FÜNFTES KAPITEL
Karma-yoga - Handeln im
Krsna-Bewusstsein
VERS 1
Arjuna sagte: O Krsna, zuerst bittest Du mich, allem
Tun zu entsagen, und dann wieder empfiehlst Du mir, in
Hingabe zu handeln. Würdest Du mir bitte eindeutig
sagen, was von beiden segensreicher ist.
ERLÄUTERUNG
In diesem Fünften Kapitel der Bhagavad-Gita sagt der Herr,
dass Arbeit im hingebungsvollen Dienst besser ist als
trockene gedankliche Spekulation. Hingebungsvoller
Dienst ist einfacher als Spekulation, weil er, da dem Wesen
nach transzendental, einen von Reaktionen befreit. Im
Zweiten Kapitel wurde das einleitende Wissen von der
Seele und ihrer Verstrickung mit dem materiellen Körper
erklärt. Wie man sich durch buddhi-yoga oder
hingebungsvollen Dienst aus dieser materiellen Gefangenschaft
befreien kann, wurde dort ebenfalls beschrieben. Im
Dritten Kapitel wurde erklärt, dass jemand, der sich auf der
Ebene von Wissen befindet, nicht länger irgendwelche
Pflichten zu erfüllen hat. Und im Vierten Kapitel sagte der
Herr zu Arjuna, dass alle Arten von Opfern in Wissen
gipfeln. Am Ende des Vierten Kapitels jedoch gab der Herr
Arjuna den Rat, aufzuwachen und zu kämpfen, da er jetzt
über vollkommenes Wissen verfüge. Weil Krsna
gleichzeitig die Wichtigkeit von hingebungsvollem Dienst
und Nichthandeln in Wissen betonte, wurde Arjuna
verwirrt, und seine Entschlossenheit geriet ins Wanken.
Arjuna versteht, dass Entsagung in Wissen bedeutet, alle
Arten von Arbeit, die als Sinnestätigkeiten ausgeführt
werden, einzustellen. Aber wie kann man aufhören zu
handeln, wenn man Arbeit im hingebungsvollen Dienst
verrichtet? Mit anderen Worten: Er glaubt, sannyasam oder
Entsagung in Wissen müsse völlig frei sein von jeglicher
Aktivität, weil ihm Handeln und Entsagung unvereinbar
erscheinen. Er scheint nicht verstanden zu haben, dass
Handeln in völligem Wissen keine Reaktionen zur Folge
hat und daher das gleiche ist wie Nichthandeln. Er fragt
deshalb, ob er ganz aufhören soll zu handeln oder ob es
besser sei, in vollkommenem Wissen zu handeln.
VERS 2
Der Segenspendende Herr sprach: Sowohl Entsagung
der Arbeit als auch Handeln in Hingabe führen zu
Befreiung. Doch von den beiden ist hingebungsvoller
Dienst besser als die Entsagung aller Arbeit.
ERLÄUTERUNG
Fruchtbringende Tätigkeiten (auf der Suche nach
Sinnenbefriedigung) sind die Ursache für materielle
Knechtschaft. Solange man Tätigkeiten nachgeht, die das
Ziel haben, die körperlichen Annehmlichkeiten zu
verbessern, muss man unweigerlich von einem Körper zum
anderen wandern und damit seine Gefangenschaft in der
Materie unaufhörlich fortsetzen. Das Srimad-Bhagavatam
(5.5.4-6) bestätigt dies wie folgt:
"Die Menschen sind verrückt nach Sinnenbefriedigung, und
sie wissen nicht, dass ihr gegenwärtiger, von Leid erfüllter
Körper das Ergebnis fruchtbringender Tätigkeiten der
Vergangenheit ist. Obwohl dieser Körper zeitweilig ist,
bereitet er uns ständig in vieler Hinsicht Schwierigkeiten.
Deshalb ist es nicht gut, für Sinnenbefriedigung zu handeln.
Man hat im Leben versagt, solange man nicht nach der
Natur von Arbeit für fruchttragende Ergebnisse fragt, denn
solange man in das Bewusstsein der Sinnenbefriedigung
vertieft ist, muss man von einem Körper zum anderen
wandern. Obwohl der Geist in fruchtbringende Tätigkeiten
versunken und von Unwissenheit beeinflusst sein mag, muss
man Liebe für den hingebungsvollen Dienst Vasudevas
entwickeln. Nur dann kann man die Möglichkeit haben,
von der Fessel des materiellen Daseins frei zu werden."
Deshalb reicht jnana (das Wissen, dass man nicht der
materielle Körper, sondern spirituelle Seele ist) für
Befreiung nicht aus. Man muss als spirituelle Seele handeln,
sonst gibt es kein Entkommen aus der materiellen
Knechtschaft. Handeln im Krsna-Bewusstsein bedeutet
jedoch nicht Handeln auf der fruchtbringenden Ebene. In
vollkommenem Wissen ausgeführte Tätigkeiten stärken den
Fortschritt eines Menschen in wirklichem Wissen. Bloße
Entsagung fruchtbringender Tätigkeiten, ohne Krsna--
Bewusstsein, läutert das Herz einer bedingten Seele im
Grunde nicht. Solange das Herz nicht geläutert ist, muss
man auf der fruchtbringenden Ebene handeln. Aber
Handeln im Krsna-Bewusstsein hilft einem von selbst, dem
Ergebnis fruchtbringenden Tuns zu entgehen, so dass man
nicht auf die materielle Ebene hinabzusteigen braucht.
