Read: 1989 Aug 27, 19-Tage-Fest



UNIVERSALES HAUS DER GERECHTIGKEIT

19-Tage-Fest

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Jamál

An die Anhänger Bahá'u'lláhs

Liebe Bahá'í-Freunde,

in letzter Zeit waren das Neunzehntagefest und dessen Rahmen, Zweck und Entwicklungsmöglichkeiten das Thema vieler Anfragen von seiten der Freunde. Bei der Sechsten Internationalen Tagung wurde ein guter Teil der Beratung darauf verwendet, und wir meinen, daß es nun an der Zeit ist, von unserer Seite Klarstellungen zu unterbreiten.

Die Weltordnung Bahá'u'lláhs schließt alle Teile der menschlichen Gesellschaft in sich ein. Sie faßt die geistigen, administrativen und gesellschaftsbezogenen Entwicklungen des Lebens zu einem Ganzen zusammen und schafft für die vielfältigen Ausdrucksweisen der Menschen einen Kanal zum Aufbau einer neuen Zivilisation. Unmittelbar an der Basis der Gesellschaft beinhaltet das Neunzehntagefest alle diese Gesichtspunkte. Wenn es in Dorf, Stadt und Großstadt seine Aufgabe erfüllt, bildet es eine Einrichtung, der das ganze Volk von Bahá angehört. Es hat zum Ziel, die Einheit zu fördern, den Fortschritt zu sichern und Freude zu bringen.

»Wenn dieses Fest in gebührender Weise gefeiert wird«, erklärt Abdu'l-Bahá, »werden die Freunde erkennen, daß sie einmal in neunzehn Tagen geistig neu belebt und mit einer Kraft ausgestattet werden, die nicht von dieser Welt ist.« Um für dieses ruhmreiche Ergebnis zu sorgen, müssen alle Freunde den klar umrissenen Plan des Festes hinreichend verstehen. Bekannt ist, daß das Fest drei verschiedene, jedoch in engem Zusammenhang stehende Teile hat: den geistigen, den administrativen und den geselligen Teil. Im ersten werden Gebete gesprochen und Heilige Texte gelesen. Der zweite ist ein allgemeines Treffen, bei dem der örtliche Geistige Rat der Gemeinde von seinen Tätigkeiten, Plänen und Problemen berichtet, Neuigkeiten und Botschaften aus dem Weltzentrum und vom Nationalen Rat mitteilt und im Laufe der Beratung von den Freunden Anregungen und Empfehlungen bekommt. Im dritten nehmen alle Erfrischungen zu sich und beschäftigen sich mit Dingen, die in kulturell bedingter Mannigfaltigkeit, bei der die Grundsätze des Glaubens oder der Grundcharakter des Festes nicht verletzt werden, gegenseitige Verbundenheit pflegen sollen.

Obwohl die Durchführung des Festes striktes Festhalten an den drei Teilen in der dargestellten Reihenfolge verlangt, bleibt für das Erlebnis als Ganzes noch sehr viel Freiraum. So kann z.B. zu verschiedenen Zeitpunkten, auch im Andachtsteil, Musik eingefügt werden. Abdu'l-Bahá empfiehlt geistig erhebende Referate in beredter Sprache. Die Gestaltung der Gastlichkeit ermöglicht originelle Vielfalt. Die Qualität und das Niveau der Beratung bestimmen den Geist der Versammlung. Die Besonderheiten unterschiedlicher Kulturen sind in all diesen Bereichen begrüßenswerte Faktoren, durch die das Fest eine gesunde Vielseitigkeit erlangen kann, die durch die einzigartigen Merkmale der verschiedenen Kulturkreise, in denen es abgehalten wird, zum Ausdruck kommt und zur geistigen Erbauung und Freude seiner Teilnehmer beiträgt.

Beachtenswert ist, wie das Festkonzept sich im Hinblick auf die Entwicklung des Glaubens abschnittsweise entfaltet hat. In seiner frühesten Phase im Iran veranstalteten einzelne Freunde aufgrund der ausdrücklichen Weisung Bahá'u'lláhs in ihren Häusern Zusammenkünfte, um alle neunzehn Tage einmal Gastfreundschaft zu zeigen und aus dem Lesen und Besprechen der Lehren geistige Anregung zu gewinnen. Als die Gemeinde dann wuchs, beschrieb und betonte `Abdu'l-Bahá nachdrücklich den andachts- und gesellschaftsbezogenen Charakter des Festes. Nach der Gründung örtlicher Geistiger Räte fügte Shoghi Effendi den administrativen Teil hinzu und machte die Gemeinde damit vertraut, daß das Neunzehntagefest eine feste Einrichtung ist. Es war, als ob eine Sinfonie in drei Sätzen nun vollendet worden sei.

Wir müssen jedoch die Entwicklung des Neunzehntagefestes nicht nur von seiner stufenweisen Entfaltung als Institution her betrachten; es gibt einen noch umfassenderen Zusammenhang. Man kann das Fest mit seiner einzigartigen Kombination von Bräuchen sehr wohl als den Höhepunkt eines großen historischen Entwicklungsprozesses ansehen, in dem grundlegende Bestandteile des Gemeindelebens wie Andacht, Feste und andere Formen des Beisammenseins über riesige Zeitspannen hinweg eine herrliche Annäherung erreicht haben. In diesem aufgeklärten Zeitalter bildet das Neunzehntagefest die neue Stufe, zu der sich die grundlegenden Ausdrucksformen des Gemeindelebens emporentwickelt haben. Shoghi Effendi hat es als das Fundament der neuen Weltordnung bezeichnet, und in einem in seinem Auftrag geschriebenen Brief wird darauf verwiesen, daß das Fest »ein fundamentales Mittel dazu ist, engen und andauernden Kontakt unter den Gläubigen sowie zwischen ihnen und der Körperschaft der von ihnen gewählten Vertreter in der örtlichen Gemeinde zu pflegen«.

