Read: 1983 Sept 01, Sechs Schritte zum Geistigen Wachstum


Das Universale Haus der Gerechtigkeit

Bahá'í-Weltzentrum

1. September 1983

An den Nationalen Geistigen Rat der Bahá'í von …..


Liebe Bahá'í-Freunde,

3 Ausgelöst durch religiöse Uneinigkeit und Fanatismus hatte Europa in den vergangenen Jahrhunderten so schrecklich unter Verfolgungen und Auseinandersetzungen zu leiden, daß es zu einer heftigen Abwehrreaktion gegen die Religion überhaupt gekommen ist. Viele Menschen in Europa nehmen eine skeptische Haltung ein, verachten die Religionsausübung und lehnen es ab, über religiöse Themen zu sprechen oder der Kraft des Glaubens zu vertrauen. Diese Abkehr von der Religion wurde noch besonders durch das Anwachsen des Materialismus bestärkt. So ist es heute zu einem Nebeneinander von materiellem Wohlergehen und geistiger Dürre gekommen, das in sozialer wie in seelischer Hinsicht katastrophale Folgen für die Bevölkerung hat.

4 Diese verstandes- und gefühlsmäßige Gesamtatmosphäre schafft für die Bahá'í-Gemeinde Probleme zweifacher Art. Sie hat sich auf einen großen Teil der Bevölkerung derart ausgewirkt, daß es für die Bahá'í schwierig geworden ist, anderen die Botschaft zu überbringen. Die Auswirkungen auf die Bahá'í selbst sind schwerer zu fassen, aber nicht weniger schädlich. Wenn sie nicht bewußt bekämpft werden, können sie dazu führen, daß die Gläubigen jene geistigen Übungen vernachlässigen, die die wahre Quelle ihrer geistigen Kraft und ihre seelische Nahrung sind.

5 Bahá'u'lláh hat in Seinen Schriften sehr klar die wesentlichen Voraussetzungen für unsere geistige Entwicklung dargelegt, und `Abdu'l-Bahá hat immer wieder in Seinen Ansprachen und Sendschreiben mit Nachdruck auf diese Voraussetzungen hingewiesen. Sie lassen sich kurz wie folgt zusammenfassen:

1. Das tägliche Sprechen eines der Pflichtgebete mit reinem, andächtigen Herzen.

2. Das regelmäßige Lesen in den Heiligen Schriften - zumindest jeden Morgen und Abend - mit Ehrerbietung und in aufmerksamer, nachdenklicher innerer Haltung.

3. Die meditative Besinnung über die Lehren im Geiste des Gebets, damit wir sie besser verstehen, getreuer befolgen und genauer anderen Menschen übermitteln können.

4. Das tägliche Bemühen, unser Verhalten mehr in Übereinstimmung mit den hohen Maßstäben zu bringen, die in den Lehren dargelegt sind.

5. Das Lehren der Sache Gottes.

6. Selbstloser Dienst für den Glauben und in der Ausübung unseres Gewerbes oder Berufes.

6 Diese Punkte sind den Freunden in Europa bereits in anderen Worten durch die Berater übermittelt worden, aber das Universale Haus der Gerechtigkeit möchte sie betont herausstellen, denn sie sind der Weg, um wahre Geistigkeit zu erlangen, wie er von der Manifestation Gottes für dieses Zeitalter festgelegt worden ist.
Gebete und persönliche Meditationsübungen

7 Es muß auffallen, wie privat und persönlich die grundlegendsten geistigen Übungen des Gebets und der Meditation in unserem Glauben sind. Natürlich kommen die Bahá'í auch zum gemeinsamen Gebet zusammen, z.B. im Haus der Andacht (Mashriqu'l-Adhkár) oder zu den Neunzehntagefesten, aber die täglichen Pflichtgebete müssen in der Abgeschiedenheit des eigenen Zimmers gesprochen werden, und das Meditieren über die Lehren ist ebenfalls eine private Tätigkeit des einzelnen, keine Form von Gruppentherapie.
8 In Seinen Ansprachen bezeichnet `Abdu'l-Bahá das Gebet als »Zwiesprache mit Gott«, und über das Meditieren sagt Er: »In der Meditation sprichst du mit deinem eigenen Geist. In diesem inneren Zustand stellst du deinem Geist ganz bestimmte Fragen, und der Geist gibt Antwort: das Licht bricht durch, und die Wirklichkeit wird offenbar.«

9 Natürlich kann man auch auf andere Art seine Geistigkeit vermehren. So hat Bahá'u'lláh z.B. keine spezifischen Techniken genannt, die beim Meditieren befolgt werden sollen, und dem einzelnen Gläubigen steht es frei, auf diesem Gebiet so vorzugehen, wie er möchte, vorausgesetzt, er bleibt in Übereinstimmung mit den Lehren. Solche Aktivitäten sind jedoch rein persönlich und sollten unter keinen Umständen mit den Handlungen verwechselt werden, die Bahá'u'lláh selbst als grundlegend wichtig für unsere geistige Entwicklung erachtet hat.

10 Einige Gläubige meinen vielleicht, daß es für sie nützlich ist, eine bestimmte Meditationsübung anzuwenden, und sie können dies gewiß tun. Aber solche Methoden sollten nicht bei Sommerschulen gelehrt oder während der Schule durchgeführt werden, da sie vielleicht den einen ansprechen, andere jedoch abstoßen. Sie haben nichts mit dem Glauben zu tun und sollten ganz getrennt davon gehalten werden, um die Sucher nicht zu verwirren...

12 Das Universale Haus der Gerechtigkeit ist überzeugt, daß die Gläubigen in ganz Europa, wenn sie gewissenhaft bestrebt sind, mit Hilfe der sechs oben genannten Methoden geistig zu wachsen, und in ihrem innersten Wesen sich bewußt werden, daß sie in all ihrem Dienst nur Vermittler für die bestätigende Macht Gottes sind, die Herzen ihrer Mitbürger anziehen und die ansteckende Krankheit des Materialismus überwinden werden, der den Blick so vieler ihrer Landsleute trübt.

13 Anstrengung, rege Aktivität, Einheit und ständiges Vertrauen auf die Macht
Bahá'u'lláhs werden gewiß alle Hindernisse überwinden.

Mit liebevollen Bahá'í-Grüßen

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