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Die Bahá’í-Gemeinde und die Vereinten Nationen

Ein Beitrag von Roland Philipp
Vertreter der Bahá’í International Community bei den Vereinten
Nationen in Wien und Vorsitzender des Jugendkomitees der NGOs

Die Bahá’í International Community« (BIC) ist in Vertretung der weltweiten Bahá’í-Gemeinde als regie-
rungsunabhängige Organisation bei und für die Vereinten Nationen tätig. Die um die Mitte des vorigen
Jahrhunderts von Bahá’u’lláh in Persien gestiftete Bahá’í-Religion ist heute mit weltweit rund 6 Millio-
nen Gläubigen in praktisch allen Ländern der Welt vertreten und bietet damit in sich ein Beispiel des
harmonischen Zusammenwirkens von Menschen Verschiedenster Nationalität, Rasse, Klasse und
Religion.

Die zentrale Lehre der Bahá’í-Religion ist das Prinzip der Einheit der Menschheit, deren Verwirkli-
chung letztlich zu einem umfassenden und dauerhaften Welt Frieden fuhren wird. Dies setzt nach den
Lehren Bahá’u’lláhs allerdings eine grundlegende geistige Wandlung der Menschen und der Gesell-
schaft voraus. Bahá’u’lláh hat dafür in seinen Schriften umfassende geistige und gesellschaftliche Leh-
ren und Prinzipien dargelegt, die notwendigen Grundprinzipien einer neuen Weltordnung festgehalten
und den Ablauf dieses umfassenden Umbruchsprozesses beschrieben.

Ausgestattet mit einer weltumspannenden Organisationsstruktur und im Besitz vielfältiger und aktu-
eller Erfahrungen mit den subtilen Bedürfnissen und den komplexen Zusammenhängen multikulturel-
len Zusammenlebens bringt die Bahá’í International Comrnunity einerseits die konkreten Vorstellungen
der Bahá’í-Religion für die Befriedung der Völker und die Harmonisierung ihrer berechtigten Bedürfnis-
se in die Arbeit der Vereinten Nationen ein und steht andererseits nur die Verbreitung der Anliegen und
der Programme der Vereinten Nationen im Rahmen der Aktivitäten der weltweit in rund 100.000 Ort-
schaften tätigen Bahá’í zur Verfügung.

* Die Entwicklung der Bahá’í International Community

Im Frühjahr 1947 wurde der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in den USA und Kanada von den
Vereinten Nationen in New York beim Büro nur Öffentlichkeitsarbeit als nichtstaatliche Organisation
anerkannt, was ihn berechtigte, durch einen Botschafter vertreten zu sein.

Zu dieser Zeit erbat das Sonderkomitee der Vereinten Nationen nur Palästina von den Bahá’í eine
Darstellung der Beziehungen des Bahá’í-Glaubens zu Palästina und über die Bahá’í-Vorstellungen für
zukünftige Veränderungen Palästinas. Dies geschah wohl hauptsächlich deshalb, weil sich das geisti-
ge und organisatorische Weltzentrum der Bahá’í-Religion seit 1868 in Akká und Haifa, im heutigen
Israel befindet, wohin Bahá’u’lláh durch die gemeinschaftliche Aktion des damaligen türkischen Sul-
tans und des persischen Shah verbannt worden war.

In der Folge wurden 1948 die damals weltweit bestehenden 8 Nationalen Geistigen Räte gemein-
schaftlich als »Bahá’í International Community« als NGO mit Beobachterstatus anerkannt.

Nachdem in den frühen Jahren der BIC mit ehrenamtlichen Vertretern und mit Teilzeitarbeit aus-
kam, begann Mitte der 60erJahre entsprechend dem wachsenden Arbeitsumfang und den vielfältigen
Arbeitsgebieten mit der Berufung eines ersten hauptamtlichen und vollbeschäftigten Vertreters der BIC
in New York ein steter personeller und räumlicher Ausbau des Bahá’í-Büros. Heute ist die Bahá’í Inter-
national Community an allen Amtssitzen der Vereinten Nationen zumindest mit ehrenamtlichen Vertre-
tern tätig und unterhält in unmittelbarer Nachbarschaft zum UN-Zentrum in New York ein nach mehre-
ren Hauptarbeitsgebieten gegliedertes Büro.

Dem 1967 eingereichten Antrag auf Zuerkennung des beratenden Status beim Wirtschafts- und So-
zialrat der Vereinten Nationen wurde schließlich 1970 stattgegeben und die BIC ist heute auch bei
anderen UNUnterorganisationen, z.B. bei der UNEP (1974) und bei der UNICEF (1976) akkreditiert.
Das schon lange Zeit bestehende \>Internationale Bahá’í-Büro in Genfs wurde 1971 in Hinblick auf die
Zusammenarbeit mit der Menschenrechtskommission deutlich verstärkt, was vor allem durch die im-
mer wiederkehrenden Verfolgungen der Bahä'i in islamischen Ländern, vor allem aber in ihrem Ur-
sprungsland Iran, notwendig geworden war.

