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UNIVERSALES HAUS DER GERECHTIGKEIT

Bahá'í-Gelehrsamkeit

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»Gottes größtes Geschenk an den Menschen«
(PUP 23. April 1912)

zusammengestellt von der Forschungsabteilung Februar 1995
(c) Bahá'í-Verlag GmbH, 65719 Langenhain 1995, ISBN 3-87037-314-8, 451-301



»Der Gelehrte mit umfassendem Wissen und der Weise mit durchdringender Weisheit
sind die beiden Augen am Leibe der Menschheit.«
(AKKA 11/24)



Vorwort

Das Universale Haus der Gerechtigkeit sandte die vorliegende Textsammlung am 10. Februar 1995 an ausgewählte Nationale Geistige Räte zur gefälligen Verwendung und schrieb in seinem Begleitbrief:

Das Haus der Gerechtigkeit hofft, daß ein Studium der hier zusammengestellten Texte als Anregung dienen und zur Weiterentwicklung der Bahá'í-Gelehrsamkeit führen wird, und daß dem aufmerksamen Leser ihres Inhalts die einzigartigen Merkmale dieses lebenswichtigen Aspekts der Bahá'í-Tätigkeit deutlich werden.

Das Haus der Gerechtigkeit fordert die Mitglieder der Gemeinde des Größten Namens auf, sich - jung und alt, Mann und Frau - darum zu bemühen, anhand der in der vorliegenden Textsammlung aufgezeigten Leitlinien ein neues Modell wissenschaftlicher Aktivität zu entwickeln und der Menschheit vorzustellen, beseelt vom Geist des Forschens nach dem unauslotbaren Sinn der göttlichen Lehren. Dieses wissenschaftliche Streben sollte sich dadurch kennzeichnen, daß alle, die daran mitwirken wollen - ob Mann oder Frau, jeder auf seine Weise -, willkommen geheißen werden, daß alle Beteiligten sich gegenseitig ermutigen und zusammenarbeiten und daß hervorragender Bildung und bemerkenswerten Leistungen Anerkennung erwiesen wird. Der Geist und die Verfahrensweise sollten sich deutlich abheben von der Arroganz, dem Wettstreit und der Exklusivität, die in weiten Kreisen den Namen der Gelehrsamkeit zu oft beschmutzt und der soliden Entwicklung dieses wertvollen Vorhabens Schranken gesetzt haben.








Inhalt

1. Der Rang der Gelehrsamkeit

1.1. Die Bedeutung von Wissen und Gelehrtheit
1.2. Kennzeichen des »wahrhaft Gelehrten«
1.3. Das Feld der Bahá'í-Gelehrsamkeit
1.4. Würdigung der Gelehrsamkeit

2. Aufgaben der Bahá'í-Gelehrsamkeit

2.1. Förderung der menschlichen Wohlfahrt
2.2. Verteidigung des Glaubens
2.3. Ausbreitung und Festigung der Bahá'í-Gemeinde
2.4. Beiträge zur Entwicklung der Wissenschaften

3. Allgemeine Prinzipien und Richtlinien

3.1. Geistige Grundlagen
3.2. »Nützliche« Wissenschaften
3.3. Einstellungen des Gelehrten
3.4. Methodologische Fragen
3.5. Der Gottesbund









1.
Der Rang der Gelehrsamkeit
1.1.
Die Bedeutung von Wissen und Gelehrtheit

Aus den Schriften Bahá'u'lláhs

+1

Wissen ist eine der wundersamen Gaben Gottes. Es ist jedermanns Pflicht, Wissen zu erwerben. Die Künste und Hilfsmittel, die heute zur Hand sind, wurden kraft Seines Wissens und Seiner Weisheit erworben, offenbart in Briefen und Sendschreiben durch Seine Erhabenste Feder - eine Feder, aus deren Schatzkammer Perlen der Weisheit und des Wortes sowie die Künste und Fertigkeiten dieser Welt ans Licht treten. (AKKA 4/24)

+2

Wissen gleicht den Flügeln für des Menschen Leben, einer Leiter für seinen Aufstieg. Es ist jedermanns Pflicht, sich Wissen zu erwerben. Jedoch sollten solche Wissenschaften studiert werden, die den Völkern auf Erden nützen, nicht solche, die mit Worten beginnen und mit Worten enden. Viel verdanken fürwahr die Völker der Welt den Wissenschaftlern und den Handwerkern. ... In der Tat, Wissen ist ein wahrer Schatz für den Menschen, eine Quelle des Ruhmes, der Großmut, der Freude, der Erhabenheit, des Frohsinns und der Heiterkeit. Also spricht die Zunge der Größe in diesem Größten Gefängnis. (AKKA 5/15)





Aus den Schriften und Ansprachen Abdu'l-Bahás

+3

Bemühe dich immer darum, das neueste Wissen der Zeit zu erwerben, und strebe mit aller Kraft danach, die göttliche Kultur voranzutragen ...

Dazu gehört die Förderung der Künste, die Entdeckung neuer Wunder, die Ausweitung des Handels, die Entwicklung der Industrie. Auch müssen Methoden zur Kultivierung und Verschönerung des Landes gefördert werden; ebenso gehört unbedingter Gehorsam gegenüber der Regierung und die völlige Vermeidung jeden Ansatzes von Aufruhr dazu.

(Aus einem persischen Sendschreiben)


+4

... Ich bitte die Freunde Gottes dringend, sich nach diesen Grundsätzen und bestem Vermögen aufs äußerste zu bemühen. Je mehr sie sich anstrengen, ihr Wissen zu erweitern, desto besser und erfreulicher wird das Ergebnis sein. Die Geliebten Gottes, ob jung oder alt, ob Mann oder Frau, mögen sich - jeder nach seinen Fähigkeiten - dazu aufraffen und keine Mühe scheuen, auf den verschiedenen Gebieten gültiges Wissen zu erwerben, geistiges wie weltliches, auch auf dem Gebiet der Künste.

(Aus einem arabischen Sendschreiben)


+5

Alle Gnadengaben sind göttlichen Ursprungs, aber keine ist mit dieser Kraft verstandesmäßigen Durchleuchtens und Forschens vergleichbar - sie ist ein ewiges Geschenk, das unendlich köstliche Früchte hervorbringt. Der Mensch hat immer teil an diesen Früchten. Alle anderen Segnungen sind vergänglich - sie ist sein ewig währender Besitz. Sogar Herrschaft hat ihre Grenzen und erfährt ihren Sturz - sie ist ein Königtum und eine Herrschaft, die keiner usurpieren oder stürzen kann. Kurz, sie ist ein ewiger Segen, eine Gottesgabe, das höchste Geschenk Gottes an den Menschen. Deshalb solltet ihr euch wirklich beim Erwerb von Wissenschaft und Künsten anstrengen. Je größer Eure Kenntnisse, desto höher euer Niveau im göttlichen Plan. Ein Mensch der Wissenschaft ist verständig und mit Voraussicht begabt, der Unwissende hingegen, der seine Entwicklung vernachlässigt, ist blind. Der forschende Geist ist aufmerksam, lebendig; das abgestumpfte, gleichgültige Gemüt ist taub und tot. Der wissenschaftlich gebildete Mensch ist ein wahrer Wegweiser und Vertreter der Menschheit, denn er ist durch den Prozeß des folgernden Denkens und Forschens über alles unterrichtet, was die Menschheit betrifft, ihren Zustand, ihre Bedingungen und Ereignisse. Er studiert die menschliche Gesellschaft, versteht gesellschaftliche Probleme und wirkt mit am Webmuster der Kultur. Wissenschaft kann wirklich mit einem Spiegel verglichen werden, in dem die unendlich vielen Formen und Abbilder alles Seienden offenbart und widergespiegelt werden. Sie ist die Grundlage aller Entwicklung des einzelnen wie der Nationen. Nur auf dem Fundament der Forschung ist Entwicklung möglich. Strebt darum mit eifrigem Bemühen nach Wissen und dem Erwerb all dessen, was in der Kraft dieser wunderbaren Gabe liegt. PUP p.50)





Aus einem Brief im Auftrag Shoghi Effendis

+6

... Bahá'u'lláh betrachtet Erziehung als einen der grundlegendsten Faktoren wahrer Kultur. Damit aber diese Erziehung hinlänglich und fruchtbar ist, muß sie umfassend sein, nicht nur die physische und intellektuelle Seite des Menschen berücksichtigen, sondern auch seine geistigen und ethischen Aspekte.

(9.Juli 1931 an einen Gläubigen)





1.2.
Kennzeichen des »wahrhaft Gelehrten«

Aus den Schriften Bahá'u'lláhs

+7

Glücklich seid ihr, o ihr Gelehrten in Bahá. Bei dem Herrn! Ihr seid die Wogen des Mächtigsten Meeres, die Sterne am Firmament der Herrlichkeit, die Siegesbanner, zwischen Erde und Himmel wehend. Ihr seid die Offenbarungen der Standhaftigkeit unter den Menschen, die Morgenröten göttlicher Rede für alle Erdenbewohner. (AQDAS 173)

+8

Das Erhabenste Wesen spricht: Der Gelehrte mit umfassendem Wissen und der Weise mit durchdringender Weisheit sind die beiden Augen am Leibe der Menschheit. So Gott will, wird die Erde nie dieser beiden größten Gaben beraubt sein. (AKKA 11/24)

+9

Wisse, ... daß der in Wahrheit ein Gebildeter ist, der Meine Offenbarung annimmt, vom Weltmeer Meines Wissens trinkt und sich in die Lüfte Meiner Liebe aufschwingt, der alles außer Mir von sich wirft und sich mit festem Griff an das hält, was vom Reiche Meines wunderbaren Wortes herabgesandt ist. Er ist fürwahr wie das Auge für die Menschheit und wie der Geist des Lebens für den Körper der ganzen Schöpfung. Verherrlicht sei der Allbarmherzige, der ihn erleuchtete und ihn sich aufmachen ließ, dieser großen, mächtigen Sache zu dienen. Wahrlich, solch ein Mensch ist gesegnet von den Scharen der Höhe und den Bewohnern des Tabernakels der Größe, die Meinen versiegelten Wein trinken in Meinem Namen, der Allmächtige, der Allmachtvolle. (AKKA 14/4)

+10

Bedenke: Wie kann ein Mensch, der am Tage der Gottesoffenbarung versäumt, die Gnade der »göttlichen Gegenwart« zu erlangen und Seine Manifestation zu erkennen, gerechterweise gelehrt genannt werden, und hätte er auch tausend Jahre studiert und all das beschränkte, irdische Wissen der Menschen erworben? Es ist wahrlich augenfällig, daß er keineswegs als einer gelten kann, der wahre Erkenntnis hat, wogegen der ungelehrteste Mensch, wenn er mit diesem höchsten Unterscheidungsvermögen geadelt ist, wahrlich zu den Gottesgelehrten gerechnet wird, deren Wissen von Gott ist, denn solch ein Mensch hat das Ziel aller Erkenntnis und den höchsten Gipfel des Wissens erreicht. (IQAN 155)





Aus den Schriften Abdu'l-Bahás

+11

... (es gibt) jene berühmten, feingebildeten Gelehrten, die edle Eigenschaften und umfassendes Wissen in sich vereinigen, sich aber dennoch an die Leitschnur der Gottesfurcht halten und auf den Wegen des Heils bleiben. Im Spiegel ihres Geistes nehmen überstoffliche Wirklichkeiten Gestalt an, und die Lampe ihrer inneren Schau empfängt ihr Licht von der Sonne des allumfassenden Wissens. Tag und Nacht stehen sie im Dienste gründlicher Forschungen auf solchen Wissensgebieten, die von Nutzen für die Menschheit sind, und widmen sich der Unterweisung befähigter Studenten. Vor ihrem feinen Empfinden ließen sich alle Schätze der Könige, würden sie ihnen angeboten, nicht mit einem einzigen Tropfen aus den Wassern des Wissens vergleichen, und Berge von Gold und Silber könnten die erfolgreiche Lösung einer schwierigen Frage nicht aufwiegen...

... Glück und Größe, Rang und Stufe, Freude und Frieden eines Menschen (sind) nicht in seinem persönlichen Reichtum, vielmehr in seinem hervorragenden Charakter, seinem hehren Entschluß, seiner umfassenden Bildung und seiner Fähigkeit, schwierige Probleme zu lösen, beschlossen...

... Für jedes Ding hat Gott ein Zeichen und Sinnbild geschaffen, hat Er Maßstäbe und Prüfsteine aufgestellt, nach denen es beurteilt werden kann. Die geistig Gebildeten müssen sich durch innere wie äußere Vollkommenheit auszeichnen; sie müssen einen guten Charakter, ein aufgeklärtes Wesen, reine Absichten so gut wie Verstandeskraft, Scharfsinn, Unterscheidungs- und Einfühlungsvermögen besitzen, ferner müssen sie besonnen, vorsichtig, beherrscht und ehrerbietig sein und Gott aufrichtig fürchten. Denn eine Kerze, die nicht brennt, ist, so dick und groß sie auch sein mag, nicht besser als ein dürrer Baum oder ein Haufen Reisig. ...

