Lesen: 02-Inhalt der Gita


ZWEITES KAPITEL
Inhalt der Gita zusammengefaßt


VERS 1
Sanjaya sagte: Als Madhusudana, Krsna, Arjuna voller
Mitleid und sehr betrübt sah, mit Trnnen in den Augen,
sprach Er die folgenden Worte.
ERLÄUTERUNG
Materielles Mitleid, Klagen und Tränen sind alles Zeichen
dafür, dass man das wirkliche Selbst nicht kennt. Mitleid
mit der ewigen Seele bedeutet Selbstverwirklichung. Das
Wort "Madhusudana" ist in diesem Vers von Bedeutung.
Sri Krsna tötete den Dämon Madhu, und jetzt wollte
Arjuna, dass Krsna den Dämon des MißVerständnisses
vernichtete, der ihn während der Erfüllung seiner Pflicht
überwältigt hatte. Niemand weiß, worauf Mitleid gerichtet
werden soll. Mitleid mit der Kleidung eines Ertrinkenden
ist sinnlos. Ein Mensch, der in das Meer der Unwissenheit
gefallen ist, kann nicht dadurch gerettet werden, dass man
nur sein äußeres Gewand rettet - den groben materiellen
Körper. Wer dies nicht weiß und um das äußere Gewand
klagt, wird als sudra bezeichnet oder jemand, der
unnötigerweise jammert. Arjuna war ein ksatriya, und ein
solches Verhalten wurde nicht von ihm erwartet. Sri Krsna
kann jedoch das Klagen des unwissenden Menschen
vertreiben, und zu diesem Zweck wurde die Bhagavad-Gita
von Ihm gesungen. Dieses Kapitel unterrichtet uns durch
ein analytisches Studium des materiellen Körpers und der
Seele, das von der höchsten Autorität, Sri Krsna,
vorgenommen wird, in Selbstverwirklichung. Diese
Verwirklichung wird möglich, wenn das nach
fruchttragenden Ergebnissen strebende Lebewesen in einem
gefestigten Verständnis vom wahren Selbst handelt.


VERS 2
Die Höchste Person [Bhagavan] sprach: Mein lieber
Arjuna, wie konnten diese Unreinheiten über dich
kommen? Sie ziemen sich in keiner Weise für einen
Mann, der die höheren Werte des Lebens kennt. Sie
führen nicht zu höheren Planeten, sondern zu Schande.
ERLÄUTERUNG
Krsna und die Höchste Persönlichkeit Gottes sind identisch.
Deshalb wird Sri Krsna die ganze Gita hindurch als
"Bhagavan" bezeichnet. Bhagavan ist das endgültige in der
Absoluten Wahrheit. Die Absolute Wahrheit wird in drei
Verständnisphasen erkannt, nämlich als Brahman oder die
unpersönliche, alldurchdringende spirituelle Natur; als
Paramatma oder der lokalisierte Aspekt des Höchsten im
Herzen aller Lebewesen und als Bhagavan oder die Höchste
Persönlichkeit Gottes, Sri Krsna. Im Srimad-Bhagavatam
(1.2.11) wird dieses Verständnis von der Absoluten
Wahrheit demgemäß erklärt:
"Die Absolute Wahrheit wird von demjenigen, der Sie
kennt, in drei Aspekten wahrgenommen, die alle
miteinander identisch sind. Diese Aspekte der Absoluten
Wahrheit werden als Brahman, Paramatma und Bhagavan
bezeichnet."
Diese drei göttlichen Aspekte können am Beispiel der
Sonne näher erklärt werden, die ebenfalls drei verschiedene
Aspekte hat, nämlich den Sonnenschein, die
Sonnenoberfläche und den Sonnenplaneten selbst. Wer nur
den Sonnenschein studiert, befindet sich auf der ersten
Stufe der Verwirklichung; wer die Oberfläche der Sonne
versteht, ist weiter fortgeschritten, und wer in den
Sonnenplaneten eingehen kann, befindet sich auf der
höchsten Stufe. Gewöhnliche Schüler, die zufrieden sind,
wenn sie nur den Sonnenschein verstehen, das heißt seine
universale Ausbreitung und die gleißende Ausstrahlung
seines unpersönlichen Wesens, mögen mit denen
verglichen werden, die nur den Brahman-Aspekt der
Absoluten Wahrheit erkennen können. Der Schüler, der
weiter fortgeschritten ist, kann darüber hinaus die
Sonnenscheibe erkennen, was mit dem Wissen um den
Paramatma-Aspekt der Absoluten Wahrheit verglichen
wird. Und der Schüler, der in das Herz des Sonnenplaneten
eingehen kann, wird mit jemandem verglichen, der die
persönlichen Merkmale der Höchsten Absoluten Wahrheit
erkennt. Daher sind die bhaktas oder jene
Transzendentalisten, die den Bhagavan-Aspekt der
Absoluten Wahrheit erkannt haben, die höchsten
Transzendentalisten, wenngleich alle Schüler, die sich dem
Studium der Absoluten Wahrheit widmen, mit dem
gleichen Thema zu tun haben. Der Sonnenschein, die
Sonnenscheibe und das Geschehen im Innern des
Sonnenplaneten können nicht voneinander getrennt werden,
und dennoch gehören die Schüler, die diese drei
verschiedenen Aspekte studieren, nicht zur gleichen
Kategorie.
Das Sanskritwort Bhagavan wird von der bedeutenden
Autorität Parasara Muni, dem Vater Vyasadevas, wie folgt
erklärt: "Die Höchste Persönlichkeit, die allen Reichtum,
alle Stärke, allen Ruhm, alle Schönheit, alles Wissen und
alle Entsagung in Sich birgt, wird Bhagavan genannt." Es
gibt viele Personen, die sehr reich, sehr mächtig, sehr
schön, sehr berühmt, sehr gelehrt und sehr entsagungsvoll
sind, aber niemand kann behaupten, er besitze allen
Reichtum, alle Stärke usw. in vollem Umfang. Nur Krsna
kann diesen Anspruch erheben, denn Er ist die Höchste
Persönlichkeit Gottes. Kein Lebewesen, nicht einmal
Brahma, Siva oder Narayana, kann Reichtümer in solcher
Fülle besitzen wie Krsna. Deshalb kommt Brahma in der
Brahma-samhita zu dem Schluss, dass Sri Krsna die Höchste
Persönlichkeit Gottes ist. Niemand kommt Ihm gleich oder
steht über Ihm. Er ist der urerste Herr, Bhagavan, bekannt
als Govinda, und Er ist die höchste Ursache aller Ursachen.
"Es gibt viele Persönlichkeiten, die die Eigenschaften
Bhagavans besitzen, aber Krsna ist die höchste, da niemand
Ihn übertreffen kann. Er ist die Höchste Person, und Sein
Körper ist ewig, voller Wissen und voller Glückseligkeit.
Er ist der urerste Herr, Govinda, und die Ursache aller
Ursachen." (Bs. 5.1)
Im Srimad-Bhagavatam findet man auch ein Verzeichnis
vieler Inkarnationen der Höchsten Persönlichkeit Gottes,
doch Krsna wird als die ursprüngliche Persönlichkeit
Gottes beschrieben, von der viele Inkarnationen und
Persönlichkeiten Gottes ausgehen:
"All die hier aufgeführten Inkarnationen Gottes sind
entweder vollständige Erweiterungen oder Teile der
vollständigen Erweiterungen des Höchsten Gottes, doch
Krsna ist die Höchste Persönlichkeit Gottes Selbst." (SB.
1.3.28)
Somit ist Krsna die ursprüngliche Höchste Persönlichkeit
Gottes, die Absolute Wahrheit, der Ursprung sowohl der
Überseele als auch des unpersönlichen Brahman.
In Gegenwart der Höchsten Persönlichkeit Gottes war
Arjunas Klage um seine Verwandten gewiss unangebracht,
und daher gebrauchte Krsna das Wort kutas (woher), um
Seine Überraschung zum Ausdruck zu bringen. Solche
unmännlichen Gefühle erwartete man niemals von jemand,
der zur zivilisierten Klasse der Männer, den öryas gehörte.
Das Wort arya trifft auf Menschen zu, die den Wert des
Lebens kennen und eine auf spirituelle Erkenntnis
gründende Zivilisation haben. Menschen, die sich von der
materiellen Lebensauffassung leiten lassen, wissen nicht,
dass das Ziel des Lebens die Erkenntnis der Absoluten
Wahrheit, das heißt Visnus oder Bhagavans, ist. Sie lassen
sich von den äußeren Erscheinungen der materiellen Welt
fesseln und wissen deshalb nicht, was Befreiung ist.
Menschen, die nicht wissen, was Befreiung aus materieller
Knechtschaft bedeutet, werden als Nicht-öryas bezeichnet.
Obwohl Arjuna ein ksatriya war, wich er von seinen
vorgeschriebenen Pflichten ab, als er sich weigerte, zu
kämpfen. Ein solch feiges Verhalten wird eher als für
Nicht-Aryas typisch beschrieben. Ein derartiges Abweichen
von der Pflicht hilft einem nicht, im spirituellen Leben
fortzuschreiten; noch verschafft es einem die Möglichkeit,
in dieser Welt zu Ruhm zu kommen. Sri Krsna billigte
Arjunas sogenanntes Mitleid mit seinen Verwandten nicht.


VERS 3

O Sohn Prthas, gib dieser entwürdigenden Schwachheit
nicht nach. Es ist dir nicht angemessen. Gib diese
kleinliche Schwäche des Herzens auf und erhebe dich o
Bezwinger des Feindes.
ERLÄUTERUNG
Arjuna wurde als "Sohn Prthas" angesprochen, da Prtha die
Schwester von Krsnas Vater Vasudeva war. Arjuna war
also ein Blutsverwandter Krsnas. Wenn sich der Sohn eines
ksatriya weigert, zu kämpfen, ist er nur dem Namen nach
ein ksatriya, ebenso wie des Sohn eines brahmana, der
gottlos handelt, nur dem Namen nach ein brahmana ist.
Solche ksatriyas und brahmanas sind unwürdige Söhne
ihrer Väter; Krsna wollte daher nicht, dass Arjuna zu einem
unwürdigen Sohn eines ksatriya wurde. Arjuna war Krsnas
engster Freund, und Krsna lenkte ihn auf dem Streitwagen;
aber wenn sich Arjuna von der Schlacht zurückzog, würde
er damit, trotz all dieser Vorteile, unehrenhaft handeln;
deshalb sagte Krsna, eine solche Haltung sei Arjunas
Persönlichkeit nicht angemessen. Arjuna mochte erwidern,
er wolle an der Schlacht wegen seiner großmütigen Haltung
gegenüber dem höchst ehrwürdigen Bhisma und seinen
Verwandten nicht teilnehmen, doch war Krsna der Ansicht,
diese Art von Großmut werde von Autoritäten nicht
gebilligt. Deshalb sollte solcher Großmut oder sogenannte
Gewaltlosigkeit von Menschen wie Arjuna unter der
unmittelbaren Führung Krsnas aufgegeben werden.



VERS 4
Arjuna sagte: O Vernichter des Madhu [Krsna], wie
kann ich mit Pfeilen in der Schlacht Männer wie Bhisma
und Drona bekämpfen, die meiner Verehrung würdig
sind?
ERLÄUTERUNG
Achtbare Höhergestellte, wie Bhisma, der Großvater, und
Dronacarya, der Lehrer, sind immer verehrenswert. Selbst
wenn sie angreifen, sollte man sie nicht bekämpfen. Es gilt
das ungeschriebene Gesetz, dass Höherstehende nicht
einmal in einem Wortgefecht bekämpft werden dürfen.
Selbst wenn sie manchmal grob sein mögen, sollten sie
nicht grob behandelt werden. Wie soll es also Arjuna
möglich sein, ihnen entgegenzutreten? Würde Krsna
jemals Seinen eigenen Großvater, Ugrasena, oder Seinen
Lehrer, Sandipani Muni, angreifen? So lauteten einige der
Einwände, die Arjuna Krsna gegenüber vorbrachte.


VERS 5
Es ist besser, in dieser Welt durch Betteln zu leben als
auf Kosten der Leben großer Seelen, die meine Lehrer
sind. Obwohl sie von Habsucht getrieben werden, sind
sie dennoch Höhergestellte. Wenn sie getötet werden,
wird unser Gewinn mit Blut beßeckt sein.
ERLÄUTERUNG
Den Unterweisungen der Schriften gemäß soll man einen
Lehrer, der eine abscheuliche Handlung begeht und sein
Unterscheidungsvermögen verloren hat, aufgeben. Bhisma
und Drona waren wegen Duryodhanas finanzieller Hilfe
verpflichtet, sich auf seine Seite zu stellen, wenngleich sie
eine solche Stellung, nur aufgrund finanzieller
Überlegungen, nicht hätten annehmen sollen. Unter diesen
Umständen hatten sie ihr Ansehen als Lehrer verloren.
Arjuna glaubte jedoch, dass sie trotzdem seine Vorgesetzten
blieben und dass daher, materielle Gewinne zu genießen,
nachdem man sie getötet hätte, bedeuten würde, sich an
einer mit Blut bedeckten Siegesbeute zu erfreuen.


VERS 6
Auch wissen wir nicht, was besser ist - die Söhne
Dhrtarastrs zu besiegen oder von ihnen besiegt zu
werden. Wenn wir sie töteten, wäre es besser, nicht
mehr zu leben. Nun stehen sie vor uns auf dem
Schlachtfeld.
ERLÄUTERUNG
Arjuna wußte nicht, ob er kämpfen und damit wagen sollte,
unnötig Gewalt anzuwenden, obwohl Kämpfen die Pflicht
der ksatriyas ist, oder ob es besser sei, sich zurückzuziehen
und von Betteln zu leben. Falls er den Feind nicht
bezwänge, wäre Betteln das einzige Mittel, für seinen
Lebensunterhalt zu sorgen. Auch war der Sieg nicht sicher,
da jede Seite aus der Schlacht siegreich hervorgehen
mochte. Selbst wenn Sieg sie erwartete (und ihre Sache war
gerecht), wäre es dennoch sehr schwer, in der Abwesenheit
der Söhne Dhrtarastrs zu leben, wenn diese in der Schlacht
fielen. Unter diesen Umständen wäre dies eine andere Art
von Niederlage. All diese Überlegungen Arjunas beweisen
eindeutig, dass er nicht nur ein großer Geweihter des Herrn
war, sondern dass er auch sehr erleuchtet war und
vollkommene Herrschaft über seinen Geist und seine Sinne
besaß. Sein Wunsch, sich durch Betteln am Leben zu
erhalten, obwohl er in einer königlichen Familie geboren
worden war, ist ein weiteres Zeichen von Loslösung. Er
war wahrhaft tugendhaft, wie diese Eigenschaften und sein

Glauben in die unterweisenden Worte Sri Krsnas (seines
spirituellen Meisters) zeigen. Man kann hieraus schließen,
dass Arjuna durchaus geeignet war, Befreiung zu erlangen.
Solange die Sinne nicht beherrscht sind, besteht keine
Möglichkeit, auf die Ebene von Wissen erhoben zu werden,
und ohne Wissen und Hingabe ist es nicht möglich, befreit
zu werden. Arjuna besaß also, noch über seine
hervorragenden materiellen Eigenschaften hinaus, auch all
diese wunderbaren Eigenschaften.


VERS 7
Ich weiß nicht mehr, was meine Pflicht ist, und ich habe
aus Schwäche meine Fassung verloren. In diesem
Zustand bitte ich Dich, mir klar zu sagen, was das beste
für mich ist. Jetzt bin ich Dein Schüler und eine Dir
ergebene Seele. Bitte unterweise mich.
ERLÄUTERUNG
Es liegt in der Natur der Dinge, dass das ganze System
materieller Tätigkeiten für jeden eine Quelle der
Verwirrung darstellt. Bei jedem Schritt gibt es Verwirrung,
und deshalb ist es angebracht, sich an einen echten
spirituellen Meister zu wenden, der einem die richtige
Führung geben kann, den Sinn des Lebens zu erfüllen. Alle
vedischen Schriften geben uns den Rat, einen spirituellen
Meister aufzusuchen, um von den Verwirrungen des
Lebens frei zu werden, die ohne unseren Wunsch auftreten.
Sie gleichen einem Waldbrand, der wütet, ohne von jemand
entfacht worden zu sein. In ähnlicher Weise ist die
Weltlage so beschaffen, dass Verwirrungen im Leben von
selbst entstehen, ohne dass wir uns ein solches
Durcheinander wünschen. Niemand will, dass es brennt,
aber dennoch geschieht es, und wir geraten außer Fassung.
Die vedische Weisheit ordnet daher an, dass man sich an
einen spirituellen Meister in der Schülernachfolge wenden
muss, um die Verwirrungen des Lebens zu lösen und die
Wissenschaft von dieser Loslösung zu verstehen. Von
einem Menschen mit einem echten spirituellen Meister
kann man erwarten, dass er alles weiß. Man sollte daher
nicht in materiellen Verwirrungen verstrickt bleiben,
sondern einen spirituellen Meister aufsuchen. Das ist die
Bedeutung dieses Verses.
Wer ist nun eigentlich materiellen Verwirrungen
ausgesetzt? Es ist derjenige, der die Probleme des Lebens
nicht begreift. In der Garga Upanisad wird der verwirrte
Mensch wie folgt beschrieben:
"Nur ein Geizhals löst die Probleme des Lebens nicht als
Mensch und verlässt daher diese Welt wie die Katzen und
Hunde, ohne die Wissenschaft der Selbstverwirklichung zu
verstehen."
Die menschliche Form des Lebens ist ein überaus kostbares
Gut für das Lebewesen, denn es kann sie zur Lösung der
Probleme des Lebens nutzen; wer daher diese Gelegenheit
nicht richtig nutzt, ist ein Geizhals. Auf der anderen Seite
gibt es den brahmana oder den Menschen, der intelligent
genug ist, diesen Körper zur Lösung aller Probleme des
Lebens zu nutzen.
Die Krpanas oder Geizhnlse verschwenden ihre Zeit mit
übermäßiger Zuneigung zu Familie, Gesellschaft, Land
usw. in der materiellen Lebensauffassung. Die meisten
Menschen haften am Familienleben, an Frau, Kindern und
anderen Angehörigen - und diese Anziehung auf der
körperlichen Ebene wird "Hautkrankheit" genannt. Der
Krpana glaubt, er könne seine Familienangehörigen vor
dem Tode schützen, oder der Krpana denkt, seine Familie
oder Gesellschaft könne ihn vor dem Rachen des Todes
retten. Solche Familienanhaftung kann man selbst bei
Tieren finden, die sich ebenfalls um ihre Kinder sorgen. Da
Arjuna intelligent war, konnte er verstehen, dass seine
Zuneigung zu Familienangehörigen und sein Wunsch, sie
vor dem Tode zu schützen, die Ursachen seiner Verwirrung
waren. Obwohl er verstehen konnte, dass es seine Pflicht
war zu kämpfen, konnte er dennoch aufgrund geiziger
Schwäche seine Pflichten nicht erfüllen. Er bittet daher Sri
Krsna, den höchsten spirituellen Meister, eine endgültige
Lösung herbeizuführen. Er bietet sich Krsna als Schüler an.
Er möchte freundschaftliche Gespräche beenden.
Gespräche zwischen dem Meister und dem Schüler sind
ernst, und jetzt will Arjuna vor dem anerkannten
spirituellen Meister sehr ernst sprechen. Krsna ist daher der
ursprüngliche spirituelle Meister der Wissenschaft von der
Bhagavad-Gita, und Arjuna ist der erste Schüler für das
Verständnis der Gita. Wie Arjuna die Bhagavad-Gita
versteht, wird in der Gita selbst gesagt. Und dennoch
erklären törichte weltliche Gelehrte, es sei nicht notwendig,
sich Krsna als Person zu ergeben, sondern vielmehr dem
"Ungeborenen in Krsna". Es besteht kein Unterschied
zwischen Krsnas Innerem und Krsnas Äußerem. Wer
keinen Sinn für dieses Verständnis hat, erweist sich bei dem
Versuch, die Bhagavad-Gita zu verstehen, als der größte
Narr.


VERS 8
Ich kann kein Mittel finden, dieses Leid zu vertreiben,
das meine Sinne austrocknet. Ich wäre nicht einmal
fähig, davon frei zu werden, wenn ich ein
unangefochtenes Königreich auf der Erde mit einer
Oberherrschaft wie die der Halbgötter im Himmel
gewnnne.
ERLÄUTERUNG
Obwohl Arjuna so viele Einwände vorbrachte, die auf
Kenntnis der Grundsätze von Religion und Moralgesetzen
beruhten, scheint es, dass er seine eigentlichen Probleme
ohne die Hilfe des spirituellen Meisters, Sri Krsna ,nicht zu
lösen vermochte. Er konnte verstehen, dass sein sogenanntes
Wissen nutzlos war, wenn es darum ging, die Probleme zu
meistern, die seine ganze Existenz austrockneten, und es
war ihm unmöglich, solche Verwirrungen ohne die Hilfe
eines spirituellen Meisters wie Krsna zu lösen.
Akademisches Wissen, Gelehrsamkeit, eine hohe Stellung
usw. sind nutzlos, wenn es darum geht, die Probleme des
Lebens zu lösen. Hilfe kann nur ein spiritueller Meister wie
Krsna geben. Die Schlussfolgerung lautet daher, dass ein
spiritueller Meister, der zu einhundert Prozent Krsnabewusst
ist, der echte spirituelle Meister ist, da er die
Probleme des Lebens lösen kann. Sri Caitanya sagte, dass
jemand, der Meister in der Wissenschaft des Krsna-
Bewusstseins ist, ungeachtet seiner sozialen Stellung, der
wahre spirituelle Meister ist. Im Caitanya-caritamrta
(Madhya 8.127) heißt es:
"Es ist gleichgültig, ob jemand ein vipra [ein großer
Gelehrter im vedischen Wissen] ist, ob er in einer niedrigen
Familie geboren wurde oder ob er im Lebensstand der
Entsagung steht - wenn er Meister in der Wissenschaft von
Krsna ist, ist er der vollkommene und echte spirituelle
Meister."
Ohne ein Meister in der Wissenschaft des Krsna-
Bewusstseins zu sein, ist also niemand ein echter spiritueller
Meister. In den vedischen Schriften wird auch gesagt:
"Ein gelehrter brahmana, der auf allen Gebieten des
vedischen Wissens bewandert ist, eignet sich nicht als
spiritueller Meister, wenn er kein Vaisnava ist oder sich in
der Wissenschaft des Krsna-Bewusstseins nicht auskennt.
Jemand aber, der in einer Familie aus einer niederen Kaste
geboren wurde, kann ein spiritueller Meister werden, wenn
er ein Vaisnava oder Krsna-bewusst ist."

