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Organisationsfreiheit für die Geistigen Räte

Das Bundesverfassungsgericht hat durch Beschluß vom 5. Februar 1991 (2BVr 263/86) einer Verfassungs-
beschwerde des Geistigen Rates der Bahá’í in Tübingen stattgegeben und die mit dieser Beschwerde ange-
fochtenen Beschlüsse des Amtsgerichte und Landgerichts Tübingen sowie des Oberlandesgerichts Stuttgart
aufgehoben. Dr. Udo Schaefer wurde vomNationalen Geistigen Rat gebeten, die Hintergrunde und Auswir-
kungen dieses für die Rechtsprechung wegweisenden und für die Bahá’í existentiellen Beschlusses zu be-
leuchten. Nachfolgend sein Beitrag.

I.

Bahá’í-Sein ist in unserer aufgeklärten, säkular geprägten Gesellschaft nicht immer einfach. Doch auch die
Rechte unserer Institutionen müssen im modernen Verfassungsstaat immer wieder erkämpft werden:

Obwohl durch das neue Vereinsförderungsgesetz (1990) 95 % aller Vereine als gemeinnützig anerkannt
werden (darunter Motorsport-, Hundesport- oder Karnevalsvereine), war die Anerkennung der Gemeinnützig-
keit der Geistigen Räte (Voraussetzung für die steuerliche Absetzbarkeit der Spenden) immer wieder Anlaß
für unsägliche Schwierigkeiten, die Finanzämter bereiteten. Wie schon früher berichtet (BN vom Oktober
1990), hat der Bundesminister der Finanzen, an den sich der Nationale Geistige Rat gewandt hatte, durch
Erlaß vom 6. August 1990 klargestellt, daß die Geistigen Räte der Bahá’í der "Förderung religiöser Zwecke
dienen" und damit gemeinnützig sind. Damit dürften die Auseinandersetzungen mit den Finanzämtern, die
viel Zeit und Mühe gekostet haben, weitgehend der Vergangenheit angehören (wenn-gleich selbst jetzt noch
ein Finanzamt trotz Kenntnisnahme des Erlasses auf die Änderung der Satzung insistierte!).

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist von ungleich weitreichenderer Bedeutung: Sie hatte die
Frage zum Gegenstand, ob die Geistigen Räte mit ihrer Struktur und Verfassung nach dem Vereinsrecht des
Bürgerlichen Gesetzbuchs überhaupt eintragungsfähig sind und Rechtsfähigkeit erlangen dürfen. Wenn ver-
schiedene Rechtsordnungen kollidieren, entstehen immer Probleme. So auch hier, wo unser Bahá’í-Recht
auf das staatliche Recht trifft. Um diese Probleme verständlich zu machen und die Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts zu erläutern, muß man etwas weiter ausholen.

II.

Auszugehen ist von der Einsicht, daß die Bahá’í-Gemeinde nicht nur Glaubensgemeinde, sondern auch
Rechtsgemeinde ist. Die Gläubigen sind nicht nur durch das Band des Glaubens und der Liebe miteinander
verbunden, sondern auch durch Rechtsnormen, mit denen der Stifter unseres Glaubens Seine Gemeinde
strukturiert hat, Rechtsnormen, welche die Gemeindestrukturen, ihre Organe und ihre Funktionen verbindlich
regeln. Hauptquelle dieser Rechtsnormen, die über das ganze Schrifttum Baha'u'llah's und 'Abdu'l-Bahá's
verteilt sind, sind der Kitáb-i-Aqdas, der Kitáb-i-Ahd und 'Abdu'l-Bahá's Testament, sowie die Werke Shoghi
Effendi's, der als Inhaber der Lehrgewalt diese Normen in seinen Briefen (vornehmlich Bahá’í Administration
und Weltordnung) konkretisiert hat.
Bis zum Hinscheiden 'Abdu'l-Bahá's wurde die Gemeinde durch die Autorität und das Charisma Bahá'u'lláhs
und 'Abdu'l-Bahá's zusammengehalten. Der Prozeß der "Verrechtlichung" setzte mit der Amtszeit Shoghi
Effendis ein, der die in der Schrift vorgesehenen Strukturen der bis dahin weitgehend amorphen, pneumati-
schen Gemeinde implantierte, indem er weltweit das aufbaute, was wir „Administration" nennen, die örtlichen
und nationalen Selbstverwaltungskörperschaften, die "Häuser der Gerechtigkeit" (baytu'l-'adl), die wegen
ihres vorläufigen, embryonalen Charakters auf örtlicher und nationaler Ebene heute noch "Geistige Räte"
genannt werden.