Eine bestätigte Überlieferung sagt: »Wer zu den Gebildeten¹ gehört, muß sich selbst beherrschen, seinen Glauben verteidigen, seinen Leidenschaften widerstehen und die Gebote seines Herrn befolgen.« Sodann ist es die Pflicht des Volkes, sich an sein Beispiel zu halten.

(Das Geheimnis göttlicher Kultur S.29 S.30f S.38f)

¹ Ulamá, aus arab. alima - wissen, können Gelehrte, Wissenschaftler oder religiöse Autoritäten sein





Aus Briefen im Auftrag Shoghi Effendis

+12

Im Zusammenhang mit der Frage, ob Bahá'í mit den verschiedenen Wissenschaften und Studienfächern vertraut sein sollen, bat mich Shoghi Effendi, Ihnen mitzuteilen, daß Bahá'u'lláh und Abdu'l-Bahá Menschen von Bildung und Wissen einen sehr hohen Rang zuerkennen und Bahá'u'lláh in einem Seiner Sendschreiben sagt, daß alle Bahá'í solchen Menschen Achtung zu erweisen hätten. Ferner steht unzweifelhaft fest, daß Kenntnisse auf den verschiedenen Wissensgebieten den Gesichtskreis weiten und wir dann die Bedeutung der Bahá'í-Bewegung und ihre Prinzipien viel besser verstehen und würdigen können.

(14.Dezember 1924 an einen Gläubigen)


+13

Die Sache Gottes braucht mehr Bahá'í-Gelehrte, Menschen, die ihr nicht nur ergeben sind, an sie glauben und bemüht sind, anderen davon zu erzählen, sondern die auch die Lehren und deren Bedeutung von Grund auf erfassen und die Glaubensinhalte zu den geläufigen Gedanken und Problemen der Menschen in Beziehung setzen können.

(21.Oktober 1943 an einen Gläubigen)





1.3.
Das Feld der Bahá'í-Gelehrsamkeit

Aus Briefen im Auftrag des Universalen Hauses der Gerechtigkeit

+14

Zu diesem frühen Zeitpunkt der Entwicklung des Glaubens wäre es unangebracht, eine restriktive Definition des Begriffes »Bahá'í-Gelehrsamkeit« zu geben. In einem Brief, der kürzlich im Auftrag des Hauses der Gerechtigkeit an eine Gesellschaft für Bahá'í-Studien geschrieben wurde, verlautete:

»Das Haus der Gerechtigkeit rät Ihnen, nicht zu versuchen, die Form, die Bahá'í-Gelehrsamkeit annehmen soll, oder den Weg, den Gelehrte wählen sollten, zu eng zu definieren. Sie sollten vielmehr bemüht sein, in ihrer Gesellschaft Wertschätzung für eine ganze Reihe von Methoden und Ansätzen zu entwickeln. Gewiß wird es Bahá'í geben, die alleine arbeiten möchten, während andere Beratung und Zusammenarbeit mit denen wünschen werden, die gleiche Interessen verfolgen. Ihr Ziel sollte sein, eine Atmosphäre gegenseitigen Respekts und der Toleranz zu fördern, in der Gelehrte, deren Hauptinteresse theologischen Themenbereichen gilt, wie solche Gelehrte, die sich für eine Verbindung der durch die Bahá'í-Lehren vermittelten Erkenntnisse mit dem zeitgenössischen Gedankengut der Künste und Wissenschaften interessieren, eine Heimat finden können.«

»Ähnlich vielfältig sollten die Bemühungen der Bahá'í Gelehrten sein, die ihre Neigungen und Fähigkeiten mit den Bedürfnissen des Glaubens in Übereinstimmung bringen. Der Gang der Weltereignisse, die Entwicklung neuer Denkrichtungen und die Ausweitung der Lehrarbeit deuten alle auf vielversprechende und nutzbringende Gebiete hin, auf die Bahá'í-Gelehrte sehr wohl ihre Aufmerksamkeit richten können. Auch die erweiterten Aktivitäten der Internationalen Bahá'í-Gemeinde in ihrer Beziehung zu Behörden der Vereinten Nationen und anderen internationalen Institutionen schaffen für Gelehrte attraktive Gelegenheiten, einen direkten und sehr wertvollen Beitrag zur Förderung des Ansehens des Glaubens und seiner Proklamation in einflußreichen und aufnahmebereiten Gesellschaftsschichten zu leisten. Da die Bahá'í-Gemeinde weiterhin unaufhaltsam aus der Anonymität hervortritt, wird sie mit Feinden aus ihrer Mitte und aus der Nicht-Bahá'í-Welt zu kämpfen haben, deren Ziel es ist, ihre Prinzipien zu verleumden und zu verfälschen, damit ihre Bewunderer desillusioniert und ihre Anhänger im Glauben verunsichert werden. Durch ihren Beitrag zu präventiven Maßnahmen und ihre Entgegnungen auf diffamierende Anschuldigungen gegen den Glauben haben Bahá'í-Gelehrte bei der Verteidigung des Glaubens eine entscheidende Rolle zu spielen.«

Darum sollte im Rahmen der Bahá'í-Gelehrsamkeit Platz für diejenigen sein, die sich für theologische Themen und die historischen Ursprünge des Glaubens interessieren, aber auch für solche Bahá'í, die die Bahá'í-Lehren mit ihrem Gebiet akademischen und beruflichen Interesses zu verknüpfen bemüht sind, wie auch für Gläubige, die zwar der formalen akademischen Qualifikationen entbehren, aber durch ihr intensives Studium der Lehren Einsichten gewonnen haben, die anderen Bahá'í dienlich sein können...

Das Haus der Gerechtigkeit wünscht zu vermeiden, daß die Begriffe »Bahá'í-Gelehrsamkeit« und »Bahá'í-Gelehrter« in ausgrenzendem Sinne gebraucht werden, was eine Trennung schaffen würde zwischen denjenigen, die in diese Kategorie aufgenommen werden, und anderen, denen der Zutritt verwehrt wird. Es leuchtet ein, daß solche Begriffe relativ sind: Im Vergleich mit den Arbeiten seiner Kollegen wertvolle akademische Studien eines Bahá'í können als sehr viel weniger bedeutend erscheinen, mißt man sie an den Leistungen der hervorragenden Gelehrten, die der Glaube hervorbrachte. Das Haus der Gerechtigkeit bemüht sich, eine Bahá'í-Gemeinde zu schaffen, deren Mitglieder einander ermutigen, Leistungen anerkennen und sich allgemein bewußt sind, daß jeder auf seine oder ihre Weise bemüht ist, ein tieferes Verständnis der Offenbarung Bahá'u'lláhs zu gewinnen und zur Weiterentwicklung des Glaubens beizutragen.

(19.Oktober 1993 an einen Gläubigen)





1.4.
Würdigung der Gelehrsamkeit

Aus den Schriften Bahá'u'lláhs

+15

Achtet die Geistlichen und Gelehrten unter euch, deren Lebenswandel mit ihren Bekenntnissen übereinstimmt, die die Grenzen, die Gott gesetzt hat, nicht überschreiten und deren Urteil mit Seinem Geheiß, wie es in Seinem Buch offenbart ist, übereinstimmt. Wißt, daß sie die Lampe der Führung sind für alle, die in den Himmeln und auf Erden wohnen. Wer die Geistlichen und Gelehrten, die mit ihm leben, mißachtet und geringschätzt, hat wahrlich die Gunst, mit der Gott ihn gesegnet hat, verändert. (ÄL 66/9)

+16

O Volk Gottes! Rechtschaffene, gebildete Menschen, die sich der Führung anderer widmen, die von einer niederen begehrlichen Wesensart befreit sind und dagegen geschützt bleiben, sind in den Augen Dessen, der die Sehnsucht der Welt ist, Sterne am Himmel wahrer Erkenntnis. Es ist wichtig, ihnen mit Hochachtung zu begegnen. Sie sind fürwahr Springquellen sanftströmenden Wassers, hell strahlende Sterne, Früchte des seligen Baumes, Träger himmlischer Macht, Meere voll himmlischer Weisheit. Glücklich ist, wer ihnen folgt. Wahrlich, eine solche Seele wird im Buche Gottes, des Herrn des mächtigen Thrones, zu denen gezählt, um die es gut stehen soll. (AKKA 7/42)

+17

Hütet euch, o Meine Geliebten, die Verdienste Meiner gelehrten Diener gering zu achten, derer, die Gott gnädig erwählt hat, Träger Seines Namens, der Gestalter, inmitten der Menschheit zu sein. Mühet euch aufs äußerste, Fertigkeiten und Unternehmungen zu entwickeln, von denen jedermann, jung oder alt, Nutzen zieht. Nichts haben Wir mit den Unwissenden zu tun, die sich einbilden, es bedeute Weisheit, seinem eitelen Wahn freien Lauf zu lassen und Gott, den Herrn aller Menschen, zu leugnen, wie Wir es von manchen Achtlosen heutzutage hören. (AKKA 9/41)





Aus den Schriften und Ansprachen Abdu'l-Bahás

+18

... Die Religion Gottes verbreitet Wahrheit, begründet Wissenschaft und Erkenntnis, ist völlig aufgeschlossen gegenüber gelehrten Menschen; sie zivilisiert die Menschheit, entdeckt die Geheimnisse der Natur und erleuchtet die Horizonte der Welt. Wie kann man also sagen, daß sie der Erkenntnis feind sei? Gott behüte! Nein, bei Gott ist Erkenntnis die herrlichste Gabe des Menschen und die vornehmste der menschlichen Vollkommenheiten. Erkenntnis zu bekämpfen ist Torheit, und wer Erkenntnis und Wissenschaft verabscheut, ist kein Mensch, sondern ein Tier ohne Verstand. Denn Erkenntnis ist Licht und Leben, Glück, Vollkommenheit und Schönheit, sie ist das Mittel, das uns der Schwelle der Einheit nahebringt. Sie ist Ehre und Ruhm in der Menschenwelt und die größte Gabe Gottes. Erkenntnis ist dasselbe wie Führung, Unwissenheit aber ist wirkliche Verirrung. (BF Kap.34 S.138)

+19

Es gibt bestimmte Pfeiler, die als unerschütterliche Stützen des Glaubens Gottes errichtet sind. Die mächtigsten Pfeiler sind Bildung, der Gebrauch des Verstandes, die Erweiterung des Bewußtseins, die Einsicht in die Wirklichkeiten des Weltalls und in die verborgenen Geheimnisse des allmächtigen Gottes. (ABSEL 97/1)

Wissen zu fördern, ist somit eine unausweichliche Pflicht für jeden einzelnen Freund Gottes. Es obliegt jedem Geistigen Rat, jener Versammlung Gottes, alle Mühe für die Erziehung der Kinder auf sich zu nehmen, damit sie sich von frühester Kindheit in der Lebensführung als Bahá'í auf Gottes Wegen üben, um wie junge Pflanzen an den sanft fließenden Wassern der Ratschläge und Ermahnungen der Gesegneten Schönheit zu gedeihen und zu blühen. (ABSEL 97/2)





Aus einem Brief Shoghi Effendis

+20

Die Verantwortlichkeiten der Mitglieder Geistiger Räte, die mit dem Lehren der Sache Gottes in östlichen Länder beschäftigt sind, sind deutlich in den heiligen Texten verzeichnet...

Sie verlangen ferner von ihnen die Tugenden Vertrauenswürdigkeit und Gottesfurcht, Reinheit der Motive, Freundlichkeit des Herzens und Loslösung von den Fesseln der stofflichen Welt ... Sie legen dringend ans Herz, auf den verschiedenen Gebieten zeitgenössischer Gelehrsamkeit - Künste und Wissenschaften - im einzelnen zu forschen und die Aufmerksamkeit auf das zu richten, was von allgemeinem Interesse für die Menschen ist; sich durch aufmerksames Studium der heiligen Texte zu vertiefen und die darin enthaltenen göttlichen Leitlinien auf die Umstände, Nöte und Bedingungen der heutigen Gesellschaft anzuwenden; sich der Einmischung in die Wirrnisse der politischen Parteien zu enthalten, und sich um den Streit der Politiker, den Zank der Theologen und die krankhaften unter den Menschen üblichen Sozialtheorien nicht zu kümmern oder gar dabei mitzumischen.