Darüber hinaus wird das Fest zum Bindeglied, das die Ortsgemeinde mit dem gesamten Verwaltungsordnungsgefüge auf dynamische Weise verbindet, weil es die Möglichkeit bietet, von der nationalen und internationalen Ebene der Verwaltungsordnung Nachrichten zu übermitteln und umgekehrt Empfehlungen der Freunde dorthin weiterzuleiten. Auch wenn man es lediglich auf der örtlichen Ebene betrachtet, gibt es schon vieles, was das Herz begeistert staunen läßt. Hier verbindet es den einzelnen mit den gemeinschaftlichen Vorgängen, durch die eine Gesellschaft aufgebaut oder wiederhergestellt wird. Das Fest ist hier z.B. eine Stätte für Demokratie genau am Ausgangspunkt der Gesellschaft, wo der örtliche Geistige Rat und die Gemeindemitglieder sich auf einer Ebene treffen und wo es den einzelnen freisteht, ihre Überlegungen entweder in Form von neuen Ideen oder als konstruktive Kritik zugunsten der Aufbauprozesse einer sich entwickelnden Zivilisation vorzutragen. So wird deutlich, daß diese Gemeindeeinrichtung für die Menschen neben ihrer geistigen Bedeutung gleichzeitig eine ganze Menge elementare Gemeinschaftsschulung beinhaltet, die den Teilnehmern die wesentlichen Merkmale verantwortungsvollen Bürgertums beibringt.

Wenn das Neunzehntagefest zum gebührenden Erlebnis werden soll, ist außer dem Verstehen der Grundidee auch die Vorbereitung des Festes selbst sowie auf das Fest nötig. Obwohl der örtliche Geistige Rat von der Verwaltung her für die Durchführung des Festes verantwortlich ist, beauftragt er oft einen einzelnen oder eine Gruppe mit den Vorbereitungen. Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit dem für diesen Anlaß so wichtigen Geist der Gastfreundschaft. Die betreffenden Personen können Gastgeber sein, und oft suchen sie Gebete und Texte für den Andachtsteil aus; sie können sich auch um das gesellige Beisammensein kümmern. In kleinen Gemeinden ist es einfach, persönliche Gastfreundschaft zu praktizieren, aber in großen Gemeinden können die örtlichen Geistigen Räte andere Wege für nötig halten, die jedoch den Grundgedanken der Gastfreundschaft bewahren.

Wichtige Teile der Festvorbereitung sind eine angemessene Textauswahl, das vorherige Bestimmen guter Vorleser und ein gewisses Anstandsgefühl bei der Darbietung wie bei der Aufnahme des Andachtsprogrammes. Die Umgebung, in der das Fest inner- oder außerhalb eines Hauses stattfinden wird, beeinflußt das Erlebnis sehr stark und sollte berücksichtigt werden. Sauberkeit, praktische und hübsche Raumgestaltung spielen allesamt eine wichtige Rolle. Pünktlichkeit gehört ebenfalls zur guten Vorbereitung.

Die Qualität der Vorbereitung und Mitwirkung des einzelnen bedingen in sehr hohem Maße den Erfolg des Festes. Der geliebte Meister gibt den folgenden Rat: »Gebt den Neunzehntage-Versammlungen großes Gewicht, auf daß bei diesen Gelegenheiten die Geliebten Gottes und die Dienerinnen des Barmherzigen ihr Angesicht dem Königreich zuwenden, die Verse Gottes singen, Gottes Beistand suchen, sich freudig in Liebe einander zuwenden und wachsen an Reinheit, Heiligkeit, Gottesfurcht und an Widerstandskraft gegen selbstische Leidenschaft. So werden sie sich von dieser stofflichen Welt lösen und sich in die Glut des Geistes versenken.«

(Bahá'í-Versammlungen und Neunzehntagefest, S.25)


Macht man sich einen solchen Rat zu eigen, wird unser Bild vom Neunzehntagefest in dem Zusammenhang, in dem es eingesetzt wurde, wahrlich erhellt. Im Kitáb-i-Aqdas wurde es mit folgenden Worten verordnet: »Euch wurde zur Pflicht gemacht, einmal im Monat Gastlichkeit anzubieten, selbst wenn ihr nicht mehr als Wasser reichen solltet, denn Gottes Wille ist, eure Herzen zu verbinden, und zwar durch himmliche und irdische Mittel zur selben Zeit.« Daher ist klar, daß das Fest fest verwurzelt ist mit Gastfreundschaft und allem, was dazu gehört, wie Freundlichkeit, Höflichkeit, Dienen, Großzügigkeit und Geselligkeit. Gerade die Idee der Gastfreundschaft als ständig treibende Kraft einer so bedeutenden Einrichtung eröffnet eine revolutionäre Einstellung zur Handhabung menschlicher Angelegenheiten in allen Bereichen, eine so entscheidende Einstellung zur Welteinheit, für deren Entstehen die Zentralgestalten unseres Glaubens so lange wirkten und so viel Grausamkeit erlitten. In eben diesem göttlichen Fest wird die Grundlage für die Verwirklichung einer solch beispiellosen Wahrheit gelegt.

Daß Sie alle diesen hohen, für das Fest als »Freudenspender«, als »Grundstein der Übereinstimmung und Einheit«, als »Schlüssel zu Verbundenheit und Zuneigung« bestimmten Rang erreichen mögen, wird weiterhin Gegenstand unserer innigen Gebete an der Heiligen Schwelle bleiben.

Mit liebevollen Bahá'í-Grüßen, Das Universale Haus der Gerechtigkeit, 27.August 1989




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