Den Problemen des
materiellen Daseins - Geburt, Alter,
Krankheit und Tod kann nicht durch Anhäufung von
Reichtum und durch wirtschaftlichen Fortschritt
entgegengewirkt werden. In vielen Teilen der Welt gibt es
Staaten, denen alle Annehmlichkeiten des Lebens zur
Verfügung stehen, die sehr reich und wirtschaftlich
fortgeschritten sind und die trotzdem immer noch mit den
Problemen des materiellen Daseins zu kämpfen haben. Sie
suchen auf verschiedenen Wegen nach Frieden, aber sie
können wirkliches Glück nur dann erreichen, wenn sie sich
Krsna zuwenden oder die Bhagavad-Gita und das Srimad-
Bhagavatam zu Rate ziehen die die Wissenschaft von
Krsna beinhalten -, oder wenn sie sich an den echten
Vertreter Krsnas, den Menschen im Krsna-Bewusstsein,
wenden.
Wenn wirtschaftlicher Fortschritt und materielle
Annehmlichkeiten das Gejammer um familiäre, soziale,
nationale oder internationale Trugbilder vertreiben könnten,
hätte Arjuna nicht gesagt, dass selbst ein unangefochtenes
Königreich auf Erden oder Oberherrschaft wie die der
Halbgötter auf den himmlischen Planeten nicht imstande
seien, sein Leid zu vertreiben. Er suchte daher Zuflucht im
Krsna-Bewusstsein, und das ist der richtige Weg zu Frieden
und Harmonie. Wirtschaftlicher Fortschritt oder Herrschaft
über die Welt können jeden Augenblick durch die
Umwälzungen der materiellen Natur beendet werden.
Selbst der Aufstieg zu höheren Planeten, wie zum Beispiel
der Versuch des Menschen, Lebensraum auf dem Mond zu
suchen, kann ebenfalls mit einem Schlag beendet werden.
Die Bhagavad-Gita (9.21) bestätigt dies: "Wenn die Früchte frommer Werke
aufgezehrt sind, fällt man vom Gipfel höchsten Glücks
wieder auf die niedrigste Stufe des Lebens zurück." Viele
Politiker dieser Welt sind auf diese Weise zu Fall
gekommen. Solche Stürze werden nur zu weiteren
Ursachen des Klagens.
Wenn wir daher Klagen ein für allemal bezwingen wollen,
müssen wir bei Krsna Zuflucht suchen, wie es auch Arjuna
erstrebt. Arjuna bat also Krsna, seine Probleme endgültig
zu lösen, und das ist der Weg des Krsna-Bewusstseins.


VERS 9
Sanjaya sagte: Nachdem Arjuna, der Bezwinger der
Feinde, so gesprochen hatte, sagte er zu Krsna:
"Govinda, ich werde nicht kämpfen!" und verstummte.
ERLÄUTERUNG
Dhrtarastra muss sehr erfreut gewesen sein, als er hörte, dass
Arjuna nicht kämpfen wollte und statt dessen beabsichtigte,
das Schlachtfeld zu verlassen, um ein Bettler zu werden.
Aber Sanjaya enttäuschte ihn eigentlich zugleich, als er ihm
mitteilte, dass Arjuna befähigt war, seine Feinde zu töten
(parantapaH). Obwohl Arjuna aus Zuneigung zu seiner
Familie zeitweise von falschem Schmerz überwältigt war,
vertraute er sich Krsna, dem höchsten spirituellen Meister,
als Schüler an. Dies deutete an, dass er bald von falscher
Klage aus Zuneigung zu seiner Familie frei sein und mit
vollkommenem Wissen um Selbsterkenntnis oder Krsna-
Bewusstsein erleuchtet sein und dann gewiss kämpfen
würde. Auf diese Weise würde Dhrtarastrs Frohlocken in
Enttäuschung enden, da Arjuna von Krsna erleuchtet sein
und bis zum Letzten kämpfen würde.


VERS 10
O Nachfahre Bharatas [Dhrtarastra ], da sprach Krsna
in der Mitte zwischen den beiden Heeren zu dem
kummervollen Arjuna lächelnd die folgenden Worte.
ERLÄUTERUNG
Das Gespräch fand zwischen engen Freunden statt,
zwischen Hrsikesa und GuÅakesa. Als Freunde befanden
sich beide auf der gleichen Ebene, doch einer wurde
freiwillig der Schüler des anderen. Krsna lächelte, weil sich
ein Freund entschlossen hatte, ein Schüler zu werden. Als
Herr allen Seins nimmt Er als der Meister eines jeden
immer die übergeordnete Stellung ein, und doch nimmt der
Herr auch jemand an, der Freund, Sohn, Geliebte oder
Geweihter sein oder Ihn Selbst in einer solchen Rolle sehen
möchte. Als Er aber als Meister akzeptiert wurde, nahm Er
sogleich diese Rolle an und sprach mit dem Schüler wie der
Meister - mit Ernst, wie es notwendig ist. Es scheint, dass
das Gespräch zwischen dem Meister und dem Schüler
öffentlich, vor den beiden Heeren, geführt wurde, so dass
alle ihren Nutzen daraus ziehen konnten. Die Gespräche der
Bhagavad-Gita sind also nicht für eine bestimmte Person,
Gesellschaft oder Gemeinschaft gedacht, sondern für alle,
und Freunde wie Feinde haben gleichermaßen das Recht,
sie zu hören.


VERS 11
Der Höchste Herr sprach: Während du gelehrte Worte
sprichst, betrauerst du, was des Kummers nicht wert ist.
Die Weisen beklagen weder die Lebenden noch die
Toten.
ERLÄUTERUNG
Der Herr nahm sofort die Stellung des Lehrers ein und
rügte den Schüler, indem Er ihn indirekt einen Toren
nannte. Der Herr sagte: "Du sprichst wie ein Gelehrter, aber
du weißt nicht, dass jemand, der wirklich gelehrt ist - der
weiß, was Körper und was Seele ist - niemals die
Verfassung des Körpers beklagt, weder im lebendigen noch
im toten Zustand." Wie in späteren Kapiteln eindeutig
erklärt werden wird, bedeutet Wissen, die Materie, die
spirituelle Seele und den Lenker von beiden zu kennen.
Arjuna wandte ein, religiösen Grundsätzen solle mehr
Bedeutung beigemessen werden als Politik oder Soziologie,
aber er wußte nicht, dass Wissen von der Materie, der Seele
und dem Höchsten sogar noch wichtiger ist als religiöse
Rituale. Und weil es ihm an diesem Wissen fehlte, hätte er
sich nicht als großer Gelehrter ausgeben sollen. Da er nun
tatsächlich kein großer Gelehrter war, jammerte er um
etwas, was des Klagens überhaupt nicht wert war. Der
Körper wird geboren und hat das Schicksal, heute oder
morgen zu vergehen; deshalb ist der Körper nicht so
wichtig wie die Seele. Wer dies weiß, ist wahrhaft gelehrt,
und für ihn gibt es keinen Grund zu klagen - ungeachtet des
Zustands, in dem sich der materielle Körper befindet.


VERS 12
Niemals gab es eine Zeit, als Ich oder du oder all diese
Könige nicht existierten, noch wird in der Zukunft einer
von uns aufhören zu sein.
ERLÄUTERUNG
In den Veden, das heißt sowohl in der Kaòha Upanisad als
auch in der Svetasvatara Upanisad, steht geschrieben, dass
der Herr, die Höchste Persönlichkeit, der Erhalter
unzähliger Lebewesen ist und sie versorgt - je nach ihren
unterschiedlichen Lebensumständen, die aus individueller
Arbeit und der Reaktion auf dieses Tun resultieren. Der
Herr, die Höchste Persönlichkeit Gottes, lebt auch durch
Seine vollständigen Teile im Herzen eines jeden
Lebewesens. Nur heilige Menschen, die sowohl im Innern
als auch außerhalb den gleichen Höchsten Herrn
wahrnehmen können, sind imstande, wahrhaft
vollkommenen und ewigen Frieden zu erlangen.
Die gleiche vedische Wahrheit, die Arjuna verkündet
wurde, wird allen Menschen auf der Weit offenbart, die
sich als sehr gelehrt hinstellen, aber in Wirklichkeit nur
über dürftiges Wissen verfügen. Der Herr sagt eindeutig,
dass Er Selbst, Arjuna und all die auf dem Schlachtfeld
versammelten Könige ewig individuelle Wesen sind und
dass Er ewig der Erhalter der individuellen Lebewesen
sowohl in ihren bedingten als auch in ihren befreiten
Situationen ist. Die Höchste Persönlichkeit Gottes ist die
höchste individuelle Person, und Arjuna, der ewige
Gefährte des Herrn, und all die dort versammelten Könige
sind ebenfalls individuelle, ewige Personen. Es ist nicht so,
dass sie in der Vergangenheit nicht als Individuen existiert
haben, und es ist nicht so, dass sie nicht ewige Personen
bleiben werden. Ihre Individualität existierte in der
Vergangenheit, und ihre Individualität wird in der Zukunft
ohne Unterbrechung weiterbestehen. Deshalb besteht kein
Anlaß, irgend jemand zu beklagen.
Die Theorie der Mayavadis, die individuelle Seele, getrennt
durch die Bedeckung mayas oder der Illusion, werde nach
der Befreiung mit dem unpersönlichen Brahman
verschmelzen und ihre individuelle Existenz verlieren, wird
hier von Sri Krsna, der höchsten Autorität, nicht unterstützt.
Noch wird hier die Theorie untermauert, dass wir uns im
bedingten Zustand Individualität nur einbilden. Krsna sagt
hier deutlich, dass in der Zukunft auch die Individualität des
Herrn und anderer, wie in den Upanisaden bestätigt ist,
fortbestehen wird. Diese Erklärung Krsnas ist maßgebend,
denn Krsna kann nicht der Illusion unterliegen. Wenn
Individualität keine Tatsache wäre, hätte Krsna sie nicht so
sehr betont - sogar für die Zukunft. Die Mayavadis mögen
einwenden, die Individualität, von der Krsna spreche, sei
nicht spirituell, sondern materiell, aber selbst wenn man das
Argument akzeptiert, dass Individualität materiell sei, wie
ist dann Krsnas Individualität zu verstehen? Krsna
bekrnftigt, dass Er in der Vergangenheit Seine Individualität
hatte, und versichert, dass Er auch in der Zukunft Seine
Individualität haben wird. Er hat Seine Individualität auf
vielerlei Weise bestätigt, und es ist erklärt worden, dass das
unpersönliche Brahman Ihm untergeordnet ist. Krsna hat
Seine spirituelle Individualität immer bewahrt. Wenn man
Ihn für eine gewöhnliche bedingte Seele mit individuellem
Bewusstsein hält, hat Seine Bhagavad-Gita als maßgebende
Schrift keinen Wert. Ein gewöhnlicher Mensch mit den vier
Mnngeln menschlicher Unvollkommenheit ist unfähig,
etwas zu lehren, was es wert ist, gehört zu werden. Die Gita
steht über solcher Literatur. Kein weltliches Buch ist mit
der Bhagavad-Gita vergleichbar. Wenn man Krsna für
einen gewöhnlichen Menschen hält, verliert die Gita ihre
ganze Bedeutung. Die Mayavadis argumentieren, die in
diesem Vers angesprochene Pluralität sei im
herkömmlichen Sinne zu verstehen und beziehe sich auf
den Körper. Aber an früherer Stelle, vor diesem Vers, ist
eine solche körperliche Auffassung bereits verurteilt
worden. Wie konnte also Krsna, nachdem Er das
körperliche Verständnis von den Lebewesen verurteilt
hatte, eine übliche Vorstellung vom Körper vertreten? Die
Auffassung von der Individualität wird daher auf
spiritueller Grundlage aufrechterhalten, wie es von großen
acaryas wie Sri Ramanuja und anderen, bestätigt wird. An
vielen Stellen in der Gita heißt es eindeutig, dass diese
spirituelle Individualität nur von denen verstanden wird, die
Geweihte des Herrn sind. Diejenigen, die Krsna als die
Höchste Persönlichkeit Gottes beneiden, haben keinen
Zugang zu diesem großartigen Literaturwerk. Ein
Nichtgottgeweihter, der sich mit den Lehren der Gita
befaßt, gleicht einer Biene, die an einem Honigtopf leckt.
Man kann den Geschmack des Honigs nicht erfahren,
solange man nicht den Topf öffnet. In ähnlicher Weise
kann auch das Geheimnis der Bhagavad-Gita nur von
Gottgeweihten verstanden werden, und niemand sonst kann
davon einen Geschmack bekommen, wie im Vierten
Kapitel des Buches bestätigt wird. Auch ist die Gita
Menschen nicht zugänglich, die auf die bloße Existenz des
Herrn neidisch sind. Deshalb ist die Mayavadi-Auslegung
der Gita eine höchst irreführende Darstellung der ganzen
Wahrheit. Sri Krsna Caitanya hat uns verboten,
Kommentare der Mayavadis zu lesen, und Er weist uns
darauf hin, dass derjenige, der sich der Philosophie der
Mayavadis zuwende, die Fähigkeit verliere, das eigentliche
Geheimnis der Gita zu verstehen. Wenn sich Individualität
auf das empirische Universum bezieht, dann ist es nicht
notwendig, dass der Herr überhaupt lehrt. Die Pluralität der
individuellen Seele und des Herrn ist eine ewige Tatsache
und wird, wie oben erwähnt, von den Veden bestätigt.


VERS 13
So wie die verkörperte Seele in diesem Körper
fortgesetzt von Knabenzeit zu Jugend und zu Alter
wandert, so geht die Seele beim Tod in ähnlicher Weise
in einen anderen Körper ein. Die selbstverwirklichte
Seele ist durch einen solchen Wechsel nicht verwirrt.
ERLÄUTERUNG
Da jedes Lebewesen eine individuelle Seele ist, wechselt es
seinen Körper in jedem Augenblick und manifestiert sich
so manchmal als Kind, manchmal als Jugendlicher und
manchmal als alter Mann. Dennoch handelt es sich um die
gleiche spirituelle Seele, die sich nicht wandelt. Diese
individuelle Seele wechselt den Körper zum Zeitpunkt des
Todes endgültig und geht in einen anderen Körper ein, und
da sie mit Sicherheit bei der nächsten Geburt einen anderen
Körper bekommt - entweder einen materiellen oder einen
spirituellen -, gab es für Arjuna keinen Grund, den Tod zu
beklagen, auch den Bhismas oder Dronas nicht, um die er
sich so sorgte. Vielmehr sollte er sich freuen, dass sie ihre
alten Körper gegen neue eintauschen und so ihre Energie
erneuern würden. Solche Körperwechsel bedeuten eine
Vielfalt von Freuden oder Leiden, die sich je nach der
Handlungsweise im Leben richten. Da Bhisma und Drona
edle Seelen waren, wurden sie in ihrem nächsten Leben mit
Gewissheit entweder spirituelle Körper oder zumindest ein
Leben in himmlischen Körpern erhalten, in denen ein
höherer Genuss des materiellen Daseins möglich wäre. In
beiden Fällen gab es also keinen Grund zu klagen.
Jeder Mensch, der über vollkommenes Wissen von der
Beschaffenheit der individuellen Seele, der Überseele und
der Natur - der materiellen wie auch der spirituellen -
verfügt, wird als dhÖra oder ein überaus besonnener
Mensch bezeichnet. Ein solcher Mensch lässt sich niemals
durch den Wechsel von Körpern täuschen. Die Mayavadi-
Theorie des Einsseins der spirituellen Seele kann nicht
damit begründet werden, dass die Seele nicht in
fragmentarische Teile zerlegt werden kann und dass ein
solches Zerlegen in verschiedene individuelle Seelen den
Höchsten teilbar und wandelbar machen würde, was dem
Prinzip widerspräche, dass die Höchste Seele unwandelbar
ist.
Wie in der Gita bestätigt wird, bestehen die
fragmentarischen Teile des Höchsten ewig (sanatana) und
werden ksara genannt, was bedeutet, dass sie die Neigung
haben, in die materielle Natur zu fallen. Diese
fragmentarischen Teile sind ewig so beschaffen, und selbst
nach der Befreiung bleibt die individuelle Seele der gleiche
fragmentarische Teil. Aber einmal befreit, lebt sie
zusammen mit dem Herrn, der Persönlichkeit Gottes, ein
ewiges Leben in Glückseligkeit und Wissen. Am Beispiel
der Spiegelung kann man die Überseele verstehen, die in
jedem einzelnen individuellen Körper anwesend ist und die
man als Paramatma kennt, der vom individuellen
Lebewesen verschieden ist. Wenn der Himmel im Wasser
gespiegelt wird, repräsentieren die Spiegelungen sowohl
die Sonne und den Mond als auch die Sterne. Die Sterne
können mit den Lebewesen verglichen werden und die
Sonne oder der Mond mit dem Höchsten Herrn. Die
individuelle, fragmentarische Seele wird von Arjuna
repräsentiert, und die Höchste Seele ist die Persönlichkeit
Gottes, Sri Krsna. Sie befinden sich nicht auf der gleichen
Ebene, wie zu Beginn des Vierten Kapitels deutlich werden
wird. Wenn sich Arjuna auf der gleichen Ebene wie Krsna
befindet und Krsna nicht über Arjuna steht, dann wird ihre
Beziehung als Lehrer und Schüler bedeutungslos. Wenn
beide von der illusionierenden Energie (maya) getäuscht
sind, ist es nicht notwendig, dass der eine Lehrer und der
andere Schüler ist. Solche Unterweisungen wären nutzlos,
da niemand in der Gewalt mayas ein maßgebender Lehrer
sein kann. Hier jedoch wird Sri Krsna als der Höchste Herr
anerkannt, der Sich in einer höheren Stellung befindet als
das Lebewesen, Arjuna, der eine von maya irregeführte,
vergessliche Seele ist.


VERS 14
O Sohn Kuntis, das unbeständige Erscheinen von Glück
und Leid und ihr Verschwinden im Laufe der Zeit
gleichen dem Kommen und Gehen von Sommer und
Winter. Sie entstehen durch Sinneswahrnehmung, o
Nachkomme Bharatas, und man muss lernen, sie zu
dulden, ohne gestört zu sein.
ERLÄUTERUNG
Wenn man seine Pflicht richtig erfüllen will, muss man
lernen, das unbeständige Erscheinen und Verschwinden
von Glück und Leid zu dulden. Nach vedischer
Unterweisung muss man sogar im Monat Magha (Januar-
Februar) früh morgens sein Bad nehmen. Zu dieser Zeit ist
es sehr kalt, aber trotzdem zögert ein Mann, der an den
religiösen Grundsätzen festhält, nicht, sein Bad zu nehmen.
In ähnlicher Weise zögert eine Frau nicht, während der
Monate Mai und Juni - dem heißesten Teil der Sommerzeit
- in der Küche zu kochen. Man muss trotz klimabedingter
Unbequemlichkeiten seine Pflicht erfüllen. In ähnlicher
Weise ist Kämpfen das religiöse Prinzip der ksatriyas, und
auch wenn man mit einem Freund oder Verwandten
kämpfen muss, sollte man nicht von seiner
vorgeschriebenen Pflicht abweichen. Man muss den
vorgeschriebenen Regeln und Regulierungen religiöser
Prinzipien folgen, um zur Ebene von Wissen aufzusteigen,
denn nur durch Wissen und Hingabe kann man sich aus den
Klauen mayas befreien.
Die beiden Namen, mit denen Arjuna hier bedacht wird,
sind ebenfalls bedeutsam. Die Anrede "Kaunteya" zeigt
seine bedeutende Blutsverwandtschaft mit der Familie
seiner Mutter an, und die Anrede "Bharata" deutet auf seine
Größe von Seiten seines Vaters hin. Man kann also
annehmen, dass er von beiden Seiten ein großes Erbe
mitbrachte. Ein großes Erbe bringt in Bezug auf die richtige
Erfüllung von Pflichten Verantwortung mit sich, und daher
kann er den Kampf nicht vermeiden.