Schließlich mahnen sie, in Gedanken und Worten den gültigen Gesetzen der Regierung des Reiches aufrichtig gehorsam zu sein und sich von den Methoden, Vorstellungen und schlecht begründeten Argumenten sowohl der extrem Konservativen wie der Modernisten fernzuhalten, den Repräsentanten von Kunst und Wissenschaft Ehre, Hochachtung und Respekt zu zollen und ihre Leistungen zu würdigen, diejenigen zu achten und zu ehren, die über weites Wissen und wissenschaftliche Bildung verfügen, das Recht auf Gewissensfreiheit hochzuhalten und keinesfalls die Sitten, Bräuche und Glaubensvorstellungen anderer Personen, Völker und Nationen zu kritisieren oder herabzusetzen.

(30.Januar 1926 an die Geistigen Räte in Iran, aus dem Persischen)





2.
Aufgaben der Bahá'í-Gelehrsamkeit
2.1.
Förderung der menschlichen Wohlfahrt

Aus den Schriften Bahá'u'lláhs

+21

Das Erhabenste Wesen spricht: Die Gebildeten dieser Zeit müssen das Volk anleiten, solches Wissen zu erwerben, das sowohl den Gebildeten selbst als auch der ganzen Menschheit von Nutzen ist. Akademische Studien, die mit Worten anfangen und mit Worten enden, waren nie von Wert und werden es niemals sein. Die meisten Gelehrten Persiens wenden ihr ganzes Leben an das Studium einer Philosophie, deren Ertrag letztlich nur Worte sind. (AKKA 11/18)

+22

Wahre Bildung ist, was der Wohlfahrt der Welt dient, nicht ihrem Stolz und Dünkel, oder der Tyrannei, der Gewalt und der Ausplünderung.

(Aus einem persischen Sendschreiben)





Aus den Schriften Abdu'l-Bahás

+23

Die erste und dringlichste Notwendigkeit ist die Förderung der Erziehung. Man kann sich nicht denken, daß ein Volk zu Wohlstand und Erfolg kommt, ohne daß diese ausschlaggebende, grundlegende Frage vorangetrieben wird. Die Hauptursache für den Niedergang und Verfall der Völker ist Unwissenheit. Heutzutage wissen die Massen des Volkes nicht einmal über das Alltägliche Bescheid; wieviel weniger begreifen sie die Kernfragen wichtiger Probleme und die verwickelten Lebensbedürfnisse unserer Zeit.

Es ist deshalb dringend nötig, daß brauchbare Aufsätze und Bücher geschrieben werden, die klar und bündig darlegen, wessen das Volk heutzutage bedarf und was dem Glück und dem Fortschritt der Gesellschaft dienlich ist. Diese Aufsätze und Bücher sollten veröffentlicht und über die ganze Nation verbreitet werden, so daß wenigstens diejenigen im Volk, die lesen können, bis zu einem gewissen Grad aufwachen und sich aufmachen, um sich auf Wegen vorwärtszubemühen, die zu ihrem ewigen Ruhme führen. Die Veröffentlichung edler Gedanken ist die dynamische Kraft in den Schlagadern des Lebens, ja die Seele der Menschenwelt. Die Gedanken sind unendlich wie das Meer, während die Auswirkungen und die wechselnden Umstände des Daseins den Wellen in ihrer unterschiedlichen Gestalt und räumlichen Begrenzung gleichen; erst wenn das Meer wogt, steigen die Wellen an und tragen die Perlen der Erkenntnis ans Ufer des Lebens...

Die öffentliche Meinung muß auf das gelenkt werden, was dieses Tages würdig ist. Dies ist jedoch nur möglich durch angemessene Argumente und durch klar verständliche, schlüssige Beweise. Zweifellos suchen die Massen nach ihrem Glück und sehnen sich danach, aber wie ein dichter Schleier trennt sie ihre Unwissenheit davon...

Es ist überdies eine unumgängliche Notwendigkeit, ... Schulen einzurichten. ... Notfalls sollte die Schulerziehung sogar zwangsweise eingeführt werden. Solange nicht die Nervenstränge und Blutadern der Nation von Leben durchpulst werden, wird sich jedes in Angriff genommene Vorhaben als fruchtlos erweisen; denn das Volk ist wie ein menschlicher Körper, Entschlossenheit und der Wille, sich durchzusetzen, sind wie die Seele, aber ein seelenloser Leib bewegt sich nicht.

(Das Geheimnis göttlicher Kultur S.98 S.99 S.100)





Aus einem Brief im Auftrag Shoghi Effendis

+24

Die Nachricht von der Zusammenarbeit der jungen Bahá'í-Männer und -Frauen in Montreal, der Einrichtung einer Studien- und Diskussionsgruppe, der gesunden und nüchternen Erklärung ihrer Methode, wie sie in dem von Ihnen beigefügten Programm zum Ausdruck kommt, und ihr wohlbedachter, begeisterter Ausblick auf die Zukunft, all das hat dazu beigetragen, im Herzen des Hüters die lebhafteste Hoffnung und die tiefste Befriedigung zu erzeugen. Mit dem größten Vergnügen begrüßt er die aktive Zusammenarbeit seiner jungen Freunde in Montreal und er vertraut aufrichtig darauf, daß Sie, wenn Sie die entsprechenden Lehren und deren geistige Bedeutung angemessen studieren und dazu ausreichende Kenntnisse der Probleme und Verworrenheiten, die die Welt heimsuchen, besitzen, der Sache Gottes und damit der Menschheit große Dienste erweisen können.

(20.März 1929 an einen Gläubigen)





Aus einem Brief des Universalen Hauses der Gerechtigkeit

+25

Das weitere Hervortreten des Glaubens aus der Verborgenheit spiegelt sich auf verschiedenartige Weise. In gebildeten Kreisen, in Nachschlagewerken und in den Medien wird der Glaube Bahá'u'lláhs mehr und mehr als eine der »führenden« oder »größeren« Religionen der Welt bezeichnet. ... Einflußreiche Kreise der Öffentlichkeit sind auf Gebieten wie Friedensarbeit, Umwelt, Stellung der Frau, Erziehung und Alphabetisierung den Bahá'í-Ideen ausgesetzt, was bewirkte, daß die Bahá'í mehr und mehr zur Teilnahme an weitverzweigten Projekten in Zusammenarbeit mit staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen aufgefordert sind.

Überdies wächst dadurch, daß das öffentliche Bewußtsein den Bahá'í-Ideen ausgesetzt ist, die Erkenntnis, daß der Glaube Bahá'u'lláhs Antworten auf die gegenwärtigen Probleme hat, und damit auch die Erwartung, daß die Bahá'í-Gemeinde in den öffentlichen Angelegenheiten eine aktivere Rolle spielt...

... Bahá'í-Projekte zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung haben sich vervielfacht und der Gemeinde mit ihren an zahlreichen Orten gegebenen Beispielen für die Macht der Gruppeninitiative und freiwilliges beratendes Handeln einen guten Ruf eingebracht. ... Einige Projekte führten zu so ausgezeichneten Ergebnissen wie öffentliche Aufmerksamkeit durch lobende Erwähnung oder Preisverleihung seitens Regierungen und internationaler nichtstaatlicher Organisationen.

(Ridván 1992 an die Bahá'í der Welt)





2.2
Verteidigung des Glaubens

Aus den Schriften Bahá'u'lláhs

+26

Wenn ein Mensch sich erhebt, um in seinen Schriften die Sache Gottes gegen ihre Angreifer zu verteidigen, so wird dieser Mensch, wie unbedeutend sein Beitrag auch sei, in der nächsten Welt so geehrt werden, daß die himmlischen Heerscharen ihn um seinen Ruhm beneiden. Keine Feder kann die Erhabenheit seiner Stufe schildern, keine Zunge kann deren Herrlichkeit beschreiben. Denn wer fest und standhaft ist in dieser heiligen, dieser herrlichen, erhabenen Offenbarung, dem wird solche Kraft gegeben, daß er allem im Himmel und auf Erden entgegentreten und widerstehen kann. Dies bezeugt Gott selbst. (ÄL 154/1)





Aus den Schriften Abdu'l-Bahás

+27

Der zweite jener geistigen Maßstäbe, die an den Gebildeten anzulegen sind, ist, daß er seinen Glauben verteidigen soll. Natürlich beziehen sich diese heiligen Worte nicht nur darauf, daß man nach dem tieferen Sinn des Gesetzes forscht, gottesdienstliche Formvorschriften einhält, größere und kleinere Sünden vermeidet, Riten und Bräuche wahrnimmt und mit allen diesen Mitteln den Glauben schützt. Weit eher bedeuten diese Worte, daß die ganze Bevölkerung in jeder Weise geschützt werden soll, daß alle Anstrengungen unternommen werden, um durch die Kombination aller erdenklichen Maßnahmen das Wort Gottes zu verbreiten, die Zahl der Gläubigen zu vergrößern, die Sache Gottes zu fördern, sie zu erhöhen und zum Sieg über andere Glaubensformen zu führen.

(Das Geheimnis göttlicher Kultur S.44f)





Aus Briefen im Auftrag Shoghi Effendis

+28

Shoghi Effendi war erfreut, von Ihrer Unterhaltung mit Sir ... zu hören. Wie sehr hofft er, daß solche Gelehrte ein richtiges Verständnis vom Geist und den Lehren der Sache gewinnen und sich aufmachen, den Schleier aus Mißverständnissen zu zerreißen, der den Wissenschaftlern in der westlichen Welt den Verstand mit Vorurteilen verstellt. Die Sache Gottes bedarf sehr dringend derart kompetenter und geistig ausgerichteter Menschen, die, nachdem sie die Bewegung sorgfältig studiert haben, die Welt an den Früchten ihrer Mühe teilhaben lassen.

(11.März 1929 an einen Gläubigen)


+29

In den Lehren gibt es auf alles eine Antwort; bedauerlicherweise fehlt es den meisten Bahá'í, so ergeben und aufrichtig sie auch sind, im allgemeinen an der notwendigen Gelehrsamkeit und Weisheit, um auf die Behauptungen und Angriffe von Leuten mit etwas Bildung und von Rang zu antworten und sie zu widerlegen.

(25.September 1942 an einen Gläubigen)





2.3.
Ausbreitung und Festigung der Bahá'í-Gemeinde

Aus den Schriften Abdu'l-Bahás

+30

Reine Seelen, so wie Mírzá Abu'l-Fadl - auf ihm sei der Ruhm Gottes - verbringen Tag und Nacht damit, die Wahrheit der Offenbarung zu beweisen, indem sie schlüssige, glänzende Beweise anführen und die Wahrheiten des Glaubens ausbreiten, indem sie die Schleier lüften, die Religion Gottes fördern und Seine Düfte verbreiten.

(Aus einem persischen Sendschreiben)





Aus Briefen im Auftrag Shoghi Effendis

+31

Aus verschiedenen Quellen haben wir gehört, wie wunderbar sich Ihre Kinder entwickelt haben, so daß sie öffentlich über den Glauben sprechen. Shoghi Effendi hofft, daß sie alle drei fähige und ergebene Redner über den Glauben und verwandte Themen werden. Um das angemessen tun zu können, brauchen sie eine feste Grundlage an wissenschaftlicher und literarischer Bildung, die sie glücklicherweise ja auch bekommen. Für junge Bahá'í, Jungen und Mädchen, ist es fast ebenso wichtig, daß sie eine geeignete Ausbildung an angesehenen Hochschulen bekommen, wie daß sie sich geistig entwickeln. Die intellektuelle ebenso wie die geistige Seite des Jugendlichen muß entwickelt werden, ehe er wirkungsvoll dem Glauben dienen kann.

(28.November 1926 an einen Gläubigen)


+32

Die Universitätsausbildung, die Sie jetzt gerade erhalten, wird für Sie bei Ihren Bemühungen, die Botschaft (Bahá'u'lláhs) in intellektuellen Kreisen darzustellen, von unermeßlicher Hilfe sein. Heutzutage, da die Menschen in Bezug auf Religion so skeptisch sind und auf religiöse Organisationen und Bewegungen mit so viel Verachtung schauen, scheint es mehr denn je nötig, daß junge Bahá'í intellektuell gut ausgebildet sind, so daß sie die Botschaft in angemessener Weise darstellen und jeden unbefangenen Beobachter von der Wirksamkeit und Macht der Lehren überzeugen können.

(5.Mai 1934 an einen Gläubigen)


+33

Gläubige junge Männer und Frauen müssen tiefschürfend und aufmerksam die Glaubenslehren studieren, damit sie in einer Weise lehren können, die die Menschen überzeugt, daß es für alle vor ihnen liegenden Probleme wirklich eine Lösung gibt. Sie müssen die Verwaltungsordnung begreifen, damit sie die immer umfangreicheren Angelegenheiten der Sache Gottes weise und wirkungsvoll verwalten können; und sie müssen für die Bahá'í-Lebensart als Beispiel dienen können. All dies ist nicht leicht - aber es ist immer ermutigend für den Hüter, den Geist zu sehen, der die jungen Gläubige wie Sie beseelt. Er setzt in die zukünftigen Leistungen Ihrer Generation große Hoffnungen.

