des Friedens an die Vlker der Welt. In diesem Aufruf wird der Rassismus Steines der verhngnisvollsten, hartnckigsten bel, ein Haupthindernis fr den Frieden.. genannt und weiter ausgefhrt: ÈWo er herrscht, wird die Menschenwrde zu schndlich verletzt, als da§ es unter irgendeinem Vorwand gebilligt werden knnte. Der Rassismus hemmt die Entfaltung der unbegrenzten Mglichkeiten seiner Opfer, korrumpiert die Tter und vereitelt den menschlichen Fortschritt. Die Einheit der Menschheit, vollzogen durch geeignete rechtliche Ma§nahmen, mu§ allgemein gltig anerkannt werden, wenn dieses Problem berwunden werden soll... Die hier verffentlichte Stellungnahme fhrt den Grundgedanken der berwindung des Rassismus weiter aus. Verfa§t wurde sie von dem im Jahre 1984 vom Universalen Haus der Gerechtigkeit gegrndeten Informationsbro der Bah'i International Community in Haifa.
Vor etwas mehr als einhundert Jahren erklrte BahÕuÕllh, der Stifter der BahÕ-Religion, die Menschheit trete in ein neues Zeitalter ihrer Geschichte ein, in welchem der immer rascher ablaufende Proze§ ihres Zusammenwachsens der allgemeinen Erkenntnis zum Durchbruch verhelfe, da§ die Menschheit nur eine einzige Gattung, nur eine Spezies ist. BahÕuÕllh rief die Vlker der Welt auf, diese grundlegende Wahrheit zu akzeptieren und alle Schranken der Rasse, Nationalitt und Kultur - die Hauptursachen der Kriege, die unsere Geschichte seit je begleiten - zu beseitigen. Nach BahÕuÕllh gibt es keine Mglichkeit fr einen Weltfrieden, solange das Grundprinzip der Einheit nicht anerkannt ist und in der Gestaltung der Gesellschaft Anwendung findet.
Daher ist die BahÕ-Welt-gemeinde seit ihren Anfngen vor mehr als einem Jahrhundert geprgt durch die Integration der zahlreichen sie konstituierenden religisen, rassischen, ethnischen, kulturellen, sprachlichen und nationalen Elemente. Zur Ehe zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer und kultureller Abstammung, insbesondere zwischen schwarzen und wei§en BahÕ, wird in den BahÕ-Schriften sehr ermutigt. Um sicherzustellen, da§ Angehrige solcher Gruppen, die in der Gesellschaft diskriminiert werden, nicht auch bei der Mitwirkung am Gemeindeleben behindert sind, enthalten die BahÕ-Lehren administrative Grundstze zur berwindung von Benachteiligungen aus sozialer Ungleichheit. Etwa in Fllen der Stimmengleichheit bei einer BahÕ-Gemeindewahl oder bei gleicher Qualifikation zweier Glubiger fr ein Amt wird grundstzlich dem der Vorrang gegeben, der einen benachteiligten oder unterdrckten Teil der Gesellschaft reprsentiert.
Seit Anfang dieses Jahrhunderts sind die BahÕ in Sdafrika diesen Grundstzen gefolgt. Nachdem die Apartheidsgesetze bei bestimmten rtlichen Vereinigungen, zu denen die gewhlten Geistigen Rte der BahÕ zhlen, eine gemischt rassische Zusammensetzung untersagten, verzichteten die wei§en BahÕ auf das Recht, in diese Gremien gewhlt zu werden, getreu dem Grundsatz, benachteiligten Bevlkerungsschichten den Vorzug zu geben. Mit Ausnahme dieser rtlichen entscheidungsbefugten Krperschaften, deren Mitgliedschaft ausdrcklich durch staatliches Recht eingeschrnkt war, gab es bei BahÕ-Zusammen-knften in Sdafrika keine Rassenschranken. Diese Tatsache ist den Behrden wohlbekannt.