VERS 15
O Bester unter den Menschen [Arjuna], wer sich durch
Glück und Leid nicht stören lässt, sondern in beiden
geduldig ist, eignet sich gewiss dazu, Befreiung zu
erlangen.
ERLÄUTERUNG
Jeder, der mit fester Entschlossenheit nach der
fortgeschrittenen Stufe spiritueller Erkenntnis strebt und
mit Gleichmut die Angriffe von Leid und Glück duldet, ist
gewiss geeignet, befreit zu werden. In der varnasrama-
Einrichtung stellt die vierte Stufe des Lebens, nämlich der
Lebensstand der Entsagung (sannyasa), ein mühevolles
Leben dar. Doch wem es ernst ist, sein Leben zu
vervollkommnen, der tritt mit Sicherheit trotz aller
Schwierigkeiten in den sannyasa-Stand des Lebens ein. Die
Schwierigkeiten entstehen im allgemeinen daraus, dass man
die Beziehung zu seiner Familie abbrechen, das heißt die
Verbindung zu Frau und Kindern, aufgeben muss. Aber
wenn jemand fähig ist, solche Schwierigkeiten auf sich zu
nehmen, ist sein Weg zur spirituellen Erkenntnis gewiss
vollkommen. Ebenso bekommt Arjuna bei seiner
Pflichterfüllung als ksatriya den Rat, standhaft zu bleiben -
auch wenn es schwierig ist, mit seinen
Familienangehörigen oder anderen nahestehenden
Menschen zu kämpfen. Sri Caitanya nahm im Alter von
vierundzwanzig Jahren sannyasa an, und Seine
Angehörigen, nämlich Seine junge Frau und Seine alte
Mutter, hatten außer Ihm niemand, der sich um sie
kümmerte. Dennoch nahm Er um einer höheren Sache
willen sannyasa an und erfüllte mit Beständigkeit höhere
Pflichten. Das ist der Weg, Befreiung aus der materiellen
Knechtschaft zu erlangen.


VERS 16
Die Weisen, die die Wahrheit sehen, haben erkannt, dass
das Inexistente ohne Dauer und das Existente ohne
Ende ist. Zu diesem Schluss sind die Weisen gekommen,
nachdem sie das Wesen von beiden studiert hatten.
ERLÄUTERUNG
Der sich wandelnde Körper ist nicht von Dauer. Dass sich
der Körper in jedem Augenblick durch die Aktionen und
Reaktionen der verschiedenen Zellen verändert, wird von
der modernen medizinischen Wissenschaft bestätigt, und so
finden also im Körper Wachstum und Alter statt. Aber die
spirituelle Seele besteht fortwährend und bleibt trotz aller
Wandlungen des Körpers und des Geistes dieselbe. Das ist
der Unterschied zwischen Materie und spiritueller Natur.
Von Natur aus wandelt sich der Körper ständig, aber die
Seele ist ewig. Zu dieser Schlussfolgerung sind alle Arten
von Weisen, sowohl Unpersönlichkeits- als auch
Persönlichkeitsphilosophen, gekommen. Im Visnu Purana
heißt es, dass Visnu und Seine Reiche alle von
selbstleuchtender spiritueller Existenz sind Die Wörter "existent" und "inexistent"
beziehen sich nur auf die spirituelle Natur und die Materie.
Das ist die Ansicht aller Weisen.
Hier beginnen die Unterweisungen des Herrn an die
Lebewesen, die durch den Einßluss der Unwissenheit
verwirrt sind. Eine Beseitigung der Unwissenheit bedeutet
auch, dass die ewige Beziehung zwischen dem Verehrenden
und dem Verehrten wiederhergestellt und folglich der
Unterschied zwischen den winzigen, teilhaften Lebewesen
und der Höchsten Persönlichkeit Gottes verstanden wird.
Man kann das Wesen des Höchsten anhand eines
eingehenden Studiums seinerselbst verstehen,
vorausgesetzt, dass man den Unterschied zwischen sich
selbst und dem Höchsten als die Beziehung zwischen dem
Teil und dem Ganzen versteht. In den Vedanta-sutras und
ebenso im Srimad-Bhagavatam ist der Höchste als der
Ursprung aller Inkarnationen anerkannt worden. Diese
Inkarnationen kann man anhand der Folgeerscheinungen
höherer und niederer Natur wahrnehmen. Wie im Siebten
Kapitel offenbart werden wird, gehören die Lebewesen zur
höheren Natur. Obwohl kein Unterschied zwischen der
Energie und dem Ursprung der Energie besteht, wird der
Energieursprung als der Höchste und die Energie oder
Natur als Ihm untergeordnet anerkannt. Deshalb sind die
Lebewesen dem Höchsten Herrn immer untergeben - wie
der Diener dem Meister oder der Schüler dem Lehrer.
Solch klares Wissen ist unter dem Zauber der Unwissenheit
unmöglich zu verstehen, und um solche Unwissenheit zu
vertreiben, lehrt der Herr die Bhagavad-Gita zur
Erleuchtung aller Lebewesen für alle Zeiten.


VERS 17
Wisse, das was den gesamten Körper durchdringt, ist
unzerstörbar. Niemand ist imstande, die unvergängliche
Seele zu zerstören.
ERLÄUTERUNG
Dieser Vers erklärt noch deutlicher das wirkliche Wesen
der Seele, das über den gesamten Körper verbreitet ist.
Jeder kann verstehen, was über den ganzen Körper
verbreitet ist: es ist Bewusstsein. Jeder ist sich der
Schmerzen und Freuden bewusst, die entweder in einem
Teil des Körpers oder im gesamten Körper empfunden
werden. Diese Verbreitung von Bewusstsein beschränkt sich
auf den eigenen Körper. Die Schmerzen und Freuden des
einen Körpers sind einem anderen unbekannt. Daher ist
jeder einzelne Körper die Verkörperung einer individuellen
Seele, und das Symptom für die Anwesenheit der Seele
wird als individuelles Bewusstsein erfahren. Diese Seele
wird als so groß wie der zehntausendste Teil einer
Haarspitze beschrieben. Die Svetasvatara Upanisad (5.9)
bestätigt dies wie folgt:
"Wenn eine Haarspitze in hundert Teile und jedes dieser
Teile in weitere hundert Teile zerlegt wird, dann entspricht
eines dieser Teile der Größe der Seele."
Im Bhagavatam wird diese Tatsache in ähnlicher Weise
erklärt:
"Es gibt unzählige Partikel von spirituellen Atomen, und
jedes von ihnen ist so groß wie der zehntausendste Teil
einer Haarspitze."
Hiernach ist das individuelle Partikel, das eine spirituelle
Seele darstellt, ein spirituelles Atom, das kleiner ist als die
materiellen Atome, und solche Atome sind unzählbar.
Dieser sehr kleine spirituelle Funken bildet das
Grundprinzip des materiellen Körpers, und der Einßluss
eines solchen spirituellen Funkens ist über den ganzen
Körper verbreitet, ebenso wie sich der Einßluss des aktiven
Prinzips eines Medikaments im gesamten Körper verbreitet.
Diese Ausbreitung der Seele wird überall im Körper als
Bewusstsein verspürt, und das ist der Beweis für die
Gegenwart der Seele. Jeder Laie kann verstehen, dass der
materielle Körper ohne Bewusstsein ein toter Körper ist und
dass dieses Bewusstsein im Körper durch keine materielle
Bemühung wiederbelebt werden kann. Bewusstsein ist
daher auf keinerlei Menge materieller Verbindungen
zurückzuführen, sondern auf die spirituelle Seele. In der
Mundaka Upanisad (3.1.9) wird weiter erklärt, wie man die
atomische spirituelle Seele mißt.
"Die Seele ist atomisch klein und kann durch vollkommene
Intelligenz wahrgenommen werden. Diese atomische Seele
schwebt in den fünf Luftarten prana, apana, vyana,
samana und udana, befindet sich im Herzen und verbreitet
ihren Einßluss über den gesamten Körper des verkörperten
Lebewesens. Wenn die Seele von der Verunreinigung
durch die fünf Arten materieller Luft geläutert ist, entfaltet
sich ihr spiritueller Einßluss."
Das haòha-yoga-System ist dazu gedacht, die fünf
Luftarten, die die reine Seele umkreisen, durch
verschiedene Sitzstellungen zu meistern - nicht um
irgendeines materiellen Gewinns willen, sondern um die
winzige Seele aus der Verstrickung in die materielle
Atmosphnre zu befreien.
Das Wesen der winzigen Seele wird also in allen vedischen
Schriften anerkannt und in der praktischen Erfahrung jedes
geistig gesunden Menschen tatsächlich empfunden. Nur ein
Geistesgestörter kann glauben, die winzig kleine Seele sei
das alldurchdringende Visnu-tattva.
Der Einßluss der winzigen Seele kann vollständig über einen
bestimmten Körper verbreitet werden. Wie es in der
MunÅaka Upanisad heißt, befindet sich die atomische Seele
im Herzen des Lebewesens, und da die Messung der
atomischen Seele jenseits der Reichweite der materiellen
Wissenschaftler liegt, behaupten einige von ihnen
törichterweise, es gebe keine Seele. Es besteht kein Zweifel
darüber, dass die individuelle winzige Seele zusammen mit
der Überseele im Herzen weilt, und daher kommen alle


Energien, die zur Bewegung des Körpers benötigt werden,
aus diesem Teil des Körpers. Die roten Blutkörperchen, die
den Sauerstoff aus der Lunge mit sich tragen, bekommen
Energie von der Seele. Wenn die Seele diese Stellung
verlässt, kommt die Tätigkeit des Blutes, die die
Verbrennungsvorgänge anregt, zum Stillstand. Die
medizinische Wissenschaft erkennt die Bedeutung der roten
Blutkörperchen an, aber sie kann nicht herausfinden, dass
die Quelle der Energie die Seele ist. Auf der anderen Seite
aber rnumt die medizinische Wissenschaft ein, dass das
Herz der Sitz aller Energien des Körpers ist.
Diese atomischen Partikel des Spirituellen Ganzen werden
mit den Molekülen des Sonnenscheins verglichen. Im
Sonnenschein gibt es unzählige strahlende Moleküle. In
ähnlicher Weise sind die fragmentarischen Teile des
Höchsten Herrn atomische Funken der Strahlen des
Höchsten, die als prabha oder höhere Energie bezeichnet
werden. Weder das vedische Wissen noch die moderne
Wissenschaft verleugnen die Existenz der spirituellen Seele
im Körper, und die Wissenschaft von der Seele wird
ausführlich von der Höchsten Persönlichkeit Gottes Selbst
in der Bhagavad-Gita erklärt.


VERS 18
Nur der materielle Körper des unzerstörbaren,
unmeßbaren und ewigen Lebewesens unterliegt der
Zerstörung. Deshalb kämpfe, o Nachkomme Bharatas.
ERLÄUTERUNG
Der materielle Körper ist von Natur aus vergänglich. Er
mag sogleich vergehen oder erst nach hundert Jahren. Es ist
nur eine Frage der Zeit. Es gibt keine Möglichkeit, ihn

unbegrenzt zu erhalten. Die spirituelle Seele aber ist so
winzig, dass sie von einem Feind nicht einmal gesehen,
geschweige denn getötet werden kann. Wie im vorherigen
Vers erwähnt wurde, ist sie so klein, dass niemand
irgendeine Vorstellung hat, wie man ihre Dimension
messen kann. Von beiden Gesichtspunkten aus betrachtet
gibt es also keinen Grund zu klagen, denn weder kann das
Lebewesen, so wie es ist, getötet noch kann der materielle
Körper, der nicht einmal eine Sekunde länger als
vorgesehen erhalten werden kann, bleibend beschützt
werden. Das winzige Partikel des Spirituellen Ganzen
nimmt seinem Tun gemäß einen materiellen Körper an, und
daher soll man die Einhaltung religiöser Grundsätze nutzen.
In den Vedanta-sôtras wird das Lebewesen
eigenschaftsmäßig als Licht eingestuft, da es ein
Bestandteil des höchsten Lichts ist. So wie Sonnenlicht das
gesamte Universum erhält, so erhält das Licht der Seele den
materiellen Körper. Sobald die spirituelle Seele den
materiellen Körper verlassen hat, beginnt der Körper zu
zerfallen; daher ist es die spirituelle Seele, die den Körper
erhält. Der Körper selbst ist unwichtig. Arjuna wurde
angewiesen, zu kämpfen und den materiellen Körper um
der Religion willen zu opfern.


VERS 19
Wer glaubt, das Lebewesen töte oder werde getötet,
befindet sich in Unwissenheit. Wer in Wissen gründet,
weiß, dass das Lebewesen weder tötet noch getötet wird.
ERLÄUTERUNG
Wenn ein verkörpertes Lebewesen durch tödliche Waffen
verletzt wird, muss man wissen, dass das Lebewesen
innerhalb des Körpers nicht getötet wird. Wie aus den
vorangegangenen Versen deutlich hervorgeht, ist die
spirituelle Seele so klein, dass es unmöglich ist, sie mit
irgendeiner materiellen Waffe zu töten. Allein aufgrund
seiner spirituellen Beschaffenheit kann das Lebewesen
niemals vernichtet werden. Das, was vernichtet oder
angeblich zerstört wird, ist nur der Körper. Dies soll aber
keineswegs dazu auffordern, den Körper zu töten. Die
vedische Unterweisung lautet: mahimsyat sarva-bhôtani.
"Tu niemals irgend jemand Gewalt an." Auch ermutigt das
Verständnis, dass das Lebewesen nicht getötet werden kann,
nicht dazu, Tiere zu schlachten. Den Körper irgendeines
Lebewesens zu vernichten, ohne dazu befugt zu sein, ist
verabscheuungswürdig und wird sowohl vom Gesetz des
Staates als auch vom Gesetz des Herrn bestraft. Arjuna
jedoch soll für das Prinzip der Religion töten - nicht aus
einer Laune heraus.


VERS 20
Für die Seele gibt es weder Geburt noch Tod. Auch hört
sie, da sie einmal war, niemals auf zu sein. Sie ist
ungeboren, ewig, immerwährend, unsterblich und
urerst. Sie wird nicht getötet, wenn der Körper
erschlagen wird.
ERLÄUTERUNG
Der Qualität nach ist der winzige fragmentarische Teil des
Höchsten Spirituellen Wesens mit dem Höchsten eins. Er
unterliegt keinem Wandel wie der Körper. Manchmal wird
die Seele als "die Beständige" oder kôòastha bezeichnet.
Der Körper unterliegt sechs Arten von Wandlungen: Er
wird in der Gebnrmutter des mütterlichen Körpers geboren,
bleibt dort einige Zeit, wächst heran, zeugt Nachkommen,
verfällt allmählich und gernt schließlich in Vergessenheit.
Die Seele aber durchlnuft nicht solche Wandlungen. Die
Seele selbst wird nicht geboren, aber weil sie einen
materiellen Körper annimmt, wird der Körper geboren. Die
Seele wird nicht geboren, und die Seele stirbt nicht. Alles,
was geboren wird, muss sterben. Und da die Seele nie
geboren wurde, kennt sie weder Vergangenheit noch
Gegenwart, noch Zukunft. Sie ist ewig, immerwährend und
urerst - das heißt, es gibt in der Geschichte keine Spur ihrer
Entstehung. Unter dem Einßluss der körperlichen
Vorstellung suchen wir nach dem Zeitpunkt der Geburt
usw. der Seele. Die Seele wird zu keiner Zeit alt, wie es der
Körper wird. Daher fühlt der sogenannte alte Mann, dass er
der gleiche ist wie in seiner Kindheit oder Jugend. Die

Wandlungen des Körpers beeinflussen nicht die Seele. Die
Seele unterliegt nicht dem Zerfall wie ein Baum oder etwas
anderes Materielles. Die Seele hat auch keine
Nachkommen. Die Nebenprodukte des Körpers, nämlich
Kinder, sind ebenfalls verschiedene individuelle Seelen,
und nur im Hinblick auf den Körper erscheinen sie als
Kinder eines bestimmten Mannes. Der Körper entwickelt
sich, weil die Seele anwesend ist; aber weder hat die Seele
Abkömmlinge, noch unterliegt sie dem Wandel. Folglich ist
die Seele von den sechs Wandlungen des Körpers frei.
Auch in der Kaòha Upanisad (1.2.18) finden wir einen
ähnlichen Abschnitt, in dem es heißt:
Die Aussage und Bedeutung dieses Verses ist die gleiche
wie in der Bhagavad-Gita, aber hier in diesem Vers gibt es

ein besonderes Wort, nämlich vipascit, was soviel bedeutet
wie "gelehrt" oder "mit Wissen".
Die Seele ist voll Wissen oder immer von Bewusstsein
erfüllt. Daher ist Bewusstsein das Merkmal der Seele. Selbst
wenn man die Seele nicht im Herzen findet, wo sie sich
aufhält, kann man die Gegenwart der Seele einfach durch
die Anwesenheit von Bewusstsein verstehen. Manchmal
finden wir die Sonne am Himmel nicht, weil sich Wolken
davor geschoben haben oder aus irgendeinem anderen
Grund, aber das Licht der Sonne ist immer da, und wir sind
überzeugt, dass es deshalb Tag ist. Sobald frühmorgens ein
wenig Licht am Himmel ist, können wir verstehen, dass die
Sonne am Himmel steht. In ähnlicher Weise können wir
auch die Gegenwart der Seele verstehen, da in allen
Körpern - ob Mensch oder Tier - Bewusstsein vorhanden ist.
Dieses Bewusstsein der Seele unterscheidet sich jedoch vom
Bewusstsein des Höchsten, da das höchste Bewusstsein
Allwissen ist - es umfaßt Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft. Das Bewusstsein der individuellen Seele neigt
dazu, vergeßlich zu sein. Wenn sie ihre wahre Natur
vergißt, empfängt sie aus den erhabenen Lehren Krsnas
Erziehung und Erleuchtung. Aber Krsna ist nicht mit der
vergeßlichen Seele zu vergleichen. Wenn dem so wäre,
würden Seine Lehren in der Bhagavad-Gita nutzlos sein. Es
gibt zwei Arten von Seelen. die winzig kleine Seele (anuatma)
und die Überseele (vibhu-atma). Dies wird auch in
der Kaòha Upanisad (1.2.20) wie folgt bestätigt:
"Sowohl die Überseele [Paramatma] als auch die winzig
kleine Seele [jivatma] sitzen auf dem gleichen Baum des
Körpers, im gleichen Herzen des Lebewesens, und nur
jemand, der von allen materiellen Wünschen und Klagen

frei
geworden ist, kann durch die Gnade des Höchsten die
Herrlichkeit der Seele verstehen."
Krsna ist auch der Ursprung der Überseele, wie in den
folgenden Kapiteln enthüllt werden wird, und Arjuna ist die
winzig kleine Seele, die ihre wahre Natur vergessen hat und
daher von Krsna oder Seinem echten Vertreter (dem
spirituellen Meister) erleuchtet werden muss.


VERS 21
O Partha, wie kann ein Mensch, der weiß, dass die Seele
unzerstörbar, ungeboren, ewig und unveränderlich ist,
jemand töten oder einen anderen veranlassen zu töten?
ERLÄUTERUNG
Alles hat seinen bestimmten Nutzen, und ein Mensch, der
in vollkommenem Wissen gründet, weiß, wie und wo ein
Ding seine richtige Verwendung hat. In ähnlicher Weise hat
auch Gewalt ihre Nützlichkeit, und wie Gewalt
anzuwenden ist, liegt bei demjenigen, der über Wissen
verfügt. Obwohl der Friedensrichter über einen Menschen,
der wegen Mordes verurteilt ist, die Todesstrafe verhängt,
kann gegen ihn kein Vorwurf erhoben werden, da er
Gewalt gegen einen anderen in Übereinstimmung mit dem
Gesetz befiehlt. In der Manu-samhita, dem Gesetzbuch der
Menschheit, wird bestätigt, dass ein Mörder zum Tode
verurteilt werden sollte, damit er in seinem nächsten Leben
für die große Sünde, die er begangen hat, nicht zu leiden
braucht. Deshalb ist die Strafe des Königs, einen Mörder zu
hängen, durchaus segensreich. In ähnlicher Weise verhält
es sich mit Krsna: Wenn Er den Befehl gibt zu kämpfen,
muss man daraus schließen, dass Gewalt um höchster
Gerechtigkeit willen stattfindet. Arjuna sollte der
Anweisung folgen, da er wohl weiß, dass solche Gewalt, die
im Kampf für Krsna angewandt wird, keineswegs Gewalt
ist; denn der Mensch oder vielmehr die Seele kann auf
keinen Fall getötet werden. Um für Gerechtigkeit zu
sorgen, ist also sogenannte Gewalt gestattet. Ein
chirurgischer Eingriff soll den Patienten nicht töten,
sondern heilen. Daher findet der Kampf, den Arjuna im
Auftrag Krsnas austragen soll, in vollem Wissen statt, und
daher kann keine sündhafte Reaktion folgen.