Daß gegen diesen Prozeß auch Protest laut wurde, weil einige westliche Gläubige mit völlig unzulänglichen
Schriftkenntnissen und aufgrund eines schwärmerischen, protestantisch-pietistisch geprägten Gemeindebeg-
riffs die Gemeinde Bahá'u'lláhs als eine ätherische "Bewegung" mißverstanden, braucht angesichts religi-
onsgeschichtlicher Erfahrung nicht zu verwundern. Der Protest blieb eine Episode, weil die zunehmende
Verfügbarkeit der Werke Bahá'u'lláhs in westlichen Sprachen die Abwegigkeit dieser Vorstellungen entlarvte.

Beim Aufbau der "Verwaltungsordnung" hatte die amerikanische Bahá’í-Gemeinde Pilotfunktion. Sie hat in
den 20er Jahren unter der untrüglichen Führung des Hüters die Strukturen des Bahá’í-Rechts ins Werk ge-
setzt und den allenthalben gegründeten Geistigen Räten Statuten gegeben, mit denen die rechtliche Aner-
kennung ("incorporation“) betrieben und so die Rechtsfähigkeit erlangt wurde. Dabei bestand die Schwierig-
keit darin, das nicht kodifizierte Bahá’í-Recht in Formen zu gießen, die das staatliche Recht zur Erlangung
der Rechtsfähigkeit zur Verfügung stellt. Mit Hilfe sachkundigen Beistands amerikanischer Juristen wurden
für die örtlichen Räte und den nationalen Rat Satzungen erarbeitet, die, von Shoghi Effendi abgesegnet, spä-
ter als Muster für den Aufbau der Bahá’í-Administration in anderen Teilen der Welt dienten.

III.

Als nach dem Zweiten Weltkrieg die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aufgelösten Geistigen
Räte in Deutschland wieder errichtet wurden, gaben sie sich diese Satzung, die einfach vom Englischen ins
Deutsche übersetzt wurde. Soweit die örtlichen Räte die Rechtsfähigkeit erlangten, wurden sie mit dieser
Satzung eingetragen. Im Verlaufe des Aufbaus unseres Justizwesens und der Schaffung des Instituts des
"Rechtspflegers" (die wesentlich besser ausgebildet waren als die früheren Inspektoren, die zuvor das Ver-
einsregister führten), begegnete die Neueintragung von Räten zunehmend Schwierigkeiten. Die Satzung, die
amerikanischen Rechtsvorstellungen und amerikanischer Rechtstechnik entsprach, provozierte zunehmend
Einwände, weil sie für unser deutsches Rechtsverständnis ungeeignet, wenig transparent und in ihrer Syste-
matik kaum zu durchschauen war. Unter dem Druck dieser Erfahrung gewann die Einsicht an Boden, daß die
Grundstrukturen unseres Rechts als "göttliches Recht" zwar unveränderlich sind, daß aber diese Strukturen
je nach den staatlichen Rechtsordnungen in unterschiedliche Satzungen gegossen werden müssen - eine
Erfahrung, die auch andere europäische Bahá’í-Gemeinden machten.

So wurde in den 70er Jahren nach Zustimmung des Universalen Hauses der Gerechtigkeit eine neue, dem
deutschen Recht gemäße Mustersatzung entworfen und eingeführt. Nach dieser Mustersatzung sind heute
die Geistigen Räte in der Bundesrepublik eingetragen. Auch der Nationale Geistige Rat gab sich eine neue
Satzung, die indessen noch nicht eingetragen ist, weil das zuständige Registergericht die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts abwartete.