(12.Mai 1944 an einen Gläubigen)


+34

Wenn die Bahá'í die Sache Gottes wirkungsvoll lehren wollen, müssen sie viel besser informiert sein und die gegenwärtige Situation der Welt und ihre Probleme einsichtig und klug diskutieren können. Wir brauchen Bahá'í-Gelehrte, nicht nur Menschen, die sich viel, sehr viel tiefer dessen bewußt sind, was unsere Lehren wirklich sind, sondern auch belesene, gebildete Menschen, die in der Lage sind, unsere Lehren zum gegenwärtigen Denken der führenden Geister der Gesellschaft in Beziehung zu setzen.

Mit anderen Worten, wir Bahá'í sollten unseren Verstand mit Wissen rüsten, um die in unserem Glauben liegenden Wahrheiten besonders den gebildeten Kreisen besser veranschaulichen zu können.

(5.Juli 1949 an einen Gläubigen)





Aus einem Brief im Auftrag des Universalen Hauses der Gerechtigkeit

+35

Das Universale Haus der Gerechtigkeit ... betrachtet Bahá'í-Gelehrsamkeit als von sehr weittragender Bedeutung für die Entwicklung und Konsolidierung der Bahá'í-Gemeinde, da sie jetzt aus der Verborgenheit ins Rampenlicht tritt ...

(3.Januar 1979 an Teilnehmer eines akademischen Seminars)





2.4.
Beiträge zur Entwicklung der Wissenschaften

Aus Briefen im Auftrag Shoghi Effendis

+36

Er war sehr glücklich, von Ihnen zu hören und zu sehen mit welch großem Verständnis und Interesse Sie die Lehren Bahá'u'lláhs studieren. Man könnte wirklich sagen, daß man, je länger man sie studiert, immer mehr in ihnen findet. Sie sind die eigentliche Substanz, aus der Denker und Wissenschaftler und Menschenfreunde der Zukunft Inspiration und Führung für ihre Arbeit ziehen werden.

(10.Dezember 1942 an eine Bahá'í-Sommerschule)


+37

Was nun den Ratschlag betrifft, um den Sie ihn bezüglich der Studienfächer gebeten haben, auf die Sie sich im Hinblick auf Ihre zukünftige Lehrtätigkeit spezialisieren sollten: Er möchte Geschichte, Volkswirtschaft oder Soziologie vorschlagen, da dies nicht nur Gebiete sind, die Bahá'í sehr interessieren, sondern auch Bereiche betreffen, auf die unsere Lehren ein völlig neues Licht werfen. Ihre Kenntnisse würden für die Sache Gottes nützlich sein, wenn Sie sie in Zukunft lehren, und Sie könnten als Erzieher vielleicht auch Bahá'í-Ideen in Ihre Vorlesungen einfließen lassen.

(13.März 1944 an einen Gläubigen)





Aus Briefen vom oder im Auftrag des Universalen Hauses der Gerechtigkeit

+38

Sie arbeiten bereits als kundiger Fachmann auf Ihrem Gebiet, und zweifellos beraten Sie auf der Grundlage dessen, was Sie durch Studium und Erfahrung gelernt haben - ein ganzes Gefüge von Begriffsbildern über den Menschengeist, über sein Wachstum, seine Entfaltung und seine richtige Arbeitsweise -, ein Wissen, das Sie ohne Bezug auf die Lehren Bahá'u'lláhs erlernt und entwickelt haben. Nun wissen Sie als Bahá'í, daß das, was Bahá'u'lláh über den Sinn des menschlichen Lebens, über die menschliche Natur und die richtige Lebensführung lehrt, göttlich offenbart und daher wahr ist. Sie werden aber auf jeden Fall einige Zeit brauchen, um die Bahá'í-Lehren nicht nur so zu studieren, daß Sie sie klar verstehen, sondern auch zu ergründen, wie diese Lehren Ihre beruflichen Begriffsbilder ändern. Das ist selbstverständlich keine ungewöhnliche Schwierigkeit für einen Wissenschaftler. Wie oft wird in der Forschung ein Tatbestand entdeckt, der auf einem weiten Feld menschlichen Bemühens zum Umdenken zwingt. Sie müssen sich in jedem Fall von Ihrem eigenen beruflichen Wissen und Urteilsvermögen leiten lassen, das von Ihrem wachsenden Wissen über die Bahá'í-Lehren erleuchtet wird; zweifellos werden Sie dann sehen, daß sich Ihr eigenes Verständnis der menschlichen Probleme, mit denen Sie sich in Ihrer Arbeit befassen, ändern und entwickeln wird, und Sie werden neue und bessere Wege erkennen, um den Menschen, die zu Ihnen kommen, zu helfen. Die Psychologie ist noch eine sehr junge, ungenaue Wissenschaft, und mit der Zeit werden Bahá'í-Psychologen, die von den Lehren Bahá'u'lláhs her das wahre Menschenbild kennen, in der Lage sein, große Fortschritte in der Entwicklung dieser Wissenschaft zu machen und grundlegend zur Linderung menschlichen Leides beizutragen.

(6.Februar 1973, in: Botschaften des UHG Bd.2 S.146f)


+39

Indem die Bahá'í-Gemeinde wächst, wird sie Fachleute auf zahlreichen Gebieten gewinnen - Bahá'í werden Fachleute und Fachleute Bahá'í. Indem diese Fachleute ihre Kenntnisse und Fähigkeiten der Gesellschaft zur Verfügung stellen und, mehr noch, indem sie ihre verschiedenen Fachgebiete so umgestalten, daß sie das Licht der göttlichen Lehren zum Ausdruck bringen, werden die jetzt die Gesellschaft zerrüttenden Probleme eines nach dem anderen ihre Lösung finden...

Parallel zu diesem Prozeß wird sich auch das Leben der Bahá'í-Institutionen entwickeln, und so werden die Räte zunehmend wissenschaftliche und andere Fachkenntnisse - von Bahá'í und Nicht-Bahá'í - bei der Lösung der Probleme in ihren Gemeinden heranziehen.

Mit der Zeit werden große wissenschaftliche Bahá'í-Institute, große internationale und nationale Projekte zur Verbesserung des menschlichen Lebens geschaffen werden und aufblühen.

(21.August 1977 im Auftrag des UHG an einen Gläubigen)


+40

Sie (die Bahá'í-Jugendlichen) sollten in der Tat die Herausforderungen, die ihrer harren, vertrauensvoll begrüßen. Erfüllt von geistigem Adel bei gleichzeitiger Demut muß unsere heutige Jugend beharrlich und in liebevoller Dienstbarkeit in den für den weiteren Fortschritt der Menschheit wichtigen Berufen, in Handel, Kunst und Handwerk die vorderen Plätze einnehmen, um sicherzustellen, daß der Geist der Sache Gottes all diese bedeutenden Felder menschlichen Strebens erleuchtet. Mehr noch: Sie muß bestrebt sein, die einheitsfördernden Denkrichtungen und die rasch voranschreitenden Technologien dieses Kommunikationszeitalters zu beherrschen; doch gleichzeitig kann, ja muß sie die Gewähr bieten, daß Kenntnisse und Fertigkeiten, welche die wundervollen, unverzichtbaren Errungenschaften der Vergangenheit bewahren, an die Zukunft weitergereicht werden. Die Wandlung, die in den gesellschaftlichen Mechanismen eintreten muß, hängt sicher in erheblichem Maße davon ab, wie wirksam sich die Jugend auf die Welt vorbereitet, die sie einmal erben wird.

(8.Mai 1985 vom UHG an die Bahá'í-Jugend der Welt)


+41

Das Haus der Gerechtigkeit erkennt, daß die von Ihnen aufgeworfenen Fragen bezüglich des Angebotes neuerklärter Fachleute, die ihre Ansichten der Bahá'í-Gemeinde mitteilen wollen, aktuell und sehr wichtig sind, besonders jetzt da der Glaube ins Rampenlicht tritt und zunehmend Fachleute aller Richtungen sich von den Lehren angezogen fühlen. Diese Experten als gefestigte Gläubige in die Bahá'í-Gemeinden zu integrieren und ihre Fähigkeiten als Förderer und Stützen der Sache Gottes zu nutzen, erfordert Geduld und liebevolle Führung seitens der Bahá'í-Institutionen. Eine große Herausforderung wird die Aufgabe sein zu vermeiden, daß dieser Integrationsprozeß abbricht, wenn solche Menschen der wenig einfühlsamen Geisteshaltung ausgesetzt sind, die sich in Gemeinden findet, die noch nicht breit gefächert und noch nicht daran gewöhnt sind, mit allen Schichten der Gesellschaft umzugehen.

Wissenschaftler und Fachleute sind gewohnt, im Laufe ihrer Forschungen auf neue Tatsachen zu stoßen, die ein Umdenken bei vielen Aspekten ihrer Fachgebiete erforderlich machen. Was nun ihre Vertiefung in die Lehren des Glaubens betrifft, brauchen sie natürlich Zeit, so viele neue Konzepte zu studieren und aufzunehmen. Man muß ihnen helfen, damit sie so schnell wie möglich vertiefte Kenntnis der Lehren erwerben. Allmählich werden diese Erkenntnisse auf ihre bisherigen Ansichten neues Licht werfen. Gleichzeitig müssen Bahá'í-Gemeinden Ideen gegenüber, die ihren bisherigen Vorstellungen nicht entsprechen, größere Toleranz entwickeln und für neue Einsichten offen sein ...

Neuerklärte Fachleute und andere Experten sind ein großer Fundus für die Entwicklung von Bahá'í-Gelehrsamkeit. Es bleibt zu hoffen, daß sie mit wachsendem Verständnis der Lehren und ihrer Bedeutung den Bahá'í-Gemeinden helfen können, die Glaubenslehren auf die aktuellen Gedanken und Probleme der Welt anzuwenden. Gelegentlich sind Bahá'í einer bestimmten Berufsgruppe auf besonderen Konferenzen zusammengekommen oder haben sich in Gesellschaften zu diesem Zweck zusammengeschlossen. Dadurch haben sie auch die Möglichkeit, sich als Bahá'í gegenseitig zu unterstützen und ihre berufliche Stellung zur Förderung der Interessen des Glaubens zu nutzen. Aktuelle Beispiele für solche berufliche Gesellschaften sind die Bahá'í-Juristenvereinigung und die Bahá'í-Ärztegesellschaft in den Vereinigten Staaten. Man sollte daher besonders befähigte Gläubige dazu ermutigen, ihr Können mit dem einzigartigen Beitrag, den sie auf diesem sich schnell entwickelnden Gebiet der Bahá'í-Bestrebungen leisten können, in den Dienst der Sache Gottes zu stellen.