VERS 22
Wie ein Mensch alte Kleider ablegt und neue anlegt, so
gibt die Seele alt und unbrauchbar gewordene Körper
auf und nimmt neue an.
ERLÄUTERUNG
Dass die atomische individuelle Seele den Körper wechselt,
ist eine anerkannte Tatsache. Selbst einige moderne
Wissenschaftler, die nicht an die Existenz der Seele
glauben, aber zur gleichen Zeit die Energiequelle im
Herzens nicht erklären können, müssen die fortwährenden
Wandlungen des Körpers von Kindheit zu Knabenzeit, von
Knabenzeit zu Jugend und von Jugend zu Alter
anerkennen. Vom Alter aus wird die Wandlung auf einen
anderen Körper übertragen. Dies ist schon im
vorangegangenen Vers erklärt worden.
Das Überwechseln der atomischen individuellen Seele in
einen anderen Körper wird durch die Gnade der Überseele
ermöglicht. Die Überseele erfüllt den Wunsch der
atomischen Seele, ebenso wie ein Freund den Wunsch
seines Freundes erfüllt. Die Veden, wie die MunÅaka
Upanisad und die SVetasvatara Upanisad, vergleichen die
Seele und die Überseele mit zwei befreundeten Vögeln, die
auf dem gleichen Baum sitzen. Einer der Vögel (die
individuelle atomische Seele) ißt von den Früchten des
Baumes, während der andere Vogel (Krsna) Seinen Freund
nur beobachtet. Von diesen beiden Vögeln - obwohl sie
sich eigenschaftsmäßig gleichen - ist der eine von den
Früchten des materiellen Baumes bezaubert, wohingegen
der andere einfach nur Zeuge der Tätigkeiten Seines
Freundes ist. Krsna ist der bezeugende Vogel, und Arjuna
ist der essende Vogel. Obwohl sie Freunde sind, ist
trotzdem der eine Meister und der andere Diener. Dass die
atomische Seele diese Beziehung vergißt, ist die Ursache
dafür, dass sie von einem Baum zum anderen oder vielmehr
von einem Körper zum anderen wechselt. Die jiva-Seele
kämpft sehr schwer auf dem Baum des materiellen Körpers;
aber sobald sie sich damit einverstanden erklärt, den
anderen Vogel als den höchsten spirituellen Meister
anzuerkennen - wie Arjuna einverstanden war, indem er
sich Krsna freiwillig unterordnete, um sich von Ihm
unterweisen zu lassen -, wird der untergeordnete Vogel
sogleich von allem Klagen frei. Sowohl die Kaòha
Upanisad als auch die Svetasvatara Upanisad bestätigen
dies:
"Obwohl die beiden Vögel im gleichen Baum sitzen, wird
der essende Vogel von Angst und Unzufriedenheit geplagt,
weil er die Fruchte des Baumes genießen will. Aber wenn
er sich auf diese oder jene Weise seinem Freund, der der
Herr ist, zuwendet und dessen Herrlichkeit erkennt, wird
der leidende Vogel sogleich von allen Ängsten frei."
Arjuna hat sich jetzt seinem ewigen Freund, Krsna,
zugewandt und lässt sich von Ihm in der Bhagavad-Gita
unterrichten. Indem er so von Krsna hört, kann er die
erhabene Herrlichkeit des Herrn verstehen und von aller
Klage frei werden. Arjuna wird hier vom Herrn
unterwiesen, den Körperwechsel seines alten Großvaters
und seines Lehrers nicht zu beklagen. Er sollte vielmehr
froh darüber sein, ihre Körper in einem gerechten Kampf
zu töten, so dass sie sogleich von allen Reaktionen auf
verschiedene körperliche Tätigkeiten gereinigt werden
mögen. Wer sein Leben auf dem Opferaltar oder auf dem
geeigneten Schlachtfeld lässt, wird auf der Stelle von
körperlichen Reaktionen gereinigt und auf eine höhere
Stufe des Lebens erhoben. Es gab also für Arjuna keinen
Grund zu klagen.


VERS 23
Die Seele kann weder von Waffen in Stücke geschnitten,
noch kann sie von Feuer verbrannt, von Wasser benetzt
oder vom Wind verdorrt werden.
ERLÄUTERUNG
Alle Arten von Waffen, wie Schwerter, Flammen,
Regenfälle, Wirbelstürme usw., sind nicht imstande, die
spirituelle Seele zu vernichten. Es scheint, dass es damals
außer den modernen Feuerwaffen noch viele andere Arten
von Waffen gab, die aus Erde, Wasser, Luft, Äther usw.
bestanden. Selbst die Kernwaffen der heutigen Zeit werden
als Feuerwaffen eingestuft. Vormals gab es noch andere
Waffen, die aus allen möglichen materiellen Elementen
hergestellt waren. Feuerwaffen bekämpfte man mit
Wasserwaffen, die jetzt der modernen Wissenschaft
unbekannt sind. Auch wissen moderne Wissenschaftler
nichts von Wirbelsturmwaffen. Nichtsdestoweniger kann
die Seele, ungeachtet wissenschaftlicher Erfindungen,
niemals in Stücke geschnitten oder durch irgendeine
Anzahl von Waffen vernichtet werden.
Es war niemals möglich, die individuelle Seele von der
ursprünglichen Seele abzutrennen. Die Mayavadís
versuchen zu beschreiben, wie die individuelle Seele aus
Unwissenheit hervorging und folglich von der täuschenden
Energie bedeckt wurde. Weil die Lebewesen ewig
(sanatana) atomische individuelle Seelen sind, neigen sie
dazu, von der täuschenden Energie bedeckt zu werden, und
so werden sie von der Gemeinschaft des Höchsten Herrn
getrennt, ebenso wie die Funken eines Feuers, obwohl der
Eigenschaft nach eins mit dem Feuer, zum Verlöschen
neigen, wenn sie aus dem Feuer herausfallen. Im Varaha
Purana werden die Lebewesen als abgesonderte winzige
Bestandteile des Höchsten beschrieben. Sie sind dies ewig,
wie auch von der Bhagavad-Gita bestätigt wird. Wie aus
den Lehren des Herrn zu Arjuna ersichtlich ist, behält das
Lebewesen also, selbst nachdem es von der Illusion befreit
ist, seine gesonderte Identität. Arjuna wurde durch das
Wissen, das er von Krsna empfing, zwar befreit, doch
wurde er niemals eins mit Krsna.



VERS 24
Diese individuelle Seele ist unzerbrechlich und
unauflöslich und kann weder verbrannt noch
ausgetrocknet werden. Sie ist immerwährend,
alldurchdringend, unwandelbar, unbeweglich und ewig
dieselbe.
ERLÄUTERUNG
Alle diese Eigenschaften der winzigen Seele beweisen
eindeutig, dass die individuelle Seele ewig der winzige
Bestandteil des spirituellen Ganzen ist und ewig, ohne
Veränderung, dasselbe Atom bleibt. Es ist sehr schwierig,
in diesem Falle die Theorie des Monismus anzuwenden,
denn es ist niemals zu erwarten, dass die individuelle Seele
mit allem anderen eins und gleich wird. Nach der Befreiung
von der materiellen Verunreinigung mag es die winzige
Seele vorziehen, als ein spiritueller Funken in den
leuchtenden Strahlen der Höchsten Persönlichkeit Gottes zu
verbleiben, aber die intelligenten Seelen gehen in die
spirituellen Planeten ein, um mit der Persönlichkeit Gottes
zusammenzusein.
Das Wort sarva-gatah (alldurchdringend) ist bedeutsam, da
kein Zweifel darüber besteht, dass es überall in Gottes
Schöpfung Lebewesen gibt. Sie leben auf dem Land, im
Wasser, in der Luft, unter der Erde und sogar im Feuer. Die
Ansicht, Lebewesen würden im Feuer vernichtet werden,
ist nicht annehmbar, da es hier unmißverständlich heißt,
dass die Seele durch Feuer nicht verbrannt werden kann.
Deshalb besteht kein Zweifel darüber, dass es auch im
Sonnenplaneten Lebewesen gibt, die dort mit einem
geeigneten Körper leben. Wäre die Sonne unbewohnt, dann
wurde das Wort sarva-gatah (überall gibt es Leben) seine
Bedeutung verlieren.


VERS 25
Es heißt, dass die Seele unsichtbar, unbegreiflich,
unveränderlich und unwandelbar ist. Da du dies weißt,
solltest du um den Körper nicht trauern.
ERLÄUTERUNG
Wie zuvor beschrieben wurde, ist die Größe der Seele für
unsere materielle Berechnung so klein, dass sie nicht einmal
mit dem stnrksten Mikroskop gesehen werden kann;
deshalb ist sie unsichtbar. Was die Existenz der Seele
betrifft, so kann niemand, über den Beweis von sruti oder
der vedischen Weisheit hinaus, ihre Existenz experimentell
nachweisen. Wir müssen diese Wahrheit akzeptieren, weil
es keine andere Quelle gibt, die Existenz der Seele zu
verstehen, wenngleich sie tatsächlich wahrgenommen
werden kann. Es gibt viele Dinge, die wir allein auf der
Grundlage höherer Autorität akzeptieren müssen. Niemand
kann die auf die Autorität der Mutter gestützte Existenz
seines Vaters leugnen. Außer der Autorität der Mutter gibt
es keine andere Quelle, die Identität des Vaters zu
verstehen. In ähnlicher Weise gibt es keine andere
Möglichkeit, die Seele zu verstehen, als die Veden zu
studieren. Mit anderen Worten: Die Seele ist durch
menschliches experimentelles Wissen nicht zu begreifen.
Die Seele ist Bewusstsein und bewusst - so lautet auch die
Aussage der Veden, und wir haben die zu akzeptieren.
Anders als der Körper, der sich wandelt, vollzieht sich in
der Seele keine Wandlung. Da die Seele unveränderlich ist,
ist sie im Vergleich zur unendlichen Höchsten Seele immer
atomisch klein. Die Höchste Seele ist unendlich, und die
atomische Seele ist unendlich klein. Folglich kann die
unendlich kleine Seele, da unwandelbar, niemals der
unendlichen Seele oder der Höchsten Persönlichkeit Gottes
gleichkommen. Diese Auffassung wird in den Veden auf
verschiedene Weise wiederholt, nur um die
Unveränderlichkeit der Konzeption von der Seele zu
untermauern. Wiederholung ist notwendig, damit wir etwas
fehlerfrei und eingehend verstehen.


VERS 26
Wenn du jedoch glaubst, die Seele werde ständig aufs
neue geboren und sterbe immer wieder, gibt es für dich
dennoch keinen Grund zu klagen, o Starkarmiger.
ERLÄUTERUNG
Es gibt immer eine Klasse von Philosophen, die fast mit
den Buddhisten gleichzusetzen ist und die nicht an eine
vom Körper gesonderte Existenz der Seele glaubt. Als Sri
Krsna die Bhagavad-Gita sprach, gab es Philosophen dieser
Art, die als Lokayatikas oder Vaibhasikas bekannt waren.
Diese Philosophen vertraten die Auffassung,
Lebenssymptome oder die Seele entstünden in einem
gewissen Reifestadium materieller Verbindungen. Die
modernen materialistischen Wissenschaftler und
Philosophen des Materialismus denken ähnlich. Ihrer
Ansicht nach ist der Körper eine Kombination
physikalischer Elemente und sie glauben, die
Lebenssymptome entwickelten sich auf einer gewissen
Stufe durch sie Wechselwirkung physikalischer und
chemischer Elemente. Die Wissenschaft der Anthropologie
stützt sich auf diese Philosophie. In neuerer Zeit gibt es
viele Pseudo-Religionen - die jetzt vor allem in Amerika
Mode werden -, die sich ebenfalls an diese Philosophie
sowie an die nihilistischen, sich nicht hingebenden
buddhistischen Sekten anschließen.
Selbst wenn Arjuna nicht an die Existenz der Seele glaubte
- wie es bei den Vertretern der Vaibhasika-Philosophie der
Fall ist -, hätte dennoch kein Grund zur Klage bestanden.
Niemand jammert um den Verlust einer Masse chemischer
Stoffe und hört auf, seine vorgeschriebene Pflicht zu
erfüllen. In der modernen Wissenschaft und
wissenschaftlichen Kriegsführung werden so viele Tonnen
chemischer Substanzen verschwendet, um den Feind zu
besiegen. Nach der Vaibhasika-Philosophie vergeht die
sogenannte Seele (atma) mit der Auflösung des Körpers. In
jedem Fall also - ob Arjuna die vedische Schlussfolgerung
akzeptierte, dass es eine winzige Seele gibt, oder ob er nicht
an die Existenz der Seele glaubte -, hatte er keinen Grund
zu klagen. Da nach der Theorie der Vaibhasikas in jedem
Augenblick unendlich viele Lebewesen aus der Materie
erzeugt werden und unendlich viele sterben, braucht man
um ein solches Ereignis nicht zu trauern. Da nun Arjuna
eine Wiedergeburt der Seele nicht in Betracht zog, gab es
für ihn keinen Grund, sich vor sündhaften Reaktionen zu
fürchten, die entstehen würden, wenn er seinen Großvater
und seinen Lehrer tötete. Krsna redete Arjuna hier spöttisch
mit maha-bahu (Starkarmiger) an, da zumindest Er die
Theorie der Vaibhasikas nicht akzeptierte, die das vedische
Wissen außer acht lässt. Als ksatriya gehörte Arjuna der
vedischen Kultur an, und daher war es seine Pflicht, weiter
ihren Prinzipien zu folgen.


VERS 27
Einem, der geboren wurde, ist der Tod sicher, und
einem, der gestorben ist, ist die Geburt gewiss. Deshalb
solltest du bei der unvermeidlichen Erfüllung deiner
Pflicht nicht klagen.
ERLÄUTERUNG
Die Tätigkeiten im Leben bestimmen die Geburt. Und
nachdem man einen Kreis von Tätigkeiten beendet hat,
muss man sterben, um für den nächsten geboren zu werden.
Auf diese Weise dreht sich das Rad von Geburt und Tod,
eine Umdrehung nach der anderen, ohne Befreiung. Dieser
Kreislauf von Geburt und Tod rechtfertigt jedoch nicht
unnötiges Morden, Schlachten oder Krieg. Aber zugleich
sind Gewalt und Krieg in der menschlichen Gesellschaft
unvermeidliche Faktoren, um Gesetz und Ordnung
aufrechtzuerhalten.
Die Schlacht von Kuruksetra war ein unvermeidliches
Ereignis, da sie der Wille des Höchsten war, und es ist die
Pflicht des ksatriya, für die rechte Sache zu kämpfen.
Warum sollte Arjuna den Tod seiner Verwandten fürchten
oder darüber bekümmert sein, wenn er doch nur seine
eigentliche Pflicht erfüllte? Es paßte nicht zu ihm, das
Gesetz zu brechen und dadurch den Reaktionen sündiger
Handlungen unterworfen zu werden, wovor er sich sehr
fürchtete. Auch wenn er seine eigentliche Pflicht nicht
erfüllte, könnte er den Tod seiner Verwandten nicht
verhindern, und da er falsch gehandelt hätte, würde er sein
Ansehen verlieren.


VERS 28
Alle erschaffenen Wesen sind am Anfang
unmanifestiert, in ihrem Zwischenzustand manifestiert
und wieder unmanifestiert, wenn sie vernichtet sind.
Warum soll man also klagen?
ERLÄUTERUNG
Geht man einmal davon aus, dass es zwei Gruppen von
Philosophen gibt - die einen, die an die Existenz der Seele
glauben, und die anderen, die nicht an die Existenz der
Seele glauben -, so gibt es in beiden Fällen keinen Grund
zur Klage. Diejenigen, die nicht an die Existenz der Seele
glauben, werden von den Nachfolgern der vedischen
Weisheit als Atheisten bezeichnet. Selbst wenn wir, um der
Beweisführung willen, die atheistische Theorie akzeptieren,
gibt es dennoch keinen Grund zur Klage. Abgesehen von
der gesonderten Existenz der Seele, bleiben die materiellen
Elemente vor der Schöpfung unmanifestiert. Aus diesem
feinen Zustand der Nichtmanifestation geht Manifestation
hervor, ähnlich wie aus Äther Luft, aus Luft Feuer, aus
Feuer Wasser und aus Wasser Erde entsteht. Aus der Erde
gehen viele verschiedene Manifestationen hervor. Nehmen
wir zum Beispiel einen riesigen Wolkenkratzer, der aus
Erde besteht. Wenn man ihn zerstört, löst sich die
Manifestation wieder auf, und letzten Endes bleiben nur
Atome übrig. Das Gesetz der Energieerhaltung gilt immer,
nur sind die Dinge im Laufe der Zeit einmal manifestiert
und ein anderes Mal unmanifestiert - darin liegt der
Unterschied. Welchen Grund gibt es also, entweder den
Zustand der Manifestation oder den der Nichtmanifestation
zu beklagen? Auf irgendeine Weise sind die Dinge selbst
im unmanifestierten Zustand nicht verloren. Sowohl am
Anfang als auch am Ende bleiben alle materiellen Elemente
unmanifestiert, und nur in ihrem Zwischenstadium sind sie
manifestiert, und das macht keinen wirklichen materiellen
Unterschied.
Wenn wir die vedische Schlussfolgerung akzeptieren, wie
man sie in der Bhagavad-Gita (2.18) findet, dass nämlich die
materiellen Körper im Laufe der Zeit vergehen (antavanta
ime dehah), dass aber die Seele ewig ist (nityasyoktah
saririnah), dann sollten wir uns immer daran erinnern, dass
der Körper wie ein Gewand ist und warum sollte man den
Wechsel eines Kleidungsstücks beklagen? Der materielle
Körper hat im Verhältnis zur ewigen Seele keine wirkliche
Existenz. Er ist so etwas wie ein Traum. Im Traum glauben
wir vielleicht, dass wir in der Luft fliegen oder als König in
einer Karosse sitzen; doch wenn wir erwachen, sehen wir,
dass wir weder ßiegen noch in einer Karosse sitzen. Die
Veden fordern zur Selbstverwirklichung auf, wobei sie
davon ausgehen, dass der materielle Körper im Grunde
nicht existiert. Daher gibt es in keinem Fall - ob man an die
Existenz der Seele glaubt oder ob man an die Existenz der
Seele nicht glaubt - einen Grund, den Verlust des Körpers
zu beklagen.


VERS 29
Einige betrachten die Seele als wunderbar; einige
beschreiben sie als wunderbar, und einige hören, sie sei
wunderbar, wohingegen andere, selbst nachdem sie von
ihr gehört haben, sie überhaupt nicht verstehen können.
ERLÄUTERUNG
Da die Gitopanisad weitgehend auf den Prinzipien der
Upanisaden beruht, ist es nicht überraschend, in der Kaòha

Upanisad den folgenden Abschnitt zu finden:
Die Tatsache, dass sich die winzig kleine Seele im Körper
eines riesigen Tieres, im Körper eines mächtigen
Banyanbaums und sogar in winzigen Bakterien befindet
von denen Millionen und Abermillionen nur einen

Zentimeter Raum einnehmen ist zweifellos sehr erstaunlich.
Menschen mit geringem Wissen und Menschen, die nicht

enthaltsam sind, können die Wunder des individuellen
winzigen Funkens spiritueller Natur nicht verstehen,
obwohl diese Dinge von der größten Autorität des Wissens
erklärt werden, die sogar Brahma, dem ersten Lebewesen
im Universum Unterweisung erteilte. Aufgrund einer grobmateriellen
Auffassung von den Dingen können sich die
meisten Menschen in diesem Zeitalter nicht vorstellen, wie
ein solch kleines Teilchen einmal so groß und ein anderes
Mal so klein werden kann. Sie sehen daher die Seele als
etwas Wunderbares an, entweder weil sie ihre
Beschaffenheit kennen oder weil sie ihnen beschrieben
worden ist. Getäuscht von der materielle Energie, befassen
sich die meisten Menschen so sehr mit Dingen für die
Befriedigung ihrer Sinne, dass sie nur sehr wenig Zeit
haben, die Frage nach dem Verständnis des eigenen Selbst
zu begreifen, obwohl es eine Tatsache ist, dass ohne dieses
Selbstverständnis alle Handlungen im Kampf ums Dasein
letzten Endes zum Scheitern verurteilt sind. Vielleicht weiß
niemand, dass man über die Seele nachdenken und
außerdem eine Lösung für die materiellen Leiden finden
muss.
Manche Menschen, die daran interessiert sind, etwas über
die Seele zu erfahren, mögen Vorträge von autorisierten
Sprechern hören, doch werden sie oft aufgrund von
Unwissenheit irregeführt und glauben, die Überseele und
die winzige Seele seien ohne Größenunterschied eins. Es ist
sehr schwer, einen Menschen zu finden, der die Stellung
der Seele, die Überseele, die winzige Seele, ihre jeweiligen
Funktionen, Beziehungen und alle anderen größeren und
kleineren Einzelheiten vollkommen versteht. Und es ist
noch schwieriger, einen Menschen zu finden, der aus dem
Wissen über die Seele tatsächlich vollen Nutzen gewonnen
hat und die Stellung der Seele in verschiedenen Aspekten
beschreiben kann. Aber wenn jemand irgendwie imstande
ist, das Thema Seele zu verstehen, ist sein Leben
erfolgreich. Der einfachste Vorgang, das Selbst zu
verstehen, besteht indes darin; die Aussagen der BhagavadGita
die von der größten Autorität, Sri Krsna, gesprochen
wurde, anzunehmen, ohne sich von anderen Theorien
ablenken zu lassen. Aber es erfordert auch ein hohes Maß
an tapasya und Opfer, entweder in diesem Leben oder in
vorangegangenen, bevor man fähig ist, Krsna als die

Höchste Persönlichkeit Gottes anzuerkennen. Krsna kann
jedoch durch die grundlose Barmherzigkeit des reinen
Gottgeweihten, und auf keine andere Weise, in dieser
Eigenschaft erkannt werden.


VERS 30
O Nachkomme Bharatas, die Seele, die im Körper
wohnt, ist ewig und kann niemals getötet werden. Daher
brauchst du um kein Geschöpf zu trauern.
ERLÄUTERUNG
Hiermit beschließt der Herr Seine Unterweisungen über die
unveränderliche spirituelle Seele. Indem Sri Krsna die
unsterbliche Seele auf verschiedene Weise beschreibt,
erhärtet Er die Tatsache, dass die Seele unsterblich und der
Körper vergänglich ist. Arjuna war ein ksatriya, und

deshalb
sollte er nicht aus Furcht, dass sein Großvater und
sein Lehrer - Bhisma und Drona - in der Schlacht sterben
wurden, seine Pflicht aufgeben. Man muss aufgrund der
Autorität Sri Krsnas glauben, dass es eine Seele gibt und
dass diese Seele vom materiellen Körper verschieden ist,
und nicht, dass es so etwas wie die Seele nicht gibt oder dass
Lebenssymptome auf einer gewissen Stufe materieller
Reife aus der Wechselwirkung chemischer Stoffe
entstehen. Obwohl die Seele unsterblich ist, wird Gewalt
nicht befürwortet; doch in Kriegszeiten wird davon nicht
abgeraten, wenn es wirklich notwendig ist. Diese
Notwendigkeit muss durch den Willen des Herrn
gerechtfertigt sein, nicht durch unser Gutdünken.