Haben die Geistigen Räte nun eine ungleich bessere Position gegenüber den Registergerichten, so zeigte
sich auch jetzt, daß die rechtliche Konstruktion unserer Satzung den damit befaßten Gerichten nicht leicht zu
vermitteln ist: Nicht die Gemeinde ist der Verein (und der Rat dessen Vorstand), sondern der Rat, der von
den Mitgliedern der Gemeinde gewählt wird. Das ist eine ungewöhnliche Konstruktion: Normalerweise wird
die Mitgliedschaft in einem Verein durch Eintritt erlangt, die Mitgliedschaft in einem Geistigen Rat indessen
durch Wahl eines "Dritten", der Gemeinde. Normalerweise hat der Verein eine Mindestgröße (7 Mitglieder),
die nach oben nicht limitiert ist. Demgegenüber ist die Mitgliedschaft des Rates ein numerus clausus: Er hat
neun Mitglieder, nicht weniger, aber auch nicht mehr. In allen Fällen konnten jedoch die vorhandenen Be-
denken letztlich ausgeräumt und die Eintragung erlangt werden (in einigen Fällen, nachdem die ablehnenden
Beschlüsse angefochten und im Rechtsmittelverfahren aufgehoben wurden).

IV.

Als besonders hartnäckig erwies sich der Rechtspfleger des Amtsgerichts Tübingen, welcher die Satzung in
nicht weniger als acht Punkten beanstandete und schließlich die Eintragung durch Beschluß vom 8.12.1983
versagte. Die dagegen eingelegten Rechtsmittel hatten keinen Erfolg. Das Landgericht Tübingen verwarf die
sofortige Beschwerde am 5. Mai 1985. Das daraufhin angerufene Oberlandesgericht Stuttgart verwarf die
gegen die Entscheidung des Landgerichts eingelegte weitere Beschwerde durch Beschluß vom 27.1.1986.
Damit war der Rechtszug erschöpft mit der Folge, daß der Geistige Rat Tübingen mit der von ihm vorgeleg-
ten Mustersatzung für alle Zeiten nicht mehr in das Vereinsregister eingetragen werden könnte. Die in der
Fachpresse veröffentlichte Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart hatte noch weitere Konsequen-
zen: Eine Reihe von Gerichten forderte, durch diese Entscheidung aufgeschreckt, eingetragene Geistige
Räte auf, ihre Satzung zu ändern, Widrigenfalls die bestehende Eintragung gelöscht werden müsse.

Die durch das Oberlandesgericht Stuttgart bestätigte Ablehnung der Eintragung wurde (nachdem alle ande-
ren Beanstandungen des Rechtspflegers als unbegründet erkannt wurden) mit dem Grundsatz der Vereins-
autonomie begründet, der das bürgerliche Vereinsrecht beherrscht. Danach ist der Verein ein autonomer
Verband, der in seiner Willensbildung frei von Fremdeinflüssen und nur dem staatlichen Recht unterstellt ist.
Da die Geistigen Räte in eine Hierarchie eingebunden sind, da die ihnen vorgeordneten Institutionen Nationa-
ler Rat und Universales Haus der Gerechtigkeit nach der Satzung eine Reihe von Eingriffsrechten haben,
verstößt eine solche Rechtsgestaltung nach dieser Auffassung gegen diesen Grundsatz der Vereinsautono-
mie.

Damit war für die deutsche Bahá’í-Gemeinde eine kritische Situation eingetreten: Es bestand für alle einge-
tragenen Geistigen Räte einschließlich dem Nationalen Geistigen Rat die große Gefahr des Verlustes der
Rechtsfähigkeit. Zwar räumt das Grundgesetz (GG) (in Verbindung mit der Weimarer Reichsverfassung) den
anerkannten Religionsgemeinschaften unter bestimmten Umständen die Möglichkeit ein, Körperschaft des
öffentlichen Rechts zu werden, doch setzt dies eine Mitgliederzahl voraus, die wir heute bei weitem nicht
erreicht haben.

Die Geistigen Räte der Bahá’í sind deshalb zur Erlangung der Rechtsfähigkeit auf das Vereinsrecht des BGB
verwiesen. Doch müßte die Satzung, damit sie eintragungsfähig wäre, in den Grundstrukturen geändert wer-
den. Zu solchen Änderungen können und werden die Bahá’í nicht bereit sein, weil die wesentlichen Struktu-
ren des Verfassungsrechts unserer Gemeinde Gottesgesetz (ius divinum) und deshalb nicht kompromißfähig
sind. Zu den tragenden Strukturen gehört eben die vertikale Gliederung des institutionellen Aufbaus. Diese
sind für die Bahá’í unverfügbar und unverzichtbar.