Daher ist Handeln im Krsna-Bewusstsein stets höher
einzustufen als Entsagung, denn Entsagung ist immer mit
der Gefahr verbunden, zu Fall zu kommen. Entsagung ohne
Krsna-Bewusstsein ist unvollkommen, wie Srila Rupa
Gosvami in seinem Bhakti-rasamçta-sindhu bestätigt:
"Wenn Menschen danach streben, von Dingen befreit zu
werden, die, obwohl materiell, zur Höchsten Persönlichkeit
Gottes in Beziehung stehen, nennt man dies unvollständige
Entsagung."
Entsagung ist vollständig, wenn sie in dem Wissen geübt
wird, dass alles Existierende dem Herrn gehört und dass
daher niemand irgend etwas als sein Eigentum
beanspruchen sollte. Man sollte verstehen, dass eigentlich
niemandem etwas gehört. Wie kann dann überhaupt die
Frage der Entsagung aufkommen? Jemand, der weiß, dass
alles Krsnas Eigentum ist, übt sich immer in Entsagung. Da
alles Krsna gehört, sollte alles in Krsnas Dienst gestellt
werden. Diese vollkommene Handlungsweise im
Krsna-Bewusstsein ist weitaus besser als jedes Maß an
künstlicher Entsagung durch einen sannyasi der
Mayavadi-Schule.
VERS 3
Wer die Früchte seiner Tätigkeiten weder Hasst noch
begehrt, ist immer entsagungsvoll. Solch ein Mensch,
befreit von allen Dualitäten, überwindet leicht die
materielle Knechtschaft und ist völlig befreit, o
starkarmiger Arjuna.
ERLÄUTERUNG
Wer im Krsna-Bewusstsein fest verankert ist, ist immer
entsagungsvoll, weil er die Ergebnisse seines Handelns
weder Hasst noch begehrt. Solch ein entsagungsvoller
Mensch, der sich dem transzendentalen liebevollen Dienst
des Herrn weiht, verfügt über vollkommenes Wissen, da er
seine wesensgemäße Stellung in Beziehung zu Krsna kennt.
Er weiß sehr wohl, dass Krsna das Ganze und dass er ein
winziger Bestandteil Krsnas ist. Solches Wissen ist
vollkommen, da es qualitativ und quantitativ richtig ist. Die
Vorstellung des Einsseins mit Krsna ist inkorrekt, weil der
Teil dem Ganzen nicht ebenbürtig sein kann. Das Wissen,
qualitativ mit Krsna eins, quantitativ jedoch verschieden
von Ihm zu sein, ist korrektes transzendentales Wissen, das
einen Menschen zu innerer Erfüllung führt, so dass er nach
nichts mehr strebt und nichts mehr beklagt. In seinem Geist
gibt es keine Dualität, da er alles, was er tut, für Krsna tut.
Wenn er auf diese Weise von der Ebene der Dualitäten frei
geworden ist, ist er befreit - sogar in der materiellen Welt.
VERS 4
Nur die Unwissenden sagen, karma-yoga und
hingebungsvoller Dienst seien etwas anderes als das
analytische Studium der materiellen Welt [sankhya].
Diejenigen, die wahrhaft gelehrt sind, erklären, dass
jemand, der sich einem dieser Pfade eingehend widmet,
die Ergebnisse beider erreicht.
ERLÄUTERUNG
Das Ziel des analytischen Studiums der materiellen Welt
besteht darin, die Seele der Existenz zu finden. Die Seele
der materiellen Welt ist Visnu, die Überseele. Hin-
gebungsvoller Dienst für den Herrn umfaßt Dienst für die
Überseele. Der erste Schritt besteht darin, die Wurzel des
Baumes zu finden, und der nächste ist, sie zu bewässern.
Der wirkliche Student der sankhya-Philosophie findet die
Wurzel der materiellen Welt, Visnu, und betätigt sich dann,
in vollkommenem Wissen, im Dienst des Herrn. Daher
besteht im wesentlichen kein Unterschied zwischen diesen
beiden Pfaden, denn das Ziel beider ist Visnu. Diejenigen,
die das Endziel nicht kennen, sagen, die Ziele von sankhya-
und karma-yoga seien nicht die gleichen, doch jemand, der
gelehrt ist, kennt das gemeinsame Ziel dieser verschiedenen
Vorgänge.
VERS 5
Wer versteht, dass die Stellung, die man durch
Entsagung erreicht, auch durch Tätigkeiten im
hingebungsvollen Dienst erlangt werden kann, und wer
daher erkennt, dass der Pfad des Handelns und der Pfad
der Entsagung eins sind, sieht die Dinge so, wie sie
wirklich sind.