VERS 31
Im Hinblick auf deine besondere Pflicht als ksatriya
solltest du wissen, dass es für dich keine bessere
Beschäftigung gibt, als auf der Grundlage religiöser
Prinzipien zu kämpfen. Daher ist es nicht notwendig zu
zögern.
ERLÄUTERUNG
Von den vier Einteilungen gesellschaftlicher
Administration wird die zweite Stufe, die für eine gute
Verwaltung zuständig ist, ksatriya genannt. Ksat bedeutet
verletzen, und jemand, der vor Schaden beschützt, wird als
ksatriya bezeichnet (trayate bedeutet Schutz gewnhren).
Ksatriyas werden im Wald darin ausgebildet, zu töten.
Früher ging ein ksatriya in den Wald und forderte einen
Tiger zum Zweikampf heraus und kämpfte dann mit dem
Tiger mit dem bloßen Schwert in der Hand. Wenn der Tiger
getötet war, wurde er auf Anordnung des Königs verbrannt.
Dieser Brauch wird bis zum heutigen Tage von den
ksatriya-Königen des Staates Jaipur gepflegt. Weil religiöse
Gewalt manchmal notwendig ist, werden die ksatriyas
besonders darin ausgebildet, herauszufordern und zu töten.
Deshalb ist es für ksatriyas niemals vorgesehen, direkt in
den Stand des sannyasa oder der Entsagung einzutreten.
Gewaltlosigkeit mag in der Politik ein diplomatisches
Vorgehen sein, aber sie ist niemals ein entscheidender
Faktor oder ein Grundsatz. In den religiösen Gesetzbüchern
heißt es:
"Während ein König oder ksatriya auf dem Schlachtfeld
mit einem anderen König kämpft, der ihn beneidet, ist er
geeignet, nach dem Tod die himmlisch Planeten zu
erreichen, ebenso wie die brahmanas ebenfalls die
himmlischen Plane erreichen, indem sie Tiere im
Opferfeuer opfern."
Wenn daher in einer Schlacht auf der Grundlage religiöser
Prinzipien getötet wird oder wenn Tiere im Opferfeuer
getötet werden, gilt dies keinesfalls als Gewalttat; denn
jeder der Beteiligten zieht aus den miteinbezogenen
religiösen Prinzip seinen Nutzen. Das geopferte Tier
bekommt augenblicklich die menschliche Form des Lebens,
ohne sich dem allmählichen Evolutionsprozeß von einer
Lebensform zur anderen unterziehen zu müssen, und die
auf dem Schlachtfeld getöteten ksatriyas erreichen die
himmlischen Planeten, ebenso wie die brahmanas, die
Opfer darbringen.
Es gibt zwei Arten von sva-dharmas oder bestimmten
Pflichten. Solange man nicht befreit ist, muss man, um
Befreiung zu erlangen, die Pflichten des jeweiligen
Körpers, in dem man sich befindet, in Übereinstimmung
mit den religiösen Prinzipien erfüllen. Wenn man befreit
ist, wird der sva-dharma - die bestimmte Pflicht - spirituell
und befindet sich nicht mehr auf der Ebene des materiellen
Körpers. In der körperlichen Auffassung vom Leben gibt es
sowohl für die brahmanas als auch für die ksatriyas
bestimmte Pflichten, und diese Pflichten sind
unvermeidlich. Sva-dharma ist vom Herrn festgelegt, und
dies wird im Vierten Kapitel näher erklärt werden. Auf der
körperlichen Ebene wird sva-dharma als varnasramadharma
bezeichnet oder das Sprungbrett des Menschen zu
spirituellem Verstehen. Menschliche Zivilisation beginnt
erst auf der Stufe des varnasrama-dharma, das heißt dann,
wenn die bestimmten Pflichten erfüllt werden, die sich nach
den jeweilige Erscheinungsweisen der Natur richten, die
den Körper beeinflussen. Erfüllt man in irgendeinem
Bereich des Handelns seine jeweilige Pflicht in
Übereinstimmung mit dem varnasrama-dharma, wird man
auf eine höhere Stufe des Lebens gehoben.


VERS 32
O Partha, glücklich sind die ksatriyas, denen sich
unverhofft solche Gelegenheiten zum Kampf bieten, da
sie ihnen die Tore der himmlischen Planeten öffnen.
ERLÄUTERUNG
Als höchster Lehrer der Welt verurteilt Sri Krsna die
Haltung Arjunas, der sagte: "Ich sehe in diesem Kampf
nichts Gutes. Ewiger Aufenthalt in der Hölle wird die Folge
sein." Solche Äußerungen Arjunas waren nur auf
Unwissenheit zurückzuführen. Er wollte bei der Erfüllung
seiner bestimmten Pflicht gewaltlos werden. Auf dem
Schlachtfeld zu stehen und gewaltlos zu werden ist für
einen ksatriya die Philosophie der Narren. In der Parasarasmrti,
den religiösen Gesetzen, die von Parasara, dem
großen Weisen und Vater Vyasadevas, verfasst wurden,
heißt es:
"Es ist die Pflicht des ksatriya, die Bürger vor allen
auftretenden Schwierigkeiten zu schützen, und aus diesem
Grund muss er in manchen Fällen Gewalt anwenden, um
Gesetz und Ordnung aufrechtzuerhalten. Daher hat er die
Pflicht, die Soldaten feindlicher Könige zu besiegen, um
dann, auf der Grundlage religiöser Prinzipien, die Welt zu
regieren."
Wenn man alle Gesichtspunkte in Betracht zieht, hatte
Arjuna keinen Grund, sich vom Kampf zurückzuziehen.
Wenn er seine Feinde besiegte, wurde er sich des
Königreichs erfreuen können, und wenn er in der Schlacht
sterben sollte, würde er zu den himmlischen Planeten
erhoben werden, deren Tore ihm weit offenstanden. Zu
kämpfen würde ihm also in jedem Fall nützen.


VERS 33
Wenn du jedoch in diesem religiösen Krieg nicht
kämpfst, wirst du gewiss Sünden auf dich laden, weil du
deine Pflichten vernachlässigst, und so deinen Ruf als
Kämpfer verlieren.
ERLÄUTERUNG
Arjuna war ein berühmter Krieger, und er hatte Ruhm
erworben, indem er mit vielen mächtigen Halbgöttern -
selbst Siva - kämpfte. Als er gegen den als Jnger
verkleideten Siva im Kampf siegreich war, fand der große
Halbgott Wohlgefallen an ihm und gab ihm als Belohnung
eine Waffe, die als pasupata-astra bekannt war. Jeder
wußte, dass Arjuna ein großer Krieger war. Selbst
Dronacarya gab ihm seinen Segen und schenkte ihm eine
besondere Waffe, mit der er sogar seinen Lehrer töten
konnte. Er war also von vielen Autoritäten, auch von
seinem Vater, Indra, dem Himmelskönig, mit so vielen
militärischen Auszeichnungen geehrt worden; aber wenn er
die Schlacht verließe, würde er nicht nur seine bestimmte
Pflicht als ksatriya vernachlässigen, sondern er würde auch
all seinen Ruhm und seinen guten Namen verlieren und so
seinen Abstieg in die Hölle vorbereiten. Mit anderen
Worten: Nicht wenn Arjuna kämpft, sondern wenn er sich
von der Schlacht zurückzieht, fährt er in die Hölle.


VERS 34
Für alle Zeiten wird man von deiner Schmach sprechen,
und für jemand, der einmal geehrt wurde, ist Schande
schlimmer als der Tod.
ERLÄUTERUNG
Sowohl als Freund wie auch als Philosoph fällt Sri Krsna
jetzt Sein endgültiges Urteil über Arjunas Absicht, nicht zu
kämpfen. Der Herr sagt: "Arjuna, wenn du das Schlachtfeld
verlässt, werden dich die Menschen schon vor deiner
eigentlichen Flucht einen Feigling nennen. Und wenn du
meinst, dass die Menschen dich ruhig beschimpfen könnten,
du aber lieber dein Leben retten möchtest, indem du vom
Schlachtfeld fliehst, so rate Ich dir, lieber in der Schlacht zu
sterben. Für einen ehrbaren Mann wie dich ist Schande
schlimmer als der Tod. Deshalb solltest du nicht aus Angst
um dein Leben fliehen, sondern lieber in der Schlacht
sterben. Das wird dich vor der Schande bewahren, Meine
Freundschaft mißbraucht zu haben, und dein Ansehen in
der Gesellschaft retten."
Das endgültige Urteil des Herrn sah für Arjuna also vor, in
der Schlacht zu sterben, und nicht, sich zurückzuziehen.


VERS 35
Die großen Generäle, die deinen Namen und Ruhm hoch
ehrten, werden denken, du habest das Schlachtfeld nur
aus Furcht verlassen, und so werden sie dich für einen
Feigling halten.
ERLÄUTERUNG
Sri Krsna fährt fort, Arjuna Seine Entscheidung zu
erklären: "Glaube nicht, die großen Generale, wie
Duryodhana, Karna und andere, werden denken, du habest
das Schlachtfeld aus Mitleid mit deinen Brüdern und
deinem Großvater verlassen. Sie werden glauben, du seiest
aus Angst um dein Leben geflohen, und so wird ihrer hohe
Wertschätzung deiner Persönlichkeit ins Gegenteil
umschlagen."


VERS 36
Deine Feinde werden schlecht über dich reden und deine
Fähigkeit verspotten. Was könnte schmerzlicher für
dich sein?
ERLÄUTERUNG
Sri Krsna war zu Anfang über Arjunas ungerufenes Mitleid
verwundert sagte, sein Mitleid sei den Nicht-Aryas
angemessen. Mit vielen Worten hat Er Seine Einwände
gegen Arjunas sogenanntes Mitleid erläutert.


VERS 37
O Sohn Kuntis, entweder wirst du auf dem Schlachtfeld
getötet werden und die himmlischen Planeten erreichen,
oder du wirst siegen und so das irdische Königreich
genießen. Erhebe dich daher, und kämpfe mit
Entschlossenheit.
ERLÄUTERUNG
Obwohl es nicht sicher war, dass Arjunas Seite siegen
wurde, musste er dennoch kämpfen; denn selbst wenn er
den Tod fände, konnte er zumindest zu den himmlischen
Planeten erhoben werden.


VERS 38
Kämpfe um des Kampfes willen, ohne Glück oder Leid,
Verlust oder Gewinn, Sieg oder Niederlage zu beachten.
Wenn du so handelst, wirst du niemals Sünde auf dich
laden.
ERLÄUTERUNG
Sri Krsna sagt jetzt unmittelbar, dass Arjuna um des
Kampfes willen kämpfen solle, da Er die Schlacht wünsche.
Bei Tätigkeiten im Krsna-Bewusstsein achtet man nicht auf
Glück oder Leid, Verlust oder Gewinn, Sieg oder

Niederlage.
Transzendentales Bewusstsein bedeutet, dass
alles für Krsna getan werden sollte; es folgt dann keine
Reaktion auf materielle Tätigkeiten. Jemand, der um der
Befriedigung seiner eigenen Sinne willen handelt, entweder
in Tugend oder in Leidenschaft, ist der Reaktion
unterworfen, sei diese gut oder schlecht. Aber jemand, der
sich völlig den Tätigkeiten im Krsna-Bewusstsein ergeben
hat, ist nicht länger irgend jemand verpflichtet, noch ist er
irgend jemand etwas schuldig, wie man es im
gewöhnlichen Verlauf von Tätigkeiten ist. Es wird gesagt:
"Jeder, der sich Krsna, Mukunda, völlig ergeben und alle
anderen Pflichten aufgeben hat, ist niemandem mehr
verpflichtet oder irgend jemandem etwas schuldig - weder
den Halbgöttern noch den Weisen, noch den Mitmenschen,
noch den Verwandten, noch der Menschheit, noch den
Vorvätern." (SB. 11.5.41)
Das ist der indirekte Hinweis, den Krsna Arjuna in diesem
Vers gibt. In den folgenden Versen wird diese Sache
eingehender erklärt werden.


VERS 39
Bisher habe Ich dir das analytische Wissen der sankhya-
Philosophie erklärt. Höre jetzt von dem Wissen um
jenen yoga, durch den man ohne fruchttragendes
Ergebnis arbeitet. O Sohn Prthas, wenn du mit solcher
Intelligenz handelst, kannst du dich von der Fessel der
Werke befreien.
ERLÄUTERUNG
Nach dem vedischen Wörterbuch Nirukti bedeutet sankhya
"das, was die Erscheinungen in allen Einzelheiten
beschreibt", während sich sankhya auf jene Philosophie
bezieht, die die wahre Natur der Seele beschreibt. Zu yoga
gehört auch die Meisterung der Sinne. Arjunas EntSchluss,
nicht zu kämpfen, hatte seine Ursache in dem Verlangen
nach Sinnenbefriedigung. Seine vornehmste Pflicht
vergessend, wollte er aufhören zu kämpfen, da er glaubte,
glücklicher zu sein, wenn er seine Familienangehörigen
und Verwandten nicht tötete, als wenn er sich des
Königreiches erfreute, indem er seine Vettern und Brüder -
die Söhne Dhrtarastrs - tötete. In beiden Fällen würde er
mit dem Beweggrund der Sinnenbefriedigung handeln.
Sowohl Glück, das man erfährt, wenn man die Verwandten
besiegt, als auch Glück, das man verspürt, wenn man sie
lebend sieht, befinden sich auf der Ebene persönlicher
Sinnenbefriedigung, da man dabei weises Handeln und die
Erfüllung der Pflicht aufgibt. Krsna wollte daher Arjuna
erklären, dass er die Seele selbst nicht töten würde, wenn er
den Körper seines Großvaters erschlugen und Er machte
ihm klar, dass alle individuellen Personen, einschließlich
des Herrn Selbst, ewige Individuen sind. Sie waren
Individuen in der Vergangenheit, sie sind Individuen in der
Gegenwart, und sie werden auch in der Zukunft Individuen
bleiben, denn wir alle sind ewig individuelle Seelen und
wechseln nur unser körperliches Gewand auf verschiedene
Weise. Aber selbst nachdem wir von den Fesseln des
materiellen Körpers befreit sind, behalten wir unsere
Individualität. In einem analytischen Studium ist das Wesen
der Seele und des Körpers von Sri Krsna bereits sehr
sorgfältig erklärt worden. Und dieses anschauliche Wissen,
das die Seele und den Körper von verschiedenen
Gesichtspunkten aus beschreibt, ist mit Bezugnahme auf
das Nirukti-Wörterbuch hier als sankhya bezeichnet
worden. Dieser sankhya hat mit der sankhya-Philosophie
des Atheisten Kapila nichts zu tun. Lange bevor der
Betrüger Kapila seine sankhya-Philosophie aufstellte, war
die sankhya-Philosophie, wie sie im Srimad-Bhagavatam
beschrieben wird, von dem wirklichen Kapila, einer
Inkarnation Sri Krsnas, Seiner Mutter Devahôti erklärt
worden. Es wird von Ihm eindeutig erklärt, dass der purusa
oder der Höchste Herr aktiv ist und dass Er erschafft, indem
Er über die prakrti oder die materielle Natur blickt. Diese
Tatsache wird in den Veden und in der Gita anerkannt. Die
Beschreibung in den Veden deutet darauf hin, dass der Herr
über die prakrti blickte und sie mit winzigen individuellen
Seelen schwängerte. Alle diese Individuen arbeiten in der
materiellen Welt, um ihre Sinne zu befriedigen, und unter
dem Zauber der materiellen Energie halten sie sich für
Genießer. Diese Geisteshaltung findet ihren Höhepunkt in
dem Wunsch nach Befreiung, wenn das Lebewesen mit
dem Höchsten Herrn eins werden will. Das ist die letzte
Falle mayas oder der Illusion, die Sinne befriedigen zu
können, und nur nach vielen, vielen Leben solcher
sinnenbefriedigender Tätigkeiten geschieht es, dass sich
eine große Seele Vasudeva, Krsna, ergibt und so an das
Ende ihrer Suche nach der endgültigen Wahrheit gelangt.
Arjuna hat Krsna bereits als seinen spirituellen Meister
angenommen, als er sich Ihm ergab: Folglich will Krsna ihm jetzt etwas
über die Prinzipien des buddhi-yoga oder karma-yoga
sagen, das heißt, mit anderen Worten, über die Praxis
hingebungsvollen Dienstes ausschließlich für die
Befriedigung der Sinne des Herrn. Im zehnten Vers des
Zehnten Kapitels wird klar gesagt, dass buddhi-yoga die
Gemeinschaft mit dem Herrn bedeutet, der als Paramatma
im Herzen eines jeden weilt. Aber solche Gemeinschaft
kommt nicht ohne hingebungsvollen Dienst zustande. Wer
daher im hingebungsvollen oder transzendentalen
liebenden Dienst des Herrn oder, mit anderen Worten, im
Krsna-Bewusstsein verankert ist, erreicht diese Stufe des
buddhi-yoga durch die besondere Gnade des Herrn. Der
Herr sagt deshalb, dass Er nur diejenigen mit dem reinen
Wissen der liebenden Hingabe beschenkt, die sich immer
aus transzendentaler Liebe im hingebungsvollen Dienst
beTätigen. Auf diese Weise kann der Gottgeweihte Ihn sehr
leicht im ewig-glückseligen Königreich Gottes erreichen.
Der in diesem Vers erwähnte buddhi-yoga ist also der
hingebungsvolle Dienst für den Herrn, und das hier
erwähnte Wort sankhya hat nichts mit dem atheistischen
sankhya-yoga zu tun, den der Betrüger Kapila verkündete.
Man sollte daher den sankhya-yoga, der hier erwähnt wird,
auf keinen Fall mit dem atheistischen sankhya verwechseln.
Auch hatte diese Philosophie in der damaligen Zeit
überhaupt keinen Einßluss, und Sri Krsna hätte niemals
solch gottlose philosophische Spekulationen erwähnt.
Wirkliche sankhya-Philosophie wird von Kapila, dem
Herrn, im Srimad Bhagavatam beschrieben, aber selbst
dieser sankhya hat nichts mit den hier behandelten Themen
zu tun. Hier ist mit sankhya die analytische Beschreibung
des Körpers und der Seele gemeint. Sri Krsna gab eine
analytische Beschreibung der Seele, nur um Arjuna zur
Stufe des buddhi-yoga oder bhakti-yoga hinzuführen.
Deshalb ist Sri Krsnas sankhya und Kapilas sankhya, wie er
im Bhagavatam beschrieben wird, ein und dasselbe. Beides
ist bhakti-yoga. Krsna sagte daher, nur die weniger
intelligenten Menschen unterschieden zwischen sankhyayoga
und bhakti-yoga.
Natürlich hat atheistischer sankhya-yoga nichts mit bhaktiyoga
zu tun, aber dennoch behaupten unintelligente
Menschen, die Bhagavad-Gita beziehe sich auf den,
atheistischen sankhya-yoga. Man soll daher verstehen, dass
buddhi-yoga bedeutet, im Krsna-Bewusstsein, das heißt in
der vollkommenen Glückseligkeit und im allumfassenden
Wissen des hingebungsvollen Dienstes, zu arbeiten. Wer
ausschließlich für die Zufriedenstellung des Herrn arbeitet,
ganz gleich wie schwierig solche Arbeit sein mag, arbeitet
nach den Prinzipien des buddhi-yoga und ist immer in
transzendentale Glückseligkeit eingetaucht. Durch solche
transzendentale Bestätigung entwickelt man, dank der
Gnade des Herrn, alle transzendentalen Eigenschaften von
selbst, und so ist die erlangte Befreiung in sich selbst
vollkommen, ohne dass man sich gesondert darum bemühen
muss, Wissen zu erwerben. Es besteht ein großer
Unterschied zwischen Arbeit im Krsna-Bewusstsein und
Arbeit um fruchttragender Ergebnisse willen, insbesondere
für Sinnenbefriedigung, wenn man nach Ergebnissen in
Form von Familie oder materiellem Glück strebt. Buddhiyoga
ist daher die transzendentale Qualität der Arbeit, die
wir verrichten.