Wie auch sonst, wenn der Rechtsweg erschöpft ist, bot sich das Bundesverfassungsgericht als letzte Zu-
flucht an, doch setzt dies voraus, daß die vorangegangenen Gerichtsentscheidungen den Geistigen Rat Tü-
bingen in seinen Grundrechten verletzten. Dies war nach unserer Rechtsüberzeugung unverkennbar der Fall:
Art. 4 GG garantiert nicht nur die Freiheit der Religionsausübung, zu der die Bekenntnis und Kultfreiheit ge-
hört, sondern auch die Organisationsfreiheit. Die ergangenen Entscheidungen und die ihnen zugrunde lie-
gende Interpretation des bürgerlichen Rechts hatten zur Konsequenz, daß der Bahá’í-Gemeinde ihre hierar-
chische Einbindung in den Rahmen der Bahá’í-Administration unmöglich gemacht wurde. Die Ba-
há’í-Gemeinden wären, folgt man diesen Entscheidungen, nur jede für sich existent, über ihnen wäre kein
Nationaler Rat, kein "Haus der Gerechtigkeit", nur der blaue Himmel. Die Gesamtgemeinde wäre dann nicht
mehr existent, sie wäre nur noch ein amorpher Haufen autonomer Gebilde, die durch nichts miteinander
verbunden sind. Die Bahá’í-Gemeinde als "Volk Gottes", welches rechtlich gegliedert ist, gäbe es dann nicht
mehr. Darin sahen wir einen Verstoß gegen Art. 4 GG, so daß die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde
geboten schien. Die im Instanzenzug mit der Sache befaßten Gerichte hatten sich mit den verfassungsrecht-
lichen Fragen, auf die von Anfang an schriftsätzlich hingewiesen worden war, überhaupt nicht auseinander-
gesetzt.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich nach Eingang der im März 1986 erhobenen Verfassungsbeschwerde
in der Folgezeit sehr eingehend mit der ungewöhnlichen, entlegenen Materie befaßt. Es hat sogar Originalli-
teratur beim Bahá’í-Verlag angefordert, zahlreiche Satzungen anderer christlicher oder islamischer Vereine
erhoben und geprüft und Stellungnahmen des Bundesministers der Justiz und des Justizministeriums Ba-
den-Württemberg, der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und des Instituts für Staatskirchenrecht
der Diözesen Deutschlands (zur Frage der Vereinsautonomie bei kirchlichen Vereinen) eingeholt. Die Jus-
tizministerien kamen in ihren umfangreichen Stellungnahmen zu dem für uns unerfreulichen Ergebnis, die
Verfassungsbeschwerde sei unbegründet, weil die mit ihr angefochtenen Entscheidungen zu Recht ergangen
seien.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zog sich lange hin. Mit einer uns günstigen Entscheidung
waren weitreichende Konsequenzen verbunden, die bedacht sein wollten: Würde man nicht die Schleusen
weit auftun auch für solche Gebilde, die sich zu Unrecht als "Religion" bezeichnen und sich künftig auf diese
Entscheidung berufen?

V.

Der Beschluß vom 5. Februar 1991, der der Verfassungsbeschwerde in vollem Umfang stattgibt, ist eine der
relativ seltenen staatskirchenrechtlichen Entscheidungen dieses Gerichts und schon deshalb für die staatli-
che Rechtsprechung und Rechtsfortbildung höchst bedeutsam und richtungsweisend.

Für die Bahá’í-Gemeinde ist diese Entscheidung, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, von
nicht zu überschätzender Tragweite: Sie sichert der Gemeinde für alle Zukunft ihren Rechtsstatus und berei-
tet allen Ansinnen der Gerichte auf Änderung der Grundstrukturen unserer Satzung ein Ende. Sie verbrieft
ein für allemal den Bahá’í das Recht, sich als hierarchisch gegliederte Rechtsgemeinschaft gemäß dem
offenbarten Gottesgesetz zu organisieren.

Die Entscheidung schlägt zunächst einen Pflock ein: Die bloße Behauptung, eine Gemeinschaft sei eine
Religionsgemeinschaft, genügt nicht. Die Behörden und Gerichte haben jeweils zu prüfen, ob es sich im kon-
kreten Falle tatsächlich nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild um eine Religion und Religi-
onsgemeinschaft handelt. Hierzu ist ausgeführt: "Im vorliegenden Fall braucht hierauf jedoch nicht näher
eingegangen zu werden, da der Charakter des Bahá’í-Glaubens als Religion und der Ba-
há’í-Gemeinschaft als Religionsgemeinschaft nach aktueller Lebenswirklichkeit, Kulturtradition und
allgemeinem wie auch religionswissenschaftlichem Verständnis offenkundig ist."