(18.April 1989 im Auftrag des UHG an einen NGR)





3.
Allgemeine Prinzipien und Richtlinien
3.1.
Geistige Grundlagen

Aus den Schriften Bahá'u'lláhs

+42

Darum ist gesagt: »Wissen ist ein Licht, das Gott, wem Er will, in das Herz wirft.« Diese Art Erkenntnis ist und war seit je zu rühmen, nicht aber das beschränkte Wissen, das einem verschleierten, umwölkten Denken entspringt; dieses beschränkte Wissen haben sie sogar heimlich voneinander ausgeborgt, und vergebens brüsten sie sich damit. (IQAN 49)

+43

Wir haben bestimmt, o Volk, daß der höchste, letzte Zweck aller Gelehrsamkeit die Anerkennung Dessen sei, der das Ziel aller Erkenntnis ist; und doch seht, wie ihr euerer Gelehrsamkeit verstattet habt, euch wie durch einen Schleier zu trennen von Ihm, dem Tagesanbruch dieses Lichtes, durch den alles Verborgene offenbart worden ist. (AQDAS 102)





Aus den Schriften und Ansprachen Abdu'l-Bahás

+44

Zwar bedeutet es den höchsten Ruhm der Menschheit, Wissenschaften und Künste zu erwerben, aber nur unter der Bedingung, daß des Menschen Strom in die mächtige See mündet und aus Gottes urewigem Quell Gottes Eingebung schöpft. Sobald das geschieht, ist jeder Lehrer ein uferloses Meer, jeder Schüler ein üppiger Springquell des Wissens. Wenn so das Streben nach Wissen zur Schönheit Dessen führt, der das Ziel allen Wissens ist, wie wunderbar ist dann die Absicht! Andererseits mag vielleicht ein winziger Tropfen den Menschen vom Strom der Gnade fernhalten, denn mit Gelehrsamkeit gehen Hochmut und Stolz einher; das führt zu Irrtum und Gleichgültigkeit gegen Gott. (ABSEL 72/2)

Die Wissenschaften von heute sind Brücken zur Wirklichkeit. Wenn sie also nicht zur Wirklichkeit führen, bleibt nur nutzlose Einbildung. Bei dem einen wahren Gott! Wenn Wissenserwerb nicht den Zugang bahnt zu Ihm, dem Alloffenbarsten, ist er nur offensichtlicher Verlust. (ABSEL 72/3)


+45

Jedes Wissensgebiet wird gebilligt und ist rühmenswert, wenn es mit der Liebe Gottes verbunden ist; Seiner Liebe beraubt, ist Wissen jedoch unfruchtbar - es führt fürwahr zum Wahnsinn. Jede Art von Erkenntnis, jede Wissenschaft ist wie ein Baum: wo nicht, ist dieser Baum vertrocknetes Holz und nährt nur das Feuer. (ABSEL 154/3)

+46

Wissenschaftliche Erkenntnis ist die höchste Errungenschaft im menschlichen Bereich; denn die Wissenschaft deckt die Wirklichkeiten auf. Sie ist von zweierlei Art: stofflich und geistig. Stoffliche Wissenschaft erforscht natürliche Erscheinungen; göttliche Wissenschaft entdeckt und erfaßt geistige Grundwahrheiten. Die Menschenwelt muß beide erwerben. Ein Vogel hat zwei Schwingen; mit einer kann er nicht fliegen. Stoffliche und geistige Wissenschaft sind die beiden Flügel menschlichen Aufschwungs und Fortkommens. Beide sind notwendig - die eine ist die natürliche, die andere die übernatürliche, eine ist stofflich, die andere göttlich. Mit göttlicher Wissenschaft meinen wir die Entdeckung der Mysterien Gottes, das Begreifen geistiger Wirklichkeiten, die Weisheit Gottes, innere Bedeutungen der himmlischen Religionen und die Grundlage des Gesetzes. (PUP p.138)





Aus einem Brief im Auftrag Shoghi Effendis

+47

Zwischen der Wahrheit, die durch Seine Propheten von Gott kommt, und dem oft mißverstandenen und fehlgedeuteten Schimmer an Wahrheit, der von den Philosophen und Denkern kommt, besteht ein gewaltiger Unterschied. Wir dürfen diese beiden niemals und unter keinen Umständen verwechseln.

Bahá'u'lláh sagt, daß Gelehrsamkeit der Schleier zwischen der Seele des Menschen und der ewigen Wahrheit sein kann; mit anderen Worten, zwischen dem Menschen und dem Wissen von Gott. Wir erleben, daß viele Menschen, die es im Studium der modernen Naturwissenschaften sehr weit bringen, dazu gelangen, Gott in Abrede zu stellen und Seine Propheten zu leugnen. Das bedeutet nicht, daß es Gott und die Propheten nicht gegeben hätte oder gäbe. Das bedeutet nur, daß Wissen zu einem Schleier zwischen ihren Herzen und dem Licht Gottes wurde.

(22.April 1954 an einen Gläubigen)





Aus Briefen im Auftrag des Universalen Hauses der Gerechtigkeit

+48

Wie zwischen der göttlichen Offenbarung selbst und dem, was der Gläubige davon versteht, ein grundlegender Unterschied besteht, so besteht auch ein grundlegender Unterschied zwischen wissenschaftlicher Tatsache und Beweisführung einerseits und Schlußfolgerungen bzw. Theorien der Wissenschaftler andererseits. Zwischen wahrer Religion und wahrer Wissenschaft gibt es keinen Widerspruch; es kann auch keinen geben: Wahre Religion ist von Gott offenbart, indessen der Verstand des Menschen durch wahre Wissenschaft »die Wirklichkeiten der Dinge entdeckt und von ihren Besonderheiten und Wirkungen Kenntnis erlangt sowie von der Natur und den Eigenheiten der Lebewesen«, und »das Abstrakte mittels des Konkreten begreift«. Wird aber durch die Brille des menschlichen Verstandes eine Aussage gemacht, ist sie immer dadurch beschränkt, daß der menschliche Verstand beschränkt ist, und wo Beschränkung ist, da liegt der Irrtum nahe; und wo es Irrtum gibt, liegt Streit in der Luft. So sind zum Beispiel gegenwärtig viele Menschen überzeugt, daß es unwissenschaftlich sei, an Gott zu glauben; aber wenn die Aufklärung fortschreitet, werden künftige Wissenschaftler und Philosophen nicht mehr, wie Abdu'l-Bahá es ausdrückt, »die Propheten in Abrede stellen, von geistigen Empfindungen nichts wissen, der himmlischen Segnungen beraubt sein und an das Übernatürliche nicht glauben«.

(26.Dezember 1975 an einen Gläubigen)


+49

In der Verbindung von unbedingter Loyalität gegenüber der Manifestation Gottes und Seinen Lehren mit dem forschenden, intelligenten Studium der Lehren und der Geschichte des Glaubens, wie es die Lehren selbst fordern, liegt eine besondere Stärke dieser Sendung. In früheren Sendungen neigten die Gläubigen dazu, sich in zwei widerstreitende Gruppen aufzuspalten: die sich blind an den Buchstaben der Offenbarung hielten, und die alles in Frage und Zweifel stellten. Wie bei allen Extremen können beide zum Irrtum führen. Der geliebte Hüter schrieb, daß »der Bahá'í-Glaube ... seinen Anhängern als erste Pflicht die uneingeschränkte Suche nach Wahrheit auferlegt...« Bahá'í sind aufgerufen, ihrem Glauben mit wachem Verstand zu folgen. Unausweichlich werden die Gläubigen Fehler machen, solange sie nach diesem Reifegrad streben, was wiederum von allen Beteiligten Nachsicht und Demut erfordert, damit daraus nicht Uneinigkeit und Zwietracht unter den Freunden erwächst.

(7.Oktober 1980 an einen Gläubigen)


+50

Das Haus der Gerechtigkeit empfiehlt, die in Ihrem Brief aufgeworfenen Fragen am besten im Licht der Aussagen der Bahá'í-Schriften zu betrachten, die die Beziehung zwischen der Offenbarung Bahá'u'lláhs und der Erkenntnis, die als Ergebnis wissenschaftlichen Bemühens gewonnen wird, aufdecken. Bahá'u'lláh versichert:

»Unverhüllt und offen hat dieser Unterdrückte allzeit vor dem Angesicht aller Völker der Welt verkündet, was als Schlüssel zu den Toren der Wissenschaften, der Künste, der geistigen Erkenntnis, des Wohlbefindens, der Wohlfahrt und des Wohlstandes dienen wird.« (AKKA 7/41)

Es leuchtet ein, daß die Bahá'í-Schriften Licht auf alles menschliche Streben und alle akademischen Disziplinen werfen. Wer das Vorrecht hat, die Stufe Bahá'u'lláhs zu erkennen, genießt die Gnade des Zugangs zu einer Offenbarung, die alle Aspekte des Denkens und Forschens erhellt, und hat die Pflicht, das aus seiner Vertiefung in die heiligen Schriften gewonnene Verständnis zu benutzen, das Wohl des Glaubens zu fördern.

Die Gläubigen, die dazu fähig sind und die Gelegenheit haben, wurden wiederholt zur Beschäftigung mit akademischen Studien ermutigt, die sie nicht nur für den dringend notwendigen Dienst am Glauben ausrüsten, sondern ihnen auch das Werkzeug an die Hand geben, tiefe Einsicht in die Bedeutung und die Folgerungen der Bahá'í-Lehren zu gewinnen. Sie entdecken außerdem, daß die aus dem tieferen Verständnis der Offenbarung Bahá'u'lláhs gewonnenen Einsichten ihnen auch die Gegenstände ihres akademischen Forschens klar werden läßt.

Es ist nützlich, sich eine Reihe von schriftlichen Äußerungen Shoghi Effendis zu diesem Gegenstand anzusehen. An einen Gläubigen, der eine wissenschaftliche Arbeit über ein Thema abgeschlossen hatte, das die Bahá'í-Lehren berührt, schrieb Shoghi Effendi in einem Brief seines Auftrags:

»Es ist zu hoffen, daß alle Bahá'í-Studenten dem von Ihnen aufgestellten edlen Beispiel folgen und künftig dahin kommen werden, die Prinzipien des Glaubens zu untersuchen, zu analysieren und sie zu den modernen Aspekten der Philosophie und Wissenschaft in Beziehung zu setzen. Jeder intelligente und nachdenkliche junge Bahá'í sollte an die Sache Gottes immer in dieser Weise herangehen, denn darin liegt das eigentliche Wesen des Prinzips der unabhängigen Suche nach Wahrheit.«

Als er über die Aufnahme eines Wissenschaftlers in den Glauben erfuhr, lautete seine Antwort in einem Brief seines Auftrags:

»Wir benötigen dringend solides, gesundes Denkvermögen, das ein wissenschaftlich geschulter Verstand zu bieten hat. Wenn solche intellektuelle Kraft sich mit tiefem Glauben verbindet, wird ein immenses Lehrpotential geschaffen.«

Bei anderer Gelegenheit schrieb sein Sekretär:

»Shoghi Effendi drängt seit Jahren die Bahá'í - die ihn um Rat fragten und auch allgemein - dazu, Geschichte, Volkswirtschaft, Soziologie usw. zu studieren, damit sie über all die fortschrittlichen Bewegungen und heute gängigen Gedanken auf dem laufenden sind und sie auch zu den Bahá'í-Lehren in Beziehung setzen können. Was er sich von den Bahá'í wünscht, ist, daß sie mehr studieren und nicht weniger. Je mehr Allgemeinbildung sie haben, wissenschaftliche und andere, umso besser. Ebenso drängt er ständig darauf, die Bahá'í-Lehren noch gründlicher zu studieren.«

Bei ihrem gleichzeitigen Bemühen um ihr Studium und um eine Vertiefung in die Bahá'í-Lehren werden die Gläubigen dazu angehalten, sich immer dessen bewußt zu sein, daß die Offenbarung Bahá'u'lláhs der Maßstab für die Wahrheit ist, an dem alle anderen Ansichten und Schlußfolgerungen gemessen werden müssen. Sie werden dringend aufgefordert, ihre eigenen Leistungen nicht herauszustellen, und sie sollten immer an Bahá'u'lláhs Worte denken:

»Das Herz muß darum gereinigt werden von müßigem Menschengerede und geheiligt von allen irdischen Neigungen, so daß es die verborgene Bedeutung göttlicher Eingebung zu entdecken vermag und zur Schatzkammer der Mysterien göttlichen Wissens werde.« (IQAN 78)

(19.Oktober 1993 an einen Gläubigen)





3.2.
»Nützliche« Wissenschaften

Aus den Schriften Bahá'u'lláhs

+51

Es ist erlaubt, Künste und Wissenschaften zu studieren, aber solche Wissenschaften, die von Nutzen sind und dem Volk Fortschritt und Entwicklung bringen. So bestimmt es Er, der Verordner, der Allweise. (AKKA 3/21)





Aus den Schriften Abdu'l-Bahás

+52

Der Mensch sollte deshalb, ehe er sich mit einem Studienobjekt befaßt, der Frage nachgehen, wozu es dient und welche Frucht, welcher Nutzen daraus gezogen werden kann. Wenn es sich um einen nützlichen Wissenszweig handelt, das heißt, wenn die Gesellschaft wesentliche Vorteile daraus erwirbt, dann sollte er sein Studium sicherlich mit ganzem Herzen verfolgen. Wenn es sich dagegen um leere, nutzlose Debatten, um das müßige Aneinanderreihen von Vorstellungen handelt, wenn nichts dabei herauskommt als gegenseitige Verbitterung, warum sollte man dann sein Leben solchen sinnlosen Haarspaltereien und Disputen widmen? (Das Geheimnis göttlicher Kultur S.95)





Aus Briefen im Auftrag Shoghi Effendis

+53

Die Wahl, die Sie für Ihre Studien getroffen haben, ist gewiß höchst interessant und wird Ihnen bei Ihrer Arbeit für den Glauben unschätzbare Dienste leisten. Obgleich jeder Studienzweig für einen Bahá'í, der danach schaut, wie der Geist des Glaubens und des neuen Zeitalters die Geister aufweckt, ein gewisses Interesse hat, so wird doch ein Studium der gesellschaftlichen Verhältnisse besser die Bedürfnisse der Welt aufzeigen und daher auch welche Rolle die Bahá'í-Lehren spielen können, um sie zu befriedigen.