VERS 40
Bei diesem Bemühen gibt es weder Verlust noch
Minderung, und schon ein wenig Fortschritt auf diesem
Pfad kann einen vor der größten Gefahr bewahren.
ERLÄUTERUNG
Handeln im Krsna-Bewusstsein oder zum Nutzen Krsnas zu
handeln, ohne Sinnenbefriedigung zu erwarten, ist die
höchste transzendentale Art von Arbeit. Selbst ein kleiner
Anfang solcher Tätigkeit findet kein Hindernis, noch kann
dieser kleine Anfang auf irgendeiner Stufe verloren gehen.
Jede auf der materiellen Ebene begonnene Arbeit muss
vollendet werden; sonst ist der ganze Versuch ein
Fehlschlag. Aber jede Arbeit, die man im Krsna-
Bewusstsein beginnt, hat eine dauernde Wirkung, selbst
wenn sie nicht zu Ende geführt wird. Wer solche Arbeit
verrichtet, verliert daher nichts, auch wenn seine Arbeit im
Krsna-Bewusstsein unvollendet bleibt. Selbst wenn man ein
Prozent der Tätigkeiten im Krsna-Bewusstsein ausführt,
sind bleibende Ergebnisse die Folge, so dass man das
nächste Mal bei zwei Prozent weitermachen kann,
wohingegen es bei materieller Tätigkeit ohne einen
hundertprozentigen Erfolg keinen Gewinn gibt. Ajamila
erfüllte seine Pflicht zu einem gewissen Prozentsatz im
Krsna-Bewusstsein, aber das Ergebnis, das ihm am Ende
zuteil wurde, war durch die Gnade des Herrn ein
hundertprozentiger Erfolg. In diesem Zusammenhang
findet man im Srimad-Bhagavatam (1.5.17) einen schönen
Vers:
"Wenn jemand es aufgibt, der Befriedigung seiner Sinne
nachzujagen, im Krsna-Bewusstsein arbeitet und dann zu
Fall kommt, weil er seine Arbeit nicht vollendet, was
verliert er dabei? Und was kann jemand gewinnen, wenn er
seine materiellen Tätigkeiten in vollkommener Weise
ausführt?"
Oder wie es die Christen ausdrucken: "Was nützte es einem
Menschen, wenn er die ganze Welt gewnnne, aber an seiner
ewigen Seele Schaden nähme?"
Materielle Tätigkeiten und ihre Ergebnisse enden mit dem
Körper. Arbeit im Krsna-Bewusstsein aber trngt einen
Menschen, selbst nach dem Verlust des Körpers, erneut
zum Krsna-Bewusstsein. Zumindest ist es sicher, dass man
im nächsten Leben eine Möglichkeit hat, entweder in der
Familie eines hochgebildeten brahmana oder in einer
reichen aristokratischen Familie wieder als Mensch geboren
zu werden, wodurch man eine weitere Gelegenheit zur
Erhebung bekommt. Das ist die einzigartige Qualität der
Arbeit, die im Krsna-Bewusstsein verrichtet wird.

VERS 41
Diejenigen, die diesen Pfad beschreiten, sind
entschlossen in ihrem Vorhaben, und ihr Ziel ist eins. O
geliebtes Kind der Kurus, die Intelligenz der
Unentschlossenen jedoch ist vielverzweigt.
ERLÄUTERUNG
Starker Glaube im Krsna-Bewusstsein, dass man zur
höchsten Vollkommenheit des Lebens erhoben werden
sollte, bezeichnet man als vyavasayatmika-Intelligenz. Im
Caitanya-caritamrta (Madhya 22.62) heißt es:
Glaube bedeutet unerschütterliches Vertrauen in etwas
Erhabenes. Wenn man die Pflichten im Krsna-Bewusstsein
erfüllt, braucht man den VerPflichtungen, die man in der
materiellen Weit gegenüber der Familie, der Menschheit
oder der Nation haben mag, nicht nachzukommen.
Fruchtbringende Tätigkeiten sind die Handlungen, die aus
den Reaktionen auf vergangene gute oder schlechte Taten
hervorgehen. Wenn man im Krsna-Bewusstsein wach ist,
braucht man sich bei seinem Tun nicht länger um gute
Ergebnisse zu bemühen. Wenn man im Krsna-Bewusstsein
verankert ist, befinden sich alle Handlungen auf der
absoluten Ebene, da sie nicht länger Dualitäten wie gut und
schlecht unterworfen sind. Die höchste Vollkommenheit
des Krsna-Bewusstseins ist die Entsagung der materiellen
Auffassung vom Leben. Diese Stufe wird mit
fortschreitendem Krsna-Bewusstsein von selbst erreicht. Die
Entschlossenheit eines Menschen im Krsna-Bewusstsein
beruht auf der Erkenntnis, dass Vasudeva oder Krsna die
Wurzel aller manifestierten Ursachen ist (vasudevaH
sarvam iti sa mahatma sudurlabhaH; Bg. 7.19). So wie man
den Blättern und Zweigen eines Baumes dient, indem man
die Wurzel begießt, so kann man jedem - sich selbst, der
Familie, der Gesellschaft, dem Land, der Menschheit usw. -
den höchsten Dienst erweisen, indem man im Krsna-
Bewusstsein handelt. Wenn man durch sein Tun Krsna
zufriedenstellt, dann wird jeder zufrieden sein.
Dienst im Krsna-Bewusstsein wird jedoch am besten unter
der kundigen Führung eines spirituellen Meisters
ausgeführt, der ein echter Vertreter Krsnas ist, der das
Wesen des Schülers kennt und der ihn so anleiten kann, dass
er im Krsna-Bewusstsein handelt. Um daher im Krsna-
Bewusstsein wirklich fortzuschreiten, muss man fest
entschlossen handeln und dem Stellvertreter Krsnas
gehorchen, und man sollte die Anweisung des echten
spirituellen Meisters als seine Lebensaufgabe ansehen.
Srila Rupa Visvanatha Cakravarti µhakura lehrt uns in seinen
berühmten Gebeten zum spirituellen Meister:
"Wenn man den spirituellen Meister zufriedenstellt, wird
die Höchste Persönlichkeit Gottes zufrieden. Und wenn
man den spirituellen Meister nicht zufriedenstellt, ist es
nicht möglich, auf die Ebene des Krsna-Bewusstseins
erhoben zu werden. Ich sollte daher dreimal tnglich über
meinen spirituellen Meister meditieren, um seine
Barmherzigkeit bitten und ihm meine achtungsvollen
Ehrerbietungen erweisen. "
Der ganze Vorgang hängt jedoch davon ab, dass man
vollkommen verstanden hat, dass sich die Seele jenseits der
körperlichen Auffassung befindet - nicht nur theoretisch,
sondern auch praktisch, indem man nicht mehr versucht,
seine Sinne durch fruchtbringende Handlungen zu
befriedigen. Jemand, der im Geiste nicht wahrhaft gefestigt
ist, wird von verschiedenen fruchtbringenden Handlungen
abgelenkt.

VERS 42-43
Menschen mit geringem Wissen hängen sehr an den

blumenreichen
Worten der Vedas, die ihnen
verschiedene fruchtbringende Tätigkeiten zur Erhebung
zu himmlischen Planeten empfehlen, wo eine gute
Geburt, Macht und so fort auf sie warten. Da sie nach
Sinnenbefriedigung und einem Leben in Hülle und Fülle
begehren, sagen sie, es gebe nichts, was darüber
hinausgehe.
ERLÄUTERUNG
Die meisten Menschen sind nicht sehr intelligent, und
aufgrund ihrer Unwissenheit haften sie sehr stark an den im
karma-kanda-Teil der Veden empfohlenen
fruchtbringenden Tätigkeiten. Sie wünschen sich nichts
mehr als Vorschlnge für Sinnenbefriedigung, wie man das
Leben auf himmlischen Planeten genießen kann, wo Wein
und Frauen zur Verfügung stehen und materieller Reichtum
sehr üblich ist. In den Veden werden viele Opfer, besonders
die jyotistoma-Opferung, für die Erhebung zu den
himmlischen Planeten empfohlen. Ja, es heißt sogar, dass
jeder, der zu den himmlischen Planeten erhoben werden
will, diese Opfer ausführen muss, und Menschen mit
geringem Wissen glauben, dies sei der ganze Sinn und
Zweck der vedischen Weisheit. Solch unerfahrenen
Menschen fällt es sehr schwer, sich das entschlossene
Handeln im Krsna-Bewusstsein zu eigen zu machen. So wie
Toren sich zu den Blüten giftiger Bäume hingezogen
fühlen, ohne die Folgen solcher Reize zu kennen, so
werden Menschen, die nicht erleuchtet sind, von solch
himmlischem Reichtum und der damit verbundenen
Sinnenfreude betört.
Im karma-kanda-Teil der Veden heißt es, dass diejenigen,
die sich die vier monatlichen Bußen auferlegen, die
Eignung erwerben, den soma-rasa-Trank zu trinken, um für
immer unsterblich und glücklich zu werden. Selbst auf der
Erde sind einige Menschen sehr begierig, diesen somarasa-
Trank zu bekommen, um stark und gesund zu werden
und Sinnenbefriedigung genießen zu können. Solche
Menschen glauben nicht an die Befreiung aus der
materiellen Knechtschaft und haften sehr an den pompösen
Zeremonien der vedischen Opfer. Sie sind im allgemeinen
sinnlich und trachten nach nichts anderem als den
himmlischen Freuden des Lebens. Es ist bekannt, dass es
auf den himmlischen Planeten Gärten gibt, nandanakanana
genannt, in denen sich genügend Gelegenheiten
bieten, mit engelgleich-schönen Frauen zusammenzusein
und reichlich soma-rasa-Wein zu trinken. Solch
körperliches Glück ist zweifellos sinnlich; daher sind dort
diejenigen anzutreffen, die - als "Herren der materiellen
Welt" - nichts anderem als materiellem, zeitweiligem Glück
verhaftet sind.

VERS 44
Im Geist derer, die zu sehr an SinnenGenuss und
materiellem Reichtum haften und von solchen Dingen
verwirrt sind, kommt es nicht zu dem festen EntSchluss,
dem Höchsten Herrn in Hingabe zu dienen.
ERLÄUTERUNG
Samadhi bedeutet "festverankerter Geist". Das vedische
Wörterbuch Nirukti erklärt hierzu: "Wenn der Geist fest darauf
gerichtet ist, das Selbst zu verstehen, nennt man dies
samadhi." Samadhi ist niemals möglich für Menschen,
denen es um materiellen SinnenGenuss geht, auch nicht für
diejenigen, die von solch zeitweiligen Dingen verwirrt sind.
Sie sind durch die Wirkungsweise der materiellen Energie
mehr oder minder verdammt.

VERS 45
Die Veden handeln hauptsächlich von den drei
Erscheinungsweisen der materiellen Natur. Erhebe dich
über diese Erscheinungsweisen, o Arjuna; Sei
transzendental zu ihnen allen. Sei frei von allen
Dualitäten und aller Sorge um Gewinn und Sicherheit,
und sei im Selbst verankert.
ERLÄUTERUNG
Alle materiellen Tätigkeiten beinhalten Aktionen und
Reaktionen in den drei Erscheinungsweisen der materiellen
Natur. Sie werden mit der Absicht ausgeführt,
fruchtbringende Ergebnisse zu bekommen, die ihrerseits
Knechtschaft in der materiellen Welt verursachen. Die
Veden handeln hauptsächlich von fruchtbringenden
Tätigkeiten, um die allgemeine Masse der Menschen
allmählich aus dem Bereich der Sinnenbefriedigung zu
einer Stellung auf der transzendentalen Ebene zu erheben.
Arjuna bekommt als Schüler und Freund Krsnas den Rat,
sich auf die transzendentale Ebene der Vedanta-Philosophie
zu erheben, die am Anfang brahma-jijnasa oder Fragen
über die Höchste Transzendenz aufwirft. Alle Lebewesen,
die sich in der materiellen Welt aufhalten, kämpfen sehr
schwer um ihre Existenz. Für sie gab der Herr nach der
Schöpfung der materiellen Welt die vedische Weisheit, die
Rat erteilt, wie man leben soll und sich aus der materiellen
Verstrickung befreien kann. Wenn die Tätigkeiten für
Sinnenbefriedigung, nämlich das karma-kanÅa-Kapitel,
abgeschlossen sind, wird die Möglichkeit spiritueller
Erkenntnis in Form der Upanisaden angeboten, die Teile
verschiedener Veden sind, ebenso wie die Bhagavad-Gita
ein Teil des fünften Veda, des Mahabharata, ist. Die
Upanisaden beschreiben den Beginn transzendentalen
Lebens.
Solange der materielle Körper existiert, gibt es Aktionen
und Reaktionen in den materiellen Erscheinungsweisen.
Man muss lernen, Dualitäten wie Glück und Leid oder Knlte
und Hitze zu ertragen, und indem man solche Dualität
duldet, wird man frei von aller Sorge um Gewinn oder
Verlust. Diese transzendentale Stellung wird in vollem
Krsna-Bewusstsein erreicht, wenn man völlig von Krsnas
Wohlwollen abhängig ist.

VERS 46
Alle Zwecke, die ein kleiner Teich nach und nach erfüllt,
können große Gewässer sofort erfüllen. In ähnlicher
Weise kann alle Früchte der Veden erreichen, wer das
Ziel der Veden kennt.
ERLÄUTERUNG
Die im karma-kanda-Teil der vedischen Literatur
erwähnten Rituale und Opfer sollen dazu ermutigen,
allmählich Selbstverwirklichung zu erlangen. Und der Sinn
von Selbstverwirklichung wird im Fünfzehnten Kapitel der
Bhagavad-Gita (15.15) deutlich erklärt: Der Zweck des
Studiums der Veden ist es, Sri Krsna, die urerste Ursache
aller Dinge, zu erkennen. Selbstverwirklichung bedeutet
also, Krsna und unsere ewige Beziehung zu Ihm zu
verstehen. Die Beziehung der Lebewesen zu Krsna wird
ebenfalls im Fünfzehnten Kapitel der Bhagavad-Gita (15.7)
erwähnt. Die Lebewesen sind winzige Teile Krsnas;
deshalb ist die Wiederbelebung von Krsna-Bewusstsein
durch das individuelle Lebewesen die am höchsten
vervollkommnete Stufe vedischen Wissens. Dies wird im
Srimad-Bhagavatam (3.33.7) wie folgt bestätigt:
"O mein Herr, ein Mensch, der Deinen Heiligen Namen
chantet, befindet sich auf der höchsten Ebene der
Selbstverwirklichung, selbst wenn er in einer niedrigen
Familie wie der eines candala (Hundeessers) geboren
wurde. Ein solcher Mensch muss alle Arten von tapasya
und Opfern in Übereinstimmung mit den vedischen
Ritualen ausgeführt und viele, viele Male die vedischen
Schriften studiert haben, nachdem er an allen heiligen
Pilgerstntten gebadet hatte. Daher muss er als der
vortrefflichste der Aryan-Familie angesehen werden."
Man muss deshalb intelligent genug sein, den Zweck der
Veden zu verstehen, ohne nur an den Ritualen zu haften,
und man darf nicht danach trachten, zu den himmlischen
Königreichen erhoben zu werden, um eine höhere Form der
Sinnenbefriedigung zu genießen. Es ist in diesem Zeitalter
dem gewöhnlichen Menschen nicht möglich, alle Regeln
und Vorschriften der vedischen Rituale und die
Anweisungen des Vedanta und der Upanisaden zu
befolgen. Es erfordert viel Zeit, Energie, Wissen und
Mittel, die Forderungen der Veden zu erfüllen. Dies ist im
gegenwnrtigen Zeitalter kaum möglich.
Das höchste Ziel der vedischen Kultur wird jedoch erreicht,
wenn man den Heiligen Namen des Herrn chantet, wie es
Sri Caitanya, der Befreier aller gefallenen Seelen, empfahl.
Als Sri Caitanya von dem großen vedischen Gelehrten
Prakasananda Sarasvatí gefragt wurde, warum Er, anstatt
die Veden zu studieren, wie ein mentaler Träumer den
Heiligen Namen des Herrn chante, entgegnete der Herr,
Sein spiritueller Meister habe Ihn für einen großen Narren
befunden und Ihn daher angewiesen, den Heiligen Namen
Sri Krsnas zu chanten. Er tat dies und befand sich von da an
in ständiger Ekstase, so dass Ihn die Menschen für verrückt
hielten. Im Zeitalter des Kali ist der größte Teil der
Bevölkerung töricht und nicht genügend gebildet, die
Vedanta-Philosophie zu verstehen; doch der Sinn und
Zweck der Vedanta-Philosophie wird erfüllt, wenn man den
Heiligen Namen des Herrn ohne Vergehen chantet. Der
Vedanta bildet die letzte Stufe des vedischen Wissens, und
der Verfasser und Kenner der Vedanta-Philosophie ist Sri
Krsna Selbst. Und ein Meister des Vedanta ist jene große
Seele, die Freude daran findet, den Heiligen Namen des
Herrn zu chanten. Das ist der letztliche Sinn aller vedischen
Mystik.

VERS 47
Du hast das Recht, deine vorgeschriebene Pflicht zu
erfüllen, aber du hast keinen Anspruch auf die Früchte
des Handelns. Halte dich niemals für die Ursache der
Ergebnisse deiner Tätigkeiten, und hafte niemals daran,
deine Pflicht nicht zu erfüllen.
ERLÄUTERUNG
Hier wird von drei Dingen gesprochen, nämlich von
vorgeschriebenen Pflichten, launenhafter Arbeit und
UnTätigkeit. Unter vorgeschriebenen Pflichten versteht man
Tätigkeiten, die ausgeführt werden müssen, solange man
sich unter dem Einßluss der Erscheinungsweisen der
materiellen Natur befindet. Unter launenhafter Arbeit
versteht man Handlungen, die ohne Einwilligung einer
Autorität ausgeführt werden, und Untätigkeit bedeutet,
seine vorgeschriebenen Pflichten nicht zu erfüllen. Der
Herr gab Arjuna den Rat, nicht untätig zu sein, sondern
seine vorgeschriebene Pflicht zu erfüllen, ohne am
Ergebnis zu haften. Wer am Ergebnis seiner Arbeit haftet,
ist auch die Ursache der Handlung und muss daher das
Ergebnis genießen oder erleiden.
Was vorgeschriebene Pflichten betrifft, so können sie in
drei Unterteilungen gegliedert werden, nämlich
Routinearbeit, Arbeit im Notfall und wunschgemäße
Tätigkeiten. Routinearbeit nach den Anordnungen der
Schriften wird ohne Verlangen nach Ergebnissen
ausgeführt. Obligatorische Arbeit befindet sich in der
Erscheinungsweise der Tugend, da man zu ihrer
Ausführung genötigt ist. Arbeit um der Ergebnisse willen
wird die Ursache von Bindung; deshalb ist solche Arbeit
nicht vorteilhaft. Jeder hat ein Anrecht auf die Erfüllung
vorgeschriebener Pflichten, doch sollte er ohne Anhaftung
an das Ergebnis handeln. Solch uneigennützige,

obligatorische Pflichten führen einen ohne Zweifel auf den
Pfad der Befreiung.
Krsna gab deshalb Arjuna den Rat, aus reiner
Pflichterfüllung zu kämpfen, ohne am Ergebnis zu haften.
Würde er an der Schlacht nicht teilnehmen, wäre dies eine
andere Form der Anhaftung. Solches Anhaften führt einen
niemals auf den Pfad der Erlösung. Jedes Anhaften - ob
positiv oder negativ - ist die Ursache für Bindung.
UnTätigkeit ist sündhaft. Daher war Kämpfen aus reiner
Pflichterfüllung der einzig glückverheißende Pfad der
Erlösung für Arjuna.

VERS 48
Sei fest im yoga verankert, o Arjuna. Erfülle deine
Pflicht, und gib alle Anhaftung an Erfolg oder
Mißerfolg auf. Solche Ausgeglichenheit des Geistes wird
yoga genannt.
ERLÄUTERUNG
Krsna sagt zu Arjuna, er solle in yoga handeln. Was ist nun
dieser yoga? Yoga bedeutet, den Geist auf den Höchsten zu
richten, indem man die ständig störenden Sinne meistert.
Und wer ist der Höchste? Der Höchste ist der Herr. Und da
Er Selbst Arjuna anweist zu kämpfen, hat Arjuna mit den
Ergebnissen des Kampfes nichts zu tun. Gewinn oder Sieg
sind Krsnas Sache; Arjuna ist nur angewiesen, nach dem
Gebot Krsnas zu handeln.
Krsnas Gebot zu folgen ist wirklicher yoga, und dies wird
in dem Vorgang praktiziert, den man Krsna-Bewusstsein
nennt. Allein durch Krsna-Bewusstsein kann man die
Vorstellung, irgend etwas zu besitzen, aufgeben. Man muss
der Diener Krsnas oder der Diener des Dieners von Krsna
werden. Das ist der richtige Weg, seine Pflicht im Krsna-
Bewusstsein zu erfüllen, das einem helfen kann, in yoga zu
handeln.
Arjuna ist ein ksatriya und gehört als solcher zur
Einrichtung des varnasrama-dharma. Im Visnu Purana
(3.8.9) heißt es, dass im varnasrama-dharma das ganze Ziel
darin besteht, Visnu zufriedenzustellen. Niemand soll sich
selbst zufriedenstellen, wie es in der materiellen Welt die
Regel ist, sondern man soll Krsna erfreuen. Solange man
also nicht Krsna zufriedenstellt, kann man die Prinzipien
des varnasrama-dharma nicht richtig befolgen. Indirekt
wurde Arjuna nahegelegt, so zu handeln, wie Krsna es ihm
sagte.

VERS 49
O Dhanaijaya, befreie dich von allen fruchtbringenden
Tätigkeiten durch hingebungsvollen Dienst, und ergib
dich völlig in dieses Bewusstsein. Diejenigen, die die
Früchte ihrer Arbeit genießen wollen, sind Geizhälse.
ERLÄUTERUNG
Wer seine wesensgemäße Stellung als ewiger Diener des
Herrn wirklich verstanden hat, gibt alle anderen
Beschäftigungen außer den Tätigkeiten im Krsna-
Bewusstsein auf. Wie schon erklärt wurde, bedeutet buddhiyoga
transzendentaler liebender Dienst für den Herrn.
Solch hingebungsvoller Dienst ist die richtige
Handlungsweise für das Lebewesen. Nur Geizhälse wollen
die Frucht ihrer Arbeit genießen, wodurch sie nur noch
mehr in die materielle Knechtschaft verstrickt werden.
Außer Arbeit im Krsna-Bewusstsein sind alle Tätigkeiten
verabscheuenswert, da sie den Handelnden fortgesetzt an
den Kreislauf von Geburt und Tod binden. Man sollte daher
niemals den Wunsch haben, selbst die Ursache von Arbeit
zu sein. Alles sollte im Krsna-Bewusstsein getan werden,
um Krsna zu erfreuen. Geizhälse wissen nicht, wie sie
Besitztümer verwenden sollen, die sie durch glückliche
Umstände oder harte Arbeit erwerben. Man sollte alle
Energien verwenden, um im Krsna-Bewusstsein zu arbeiten;
das wird unser Leben erfolgreich machen. Unglückselige
Menschen stellen, wie die Geizhnlse, ihre menschliche
Energie nicht in den Dienst des Herrn.