* Aktivitäten der Bahá’í International Community

Die Bahá’í wirken bei praktisch allen Projekten und Programmen des Zentrums für wirtschaftliche
Entwicklung und humanitäre Angelegenheiten mit. Sie nehmen aktiv an den Vorbereitungsprozessen
und den entsprechenden Konferenzen teil und tragen deren Ziele und Anliegen durch Veranstaltungen
ihrer örtlichen Bahá’í-Gemeinden in die ganze Welt.

Auch die dabei abgedeckten Arbeitsbereiche können hier nur beispielhaft aufgezählt werden: Kin-
der, Verbrechensverhütung, Abrüstung, Umwelt, Ernährung, Gesundheit, Menschenrechte, Seerecht,
Drogen, Frieden, Frauen, Jugend, Alte, Behinderte und andere mehr, wie Bevölkerungsfragen, Ent-
wicklungsfragen und Weltraumfragen.

* Programme für soziale und wirtschaftliche Entwicklung

An dieser Stelle soll auch auf die vielfältigen Programme nur soziale und wirtschaftliche Entwick-
lung hingewiesen werden, die nach dem Motto »Hilfe zur Selbsthilfen mit Schwerpunkt in der soge-
nannten »Dritten und Vierten Welt« durchgeführt werden.

Sie werden vor allem von örtlichen Bahá’í-Gemeinden in Entsprechung ihrer materiellen und perso-
nellen Möglichkeiten und abgestimmt auf die Bedürfnisse der Menschen in ihrem Wirkungsbereich
getragen. Sie umfassen beispielsweise Grund- und Landwirtschaftsschulen, Ernährungs- und Hygie-
neprogramme, medizinische Programme und Radiostationen, aber auch Kleinprojekte in der Alten-
betreuung oder im Umweltschutz Ehe- und Familienseminare sowie Geldbeschaffungs- und Spenden-
aktionen für örtliche Sozialprogramme.

Diese Projekte werden teilweise in Zusammenarbeit mit beziehungsweise mit Unterstützung von
Teilorganisationen der Vereinten Nationen durchgeführt und sind gute Beispiele für das Zusammen-
wirken der Bahá’í-Gemeinde und der Vereinten Nationen, in denen in Modell- und Pilotprojekten einer-
seits die Bestrebungen der Vereinten Nationen wirksam unterstützt und andererseits ein in den Ba-
há’í-Lehren dargelegter wesentlicher Lösungsansatz praktisch erprobt werden kann die Lösung mate-
rieller Probleme durch geistige Prinzipien.

* Den Übergang zur Stufe der Einheit der Menschheit begleiten

Was wir heute beobachten, ist ein grundlegender Umbruch in Wesen und Form menschlichen Zu-
sammenlebens. Nachdem die Menschheit die aufeinanderfolgenden Stufen gesellschaftlicher Einheit
von der Familie zur Sippe, zum Stadtstaat und zur Nation durchschritten hat, stehen wir heute an der
Schwelle zur notwendigen Erringung der nächsthöheren Stufe der Einheit, nämlich der Stufe der Ein-
heit der Menschheit.

In den Bahá’í-Schriften ist nachzulesen, daß Der Weltfrieden nicht nur möglich, sondern unaus-
weichlich ist«, daß Das Wohlergehen der Menschheit, ihr Friede und ihre Sicherheit unerreichbar sind,
wenn nicht und ehe nicht ihre Einheit fest begründet ist« (Bahá’u’lláh) und daß Aderweltfriede von gro-
ßer Bedeutung, aber die Einheit des Gewissens dabei wesentlich ist«.

Die Errichtung eines dauerhaften Weltfriedens bedarf umfassender Ansätze. Wir müssen deshalb
endlich anerkennen, daß der Mensch nicht nur ein materielles und soziales Wesen ist, sondern daß er
auch geistige Bedürfnisse besitzt, die nicht länger negiert werden dürfen. Dieser grundlegende Um-
bruch bedarf des Wandels sowohl im innermenschlichen als auch im gesellschaftlichen Bereich, er
bedarf des Drucks und des Strebens nicht nur von der Basis, sondern auch von den verantwortlichen
geistlichen und weltlichen Führern her.

Die Vereinten Nationen könnten in dieser überaus kritischen Situation dieses historischen Um-
bruchs der Katalysator, das Werkzeug und der Motor für diese Bemühungen sein, und die Bahá’í sind
bestrebt, sie dabei nach besten Kräften zu unterstützen.

In seiner Erklärung aus Anlaß des Internationalen Jahres des Friedens (1986) schrieb das Univer-
sale Haus der Gerechtigkeit: »Ob der Friede erst nach unvorstellbaren Schrecken erreichbar ist, he-
raufbeschworen durch stures Beharren der Menschheit auf veralteten Verhaltensmustern, oder ob er
heute durch einen konsultativen Willensakt herbeigeführt wird, dies ist die Wahl, vor die alle Erdenbe-
wohner gestellt sind.«

(aus One Country 1995/3)

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