(5.Januar 1930 an einen Gläubigen)


+54

Philosophie, wie Sie sie studieren und später lehren wollen, ist gewiß keine der Wissenschaften, die mit Worten anfangen und enden. Damit sind fruchtlose Abschweifungen in metaphysische Haarspaltereien gemeint, kein solides wissenschaftliches Fach wie die Philosophie ...

Was Ihre eigenen Studien betrifft: Er würde ihnen raten, nicht zu viel Zeit auf die abstrakte Seite der Philosophie zu verwenden, sondern sie mehr von der historischen Seite anzupacken. Und was den Bezug der Philosophie auf die Bahá'í-Lehren betrifft: Dies ist eine gewaltige Arbeit, die Wissenschaftler künftig unternehmen können. Wir müssen daran denken, daß die Lehren nicht nur noch nicht alle ins Englische übersetzt, sondern noch nicht einmal vollständig gesammelt sind. Es können noch viele wichtige Sendschreiben ans Licht kommen, die sich gegenwärtig in Privatbesitz befinden.

(15.Februar 1947 an einen Gläubigen)





Aus einem Brief im Auftrag des Universalen Hauses der Gerechtigkeit

+55

Zur Antwort auf Ihren Brief vom ..., in dem Sie um Führung bei der Berufswahl bitten, angesichts der Aussage Bahá'u'lláhs über Wissenschaften, die mit Worten anfangen und nur mit Worten enden, und der Aufnahme eines Studiums der reinen Mathematik und der klassischen Sprachen, hat das Universale Haus der Gerechtigkeit uns angewiesen, Ihnen Auszüge aus einem Brief im Auftrag des geliebten Hüters an einen Gläubigen aus dem Jahre 1947 zu übermitteln: »Philosophie, wie Sie sie studieren und später lehren wollen, ist gewiß keine dieser Wissenschaften, die mit Worten anfangen und enden. Damit sind fruchtlose Abschweifungen in metaphysische Haarspaltereien gemeint, kein solides wissenschaftliches Fach wie die Philosophie.«

Mit diesen Worten hat der Hüter das allgemeine Prinzip ausgedrückt. Wenn wir uns dem besonderen Fall der Wissenschaft der reinen Mathematik zuwenden, so muß das Zitat aus der elften der Frohen Botschaften über »solche Wissenschaften, ... die von Nutzen sind und dem Volke Fortschritt und Entwicklung bringen« (AKKA 3/21), im Zusammenhang mit der Bedeutung von »Wissenschaften« gesehen werden, wie der Begriff von der Manifestation gebraucht wird. Bahá'u'lláhs Bemerkung über Wissenschaften, die mit Worten anfangen und nur mit Worten enden, trifft nicht zu auf das systematische Studium natürlicher Phänomene, um die Ordnungsgesetze des stofflichen Universums aufzudecken, worum sich die Mathematik bemüht. Reine Mathematik findet oft Anwendung in praktischen Dingen wie zum Beispiel in der Gruppentheorie oder beim Studium der Elementarteilchen.

Was das Studium der klassischen Sprachen betrifft, so sollen wir Ihnen den folgenden Auszug aus einem Brief vom 30. November 1932, geschrieben im Auftrag Shoghi Effendis an einen Gläubigen, mitteilen, der eine Frage zur Kunst des Geschichtenschreibens stellte und ob eine solche Beschäftigung zu den Wissenschaften zu rechnen sei, die »mit Worten anfangen und enden«:

"Was Bahá'u'lláh mit »Wissenschaften, die mit Worten beginnen und enden« in erster Linien meint, sind theologische Abhandlungen und Kommentare, die den menschlichen Verstand nur belasten, statt ihm zu helfen, die Wahrheit zu finden. Die Studenten würden ihr Leben solchen Studien widmen, aber nichts erreichen."

"Bahá'u'lláh hat gewiß niemals beabsichtigt, das Geschichtenschreiben in diese Kategorie einzuordnen; auch sind Kurzschrift und Maschineschreiben beides sehr nützliche Fähigkeiten, die im gegenwärtigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben sehr benötigt werden."

"Sie könnten und sollten aber sehr wohl ihre Geschichten so nutzen, daß sie für die Leser zur Quelle der Inspiration und Führung werden. Mit einer solchen Fertigkeit können Sie den Geist und die Lehren der Sache Gottes verbreiten; Sie können auf die Übel in der Gesellschaft hinweisen und auch, auf welche Art sie behoben werden können. Wenn Sie wirklich Talent zum Schreiben besitzen, dann sollten Sie es als eine Gabe Gottes ansehen und sich darum bemühen, es zur Besserung der Gesellschaft einzusetzen."

Das Haus der Gerechtigkeit hofft, daß Sie Ihre Freunde in diesen Angelegenheiten zufriedenstellen und sie ermutigen können, sich auf ihren Dienst in der Bahá'í-Sache vorzubereiten und fähig zu werden, zum Wohlergehen der Menschheit beizutragen.

(24.Mai 1988 an einen Gläubigen)





3.3.
Einstellungen des Gelehrten

Aus den Schriften Bahá'u'lláhs

+56

Unter dem Volke ist der, den seine Gelehrsamkeit stolz gemacht und abgehalten hat von der Anerkennung Meines Namens, der Selbstbestehende; der, wenn er hinter sich her den Schritt von Sandalen hört, mächtiger in seiner Selbsteinschätzung anschwillt als Nimrod. Sprich: O du Abgewiesener! Wo ist seine Wohnstatt jetzt? Bei Gott, sie ist das niedrigste Feuer. Sprich: O Schar der Geistlichen! Hört ihr nicht die schrille Stimme Meiner Höchsterhabenen Feder? Seht ihr nicht die Sonne in leuchtendem Strahlenglanz über dem Allherrlichen Horizonte? Wie lange noch wollt ihr die Götzen euerer bösen Leidenschaften anbeten? Gebt eueren leeren Trug auf und wendet euch hin zu Gott, euerem ewigen Herrn! (AQDAS 41)

+57

Erweist einander Langmut, Wohlwollen und Liebe. Sollte jemand unter euch eine bestimmte Wahrheit nicht erfassen können oder sich um ihr Verständnis mühen, so bekundet im Gespräch mit ihm einen Geist größter Güte und guten Willens. Helft ihm, die Wahrheit zu sehen und zu erkennen, ohne euch im geringsten über ihn erhaben zu fühlen oder im Besitz größerer Gaben zu wähnen. (ÄL 5/3)

+58

Hütet euch, mit jemandem zu streiten, strebt vielmehr danach, ihn freundlich auf die Wahrheit aufmerksam zu machen und ihn überzeugend zu ermahnen. Ist euer Hörer empfänglich, so ist er es zu seinem eigenen Frommen; wenn nicht, wendet euch von ihm ab und richtet euer Angesicht auf Gottes geheiligten Hof, den Sitz strahlender Heiligkeit. (ÄL 128/10)

Streitet mit niemandem über die Dinge dieser Welt und ihre Angelegenheiten, denn Gott hat sie denen überlassen, die ihr Herz daran hängen. (ÄL 128/11)


+59

Warne, o Salmán, die Geliebten des einen, wahren Gottes davor, die Reden und Schriften der Menschen mit einem zu kritischen Auge zu betrachten. Sie sollen sich diesen Reden und Schriften lieber im Geiste der Aufgeschlossenheit und liebevollen Wohlgesonnenheit zuwenden. Jene Menschen aber, die sich an diesem Tage dazu verleiten lassen, in ihren Hetzschriften die Grundsätze der Sache Gottes anzugreifen, sind anders zu behandeln. Es ist die Pflicht aller Menschen, eines jeden nach seiner Fähigkeit, die Argumente derer zu widerlegen, die den Gottesglauben angreifen. So wurde es von Ihm, dem Allmachtvollen, dem Allmächtigen, verfügt. (ÄL 154/1)





Aus den Schriften Abdu'l-Bahás

+60

Gutes Betragen und ein Charakter von hoher Sittlichkeit müssen zuerst kommen, denn ist der Charakter nicht gebildet, wird sich der Erwerb von Wissen als schädlich erweisen. Wissen ist lobenswert, wenn es mit ethischem Verhalten und tugendhaftem Charakter verbunden ist; anderenfalls ist es ein tödliches Gift, eine schreckliche Gefahr. Ein Arzt mit schlechtem Charakter, der Vertrauen mißbraucht, kann den Tod herbeiführen und zur Ursache zahlreicher Gebrechen und Krankheiten werden.

(Aus einem persischen Sendschreiben)





Aus Briefen des Universalen Hauses der Gerechtigkeit oder in seinem Auftrag

+61

... Die Gläubigen müssen erkennen, wie wichtig intellektuelle Ehrlichkeit und Demut sind. In früheren Sendungen erwuchsen viele Irrtümer daraus, daß die an Gottes Offenbarung Glaubenden übermäßig bemüht waren, die göttliche Botschaft in den Rahmen ihres begrenzten Verständnisses zu zwängen, Lehren zu definieren, wo Definition ihre Kraft überstieg, Geheimnisse zu erklären, die nur Weisheit und Erfahrung eines späteren Zeitalters verständlich machen konnten, und zu argumentieren, daß wahr sei, was wünschenswert und notwendig erschien. Solche Kompromisse mit der wesentlichen Wahrheit, solchen intellektuellen Hochmut müssen wir gewissenhaft vermeiden.

(27.Mai 1966, Wellspring of Guidance p.87f)


+62

In der Schule oder auf der Universität wird sich der Bahá'í-Jugendliche oft in der ungewöhnlichen und etwas verwirrenden Lage befinden, tiefere Einsicht in eine Sache zu haben als seine Lehrer. Die Lehren Bahá'u'lláhs werfen Licht auf so viele Seiten des menschlichen Lebens und Wissens, daß ein Bahá'í früher als andere lernen muß zu prüfen, was ihm an Information geboten wird, und sie nicht blind hinzunehmen. Ein Bahá'í genießt den Vorteil der göttliche Offenbarung für dieses Zeitalter, die wie ein Scheinwerfer so viele den modernen Denker verwirrenden Probleme erhellt. Er muß deshalb die Fähigkeit entwickeln, von seinen Zeitgenossen zu lernen, seinen Lehrern mit angemessener Bescheidenheit zu begegnen, dabei aber alles, was er hört, mit den Bahá'í-Lehren in Verbindung zu setzen, denn sie werden es ihm ermöglichen, den Weizen von der Spreu menschlichen Irrtums zu trennen.

(10. Juni 1966, Wellspring of Guidance p.95f)


+63

Das Haus der Gerechtigkeit stimmt dem zu, daß es für die Gläubigen, besonders für diejenigen, die eine verantwortliche Stellung in der Verwaltungsordnung bekleiden, äußerst wichtig ist, ruhig, tolerant und wißbegierigen Geistes auf Ansichten zu reagieren, die sich von ihren eigenen unterscheiden, wobei sie daran denken sollten, daß alle Bahá'í nur Schüler im Glauben sind, die sich um ein immer klareres Verständnis und gewissenhaftere Anwendung der Lehren bemühen, und daß keiner behaupten kann, diese Offenbarung vollkommen zu verstehen. Zugleich sollten alle Gläubigen und besonders die Gelehrten sich daran erinnern, daß in den Schriften oft davor gewarnt wird, Zwietracht unter den Freunden zu schüren. Es ist die Pflicht der Institutionen des Glaubens, die Gemeinde vor diesen Gefahren zu schützen ... Nicht zu leugnen ist, daß einige Äußerungen, die in letzter Zeit von bestimmten Personen im Namen der Bahá'í-Gelehrsamkeit gemacht wurden, unangemessen waren und viele Grundlehren des Glaubens unberücksichtigt ließen, was verständlicherweise in den Herzen selbst der tolerantesten Gläubigen Alarm schlug.

(18.Juli 1979 im Auftrag des UHG an einen Gläubigen)


+64

Das Haus der Gerechtigkeit meint, daß Bahá'í-Gelehrte sich vor der Versuchung intellektueller Überheblichkeit in acht nehmen müssen. Abdu'l-Bahá hat die Freunde im Westen gewarnt, sie würden intellektuellen Prüfungen ausgesetzt sein, und Shoghi Effendi hat sie an diese Warnung erinnert. Es gibt viele Aspekte im westlichen Denken, die nach allgemeiner Ansicht in den Rang unantastbarer Prinzipien erhoben wurden, sich aber mit der Zeit als Irrtümer oder zumindest nur Teilwahrheiten erweisen. Jeder Bahá'í, der in akademischen Kreisen Bedeutung erlangt, wird dem starken Einfluß solcher Denkweise ausgesetzt sein. Eines der Probleme der modernen Zeit ist das Ausmaß, in dem die verschiedenen Disziplinen sich spezialisiert und voneinander isoliert haben. Denker stehen nun vor der Herausforderung, zu einer Synthese zu kommen oder zumindest einen schlüssigen Zusammenhang der gewaltigen, im vergangenen Jahrhundert angesammelten Wissensmenge herzustellen. Die Bahá'í müssen sich dieses Umstandes sowie des Maßes und des allumfassenden Wesens der heutigen Offenbarung bewußt sein ...