VERS 50
Jemand, der im hingebungsvollen Dienst Tätig ist,
befreit sich schon in diesem Leben sowohl von guten als
auch von schlechten Reaktionen. Deshalb strebe nach
yoga, o Arjuna, der Kunst aller Arbeit.
ERLÄUTERUNG
Seit unvordenklicher Zeit hat jedes Lebewesen die
verschiedenen Reaktionen auf seine gute und schlechte
Arbeit angesammelt. So ist es zu erklären, dass es sich
fortgesetzt in Unwissenheit über seine eigentliche,
wesensgemäße Stellung befindet. Diese Unwissenheit kann
durch die Unterweisung der Bhagavad-Gita beseitigt
werden, die uns lehrt, sich Sri Krsna in jeder Hinsicht zu

ergeben und so von der Geburt für Geburt drohenden
Preisgabe an Aktion und Reaktion frei zu werden. Arjuna
wird daher der Rat gegeben, im Krsna-Bewusstsein zu
handeln, dem Vorgang, durch den man sich von Reaktionen
auf vergangene Handlungen befreien kann.

VERS 51
Die Weisen, die im hingebungsvollen Dienst Tätig sind,
suchen Zuflucht beim Herrn und befreien sich aus dem
Kreislauf von Geburt und Tod, indem sie den Früchten
des Handelns in der materiellen Welt entsagen. Auf
diese Weise können sie jenen Ort erreichen, der jenseits
aller Leiden liegt.
ERLÄUTERUNG
Die befreiten Lebewesen suchen jenen Ort auf, an dem es
keine mat. Leiden gibt. Im Bhagavatam (10.14.58) heißt es:
"Für jemand, der das Boot der Lotosfüße des Herrn
bestiegen hat - welcher der kosmischen Manifestation
Zuflucht gewährt und welcher berühmt ist als Mukunda
oder derjenige, der mukti gewährt -, für ihn ist der Ozean
der materiellen Welt wie das Wasser im Hufabdruck eines
Kalbes. Param padam oder Vaikunòha, wo es keine
materiellen Leiden gibt, ist sein Ziel, und nicht der Ort, an
dem auf Schritt und Tritt Gefahr lauert."
Aufgrund von Unwissenheit weiß man nicht, dass die
materielle Welt ein leidvoller Ort ist, wo auf Schritt und
Tritt Gefahren drohen. Nur aus Unwissenheit versuchen
weniger intelligente Menschen, sich durch fruchtbringende
Tätigkeiten der Situation anzupassen, in dem Glauben, die
sich ergebenden Handlungen würden sie glücklich machen.
Sie wissen nicht, dass ihnen keine Art von materiellem
Körper irgendwo im Universum ein Leben ohne Leiden
geben kann. Die Leiden des Lebens, nämlich Geburt, Tod,
Alter und Krankheiten, treten überall in der materiellen
Welt auf. Wer aber seine wirkliche, wesensgemäße Stellung
als der ewige Diener des Herrn versteht und somit die
Position der Persönlichkeit Gottes kennt, betätigt sich im
transzendentalen liebenden Dienst des Herrn. Folglich wird
er befähigt, in die Vaikunòha-Planeten einzugehen, wo es
weder ein materielles, leidvolles Leben noch den Einßluss
von Zeit und Tod gibt. Seine wesensgemäße Stellung zu
kennen bedeutet, auch die erhabene Position des Herrn zu
kennen. Wer fälschlich glaubt, die Stellung des Lebewesens
und die des Herrn befänden sich auf der gleichen Ebene, ist
von Dunkelheit umgeben und daher nicht imstande, sich im
hingebungsvollen Dienst des Herrn zu betätigen. Er wird
selbst zu einem "Herrn" und ebnet sich so den Weg zur
Wiederholung von Geburt und Tod. Wer aber versteht, dass
es seine Position ist zu dienen, stellt sich in den Dienst des
Herrn und wird sofort geeignet, nach Vaikunthaloka zu
gehen. Dienst im Interesse des Herrn wird karma-yoga
bzw. buddhi-yoga oder, in einfachen Worten,
hingebungsvoller Dienst für den Herrn genannt.

VERS 52
Wenn deine Intelligenz aus dem dichten Wald der
Täuschung herausgetreten ist, wirst du gleichgültig
werden gegenüber allem, was gehört worden und was
noch zu hören ist.
ERLÄUTERUNG
Es gibt viele gute Beispiele aus dem Leben großer
Geweihter des Herrn, denen die Rituale der Veden einfach


durch hingebungsvollen Dienst für den Herrn gleichgültig
wurden. Wenn jemand Krsna und seine Beziehung zu
Krsna wirklich versteht, werden ihm, selbst wenn er ein
erfahrener brahmana ist, natürlicherweise die Rituale
fruchtbringender Tätigkeiten völlig gleichgültig. Sri
Madhavendra Purí, ein großer Gottgeweihter und acarya in
der Nachfolge der Gottgeweihten, sagt:
"O Herr, in meinen Gebeten preise ich dreimal täglich
Deinen höchsten Ruhm. Während ich mein Bad nehme,
erweise ich Dir meine Ehrerbietungen. O Halbgötter! O
Vorväter! Bitte entschuldigt meine Unfähigkeit, euch meine
Achtung zu erweisen. Wo immer ich jetzt sitze, kann ich
mich an den großen Nachfahren der Yadu-Dynastie
[Krsna], den Feind Kamsas, erinnern, und so kann ich mich
von allen sündhaften Bindungen befreien. Ich denke, dass
dies für mich ausreicht."
Die vedischen Riten und Rituale sind für Neulinge
unbedingt erforderlich: dreimal täglich alle möglichen
Gebete sprechen, frühmorgens ein Bad nehmen, den
Vorvätern Achtung erweisen usw. Wenn man aber völlig
im Krsna-Bewusstsein verankert und im transzendentalen
liebenden Dienst des Herrn Tätig ist, werden einem all diese
regulierenden Prinzipien gleichgültig, da man die
Vollkommenheit bereits erreicht hat. Wenn man die Ebene
des Verstehens durch Dienst für den Höchsten Herrn, Sri
Krsna, erreichen kann, braucht man nicht länger
verschiedene Arten von tapasya und Opfern auszuführen,
wie in den offenbarten Schriften empfohlen wird. Und
wenn man auf der anderen Seite nicht verstanden hat, dass
der Zweck der Veden darin besteht, Krsna zu erreichen, und
einfach nur Rituale usw. vollzieht, verschwendet man mit
solchen Beschäftigungen nutzlos seine Zeit. Menschen im
Krsna-Bewusstsein überschreiten die Grenze des sabdabrahma
oder des Bereichs der Veden und Upanisaden.

VERS 53
Wenn dein Geist nicht länger von der blumigen Sprache
der Veden verwirrt ist und fest in der Trance der
Selbstverwirklichung verankert bleibt, dann wirst du
das göttliche Bewusstsein erreicht haben.
ERLÄUTERUNG
Wenn man sagt, jemand sei in samadhi, bedeutet dies, dass
er Krsna-Bewusstsein vollständig verwirklicht hat; das
heißt: Wer völlig in samadhi versunken ist, hat Brahman,
Paramatma und Bhagavan erkannt. Die höchste
Vollkommenheit der Selbstverwirklichung ist die
Erkenntnis, dass man ewig Krsnas Diener ist und dass man
nur die eine Aufgabe hat, seine Pflichten im Krsna-
Bewusstsein zu erfüllen. Ein Krsna-bewusster Mensch, das
heißt ein unerschütterlicher Gottgeweihter, sollte sich nicht
durch die blumige Sprache der Veden stören lassen, noch
sollte er fruchtbringenden Tätigkeiten nachgehen, um sich
zum himmlischen Königreich zu erheben. Im Krsna -
Bewusstsein kommt man unmittelbar mit Krsna in
Verbindung, und so können auf dieser transzendentalen
Ebene alle Weisungen Krsnas verstanden werden. Es ist
sicher, dass man durch solches Tun Ergebnisse erreicht und
schlüssiges Wissen erlangt. Man braucht nur die
Anweisungen Krsna oder Seines Stellvertreters, des
spirituellen Meisters, ausführen.


VERS 54
Arjuna sprach: O Kesava, welche Merkmale weist
jemand auf, dessen Bewusstsein in die Transzendenz
eingegangen ist? Wie und worüber spricht er? Wie sitzt
er und wie geht er?
ERLÄUTERUNG
So wie jeder Mensch seiner jeweiligen Lage gemäß
besondere, ihn kennzeichnende Züge aufweist, so hat in
ähnlicher Weise auch jemand, der Krsna-bewusst ist, sein
besonderes Wesen - Reden, Gehen, Denken, Fühlen usw.
So wie ein reicher Mann bestimmte Merkmale hat, durch
die man ihn als Reichen kennt; so wie ein Kranker gewisse
Symptome hat, die ihn als krank kennzeichnen, oder wie
ein Gelehrter seine Besonderheiten hat, so hat ein Mann im
transzendentalen Bewusstsein von Krsna besondere
Merkmale in seinen verschiedenen Verhaltensweisen. Man
kann seine besonderen Merkmale aus der Bhagavad-Gita
erfahren. Am wichtigsten ist, wie der Mann im Krsna-
Bewusstsein spricht, denn Sprache ist die wichtigste
Eigenschaft jedes Menschen. Man sagt, ein Esel bleibe
unentdeckt, solange er nicht rede, und gewiss kann man
einen gutgekleideten Esel nicht erkennen, solange er nicht
spricht; doch sobald er den Mund öffnet, zeigt er sein
wahres Gesicht. Das unmittelbare Merkmal eines Krsnabewussten
Menschen ist, dass er nur über Krsna und mit
Krsna verbundene Themen spricht. Andere Kennzeichen
folgen dann von selbst, wie in den folgenden Versen
beschrieben wird.

VERS 55
Der Höchste Herr sprach: O Partha, wenn ein Mensch
alle Arten von Sinnesbegierden aufgibt, die
gedanklicher Überlegung entspringen, und wenn sein
Geist im Selbst allein Befriedigung findet, dann sagt
man von ihm, er sei in reinem transzendentalem
Bewusstsein verankert.
ERLÄUTERUNG
Das Bhagavatam bestätigt, dass jeder, der völlig im Krsna-
Bewusstsein oder hingebungsvollen Dienst des Herrn
verankert ist, alle guten Eigenschaften der großen Weisen
besitzt, wohingegen jemand, der nicht auf solch
transzendentale Weise verankert ist, keine guten
Eigenschaften hat, weil er sich mit Sicherheit in seine
eigenen gedanklichen Überlegungen flüchtet. Folglich wird
hier ganz richtig gesagt, dass man alle Arten von
Sinnenwünschen, die gedanklichen Überlegungen
entspringen, aufgeben muss. Künstlich kann man solche
Sinnenwünsche nicht einstellen. Wenn man aber im Krsna-
Bewusstsein Beschäftigt ist, dann lassen Sinnenwünsche
ohne zusätzliche Bemühungen von selbst nach. Deshalb
muss man sich ohne Zögern im Krsna-Bewusstsein
betätigen, denn solch hingebungsvoller Dienst wird einem
augenblicklich helfen, auf die Ebene transzendentalen
Bewusstseins zu gelangen. Die hochentwickelte Seele bleibt
immer in sich selbst zufrieden, da sie sich als der ewige
Diener des Höchsten Herrn erkennt. Eine auf diese Weise
in der Transzendenz verankerte Seele hat keine
Sinnenwünsche, die niedrigem Materialismus entspringen;
vielmehr bleibt sie immer glücklich in ihrer natürlichen
Stellung, ewig dem Höchsten Herrn zu dienen.



VERS 56
Wer trotz der dreifachen Leiden nicht verwirrt ist, nicht
von Freude überwältigt wird, wenn er Glück erfährt,
und frei von Anhaftung, Angst und Zorn ist, wird ein
Weiser mit stetigem Geist genannt.
ERLÄUTERUNG
Das Wort muni bezeichnet einen Menschen, der seinen
Geist mit den verschiedensten gedanklichen Spekulationen
aufrührt, ohne zu einer tatsächlichen Schlussfolgerung zu
kommen. Man sagt, jeder muni habe eine andere
Betrachtungsweise, und solange sich ein muni nicht von
anderen munis unterscheide, könne man ihn
strenggenommen nicht als muni bezeichnen. Nasau munir
yasya matam na binnam. Aber ein sthita-dhi-muni, wie er
hier vom Herrn erwähnt wird, unterscheidet sich von einem
gewöhnlichen muni. Der sthita-dhí-muni ist immer im
Krsna-Bewusstsein verankert, denn seine Versuche kreativer
Spekulation haben sich erschöpft. Er hat die Stufe
gedanklicher Spekulationen hinter sich gelassen und ist zu
dem Schluss gekommen, dass der Herr, Sri Krsna oder
Vasudeva, alles ist. Ihn nennt man einen muni mit
gefestigtem Geist. Ein solch völlig Krsna-bewusster Mensch
fühlt sich durch die Angriffe der dreifachen Leiden
keineswegs gestört, denn er betrachtet alle Leiden als die
Barmherzigkeit des Herrn. Er findet es angemessen,
aufgrund seiner vergangenen schlechten Taten mehr
Unannehmlichkeiten zu bekommen, und er sieht, dass seine
Leiden durch die Gnade des Herrn bis auf ein Mindestmaß
verringert sind. In ähnlicher Weise dankt er, wenn er
glücklich ist, dem Herrn für solche Güte und denkt, dass er
dieses Glück nicht verdient habe. Er erkennt, dass er sich
nur durch die Gnade des Herrn in einer solch angenehmen
Lage befindet und imstande ist, dem Herrn besser zu
dienen. Und um dem Herrn zu dienen, ist er immer
unerschrocken und aktiv und lässt sich nicht von Anhaftung
oder Ablehnung beEinßlussen. Anhaftung bedeutet, Dinge
für seine eigene Sinnenbefriedigung anzunehmen, und
Losgelöstsein bedeutet das Fehlen einer solch sinnlichen
Anhaftung. Wer aber im Krsna-Bewusstsein verankert ist,
kennt weder Anhaftung noch Loslösung, da er sein Leben
dem Dienst des Herrn geweiht hat. Folglich ist er niemals
ärgerlich - auch dann nicht, wenn seine Versuche erfolglos
sind. Ein Krsna-bewusster Mensch ist in seiner
Entschlossenheit immer beständig.

VERS 57
Wer frei von Anhaftung ist und nicht frohlockt, wenn
ihm Gutes widerfährt, noch jammert, wenn ihm Übles
geschieht, ist fest in vollkommenem Wissen verankert.
ERLÄUTERUNG
In der materiellen Welt finden ständig Veränderungen statt,
die gut oder schlecht sein mögen. Wer durch solche
materiellen Veränderungen nicht beunruhigt wird, das
heißt, wer sich von Gut und Schlecht nicht beeinflussen
lässt, gilt als im Krsna-Bewusstsein gefestigt. Solange man
sich in der materiellen Welt befindet, wird es immer Gutes
und Schlechtes geben, denn diese Welt ist voller Dualität.
Wer jedoch im Krsna-Bewusstsein gefestigt ist, wird von
Gut und Schlecht nicht beeinflußt, da es ihm nur um Krsna
geht, der absolut und allgut ist. Ein solches in Krsna
ruhendes Bewusstsein versetzt einen in eine vollkommene,
transzendentale Stellung, die man technisch als samadhi
bezeichnet.

VERS 58
Wer imstande ist, seine Sinne von den Sinnesobjekten
zurückzuziehen, so wie die Schildkröte ihre Glieder in
den Panzer einzieht, gründet in wirklichem Wissen.
ERLÄUTERUNG
Der Prüfstein für einen yogí, einen Gottgeweihten oder eine
selbstverwirklichte Seele ist die Fähigkeit, die Sinne nach
Plan zu beherrschen. Die meisten Menschen jedoch sind
Diener der Sinne und werden vom Diktat der Sinne gelenkt.
Das ist die Antwort auf die Frage nach der Stellung des
yogí. Die Sinne werden mit giftigen Schlangen verglichen.
Sie wollen zügellos und ohne Einschränkung Tätig sein. Der
yogí oder Gottgeweihte muss daher sehr stark sein, um die
Schlangen - wie ein Schlangenbeschwörer - beherrschen zu
können. Er gestattet ihnen niemals, unabhängig zu handeln.
Die offenbarten Schriften beinhalten viele Unterweisungen:
einige sind Verbote und andere sind Gebote. Solange man
nicht fähig ist, den Geboten und Verboten zu folgen und
sich von Sinnengenuss zurückzuhalten, ist es nicht möglich,
fest im Krsna-Bewusstsein verankert zu sein. Das beste
Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Schildkröte. Die
Schildkröte kann augenblicklich ihre Sinne zurückziehen
und diese zu jeder Zeit für bestimmte Zwecke wieder nach
außen richten. In ähnlicher Weise werden die Sinne Krsnabewusster
Menschen nur für einen bestimmten Zweck im
Dienste des Herrn benutzt und sind sonst zurückgezogen.
Wie man die Sinne immer im Dienst des Herrn
beschäftigen kann, wird an dem Vergleich der Schildkröte
deutlich, die ihre Gliedmaßen im Panzer zurückhalten kann.

VERS 59
Die verkörperte Seele mag zwar von Sinnenfreuden
zurückgehalten werden, doch der Geschmack für
Sinnesobjekte bleibt; wenn sie jedoch solche Neigungen
aufgibt, da sie einen höheren Geschmack erfährt, ist sie
im Bewusstsein gefestigt.
ERLÄUTERUNG
Solange man nicht in der Transzendenz verankert ist, ist es
nicht möglich, von SinnenGenuss abzulassen. Den Genuss
der Sinne durch Regeln und Regulierungen
einzuschränken, ist so etwas, wie einem Kranken den
Genuss bestimmter Speisen einzuschränken. Der Patient
jedoch liebt solche Einschränkungen nicht, noch verliert er
seinen Geschmack für diese Speisen. In ähnlicher Weise
wird die Einschränkung der Sinne durch einen spirituellen
Vorgang wie astanga-yoga, im Sinne von yama, niyama,
asana, pranayama, pratyahara, dharana, dhyana usw.,
weniger intelligenten Menschen empfohlen, die über kein
besseres Wissen verfügen. Wer aber im Verlauf seines
Fortschritts im Krsna-Bewusstsein die Schönheit des
Höchsten Herrn Sri Krsna gekostet hat, findet nicht länger
Geschmack an toten materiellen Dingen. Einschränkungen
sind daher für die weniger intelligenten Neulinge im
spirituellen Leben gedacht, doch sind solche
Einschränkungen nur gut, wer man tatsächlich den
Geschmack am Krsna-Bewusstsein hat. Wenn man
tatsächlich Krsna-bewusst ist, verliert man von selbst den
Geschmack an faden Dingen.

VERS 60
Die Sinne sind so stark und ungestüm, o Arjuna, dass sie
sogar den Geist eines Mannes gewaltsam fortreißen, der
Unterscheidungsvermögen besitzt und bemüht ist, sie zu
beherrschen.
ERLÄUTERUNG
Es gibt viele gelehrte Weise, Philosophen und
Transzendentalisten, die die Sinne zu meistern versuchen;
doch trotz ihrer Bemühungen fallen selbst die größten von
ihnen manchmal dem materiellen SinnenGenuss zum Opfer,
da ihr Geist erregt wurde. Selbst Visvamitra, ein großer
Weiser und vollkommener yogí, wurde von Menaka zu
sexuellem Genuss verleitet, obwohl er sich bemühte, mittels
schwerer tapasya und durch yoga-Übungen seine Sinne zu
beherrschen. Selbstverständlich gibt es noch viele andere,
ähnliche Beispiele in der Weltgeschichte. Es ist also sehr
schwierig, den Geist und die Sinne zu beherrschen, wenn
man nicht völlig Krsna-bewusst ist. Ohne den Geist mit
Krsna zu Beschäftigen, kann man von solch materiellen
Betätigungen nicht ablassen. Ein praktisches Beispiel wird
von Sri Yamunacarya, einem großen Heiligen und
Gottgeweihten, gegeben, der sagt: "Seitdem mein Geist im
Dienst der Lotosfüße Krsnas beschäftigt ist und ich eine
immer neue transzendentale Gemütsstimmung genieße,
wende ich mich augenblicklich ab, sobald ich an sexuelle
Beziehungen zu einer Frau denke, und ich speie auf den
Gedanken."
Krsna-Bewusstsein ist solch eine transzendental-wunderbare
Sache, dass materieller Genuss von selbst widerwnrtig wird.
Es ist so, als hätte ein Hungriger seinen Hunger mit einer
ausreichenden Menge nahrhafter Speisen gestillt. Maharaja
Ambarísa besiegte ebenfalls einen großen yogí, Durvasa
Muni, einfach dadurch, dass sein Geist im Krsna-
Bewusstsein Tätig war.