In den eingehenden Ausführungen zu dem Grundrecht der religiösen Vereinigungsfreiheit (Art. 4 Abs. I und II
GG) kam das Gericht zu dem Ergebnis, daß die angegriffenen Entscheidungen dem normativen Gehalt die-
ses Grundrechts nicht gerecht wurden, daß es im Rahmen des Vereinsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs
möglich und verfassungsrechtlich geboten sei, die glaubensbedingten Anforderungen an die innere Organi-
sation des örtlichen Geistigen Rates als religiöser Verein und Teilgliederung einer Religionsgesellschaft be-
sonders zu berücksichtigen. Denn - so das Gericht - Vereine, die Teilgliederungen von Religionsgesellschaf-
ten sind, wollen sich in die Hierarchie ihrer Religionsgemeinschaft einfügen. Darum könne man in den Ein-
griffsrechten der vorgeordneten Institutionen keine Unterwerfung unter eine Fremdbestimmung von außen
sehen, die die Selbständigkeit und Selbstverwaltung des Vereins in ihrem Kern trifft. Der Beschluß kommt zu
dem Ergebnis, daß die in diesem Verfahren tätig gewordenen Gerichte das Grundrecht der religiösen Verei-
nigungsfreiheit für die Auslegung und Anwendung des Grundsatzes der Vereinsautonomie verkannt haben,
weil sie den Nationaler Geistigen Rat wie eine fremde, von anderen Zielen und Interessen bestimmte Orga-
nisation ansehen, die beherrschenden Einfluß übt, ohne die durch die religionsrechtliche Verknüpfung gege-
bene Einheit und Gemeinsamkeit zu beachten. Dasselbe gilt, wie das Gericht ausführt, auch für die Wahl der
Mitglieder des örtlichen Rates durch die Gläubigen der örtlichen Gemeinde, die eben nicht "Fremde" sind.
Den Gründen des Beschlusses ist zu entnehmen, daß die positive Entscheidung nur deshalb möglich war,
weil das unserer Satzung zugrunde liegende Bahá’í-Recht als Offenbarungsrecht unverfügbarer Bestandteil
unseres Glaubens ist.





Vl.

Welchen Erfolg dieses Urteil im Bemühen, den Rechtsstatus der Geistigen Räte in der Bundesrepublik zu
wahren und zu sichern, darstellt, mag man daraus ermessen, daß nur 1,5 % aller Verfassungsbeschwerden
Erfolg beschieden ist. Nicht zuletzt verdanken wir diesen Erfolg auch der Klugheit unseres Nationalen Geisti-
gen Rates, der keinen Aufwand und keine Kosten gescheut hat, um dem Recht zum Durchbruch zu verhel-
fen. Er hat mit der Rechtswahrung ein renommiertes Stuttgarter Rechtsanwaltsbüro beauftragt. Die Vertre-
tung lag in Händen eines Experten auf dem Gebiet des Verfassungsrechts, des Verwaltungsrechts und des
Staatskirchenrechts. Darüber hinaus hat der Nationale Geistige Rat ein Gutachten eines hochangesehenen,
an der Universität Heidelberg lehrenden Staatskirchenrechtlers (Prof. Dr. Friedrich Müller) eingeholt. Das
profunde, 115 Seiten umfassende Gutachten, das die Rechtsposition der Bahá’í klar und überzeugend her-
ausgearbeitet, war bei diesem Verfahren eine große Stütze, die ihre Wirkung sicher nicht verfehlt zum glück-
lichen Ausgang des Verfahrens beigetragen hat. Auch ein Nebeneffekt dieses arbeits- und kostenträchtigen
Verfahrens ist erfreulich: Die Zahl von hohen Ministerialbeamten, Professoren und wissenschaftlichen Mitar-
beitern, die sich eingehend mit unserem Glauben zu befassen hatten, ist beträchtlich, von den Richtern unse-
res höchsten Gerichts ganz zu schweigen. Die Entscheidung wird in die amtliche Sammlung aufgenommen
und in allen juristischen Fachzeitschriften veröffentlicht werden.