Bei der Anwendung der gesellschaftlichen Gesetze des Glaubens kann man sehen, daß die meisten Schwierigkeiten sich nicht aus direktem Ungehorsam ergeben, sondern aus der Handlungsweise derer, die sorgfältig den Buchstaben des Gesetzes beachten, aber sich so weit wie gerade noch erlaubt von dem darin enthaltenen Geist entfernen. Eine ähnliche Tendenz kann unter einigen Bahá'í-Gelehrten beobachtet werden. Die großen Fortschritte in der Kenntnis und im Verständnis auf dem lebenswichtigen Feld der Bahá'í-Gelehrsamkeit werden von denen erzielt werden, die auf ihrem Gebiet sehr beschlagen sind und sich an die Regeln wissenschaftlichen Forschens halten, aber darüber hinaus von tiefer Liebe zum Glauben erfaßt und entschlossen sind, im Verständnis der Lehren weiter zu wachsen.

(23.März 1983 im Auftrag des UHG an einen Gläubigen)





3.4.
Methodologische Fragen

Aus den Schriften Bahá'u'lláhs

+65

Wäget nicht das Buch Gottes mit solchen Gewichten und Wissenschaften, wie sie bei euch im Schwange sind, denn das Buch selbst ist die untrügliche Waage, die unter den Menschen aufgestellt ist. Auf dieser vollkommensten Waage muß alles gewogen werden, was die Völker und Geschlechter der Erde besitzen, während ihre Gewichte nach ihrem eigenen Richtmaß geprüft werden sollten, könntet ihr es doch erkennen. (AQDAS 99)

+66

Als im Osten die Augen des Volkes von den Künsten und Wundern des Westens gefangengenommen wurden, da schweiften sie irregeworden in der Wildnis stofflicher Ursachen, des Einen vergessend, der der Verursacher der Ursachen und ihr Erhalter ist. Solche Menschen aber, die Quell und Born der Weisheit waren, leugneten niemals den bewegenden Antrieb hinter diesen Ursachen, deren Schöpfer oder Ursprung. Dein Herr weiß es, aber die meisten Menschen wissen es nicht. (AKKA 9/22)





Aus den Schriften Abdu'l-Bahás

+67

Es gibt nur vier anerkannte Wege zur Einsicht, das heißt, die Wirklichkeit der Dinge wird durch diese vier Methoden verstanden.

Die erste Methode liegt in den Sinnen, das heißt, alles, was Auge, Ohr, Geschmack, Geruch und Tastgefühl wahrnehmen, wird durch diese Methode erkannt. Zur Zeit wird diese Methode von allen europäischen Gelehrten als die vollkommenste betrachtet. Sie sagen, das hauptsächliche Verfahren, Erkenntnis zu gewinnen, erfolge mittels der Sinne; sie halten es für das beste, obwohl es unvollkommen ist, denn es läßt Fehler zu. Zum Beispiel ist der wichtigste Sinn die Kraft des Gesichts. ... Das Auge glaubt, die Erde stehe still, und sieht die Sonne in Bewegung und täuscht sich in vielen ähnlichen Fällen. Wir können uns deshalb nicht darauf verlassen.

Die zweite Methode ist die des Verstandes; sie wurde von den alten Philosophen, den Säulen der Weisheit, angewendet und ist der Weg zum Verständnis. Mit dem Verstand wiesen sie Dinge nach und hielten sich streng an logische Beweise; alle ihre Argumente waren Verstandesbeweise. Trotzdem wichen sie weit voneinander ab, und ihre Ansichten widersprachen sich. Sie änderten sogar ihre Meinung, das heißt, zwanzig Jahre lange belegten sie mit logischen Beweisen das Vorhandensein einer Sache, um es dann ebenfalls mit logischen Beweisen zu widerrufen. Selbst Platon hat anfänglich die Unbeweglichkeit der Erde und die Bewegung der Sonne folgerichtig nachgewiesen; später bezeugte er mit konsequenter Beweisführung, daß die Sonne der ruhende Mittelpunkt ist und die Erde sich bewegt. ... Es ist darum offenkundig, daß die Methode des Verstandes nicht vollkommen ist; denn die Widersprüche der alten Philosophie, der Mangel an Beständigkeit und der Wechsel ihrer Ansichten beweisen dies. Denn wenn sie vollkommen wäre, müßten alle in ihren Ideen eins sein und in ihren Meinungen übereinstimmen.

Die dritte Methode des Verstehens liegt in der Tradition, das heißt, in der Überlieferung durch den Wortlaut der heiligen Schriften; denn man sagt: So und so sprach Gott im Alten und Neuen Testament. Aber auch diese Methode ist nicht vollkommen, weil die Überlieferungen mit dem Verstand erfaßt werden. Da der Verstand selbst dem Irrtum unterworfen ist, wie könnte man da sagen, daß er sich bei der Auslegung der Bedeutung der Überlieferungen nicht irre, wo es doch möglich ist, daß er Fehler macht, und Gewißheit nicht erreicht werden kann. Dies ist die Methode der kirchlichen Führer; was sie aus dem Text der Bücher verstehen und begreifen, ist das, was ihr Verstand aus dem Wortlaut erfaßt, nicht aber unbedingt die Wahrheit. Denn der Verstand gleicht einer Waage, und die Bedeutung, die im Text der heiligen Bücher enthalten ist, gleicht dem Gewogenen. Wenn die Waage ungenau ist, wie kann das Gewicht festgestellt werden?

Denn wisse, alles, was in den Händen der Menschen liegt, und alles was sie glauben, ist dem Irrtum unterworfen. Wenn wir etwas beweisen oder widerlegen wollen und der Beweis durch das Zeugnis unserer Sinne erbracht wird, so ist diese Methode, wie wohl klar geworden ist, nicht vollkommen; dasselbe gilt für verstandesmäßige Beweise, und sie sind auch dann nicht vollkommen, wenn sie aus der Überlieferung kommen. Somit gibt es in den Händen der Menschen keinen Maßstab, auf den sie sich verlassen können.

Aber die Gnade des Heiligen Geistes verleiht die wahre Methode der Erkenntnis, die unfehlbar ist und nicht angezweifelt werden kann. Sie kommt durch die Hilfe des Heiligen Geistes, der dem Menschen erscheint, und ist die einzige Stufe, auf der Gewißheit erlangt werden kann.

(BF Kap. 83)





Aus Briefen im Auftrag des Universalen Hauses der Gerechtigkeit

+68

Es wurde die Besorgnis laut, daß viele Freunde in der Meinung, es gäbe nur eine »richtige« Sicht der Geschichte und der Lehren des Glaubens, auf ungewöhnliche Ansichten kritisch reagieren. Dies ist schon in Äußerungen des Universalen Hauses der Gerechtigkeit selbst, zum Beispiel auf den Seiten 88-89 in »Wellspring of Guidance«¹ behandelt worden. Wie Sie schon in Ihrem Brief ausführen, ist göttliche Offenbarung unfehlbar und stammt aus einem allumfassenden Wissen der Wahrheit, aber wenn einzelne Bahá'í versuchen, die heiligen Texte auf irgendein spezifisches Problem oder eine Situation anzuwenden, dann benutzen sie dazu ihren eigenen Verstand, der nur von eingeschränkter Fassungskraft ist. Wie sich die Menschen bei ihren Schlußfolgerungen aus einer gegebenen Tatsache im Gebrauch ihrer Urteilskraft unterscheiden können, so können sie sich auch in ihrem Verständnis und der Anwendung eines Satzes der göttlichen Offenbarung unterscheiden. Das Bahá'í-Prinzip des Einklangs von Wissenschaft und Religion erfordert, wie Sie sagen, daß ein Bahá'í-Wissenschaftler zur Lösung eines bestimmten Problems, wenn offensichtlich ein Widerspruch zwischen dem heiligen Text und anderen Beweisen auftaucht, seine Intelligenz benutzen muß; er muß aber auch die Tatsache akzeptieren, daß manches Problem seiner Verstandeskraft trotzt ...

¹ Botschaften des Universalen Hauses der Gerechtigkeit Bd.I S.55f

Das Haus der Gerechtigkeit wollte mit der Übermittlung der Stellungnahmen seiner Forschungsabteilung über das ... Seminar¹ nicht sagen, daß es für Bahá'í-Historiker nur eine gültige Methode zu befolgen gäbe. Es wollte die Bahá'í-Wissenschaftler nur auf die Gefahren aufmerksam machen, die auf manchen Wegen, die einige von ihnen heute verfolgen, drohen. Historische Forschung dreht sich hauptsächlich um die Bewertung von Beweismaterial und die Ableitung von Wahrscheinlichkeiten. Darüber hinaus ist historisches Material immer fragmentarisch, es kann zufällig auch falsch oder absichtlich gefälscht sein. Das Haus der Gerechtigkeit ist sich dessen bewußt, daß Sie sich hierüber im klaren sind, aber es betont diesen Punkt, weil es nicht einsieht, wie ein Bahá'í-Historiker allen Ernstes einerseits den Anspruch erheben kann, ein treuer Gläubiger zu sein, wenn er andererseits in seinen Schriften die Wahrhaftigkeit und Ehre der Zentralgestalten des Glaubens und seines Hüters in Frage stellt.

¹ The Challenge and Promise of Bahá'í Scholarship, zusammengestellt von der Forschungsabteilung und veröffentlicht in The Bahá'í World, Bd. XVII, Haifa 1981, p.195f. Dieses Statement wurde irrtümlich dem Universalen Haus der Gerechtigkeit zugeschrieben.


Die Tatsache, daß der Glaube, wie der Hüter sagt, »seinen Anhängern in erster Linie die Pflicht uneingeschränkter Suche nach der Wahrheit auferlegt«, sollte jeden strebsamen Bahá'í-Historiker beruhigen, daß von einem Erfordernis, die Geschichte im vorgeblichen »Interesse« des Glaubens zu verbiegen, keine Rede sein kann. Im Gegenteil ist die Kombination von tiefem Glauben und Freiheit des Denkens eine besondere Stärke der Bahá'í-Religion. Sie auferlegt Bahá'í-Historikern allerdings die große Verantwortung, ihre Ansichten und Schlußfolgerungen mit Mäßigung und der nötigen Demut vorzutragen. In diesem Zusammenhang heißt es in einem Sendschreiben Bahá'u'lláhs:

»Du schreibst, daß einer der Freunde eine Abhandlung verfaßt hat. Dies wurde in der heiligen Gegenwart erwähnt, und zur Antwort wurde offenbart: Es sollte große Sorgfalt darauf verwandt werden, daß nichts in diesen Tagen Geschriebenes Uneinigkeit verursacht und den Widerspruch der Menschen hervorruft. Alles, was die Freunde des einen wahren Gottes in diesen Tagen sprechen, hören die Menschen der Welt. Im Lawh-i-Hikmat wurde offenbart: "... die Ungläubigen (richten) die Ohren auf Uns ..., um Worte zu hören, die sie in die Lage versetzen, an Gott, dem Helfer in Gefahr, dem Selbstbestehenden, herumzunörgeln." (AKKA 9/11) Was geschrieben wird, sollte nicht die Grenzen des Taktes und der Weisheit überschreiten, und die verwendeten Worte sollten wie Milch beschaffen sein, damit die Kinder der Welt damit genährt werden und Reife erlangen. Vormals haben Wir gesagt, daß ein Wort den Einfluß des Frühlings übt und die Herzen frisch und grün werden läßt, indes ein anderes wie Gift wirkt, das Blüten und Blumen verwelken läßt. Gebe Gott, daß die Autoren unter den Freunden in solcher Weise schreiben, daß es aufrichtigen Seelen genehm ist und die Menschen nicht zum Nörgeln bringt.«

(18.Juli 1979 an einen Gläubigen; Quelle des Zitats nicht genannt)


+69

Das Haus der Gerechtigkeit hatte gehofft, daß die Veröffentlichung des Statements¹ unter den Bahá'í-Gelehrten eine Diskussion anregen und sie dazu ermutigen würde, alle Aspekte ihrer Arbeit und deren Auswirkung auf das Bahá'í- und Nicht-Bahá'í-Publikum noch genauer zu untersuchen. Es war nicht die Absicht, Wissenschaftler anzuweisen, irgendeine bestimmte Methodik aufzugeben, sondern sie vor der Gefahr zu warnen, a priori Annahmen moderner Nicht-Bahá'í-Gelehrter unbesehen zu übernehmen und es zuzulassen, daß ihr eigenes Denken und ihr Verständnis des Glaubens durch Maßstäbe eingeengt wird, von denen sie als Bahá'í wissen, daß sie fehlerhaft sind. Auch hoffte das Haus der Gerechtigkeit, daß Bahá'í-Wissenschaftler sich dessen bewußt werden, wie bedeutsam es ist, in welcher Form sie sich ausdrücken, und daß sie sich vor der hochmütigen und höhnischen Redeweise hüten würden, mit der einige von ihnen öffentlich auf ihre Mitgläubigen hinwiesen, die ja immerhin ergeben bemüht waren, dem Glauben Gottes zu dienen.