ERLÄUTERUNG
Der eigentliche Zweck philosophischen Forschens besteht
darin, das endgültige Ziel des Lebens zu finden. Da das
endgültige Ziel des Lebens Selbstverwirklichung ist, gibt es
keinen Unterschied zwischen den beiden
Schlussfolgerungen, zu denen man durch die beiden
Vorgänge kommt. Durch die philosophische Forschung des
sankhya gelangt man zu der Schlussfolgerung, dass ein
Lebewesen nicht Bestandteil der materiellen Welt, sondern
ein Teil des Höchsten Spirituellen Ganzen ist. Folglich hat
die spirituelle Seele nichts mit der materiellen Welt zu tun;
ihre Handlungen müssen in irgendeiner Weise in
Beziehung zum Höchsten stehen. Erst wenn sie im
Krsna-Bewusstsein handelt, nimmt sie ihre wesensgemäße
Stellung ein. Durch den ersten Vorgang, sankhya, muss man
sich von der Materie lösen, und durch den Vorgang des
hingebungsvollen yoga muss man Anhaftung an den Dienst
Krsnas entwickeln. Im Grunde sind beide Vorgänge gleich,
obwohl oberflächlich betrachtet der eine Loslösung und der
andere Anhaftung mit sich bringt. Loslösung von Materie
und Anhaftung an Krsna sind jedoch das gleiche. Wer das
verstehen kann, sieht die Dinge, wie sie sind.
VERS 6
Solange man nicht im hingebungsvollen Dienst des
Herrn beschäftigt ist, kann man durch bloße Entsagung
der Tätigkeiten nicht glücklich werden. Die Weisen, die
durch Werke der Hingabe geläutert sind, erreichen den
Höchsten ohne Verzögerung.
ERLÄUTERUNG
Es gibt zwei Klassen von sannyasis, das heißt Menschen im
Lebensstand der Entsagung. Die Mayavadi-sannyasis sind
mit dem Studium der sankhya-Philosophie beschäftigt,
während die Vaisnava-sannyasis die
Bhagavatam-Philosophie studieren, die den richtigen
Kommentar zu den Vedanta-sutras liefert. Auch die Mayavadi-
sannyasis studieren die Vedanta-sutras, doch benutzen
sie ihren eigenen Kommentar, den Sariraka-bhasya, der
von Sankaracarya verfaßt wurde. Die Studenten der
Bhagavata-Schule betätigen sich den
pancaratriki-Regulierungen gemäß im hingebungsvollen
Dienst des Herrn, und daher gehen die Vaisnava-sannyasis
im
transzendentalen Dienst des Herrn vielfältigen
Beschäftigungen nach. Die Vaisnava-sannyasis haben mit
materiellen Tätigkeiten nichts zu tun, und dennoch verrichten
sie verschiedenartige Tätigkeiten in ihrem
hingebungsvollen Dienst für den Herrn. Die
Mayavadi-sannyasis hingegen, die sich mit dem Studium
von sankhya-Philosophie, Vedanta und Spekulation
befassen, können den transzendentalen Dienst des Herrn
nicht kosten. Weil ihre Studien mit der Zeit sehr langweilig
werden, werden sie es leid, über das Brahman zu
spekulieren, und suchen deshalb beim Bhagavatam
Zuflucht, ohne es richtig zu verstehen. Folglich wird es für
sie sehr schwierig, das Srimad-Bhagavatam zu studieren.
Trockene Spekulationen und unpersönliche Interpretationen
mit künstlichen Mitteln helfen den Mayavadi-sannyasis
nicht weiter. Die Vaisnava-sannyasis, die sich im
hingebungsvollen Dienst betätigen, sind bei der Erfüllung
ihrer transzendentalen Pflichten glücklich und haben die
Garantie, schließlich in das Königreich Gottes einzutreten.
Die Mayavadi-sannyasis fallen manchmal vom Pfad der
Selbstverwirklichung ab und wenden sich wieder
materiellen Tätigkeiten philanthropischer und altruistischer
Natur zu, die nichts weiter als materielle Beschäftigungen
sind. Man kann daher den Schluss ziehen, dass diejenigen,
die im Krsna-Bewusstsein tätig sind, besser gestellt sind als
die sannyasis, die nur über das Brahman spekulieren,
obgleich auch sie nach vielen Geburten zum
Krsna-Bewusstsein kommen.
VERS 7
Wer in Hingabe handelt, wer eine reine Seele ist und
wer Geist und Sinne beherrscht, ist jedem lieb, und
jeder ist ihm lieb. Obwohl ein solcher Mensch stets
handelt, ist er niemals verstrickt.