21. März 1991





Gemeinnützigkelt generell geregelt

Der Nationale Geistige Rat hat in einem Rundschreiben an alle Geistigen Räte vom 24. August 1990 über
eine erfreuliche Entwicklung berichtet: Die Gemeinnützigkeit des Nationalen Geistigen Rates und aller örtli-
chen Geistigen Räte ist vor kurzem von der Bundesregierung durch den Bundesminister der Finanzen gene-
rell anerkannt worden. Im Rundschreiben des Nationalen Rates heißt es u.a.:

"Der Nationale Geistige Rat freut sich sehr, Ihnen von einer bedeutenden Entwicklung beachten zu können:

Mit einem Bescheid vom 6. August 1990 hat das Bundesfinanzministerium dem Nationalen Geistigen Rat
mitgeteilt, daß sowohl der Nationale Geistige Rat wie auch alle örtlichen Geistigen Räte in Deutschland
grundsätzlich gemeinnützig sind.

Dies hat folgende Vorgeschichte: Seit Jahren machen örtliche Finanzämter große Schwierigkeiten, wenn es
um die Anerkennung der örtlichen Geistigen Räte als gemeinnütziger Verein (Befreiung von der Körper-
schaftssteuer) geht. Beinahe jedes Finanzamt sieht in einzelnen Bestimmungen der Mustersatzung für örtli-
che Geistige Räte irgendein Problem. Dies hatte zur Folge, daß größtenteils umfangreiche Schriftwechsel zu
führen waren, wobei der Nationale Geistige Rat seit Jahren auf die sachkundige Hilfe von Dr. Udo Schaefer
zurückgriff.

Mit einem Schreiben vom 10. Januar 1990 wandte sich der Nationale Geistige Rat auf Vorschlag von Dr.
Schaefer unmittelbar an den Bundesminister der Finanzen in Bonn, legte das Problem umfassend dar, stellte
dem Minister umfangreiche Unterlagen zur Bahá’í-Religion und zur Satzung der Geistigen Räte zur Verfü-
gung und beantragte, die Frage der Gemeinnützigkelt der Geistigen Räte in Deutschland auf dem Erlaßwege
einer generellen Lösung zuzuführen.

Bereits am 31. Januar 1990 sandte der Bundesminister der Finanzen, Dr. Waigel, ein persönlich unterzeich-
netes Schreiben an den Nationalen Geistigen Rat, in dem er den Eingang bestätigte und mitteilte, unser An-
liegen werde sorgfältig geprüft werden.

Das Ergebnis dieser Prüfung ist nun, wie eingangs bereits erwähnt, daß das Bundesfinanzministerium den
Nationalen Geistigen Rat und die Örtlichen Geistigen Räte als gemeinnützig betrachtet. Das Ministerium wird
die obersten Finanzbehörden der Bundesländer anweisen, die örtlichen Finanzämter entsprechend zu unter-
richten. Die örtlichen Finanzämter sind an die Auffassung des Bundesfinanzministeriums gebunden. Für Sie,
liebe Freunde, ergibt sich aus dieser erfreulichen Entwicklung folgende Konsequenz:

Grundsätzlich kann nun jeder örtliche Geistige Rat beim örtlichen Finanzamt erfolgreich die Gemeinnützigkeit
beantragen, unabhängig davon, ob der Geistige Rat im Vereinsregister eingetragen ist oder nicht.

Das örtliche Finanzamt darf nun nicht die Gemeinnützigkeit aus grundsätzlichen Erwägungen oder aufgrund
von Beanstandungen der Satzung des Geistigen Rates verweigern.

Der Nationale Rat regt daher an, daß Geistige Räte, die bisher noch keinen Antrag auf Gemeinnützigkeit
beim örtlichen Finanzamt gestellt haben, dies unverzüglich tun... ,

Wir empfehlen, daß Geistige Räte, die bereits als gemeinnützig anerkannt sind oder die derzeit noch Prob-
leme mit der Anerkennung haben, ihrem örtlichen Finanzamt gleichwohl zur Beachtung eine Kopie des Be-
scheides des Bundesfinanzministeriums übersenden.

Bitte beachten Sie, daß durch diesen Bescheid die regelmäßige Überprüfung der Ein- und Ausgaben Ihres
Geistigen Rates durch das örtliche Finanzamt nicht entfällt."





Bundesverfassungsgerichtsbeschluß vom 5. Febr. 1991(2BVr 263/86) betreffs Vereinsfähigkeit


Hamburg, den 10.06.2003 Datei: BVerfG.doc Seite: 1

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