(8.Oktober 1980 an einen Gläubigen)

¹ The Challenge and Promise of Bahá'í Scholarship, zusammengestellt von der Forschungsabteilung und veröffentlicht in The Bahá'í World, Bd. XVII, Haifa 1981, p.195f. Dieses Statement wurde irrtümlich dem Universalen Haus der Gerechtigkeit zugeschrieben.


+70

Ihrem Brief entnimmt das Haus der Gerechtigkeit, daß Sie Wege suchen, geistige Wahrheiten auf logischen Wegen zu vermitteln und ihre Gültigkeit mit wissenschaftlichen Beweisen darzulegen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Abdu'l-Bahá verfuhr selbst nach einer derartigen Methode. Bahá'í-Wissenschaftler müssen allerdings die Gefahr vermeiden, religiöse Wahrheiten zu verdrehen, wozu man zuweilen fast gezwungen wird, wenn man sie dem gegenwärtigen Verständnis und den Vorstellungen in der wissenschaftlichen Welt anpassen will. Ein echter Bahá'í-Wissenschaftler sollte sich davor hüten. In einem Brief vom 21. Juli 1968 an einen Nationalen Geistigen Rat schrieb das Haus der Gerechtigkeit:

»Wenn es auch oft weise sein mag, einzelne oder eine Zuhörerschaft vom Standpunkt des gängigen Wissens anzusprechen, so sollte man doch niemals außer acht lassen, daß der Maßstab allen Wissens die Offenbarung der Manifestation Gottes ist und wissenschaftliche Aussagen und Theorien, unabhängig davon wie nahe sie den von Gottes Boten verkündeten ewigen Prinzipien kommen, ihrer eigentlichen Natur nach vergänglich und begrenzt sind. Ebenso läuft man, wenn man den Bahá'í-Glauben auf die moderne Gesellschaft zu beziehen sucht und sich bemüht, ihn den gängigen Theorien und Praktiken anzupassen, ernstlich Gefahr, die Grundwahrheiten unseres Glaubens aufs Spiel zu setzen.«

(7.Juni 1983 an einen Gläubigen)


+71

Die Hauptsorge des Hauses der Gerechtigkeit gilt der methodologischen Schräge und dem disharmonischen Ton, die die Arbeiten gewisser Autoren prägen. Es entsteht der Eindruck, daß sie bei ihrem Versuch, eine - nach ihrem Verständnis - akademische Objektivität zu wahren, den Glauben unbeabsichtigt in eine Form gießen, die seinem Wesen ganz fremd ist, indem sie die geistigen Kräfte, die die Bahá'í als den Grund ihres Glaubens ansehen, unberücksichtigt lassen. Vermutlich könnte dieses Vorgehen damit gerechtfertigt werden, daß die meisten Gelehrten der vergleichenden Religionswissenschaften sich im wesentlichen mit erkennbaren Phänomenen, beobachtbaren Ereignissen und praktischen Dingen befassen und ihr Thema von einem westlichen, um nicht zu sagen christlichen Standpunkt aus zu behandeln gewohnt sind. Wenn auch ein derartiges Vorgehen verständlich ist, so ist es für einen Bahá'í völlig unmöglich, denn es läßt die Tatsache außer acht, daß unsere Weltsicht die geistige Dimension als unerläßliche Komponente für Beschaffenheit und Zusammenhang einbezieht; es ist einem Bahá'í unangemessen, so über seinen Glauben ... zu schreiben, als ob er ihn aus dem Blickwinkel des Humanismus oder Materialismus betrachte.

Mit anderen Worten, in derartigen Artikeln wird uns ein Schauspiel vorgeführt, in dem Bahá'í in einer Weise zu schreiben versuchen, als wären sie keine Bahá'í. Das führt dazu, daß diese Autoren Schlüsse ziehen und Annahmen machen, die zu den Bahá'í-Lehren und der Wirklichkeit des Glaubens im Widerspruch stehen. Wenn ein guter Bahá'í-Autor für eine solche Veröffentlichung schreibt, sollte er sehr wohl in der Lage sein, einen ruhigen, neutralen und sachlichen Ton zu wahren, ohne in den Fehler zu verfallen, das Bild zu entstellen, indem er eine im Grund materialistische und eng beschränkte Haltung einnimmt.

(4.Oktober 1994 an einen NGR)





3.5.
Der Gottesbund

Aus Briefen von oder im Auftrag Shoghi Effendis

+72

Zur Frage der Studienrichtung, die Sie einschlagen können: ... Der Glaube ist so geartet, daß wir ihm unabhängig von unserem Beruf dienen können. Es ist nur nötig, daß wir geistig eingestellt sind und uns nicht von rein materiellen Überlegungen leiten lassen. Wir sollten auch nicht zulassen, daß uns unser Studium daran hindert, uns in der Kenntnis der Literatur des Glaubens zu vertiefen.

(9.November 1931 im Auftrag Shoghi Effendis an einen Gläubigen)


+73

In ihrem Bemühen, dieses Ziel zu erreichen, müssen sie selbst die Literatur ihres Glaubens gewissenhaft und äußerst sorgfältig studieren, seine Lehren ergründen, seine Gesetze und Prinzipien verinnerlichen, seine Ermahnungen, Grundsätze und Ziele erwägen, einige seiner Anweisungen und Gebete auswendig lernen, das Wichtigste seiner Verwaltungsordnung beherrschen und über seine laufenden Angelegenheiten und letzten Entwicklungen unterrichtet sein. Sie müssen bestrebt sein, sich aus maßgebenden und unvoreingenommenen Quellen ein sicheres Wissen über die Geschichte und die Grundsätze des Islám zu erwerben - des Ursprungs und Hintergrunds ihres Glaubens - und ehrfurchtsvoll und mit einer von allen vorgefaßten Meinungen befreiten Vorstellung das Studium des Qur'án aufnehmen, der neben den heiligen Schriften der Bábí- und Bahá'í-Offenbarungen das einzige Buch ist, das als ein völlig authentischer Schatz des Wortes Gottes angesehen werden kann. Besondere Aufmerksamkeit müssen sie der Erforschung jener Vorschriften und Umstände widmen, die mit dem Ursprung und der Geburt ihres Glaubens, der Stufe seines Vorläufers und den von seinem Stifter offenbarten Gesetzen verbunden sind.

(25.Dezember 1938 an die Bahá'í des Westens, in: KGG S.79)


+74

Der Hüter meint, daß eine gründliche Kenntnis der Geschichte, einschließlich der Religionsgeschichte, sowie sozialer und wirtschaftlicher Fragen für das Lehren der Sache Gottes unter intelligenten Menschen sehr hilfreich ist. Was die Frage betrifft, auf welche Einzelgebiete des Glaubens Sie sich konzentrieren sollen, ist er der Meinung, daß die jungen Bahá'í sich gute Kenntnisse solcher Bücher wie »Ährenlese«, »Nabíls Bericht«, »Gott geht vorüber«, »Das Buch der Gewißheit«, »Beantwortete Fragen« und der wichtigsten Sendschreiben aneignen sollten. Alle Aspekte des Glaubens sollten gründlich studiert werden ... und ... sie müssen mehr über die Verwaltungsordnung wissen.

(4.Mai 1946 im Auftrag Shoghi Effendis an einen Gläubigen)


+75

Es scheint, daß wir jetzt eine gründlichere und koordinierte Bahá'í-Gelehrsamkeit brauchen, um solche Menschen, mit denen Sie Kontakt haben, anzuziehen. Die Welt - zumindest die denkende Welt - hat sich inzwischen alle großen und universellen Prinzipien, die Bahá'u'lláhs vor über siebzig Jahren verkündete, zu eigen gemacht, sie erscheinen ihr daher nicht »neu«. Wir wissen aber, daß die tieferen Lehren, das Rahmenwerk der von Ihm entworfenen Weltordnung zur Neugestaltung der Gesellschaft, neu und dynamisch sind. Und gerade diese müssen wir lernen, intelligent und ansprechend solchen Menschen zu vermitteln.

(3.Juli 1949 im Auftrag Shoghi Effendis an einen Gläubigen)


+76

Er hat sich sehr gefreut zu hören, daß Sie viele Vorträge über die Sache Gottes halten. Dies ist ein sehr wichtiges Aufgabenfeld im Dienst und Sie sollten so viel Zeit wie möglich darauf verwenden. Die Öffentlichkeit muß vom Glauben hören, und neue Mittel und Wege, um sie darauf aufmerksam zu machen, müssen erarbeitet werden. Er bittet Sie auch dringend, die Lehren selbst noch tiefer zu studieren. Bahá'í-Gelehrsamkeit ist weit notwendiger als weltliche Gelehrsamkeit, denn die eine ist geistig, die andere mehr oder weniger vergänglich. Es besteht in der Sache Gottes ein wirklicher Mangel an Menschen, die die Lehren gründlich kennen - besonders deren tiefere Wahrheiten - und sie anderen Seelen richtig lehren und damit eine dauerhafte Grundlage vermitteln können, die durch Prüfungen und Heimsuchungen nicht zu erschüttern ist.

(27.August 1951 im Auftrage Shoghi Effendis an einen Gläubigen)





Aus Mitteilungen des Universalen Hauses der Gerechtigkeit

+77

Wir halten es auf dem Gebiet der Bahá'í-Gelehrsamkeit für sehr wichtig, daß die Entfaltung der Bahá'í-Gelehrten nicht durch eine Geisteshaltung der Zensur oder unangemessenen Kritik unterdrückt wird. Wir glauben, daß das Internationale Lehrzentrum wie die Beraterämter auf diesem Felde unschätzbare Dienste leisten können, indem sie junge Wissenschaftler ermutigen und eine Atmosphäre der Toleranz für die Meinung anderer in der Bahá'í-Gemeinde fördern. Gleichzeitig sollte in den Gläubigen der Wesenskern des Glaubens gestärkt werden, indem sie sich zunehmend der Grundwahrheit und lebensnotwendigen Bedeutung des Bundes bewußt werden, und durch stetig wachsende Liebe zu Bahá'u'lláh.

(10.Februar 1981, Memorandum des UHG an das Internationale Lehrzentrum)


+78

Es ist ganz sicher, daß von jetzt an der Fortschritt der Sache Gottes durch eine stetig wachsende Beziehung zur Nicht-Bahá'í-Welt mit ihren Behörden, Aktivitäten, Institutionen und führenden Persönlichkeiten geprägt sein wird. Wir werden größeres Ansehen bei den Vereinten Nationen gewinnen, in den Beratungen der Regierungen besser bekannt, in den Medien häufiger gesehen, für Akademiker ein Gegenstand des Interesses und unvermeidlich ein Objekt des Neides bei den scheiternden Institutionen werden. Auf diese Situation müssen wir uns vorbereiten und richtig reagieren, indem wir uns ständig im Glauben vertiefen, unerschütterlich an den Prinzipien der Nichteinmischung in Parteipolitik und der Vorurteilsfreiheit festhalten und vor allem wachsendes Verständnis für seine Grundwahrheiten und seine Bedeutung für die moderne Welt gewinnen.

(Ridván 1984 an die Bahá'í der Welt)





Literatur:


ÄL Ährenlese. Eine Auswahl aus den Schriften Bahá'u'láhs, Langenhain 1980
AKKA Bahá'u'lláh, Botschaften aus Akká, Langenhain 1982
AQDAS Bahá'u'lláh, Kitáb-i-Aqdas. The Most Holy Book. Haifa 1992
IQAN Bahá'u'lláh, Das Buch der Gewißheit, Langenhain 1978

BF Abdu'l-Bahá, Beantwortete Fragen, Langenhain 1977
ABSEL Abdu'l-bahá, Briefe und Botschaften, Langenhain 1992
PUP Abdu'l-Bahá, The Promulgation of Universal Peace, Wilmette 1982

KGG Shoghi Effendi, Das Kommen göttlicher Gerechtigkeit, Frankfurt 1969

Botschaften des Universalen Hauses der Gerechtigkeit, Langenhain 1981
Wellspring of Guidance. Messages 1963-1968. Wilmette, Ill., 1969





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UNIVERSALES HAUS DER GERECHTIGKEIT BAHA'I-GELEHRSAMKEIT



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