Neben ihrem Versuch, ein ermutigendes Beispiel fr die Rassenintegration zu geben, hat sich die BahÕ-Gemeinde in Sdafrika mit Nachdruck darum bemht, im einzelnen BahÕ-Grundstze wie die Einheit der Menschheit zu verankern und ihm ein Selbstwertgefhl und soziale Verantwortung einzuprgen. Parallel dazu wurde ein Programm durchgefhrt, dessen Ziel es war, die Geistigen Rte in den Grundstzen der Beratung und Problemlsung zu schulen. Die Ergebnisse dieser Bemhungen erfllen die BahÕ mit besonderem Stolz, da so den schwarzen Glubigen die hchsten mter der Gemeinde durch Wahl oder Ernennung erffnet wurden.
Dieser historische Hintergrund unterstreicht die berzeugung der BahÕ, da§ es zur Lsung von Konfliktsituationen wie der in Sdafrika der Kraft des Beispiels bedarf. Ein grundlegender Wandel im sozialen Verhalten wird am ehesten dann erreicht, wenn die entsprechenden geistigen und moralischen Grundstze mutig vorgelebt werden und wenn Mnner und Frauen guten Willens sehen knnen, wie andere sich erfolgreich bemhen, diesen Idealen in ihrem persnlichen Leben wie in der Gemeinschaft praktischen Ausdruck zu verleihen.
Das System der Apartheid verst§t gegen die Menschenwrde; es erweckt daher in den Menschen aller Nationen und Kulturen tief empfundene Abscheu. BahÕ teilen dieses Gefhl in besonderem Ma§e. Doch ist die daraus erwachsende moralische Herausforderung inzwischen zutiefst mit parteipolitischen Interessen vermengt. Diese Verflechtung ist so vollkommen, da§ beide Aspekte des Konflikts nicht mehr voneinander getrennt werden knnen: Sozialer Protest aus moralischer Emprung hat den Charakter politischer Aktionen angenommen.
Unter der Voraussetzung des Freund-Feind-Verhltnisses, das die politischen Traditionen in aller Welt bestimmt, ist dies nur folgerichtig. Aber politische Aktionen ohne die Bedingung wirklicher Beratung, in der Parteiinteressen den Interessen des Ganzen untergeordnet werden, knnen fr sich allein bei so ernsten Problemen, wie sie Sdafrika erschttern, keine dauerhafte Lsung bringen. Doch unabhngig davon, wie schwierig die Aufgabe und wie entmutigend die derzeitige Lage auch sei, jene Teile der sdafrikanischen Bevlkerung, die in der vlligen Integration die zentrale Aufgabe sehen, stehen vor der Herausforderung, durch gemeinsame Anstrengungen solche Bedingungen zu schaffen. Dies ist eine moralische Pflicht; sie ist so dringlich wie jede andere, die Menschen guten Willens motiviert, Sdafrika von seiner schrecklichen Last zu befreien.
Die Bah'i sind durch die Lehren ihres Glaubens gehalten, sich jeder parteipolitischen Aktivitt und jeder Beteiligung an Unruhen zu enthalten. Dies gilt unabhngig davon, ob es sich um Reaktionen auf rassische Unterdrckung wie in Sdafrika handelt oder ob sich der Widerstand gegen die verbreiteten Versuche wendet, das Volk zu spalten und zu schwchen, sei es durch Verfolgung der Religion, die Unterdrckung der Frau, oder die Verweigerung politischer Freiheit. Schmerzliche Erfahrungen unter all diesen Bedingungen haben in den BahÕ die Gewi§heit wachsen lassen, da§ die Menschheit lernen kann, wie eine Familie zu leben, und da§ die Krfte der Geschichte unsere Gattung heute rasch in diese Richtung drngen. Der Druck dieser Gewalten ist unausweichlich; selbst Sdafrika wird schlie§lich darauf eingehen mssen. In welcher Art und wie rasch dies geschieht, hngt ebenso sehr von geistigen und moralischen Bedingungen ab wie von konomischen und politischen.
Vor Gott gibt es keine Wei§en und Schwarzen. Alle Farben sind eins, sie alle sind die Farbe des Dienstes fr Gott.
Wichtig ist das Herz. Ist das Herz rein, so sind weder wei§, noch schwarz, noch eine andere Farbe von Bedeutung. Gott sieht nicht auf die Farbe; Er sieht auf das Herz. ÔAbduÕl-Bah
(Promulgation, S. 44)
(aus BahÕ-Briefe Nr. 52) 1984