ERLÄUTERUNG
Jemand, der sich durch Krsna-Bewusstsein auf dem Pfad der
Befreiung befindet, ist jedem Lebewesen sehr lieb, und
jedes Lebewesen ist ihm lieb. Dies ist auf sein
Krsna-Bewusstsein zurückzuführen. Ein solcher Mensch
sieht kein Lebewesen getrennt von Krsna, geradeso wie die
Blätter und Zweige eines Baumes nicht vom Baum getrennt
sind. Er weiß sehr wohl, dass dann, wenn man Wasser auf
die Wurzel des Baumes gießt, das Wasser an alle Blätter
und Zweige weitergeleitet wird, oder dass dann, wenn man
den Magen mit Nahrung versorgt, die Energie von selbst im
ganzen Körper verteilt wird. Weil jemand, der im
Krsna-Bewusstsein handelt, allen Wesen dient, ist er jedem
sehr lieb. Und weil er jeden mit seinem Tun zufriedenstellt,
lebt er in reinem Bewusstsein. Weil sein Bewusstsein rein ist,
ist sein Geist völlig beherrscht. Und weil sein Geist
beherrscht ist, sind auch seine Sinne beherrscht. Weil sein
Geist stets auf Krsna gerichtet ist, besteht weder die
Möglichkeit, dass er von Krsna abgelenkt wird, noch dass er
seine Sinne mit anderen Dingen als dem Dienst des Herrn
beschäftigen wird. Er möchte über nichts anderes hören als
Themen, die mit Krsna zu tun haben; er möchte nichts
essen, was nicht Krsna geopfert ist, und er möchte
nirgendwo hingehen, wenn Krsna nicht mit einbezogen ist.
Deshalb sind seine Sinne beherrscht. Ein Mensch mit
beherrschten Sinnen kann niemanden verletzen. Man mag
fragen: "Warum griff dann Arjuna (in der Schlacht) andere
an? War er nicht Krsna-Bewusst?" Es schien nur so, dass
Arjuna angriff, denn (wie bereits im Zweiten Kapitel erklärt
worden ist) alle auf dem Schlachtfeld versammelten
Personen lebten individuell weiter, da die Seele niemals
erschlagen werden kann. Spirituell gesehen wurde also
niemand auf dem Schlachtield von Kuruksetra getötet. Es
wurden nur die äußerlichen Gewänder gewechselt, wie es
Krsna, der persönlich anwesend war, befohlen hatte.
Deshalb kämpfte Arjuna in Wirklichkeit überhaupt nicht,
während er auf dem Schlachtteld von Kuruksetra kämpfte;
er führte nur in völligem Krsna-Bewusstsein Krsnas Befehle
aus. Ein solcher Mensch ist niemals in die Reaktionen der
Handlungen verstrickt.
VERS 8-9
Ein Mensch im göttlichen Bewusstsein weiß im Innern
stets, dass er in Wirklichkeit nicht handelt, obwohl er
sieht, hört, berührt, riecht, ißt, sich bewegt, schläft und
atmet. Denn während er spricht, sich entleert, etwas zu
sich nimmt, seine Augen öffnet oder schließt, weiß er
immer, dass nur die materiellen Sinne mit ihren
Objekten beschäftigt sind und dass er damit nichts zu
tun hat.
ERLÄUTERUNG
Die Existenz eines Menschen im Krsna-Bewusstsein ist rein,
folglich hat er nichts mit Handlungen zu tun, die von fünf
direkten und indirekten Ursachen abhängig sind: dem
Handelnden, der Handlung, der Situation, der Bemühung
und dem Glück. Das ist so, weil er im liebevollen
transzendentalen Dienst Krsnas beschäftigt ist. Obwohl er
mit seinem Körper und seinen Sinnen zu handeln scheint,
ist er sich immer seiner eigentlichen Stellung Bewusst, die
darin besteht, spirituell tätig zu sein. Im materiellen
Bewusstsein sind die Sinne mit Sinnenbefriedigung
beschäftigt, doch im Krsna-Bewusstsein sind die Sinne
damit beschäftigt, Krsnas Sinne zufriedenzustellen.
Deshalb ist ein Krsna-Bewusster Mensch stets frei, obwohl
es so scheint, als sei er mit den Sinnesobjekten beschäftigt.
Tätigkeiten wie Sehen, Hören, Sprechen, Sichentleeren
usw. sind Handlungen der aktiven Sinne. Ein Mensch im
Krsna-Bewusstsein wird niemals von den Handlungen der
Sinne beeinflusst. Er kann nichts anderes tun als im Dienste
des Herrn handeln, da er weiß, dass er der ewige Diener des
Herrn ist.
VERS 10
Wer seine Pflicht ohne Anhaftung erfüllt und die
Ergebnisse dem Höchsten Gott hingibt, wird von
sündhafter Handlung nicht beeinflusst, ebenso wie ein
Lotosblatt vom Wasser nicht berührt wird.
ERLÄUTERUNG
Brahmani bedeutet hier "im Krsna-Bewusstsein". Die
materielle Welt ist eine Gesamtmanifestation der drei
Erscheinungsweisen der materiellen Natur, genau genommen
wird es pradhana genannt. Die vedischen
Hymnen (sarvam etad brahma, tasmad etad brahma
nama-rupam annam ca jayate) und die Bhagavad-Gita
(mama yonir mahad brahma) deuten darauf hin, dass alles
in der materiellen Welt eine Manifestation des Brahman ist,
und obwohl die Auswirkungen unterschiedlich manifestiert
sind, unterscheiden sie sich nicht von der Ursache. In der
Isopanisad wird gesagt, dass alles mit dem Höchsten
Brahman oder Krsna verbunden ist und dass daher alles Ihm
allein gehört. Wer sich voll und ganz der Tatsache Bewusst
ist, dass alles Krsna gehört, dass Er der Besitzer alles
Existierenden ist und dass deshalb alles im Dienst des Herrn
beschäftigt werden muss, hat nichts mit den Ergebnissen
seiner Tätigkeiten - seien diese tugendhaft oder sündhaft
- zu tun. Sogar der materielle Körper kann im
Krsna-Bewusstsein beschäftigt werden, denn er ist ein
Geschenk des Herrn, um eine bestimmte Art von Arbeit zu
verrichten. Er wird dann nicht von sündhaften Reaktionen
verunreinigt, genau wie ein Lotosblatt nicht benetzt wird,
obwohl es im Wasser wächst. Der Herr sagt in der Gita
auch: "Gib all dein Tun Mir hin."