VERS 61
Wer seine Sinne zurückhält und sein Bewusstsein fest
auf Mich richtet, ist bekannt als ein Mensch von stetiger
Intelligenz.
ERLÄUTERUNG
In diesem Vers wird eindeutig erklärt, dass Krsna-
Bewusstsein die höchste Stufe in der Vollendung des yoga
ist. Ohne Krsna-bewusst zu sein, ist es keinesfalls möglich,
die Sinne zu meistern. Wie oben erwähnt wurde, fing der
große Weise Durvasa Muni mit Maharaja AmbarÖsa einen
Streit an, und weil Durvasa Muni aus Stolz unnötigerweise
zornig wurde, konnte er seine Sinne nicht beherrschen. Der
König dagegen, der kein so mächtiger yogí wie der Weise,
sondern ein Geweihter des Herrn war, ertrug geduldig alle
Ungerechtigkeiten des Weisen und ging dadurch siegreich
aus dem Streit hervor. Der König vermochte seine Sinne zu
beherrschen, weil er die folgenden Qualifikationen besaß,
die im Srimad-Bhagavatam (9.4.18-20) erwähnt werden:
"König Ambarísa richtete seinen Geist fest auf die
Lotosfüße Sri Krsnas; mit seinen Worten beschrieb er das
Reich des Herrn; mit seinen Hnnden reinigte er den Tempel
des Herrn; mit seinen Ohren hörte er über die Spiele des
Herrn; mit seinen Augen sah er die Gestalt des Herrn; mit
seinem Körper berührte er die Körper der Gottgeweihten;
mit seiner Nase atmete er den Duft der Blumen ein, die den
Lotosfüßen des Herrn geopfert waren; mit seiner Zunge
schmeckte er die tulasi-Blätter, die dem Herrn geopfert
waren; mit seinen Beinen pilgerte er zu den heiligen
Stntten, an denen Tempel des Herrn errichtet waren; mit
seinem Haupt brachte er dem Herrn Ehrerbietungen dar,
und mit seinen Wünschen erfüllte er die Wünsche des
Herrn. All diese Qualifikationen machten ihn geeignet, ein
mat-paraH-Geweihter des Herrn zu werden."
Das Wort mat-paraH ist in diesem Zusammenhang von
größter Bedeutung. Wie man ein mat-paraH werden kann,
wird am Leben Maharaja AmbarÖsas deutlich. Sri Baladeva
Vidyabhôsana, ein großer Gelehrter und acarya in der
Linie der mat-paraH, bemerkt hierzu:
"Die Sinne können nur durch die Kraft des
hingebungsvollen Dienstes für Krsna vollständig gemeistert
werden."
Manchmal wird auch das Beispiel des Feuers angeführt:
"So wie kleine ßammen alles in einem Zimmer
verbrennen, so verbrennt Sri Visnu, der im Herzen des yogí
weilt, alle Arten von Unreinheiten." Auch das Yoga-sôtra
schreibt die Meditation über Visnu, und nicht über die
Leere, vor. Die sogenannten yogís, die über etwas anderes
als die Form Visnus meditieren, verschwenden nur ihre Zeit
mit der vergeblichen Suche nach einem Trugbild. Wir
müssen Krsna-bewusst sein - der Persönlichkeit Gottes
geweiht. Das ist das Ziel des wirklichen yoga.

VERS 62
Beim Betrachten der Sinnesobjekte entwickelt der
Mensch Anhaftung an sie; aus solcher Anhaftung
entwickelt sich Lust, und aus Lust geht Zorn hervor.
ERLÄUTERUNG
Wer nicht Krsna-bewusst ist, wird materielle Wünsche
entwickeln, während er die Sinnesobjekte betrachtet. Die
Sinne brauchen richtige Betätigung, und wenn sie nicht im
transzendentalen liebenden Dienst des Herrn beschäftigt
sind, werden sie sich mit Sicherheit eine Beschäftigung im
Dienst des Materialismus suchen. In der materiellen Welt
ist jeder, selbst Siva und Brahma - von anderen Halbgöttern
auf den himmlischen Planeten ganz zu schweigen - dem
Einfluss der Sinnesobjekte unterworfen, und die einzige
Möglichkeit, dieser Verwirrung des materiellen Daseins zu
entkommen, besteht darin, Krsna-bewusst zu werden. Siva
befand sich in tiefer Meditation, doch als Parvatí ihn reizte,
mit ihr Sinnenfreude zu genießen, war er mit dem
Vorschlag einverstanden, und als Ergebnis wurde
Karttikeya geboren. Als Haridasa Thakura noch ein junger
Geweihter des Herrn war, wurde er von der Inkarnation
Maya DevÖs in ähnlicher Weise in Versuchung geführt,
aber Haridasa bestand die Prüfung mit Leichtigkeit dank
seiner unverfälschten Hingabe an Sri Krsna. Wie in dem
oben erwähnten Vers von Sri Yamunacarya deutlich wird,
verabscheut ein aufrichtiger Geweihter des Herrn jeden
materiellen Sinnengenuss, da er durch den spirituellen
Genuss der Gemeinschaft des Herrn einen höheren
Geschmack erfährt. Das ist das Geheimnis des Erfolges.
Wer daher nicht Krsna-bewusst ist, wird letztlich mit
Sicherheit scheitern - gleichgültig wie er seine Sinne durch
künstliche Verdrängung beherrschen mag -, denn schon der
geringste Gedanke an Sinnenfreude wird ihn dazu treiben,
seine Begierden zu befriedigen.
VERS 63
Aus Zorn entsteht Täuschung, und der Täuschung folgt
die Verwirrung der Erinnerung. Wenn die Erinnerung
verwirrt ist, geht die Intelligenz verloren, und wenn die
Intelligenz verloren ist, fällt man wieder in den
materiellen Sumpf zurück.
ERLÄUTERUNG
Durch die Entwicklung von Krsna-Bewusstsein kann man
erkennen, dass alles seine Verwendung im Dienst des Herrn
hat. Diejenigen, die kein Wissen vom Krsna-Bewusstsein
haben, versuchen auf künstliche Weise, materielle Objekte
zu vermeiden, und erreichen folglich, obwohl sie nach
Befreiung aus der materiellen Knechtschaft streben, nicht
die vollkommene Stufe der Entsagung. Im Gegensatz dazu
weiß ein Krsna-bewusster Mensch, wie man alles im
Dienste Krsnas verwenden kann; deshalb fällt er dem
materiellen Bewusstsein nicht zum Opfer. Für einen
Unpersönlichkeitsphilosophen zum Beispiel kann der Herr
oder das Absolute, da unpersönlich, nicht essen. Während
ein Unpersönlichkeitsanhänger bemüht ist,
wohlschmeckende Speisen zu vermeiden, weiß der
Gottgeweihte, dass Krsna der höchste Genießer ist und dass
Er alles ißt, was Ihm mit Hingabe geopfert wird. Nachdem
also der Gottgeweihte dem Herrn schmackhafte Speisen
geopfert hat, ißt er die Überreste, die man prasada nennt.
Auf diese Weise wird alles spiritualisiert, und es besteht
nicht die Gefahr, zu Fall zu kommen. Der Gottgeweihte ißt
prasada im Krsna-Bewusstsein, was der Nichtgottgeweihte
als etwas Materielles ablehnt. Der
Unpersönlichkeitsanhänger kann daher wegen seiner
künstlichen Entsagung das Leben nicht genießen, und aus
diesem Grund zieht ihn schon die geringste Erregung des
Geistes wieder in den Sumpf des materiellen Daseins hinab.
Es heißt, dass eine solche Seele, obwohl sie sogar bis zur
Stufe der Befreiung aufsteigen mag, wieder zu Fall kommt,
da sie nicht durch hingebungsvollen Dienst gestützt wird.

VERS 64
Wer seine Sinne meistern kann, indem er den
regulierenden Prinzipien der Freiheit folgt, kann die
volle Barmherzigkeit des Herrn erlangen und so von
aller Anhaftung und Abneigung frei werden.
ERLÄUTERUNG
Es wurde bereits erklärt, dass man die Sinne durch einen
künstlichen Vorgang zwar oberflächlich beherrschen mag,
dass aber, solange die Sinne nicht im transzendentalen
Dienst des Herrn beschäftigt sind, immer die Möglichkeit
besteht, wieder zu Fall zu kommen. Auch wenn es so
erscheinen mag, als befinde sich ein völlig Krsna-bewusster
Mensch auf der sinnlichen Ebene, ist er dennoch, dank
seines Krsna-Bewusstseins, sinnlichen Tätigkeiten nicht
verhaftet. Dem Krsna-bewussten Menschen geht es nur
darum, Krsna zufriedenzustellen, um nichts anderes.
Deshalb steht er zu aller Anhaftung in transzendentaler
Stellung. Wenn Krsna es wünscht, kann der Gottgeweihte
alles tun, was gewöhnlich unangenehm wäre, und wenn
Krsna es nicht wünscht, wird er nicht das tun, was er
gewöhnlich zu seiner eigenen Befriedigung getan hätte.
Deshalb wacht er darüber, was er tut und was er nicht tut,
denn er handelt nur unter der Führung Krsnas. Dieses
Bewusstsein ist die grundlose Barmherzigkeit des Herrn, die
der Gottgeweihte trotz seiner Anhaftung an die sinnliche
Ebene erlangen kann.
VERS 65
Für jemand, der so im göttlichen Bewusstsein gründet,
existieren die dreifachen Leiden des materiellen Daseins
nicht länger, und in einem solch glücklichen Zustand
wird seine Intelligenz sehr bald stetig.

VERS 66
Wer nicht im transzendentalen Bewusstsein gründet,
kann weder einen beherrschten Geist noch stetige
Intelligenz besitzen, ohne die keine Möglichkeit zum
Frieden besteht. Und wie kann es Glück ohne Frieden
geben?
ERLÄUTERUNG
Solange man nicht Krsna-bewusst ist, besteht keine
Möglichkeit zum Frieden. Im neunundzwanzigsten Vers
des Fünften Kapitels wird bestätigt, dass man nur dann
wirklichen Frieden finden kann, wenn man versteht, dass
Krsna der einzige Genießer aller guten Ergebnisse von
Opfern und tapasya, der Eigentümer aller universalen
Manifestationen und der wirkliche Freund aller Lebewesen
ist. Daher kann es, wenn man nicht Krsna-bewusst ist, kein
endgültiges Ziel für den Geist geben. Störung ist auf das
Fehlen eines endgültigen Ziels zurückzuführen, und wenn
man die Gewissheit hat, dass Krsna der Genießer,
Eigentümer und Freund jedes Wesens und aller Dinge ist,
kann man mit stetigem Geist Frieden finden. Wer daher
ohne eine Beziehung zu Krsna Tätig ist, muss sicherlich
immerzu leiden und kennt keinen Frieden, mag er auch
noch so bemüht sein, Frieden und spirituellen Fortschritt im
Leben zur Schau zu stellen. Im Krsna-Bewusstsein
manifestiert sich von selbst ein friedvoller Zustand, der nur
in Beziehung zu Krsna erreicht werden kann.

VERS 67
Gleich einem Boot auf dem Wasser, das von einem
Sturm hinweggerissen wird, kann die Intelligenz des
Menschen schon von einem der Sinne davongetragen
werden, auf den der Geist sich richtet.
ERLÄUTERUNG
Solange nicht alle Sinne im Dienst des Herrn beschäftigt
sind, kann schon ein einziger von ihnen, der nach seiner
eigenen Befriedigung trachtet, den Gottgeweihten vom
Pfad des transzendentalen Fortschritts abbringen. Wie am
Leben Maharaja Ambarisas deutlich wurde, müssen alle
Sinne im Krsna-Bewusstsein Beschäftigt sein, das ist die
richtige Methode, den Geist zu beherrschen.

VERS 68
Daher, o Starkarmiger, verfügt jemand, dessen Sinne
von ihren Objekte zurückgezogen sind, über stetige
Intelligenz.
ERLÄUTERUNG
So wie Feinde nur durch überlegene Stärke bezwungen
werden können, so können die Sinne durch keine
menschliche Bemühung bezwungen werden, sondern nur,
indem man sie ständig im Dienst des Herrn Beschäftigt.
Wer dies verstanden hat, dass man nämlich nur durch
Krsna-Bewusstsein auf der Ebene der Intelligenz wirklich
gefestigt ist und dass man diese Kunst unter der Führung
eines echten spirituellen Meisters erlernen sollte, wird als
sadhaka bezeichnet oder jemand, der geeignet ist, befreit zu
werden.

VERS 69
Was Nacht ist für alle Wesen, ist die Zeit des Erwachens
für den Selbstbeherrschten, und die Zeit des Erwachens
für alle Wesen ist Nacht für den nach innen gekehrten
Weisen.
ERLÄUTERUNG
Es gibt zwei Arten von intelligenten Menschen. Der eine ist
intelligent, soweit es materielle Tätigkeiten für
Sinnenbefriedigung betrifft, und der andere ist nach innen
gewandt und sich der Notwendigkeit bewusst,
Selbsterkenntnis zu kultivieren. Tätigkeiten des nach innen
gekehrten Weisen oder nachdenklichen Mannes sind
"Nacht" für Menschen, die nur an materielle Dinge denken.
Materialistische Menschen schlafen in einer solchen
"Nacht", da sie von Selbstverwirklichung nichts wissen.
Der nach innen gewandte Weise bleibt in der "Nacht" der
materialistischen Menschen wach. Der Weise empfindet
transzendentale Freude bei seinem allmählichen Fortschritt
spiritueller Kultur, wohingegen jemand, der
materialistischen Tätigkeiten nachgeht, von Sinnenfreuden
aller Art träumt, da er seine Selbstverwirklichung verschläft
und sich in seinem Schlafzustand manchmal glücklich und
manchmal unglücklich fühlt. Der nach innen gekehrte
Mensch steht materialistischem Glück und Leid immer
gleichgültig gegenüber. Ungestört von materieller
Reaktion, geht er seinen Tätigkeiten nach, die ihn zur
Selbstverwirklichung führen.

VERS 70
Nur wer durch die unaufhörliche Flut von Wünschen
nicht gestört ist - die wie Flüsse in den Ozean münden,
der ständig gefüllt wird, doch immer ruhig bleibt -,
kann Frieden erlangen, und nicht derjenige, der danach
trachtet, solche Wünsche zu befriedigen.
ERLÄUTERUNG
Obwohl der weite Ozean immer mit Wasser gefüllt ist, wird
er, vor allem während der Regenzeit, mit noch viel mehr
Wasser gefüllt. Aber der Ozean bleibt der gleiche -
unbewegt; er wird nicht beunruhigt, noch tritt er jemals
über seine Ufer. Dieses Beispiel trifft auch auf einen
Menschen zu, der im Krsna-Bewusstsein gefestigt ist.
Solange man den materiellen Körper hat, werden die
Forderungen des Körpers nach Sinnenbefriedigung
bestehenbleiben, doch der Gottgeweihte ist durch solche
Wünsche nicht gestört, da er in sich selbst zufrieden ist. Ein
Krsna-bewusster Mensch kennt keinen Mangel, denn der
Herr sorgt für all seine materiellen Bedürfnisse. Daher ist er
wie der Ozean - immer in sich selbst erfüllt. Wünsche
mögen zu ihm kommen wie das Wasser der Flüsse, die in
den Ozean strömen, doch er bleibt stetig in seinen
Tätigkeiten und ist durch Wünsche nach
Sinnenbefriedigung nicht im geringsten gestört. Das ist der
Beweis dafür, dass jemand Krsna-bewusst ist: dass er alle
Neigungen zu materieller Sinnenbefriedigung verloren hat,
obwohl die Wünsche vorhanden sind. Da er im
transzendentalen liebenden Dienst des Herrn zufrieden ist,
kann er stetig bleiben wie der Ozean und daher
vollständigen Frieden genießen. Andere dagegen, die ihre
Wünsche bis zur Grenze der Befreiung erfüllen, erlangen,
ganz zu schweigen von materiellem Erfolg, niemals
Frieden. Die fruchtbringenden Arbeiter, die nach Erlösung
Suchenden und auch die yogís, die nach mystischen Kräften
trachten, sind alle unglücklich, weil ihre Wünsche nicht
erfüllt werden. Der Mensch im Krsna-Bewusstsein hingegen
ist im Dienst des Herrn glücklich, und er hat keine
Wünsche, die zu erfüllen ären. Ja, er wünscht sich nicht
einmal Befreiung aus der sogenannten materiellen
Knechtschaft. Die Geweihten Krsnas haben keine
materiellen Wünsche, und daher leben sie in
vollkommenem Frieden.



VERS 71
Jemand, der alle Wünsche nach Sinnenbefriedigung
aufgegeben hat, der frei von Wünschen ist, allen
Anspruch auf Besitz aufgegeben hat und frei von
falschem Ego ist - er allein kann wirklichen Frieden
erlangen.
ERLÄUTERUNG
Wunschlos zu werden bedeutet, nicht das geringste für die
Befriedigung der eigenen Sinne zu begehren. Mit anderen
Worten: Der Wunsch, Krsna-bewusst zu werden, ist wahre
Wunschlosigkeit. Seine eigentliche Stellung als der ewige
Diener Krsnas zu verstehen, ohne sich irrtümlich für den
materiellen Körper zu halten und ohne fälschlich auf irgend
etwas in der Welt einen Besitzanspruch zu erheben, ist die
vollkommene Stufe des Krsna-Bewusstseins. Wer auf dieser
vollkommenen Stufe verankert ist, weiß, dass Krsna der
Besitzer aller Dinge ist und dass daher alles verwendet
werden muss, um Krsna zufriedenzustellen. Arjuna weigerte
sich zu kämpfen, weil er an seine eigene Befriedigung
dachte, aber als er völlig Krsna-bewusst wurde, kämpfte er,
weil Krsna es von ihm verlangte. Für sich selbst hatte er
kein Verlangen zu kämpfen, aber für Krsna kämpfte der
gleiche Arjuna nach besten Kräften. Der Wunsch, Krsna
zufriedenzustellen, ist tatsächlich Wunschlosigkeit; es ist
kein künstlicher Versuch, Wünsche zu verdrängen. Das
Lebewesen kann nicht wunschlos oder sinnenlos sein; aber
es muss die Qualität seiner Wünsche ändern. Jemand, der
keine materiellen Wünsche mehr hat, weiß zweifellos, dass
alles Krsna gehört (Ösavasyam idam sarvam), und erhebt
daher nicht fälschlich einen Besitzanspruch auf irgend
etwas. Dieses transzendentale Wissen gründet auf
Selbsterkenntnis, nämlich dem unzweifelhaften
Versändnis, dass jedes Lebewesen seiner spirituellen
Identität nach ein ewiges Teilchen Krsnas ist und dass daher
die ewige Stellung des Lebewesens niemals auf der Ebene
Krsnas oder höher als Er ist. Dieses Verständnis vom
Krsna-Bewusstsein bildet die Grundlage wahren Friedens.

VERS 72
Das ist der Weg des spirituellen und gottgefälligen
Lebens. Nachdem man es erreicht hat, ist man nicht
mehr verwirrt. Ist man selbst zur Stunde des Todes in
diesem Bewusstsein verankert, kann man in das
Königreich Gottes eintreten.
ERLÄUTERUNG
Man kann Krsna-Bewusstsein oder göttliches Leben
augenblicklich erlangen - innerhalb einer Sekunde - oder
nicht einmal nach Millionen von Geburten. Es hängt nur
davon ab, ob man es versteht und annimmt. Khatvanga
Maharaja erreichte diese Stufe des Lebens erst Minuten vor
seinem Tod, indem er sich Krsna ergab. Nirvana bedeutet,
das materialistische Leben zu beenden. Der buddhistischen
Philosophie gemäß gibt es nach Beendigung des
materiellen Lebens nur Leere; aber die Bhagavad-Gita lehrt
etwas anderes. Nach Beendigung des materiellen Lebens
beginnt erst das wirkliche Leben. Für den groben
Materialisten genügt es zu wissen, dass man die
materialistische Lebensweise beenden muss; doch für
Menschen, die spirituell fortgeschritten sind, gibt es nach
diesem materialistischen Leben noch ein anderes Leben.
Wenn man vor Beendigung dieses Lebens das Glück hat,
Krsna-bewusst zu werden, erreicht man sogleich die Stufe
des brahma-nirvana. Es besteht kein Unterschied zwischen
dem Königreich Gottes und dem hingebungsvollen Dienst
des Herrn. Da sich beide auf der absoluten Ebene befinden,
hat man das spirituelle Königreich bereits erreicht, wenn
man im transzendentalen liebenden Dienst des Herrn Tätig
ist. In der materiellen Welt gibt es Tätigkeiten der
Sinnenbefriedigung, wohingegen es in der spirituellen Welt
Tätigkeiten des Krsna-Bewusstseins gibt. Krsna-Bewusstsein
zu erreichen bedeutet, sogar noch während dieses Lebens,
unmittelbar das Brahman zu erreichen. Ein im Krsna-
Bewusstsein verankerter Mensch ist mit Sicherheit bereits in
das Königreich Gottes eingetreten.
Brahman ist genau das Gegenteil von Materie. Daher
bedeutet brahmí sthitiH: "nicht auf der Ebene materieller
Tätigkeiten". Der hingebungsvolle Dienst des Herrn wird in
der Bhagavad-Gita als die befreite Stufe anerkannt. Folglich
bedeutet brahmí sthitiH Befreiung aus der materiellen
Knechtschaft.
Srila Rupa Bhaktivinoda Thakura hat erklärt, dass dieses Zweite
Kapitel der Bhagavad-Gita die Zusammenfassung des
gesamten Textes ist. In der Bhagavad-Gita werden karmayoga,
jnana-yoga und bhakti-yoga behandelt. Im Zweiten
Kapitel sind karma-yoga und jnana-yoga ausführlich
besprochen worden, und als Zusammenfassung des
gesamten Textes wurde auch bhakti-yoga kurz erwähnt.
Hiermit enden die Bhaktivedanta-ERLÄUTERUNGen zum
Zweiten Kapitel der Srimad-Bhagavad-Gita mit dem Titel:
"Inhalt der Gita zusammengefaßt".

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