Die Schlussfolgerung lautet, dass ein Mensch ohne
Krsna-Bewusstsein auf der Ebene des materiellen Körpers
und der Sinne aktiv ist, wohingegen ein Krsna-Bewusster
Mensch in dem Wissen handelt, dass der Körper das
Eigentum Krsnas ist und deshalb in Krsnas Dienst
beschäftigt werden sollte.
VERS 11
Indem die yogis Anhaftung aufgeben, handeln sie mit
Körper, Geist, Intelligenz und sogar den Sinnen nur, um
geläutert zu werden.
ERLÄUTERUNG
Wenn man im Krsna-Bewusstsein für die Zufriedenstellung
der Sinne Krsnas handelt, wird jede Handlung des Körpers,
des Geistes, der Intelligenz oder sogar der Sinne von
materieller Verunreinigung geläutert. Auf die Tätigkeiten
eines Krsna-Bewussten Menschen folgen keine materiellen
Reaktionen. Deshalb kann man geläuterte Tätigkeiten, die
man im allgemeinen als sadacara bezeichnet, sehr leicht
ausführen, wenn man im Krsna-Bewusstsein handelt. Srila Rupa
Rupa Gosvami beschreibt dies im Bhakti-rasamrta-sindhu
wie folgt:
"Jemand, der mit Körper, Geist, Intelligenz und Worten im
Krsna-Bewusstsein (oder mit anderen Worten, im Dienste
Krsnas) handelt, ist sogar schon in der materiellen Welt
befreit, wenngleich er vielen sogenannten materiellen
Tätigkeiten nachgehen mag."
Er hat weder ein falsches Ego, noch glaubt er, dass er der
materielle Körper ist, noch, dass er den Körper besitzt. Er
weiß, dass er nicht der Körper ist und dass ihm der Körper
nicht gehört. Er selbst gehört Krsna, und auch der Körper
gehört Krsna. Wenn er alles, was von Körper, Geist,
Intelligenz, Worten, Leben, Reichtum usw. hervorgebracht
wird - nämlich alles, was sich in seinem Besitz befinden
mag - in Krsnas Dienst stellt, ist er sogleich mit Krsna
verbunden. Er ist eins mit Krsna und frei vom falschen
Ego, das einen glauben macht, man sei der Körper. Das ist
die vollendete Stufe des Krsna-Bewusstseins.
VERS 12
Die fortwährend hingegebene Seele erlangt
unverfälschten Frieden, weil sie das Ergebnis aller
Tätigkeiten Mir opfert, während jemand, der nicht mit
dem Göttlichen verbunden ist und gierig nach den
Früchten seiner Arbeit strebt, verstrickt ist.
ERLÄUTERUNG
Der Unterschied zwischen einem Menschen im
Krsna-Bewusstsein und einem Menschen im körperlichen
Bewusstsein liegt darin, dass der erstere an Krsna hängt,
während der letztere an den Ergebnissen seiner Tätigkeiten
haftet. Derjenige, der an Krsna hängt und für Ihn allein
arbeitet, ist gewiss befreit und begehrt nicht nach
fruchttragenden Belohnungen. Im Bhagavatam wird erklärt,
dass man sich um das Ergebnis seiner Tätigkeit sorgt, weil
man in der Auffassung von Dualität handelt, das heißt,
ohne Wissen von der Absoluten Wahrheit. Krsna ist die
Höchste Absolute Wahrheit, die Persönlichkeit Gottes. Im
Krsna-Bewusstsein gibt es keine Dualität. Alles Existierende
ist ein Produkt der Energie Krsnas, und Krsna ist absolut
gut. Deshalb befinden sich Tätigkeiten im
Krsna-Bewusstsein auf der absoluten Ebene; sie sind
transzendental und haben keine materiellen Auswirkungen.
Daher ist man im Krsna-Bewusstsein von Frieden erfüllt.
Wer jedoch in Profitkalkulationen für Sinnenbefriedigung
verstrickt ist, kann diesen Frieden nicht finden. Das ist das
Geheimnis des Krsna-Bewusstseins - die Erkenntnis, dass
es nichts außerhalb von Krsna gibt, ist die Ebene von
Frieden und Furchtlosigkeit.
VERS 13
Wenn das verkörperte Lebewesen seine Natur
beherrscht und im Geist allen Handlungen entsagt,
wohnt es glücklich in der Stadt der neun Tore [dem
materiellen Körper], und weder arbeitet es, noch wird
es zur Ursache von Arbeit, die zu tun ist.
ERLÄUTERUNG
Die verkörperte Seele lebt in der Stadt der neun Tore. Die
Tätigkeiten des Körpers (oder sinnbildlich: der Stadt des
Körpers) werden wie von selbst von den jeweiligen
Erscheinungsweisen der Natur ausgeführt. Obwohl sich die
Seele den Bedingungen des Körpers unterwirft, kann sie,
wenn sie es wünscht, diese Bedingungen überwinden. Nur
weil sie ihre höhere Natur vergessen hat, identifiziert sie
sich mit dem materiellen Körper und leidet daher. Durch
Krsna-Bewusstsein kann sie ihre wirkliche Stellung
wiederbeleben und so aus ihrer Verkörperung herauskommen.
Wenn man sich deshalb dem Krsna-Bewusstsein
zuwendet, löst man sich sogleich von allen körperlichen
Tätigkeiten. In einem solch beherrschten Leben, in dem
man seine Vorstellungen gewandelt hat, lebt man glücklich
in der Stadt der neun Tore. Die neun Tore werden wie folgt
beschrieben:
"Der Herr, die Höchste Persönlichkeit Gottes, der im
Körper eines Lebewesens lebt, ist der Herrscher aller
Lebewesen überall im Universum. Der Körper besteht aus
neun Toren: zwei Augen, zwei Nasenlöchern, zwei Ohren,
einem Mund, dem Anus und dem Genital. Im bedingten
Zustand identifiziert sich das Lebewesen mit dem Körper,
doch wenn es sich mit dem Herrn in seinem Innern
identifiziert, wird es ebenso frei wie der Herr, selbst wenn
es sich noch in diesem Körper befindet." (Svet. Up. 3.18)
Deshalb ist ein Krsna-Bewusster Mensch von den äußeren
und inneren Tätigkeiten des materiellen Körpers frei.
VERS 14
Das verkörperte spirituelle Lebewesen, der Herr in der
Stadt seines Körpers, verrichtet weder Tätigkeiten, noch
veranlasst es andere zu handeln, noch erzeugt es die
Früchte des Tuns. All dies wird von den
Erscheinungsweisen der materiellen Natur bewirkt.
123
ERLÄUTERUNG
Wie im Siebten Kapitel erklärt werden wird, ist das
Lebewesen dem Wesen nach eins mit dem Höchsten Herrn;
es unterscheidet sich von der Materie, die eine andere,
niedere Natur des Herrn ist. Auf irgendeine Weise hat die
höhere Natur, das Lebewesen, seit unvordenklicher Zeit mit
der materiellen Natur Kontakt aufgenommen. Der
zeitweilige Körper, das heißt der materielle Aufenthaltsort,
den das Lebewesen bekommt, ist die Ursache einer Vielfalt
von Tätigkeiten und der sich daraus ergebenden
Reaktionen. Wenn man in solch einer bedingten
Atmosphäre lebt, erleidet man die Ergebnisse der
Tätigkeiten des Körpers, da man sich (aus Unwissenheit)
mit dem Körper identifiziert. Es ist die seit undenklicher
Zeit erworbene Unwissenheit, die die Ursache körperlicher
Leiden und Nöte ist. Sobald sich das Lebewesen von den
Tätigkeiten des Körpers löst, wird es auch von den
Reaktionen frei. Solange es sich in der Stadt des Körpers
aufhält, scheint es Herr über sie zu sein, doch es ist
tatsächlich weder ihr Besitzer, noch beherrscht es ihre
Aktionen und Reaktionen. Es befindet sich einfach inmitten
des materiellen Ozeans und kämpft um seine Existenz.
Die Wogen des Ozeans werfen es hin und her, und es hat
keine Kontrolle über sie. Die beste Lösung besteht darin,
durch transzendentales Krsna-Bewusstsein aus dem Wasser
herauszugelangen. Das allein wird es vor aller Unruhe
bewahren.
VERS 15
Auch nimmt das höchste spirituelle Wesen nicht
jedermanns sündhafte oder fromme Tätigkeiten auf
Sich. Die verkörperten Wesen jedoch sind verwirrt, da
Unwissenheit ihr wahres Wissen bedeckt.
ERLÄUTERUNG
Das Sanskritwort vibhuH bezeichnet den Höchsten Herrn,
der voll unbegrenzten Wissens, unbegrenzter Reichtümer,
unbegrenzter Stärke, unbegrenzten Ruhms, unbegrenzter
Schönheit und unbegrenzter Entsagung ist. Er ist immer in
Sich Selbst zufrieden und wird von sündigen oder frommen
Tätigkeiten nicht gestört. Für kein Lebewesen schafft Er
eine besondere Situation, doch das durch Unwissenheit
verwirrte Lebewesen entwickelt den Wunsch, in bestimmte
Lebensumstände versetzt zu werden, und damit beginnt die
Kette von Aktion und Reaktion. Ein Lebewesen ist
aufgrund seiner höheren Natur voller Wissen. Trotzdem
neigt es aufgrund seiner begrenzten Kraft dazu, von
Unwissenheit beeinflusst zu werden. Der Herr ist
allmächtig, aber das Lebewesen ist dies nicht. Der Herr ist
vibhu (allwissend), aber das Lebewesen ist aäu (winzig
klein). Weil es eine lebendige Seele ist, hat es die Fähigkeit,
nach seinem freien Willen Wünsche zu haben. Solche
Wünsche werden nur vom allmächtigen Herrn erfüllt, und
wenn das Lebewesen bei seinen Wünschen verwirrt ist,
erlaubt der Herr es ihm, diese Wünsche zu erfüllen, doch ist
Er niemals für die Aktionen und Reaktionen der
bestimmten Situation verantwortlich, die gewünscht
worden sein mag. Da sich die verkörperte Seele in einem
verwirrten Zustand befindet, identifiziert sie sich mit dem
umständebedingten materiellen Körper und wird so dem
zeitweiligen Leid und Glück des Lebens unterworfen. Der
Herr ist als Paramatma, als Überseele, der ständige
Begleiter des Lebewesens und kann deshalb die Wünsche
der individuellen Seele verstehen, ebenso wie man den Duft
einer Blume riechen kann, wenn man sich in ihrer Nähe
befindet. Durch Wünsche wird das Lebewesen auf subtile
Art und Weise bedingt. Der Herr erfüllt seine Wünsche in
dem Maße, wie es das Lebewesen verdient. Der Mensch
denkt, Gott lenkt. Das Individuum besitzt daher nicht die
Allmacht, seine Wünsche zu erfüllen. Der Herr jedoch kann
alle Wünsche erfüllen, und weil Er Sich jedem gegenüber
neutral verhält, mischt Er Sich nicht in die Wünsche der
winzigen unabhängigen Lebewesen ein. Wenn jemand sich
jedoch Krsna wünscht, kümmert Sich der Herr in
besonderer Weise um ihn und ermutigt ihn so, dass dieser
Ihn erreichen und ewig glücklich sein kann. Die vedischen
Hymnen verkünden daher:
"Der Herr beschäftigt das Lebewesen mit frommen
Tätigkeiten, damit es erhoben werden mag. Der Herr
beschäftigt es mit gottlosen Tätigkeiten, damit es in die
Hölle gehen kann. Das Lebewesen ist in seinem Leid und
Glück völlig abhängig. Durch den Willen des Höchsten
kann es in den Himmel oder in die Hölle gehen, geradeso
wie eine Wolke vom Wind getrieben wird."
Somit verursacht die verkörperte Seele durch ihren seit
undenklicher Zeit bestehenden Wunsch, Krsna-Bewusstsein
zu meiden, ihre eigene Verwirrung. Folglich vergißt sie,
obwohl sie dem Wesen nach ewig, glückselig und wissend
ist, aufgrund der Winzigkeit ihres Daseins, ihre
wesensgemäße Stellung als Diener des Herrn und gerät
somit in die Falle der Unwissenheit. Und im Bann der
Unwissenheit macht das Lebewesen den Herrn für sein
bedingtes Dasein verantwortlich. Auch die Vedanta-sutras
bestätigen dies:
"Der Herr Hasst oder liebt niemanden, obwohl es so
erscheint."
VERS 16
Wenn aber jemand mit dem Wissen erleuchtet ist, durch
das Unwissenheit zerstört wird, dann enthüllt sein
Wissen alles, ebenso wie die Sonne am Tage alles
erleuchtet.
ERLÄUTERUNG
Diejenigen, die Krsna vergessen haben, müssen zweifellos
verwirrt sein, aber diejenigen, die sich im
Krsna-Bewusstsein befinden, sind nicht im geringsten
verwirrt. In der Bhagavad-Gita heißt es: Wissen wird immer hoch geschätzt. Und
was ist dieses Wissen? Vollkommenes Wissen ist erreicht,
wenn man sich Krsna ergibt, wie es in Vers 19 des Siebten
Kapitels heißt: bahunaà janmanam ante jnanavan maà
prapadyate. Wenn man sich also nach vielen, vielen
Geburten in vollkommenem Wissen Krsna ergibt, das heißt
wenn man Krsna-Bewusstsein erreicht, dann wird einem
alles enthüllt, ebenso wie die Sonne am Tage alles enthüllt.
Das Lebewesen ist in so vieler Hinsicht verwirrt. Wenn es
zum Beispiel glaubt, selbst Gott zu sein, geht es in
Wirklichkeit in die letzte Falle der Unwissenheit. Wenn ein
Lebewesen Gott ist, wie kann es dann von Unwissenheit
verwirrt werden? Wird Gott von Unwissenheit verwirrt?
Würde dies der Fall sein, wäre Unwissenheit oder Satan
größer als Gott. Wirkliches Wissen kann man von einem
Menschen empfangen, der über vollkommenes
Krsna-Bewusstsein verfügt. Deshalb muss man einen
solchen echten spirituellen Meister finden und unter seiner
Anleitung lernen, was Krsna-Bewusstsein ist. Der spirituelle
Meister kann alle Unwissenheit vertreiben, ebenso wie die
Sonne Dunkelheit vertreibt. Obwohl ein Mensch völlig
erkannt haben mag, dass er nicht der Körper ist, sondern in
transzendentaler Stellung dazu steht, mag er trotzdem nicht
imstande sein, zwischen der Seele und der Überseele zu
unterscheiden. Er kann jedoch vollkommene Erkenntnis
erlangen, wenn er sich darum bemüht, bei einem
vollkommenen, echten, Krsna-Bewussten spirituellen
Meister Zuflucht zu suchen. Man kann Gott und seine
Beziehung zu Ihm nur dann kennen, wenn man tatsächlich
einen Stellvertreter Gottes trifft. Ein Stellvertreter Gottes
behauptet niemals, selbst Gott zu sein, obwohl ihm alle
Ehre erwiesen wird, die man gewöhnlich nur Gott erweist,
weil er Wissen von Gott hat. Man muss lernen, worin der
Unterschied zwischen Gott und dem Lebewesen besteht. Sri
Krsna sagt daher im Zweiten Kapitel (Bg. 2.12), dass jedes
Lebewesen ein Individuum und dass der Herr ebenfalls ein
Individuum ist. Sie waren alle Individuen in der
Vergangenheit; sie sind Individuen in der Gegenwart, und
sie werden auch in der Zukunft - selbst nach der
Befreiung - weiter Individuen bleiben. In der Dunkelheit
der Nacht erscheint uns alles eins zu sein, doch am Tage,
wenn die Sonne scheint, sehen wir alles in seiner
wirklichen Identität. Wenn man seine Identität kennt und
versteht, dass man auch im spirituellen Leben ein
Individuum ist, besitzt man wirkliches Wissen.
VERS 17
Wenn Intelligenz, Geist, Glaube und Zuflucht im
Höchsten verankert sind, wird man durch vollständiges
Wissen von allem Schlechten geläutert und kann so auf
dem Pfad der Befreiung unbeirrt fortschreiten.
ERLÄUTERUNG
Die Höchste Transzendentale Wahrheit ist Sri Krsna. Die
ganze Bhagavad-Gita dreht sich um die Erklärung, dass Sri
Krsna die Höchste Persönlichkeit Gottes ist. So lautet die
Aussage aller vedischen Schriften. Paratattva bedeutet die
Höchste Wirklichkeit, die von den Kennern des Höchsten
als Brahman, Paramatama und Bhagavan verstanden wird.
Bhagavan oder die Höchste Persönlichkeit Gottes ist der
höchste Aspekt des Absoluten. Es gibt nichts Höheres. Der
Herr sagt: mattah parataraà nanyat kiÒcit asti Dhanaijaya.
Das unpersönliche Brahman wird ebenfalls von Krsna
unterstützt: brahmano hi pratisòhaham. Deshalb ist Krsna
in jeder Hinsicht die Höchste Wirklichkeit. Jemand, dessen
Geist, Intelligenz, Glaube und Zuflucht immer in Krsna
verankert sind, das heißt, jemand, der völlig Krsna-Bewusst
ist, wird zweifellos von allem Schlechten reingewaschen
und verfügt über vollkommenes Wissen, was die
Transzendenz betrifft. Ein Krsna-Bewusster Mensch kann
voll und ganz verstehen, dass es in Krsna Dualität gibt
(nämlich gleichzeitig Identität und Individualität), und
wenn man solch transzendentales Wissen besitzt, kann man
stetigen Fortschritt auf dem Pfad der Befreiung machen.
VERS 18
Der demütige Weise sieht kraft wahren Wissens einen
gelehrten und zuvorkommenden brahmana, eine Kuh,
einen Elefanten, einen Hund und einen Hundeesser
[Unberührbaren] mit gleicher Sicht.
ERLÄUTERUNG
Ein Krsna-Bewusster Mensch macht keinen Unterschied
zwischen Lebensformen oder Kasten. Der brahmana und
der Unberührbare mögen vom sozialen Standpunkt aus
betrachtet verschieden sein, oder ein Hund, eine Kuh oder
ein Elefant mögen vom Standpunkt der Lebensformen aus
betrachtet verschieden sein, doch diese Unterschiede des
Körpers sind in den Augen eines gelehrten
Transzendentalisten bedeutungslos. Das hat seinen Grund
in ihrer Beziehung zum Höchsten, denn der Höchste Herr
ist durch Seine vollständige Erweiterung als Paramatma im
Herzen eines jeden gegenwärtig. Solch ein Verständnis
vom Höchsten ist wirkliches Wissen. Soweit es die Körper
in den verschiedenen Kasten oder Lebensarten betrifft, ist
der Herr zu jedem in gleichem Maße gütig, da Er jedes
Lebewesen als Freund behandelt, aber dennoch Seine
Stellung als Paramatma beibehält, ungeachtet der Umstände
der Lebewesen. Der Herr als Paramatma ist sowohl im
Unberührbaren als auch im brahmana gegenwärtig, obwohl
der Körper eines brahmana und der eines Unberührbaren
nicht gleich sind. Die Körper sind materielle Erzeugnisse
der verschiedenen Erscheinungsweisen der materiellen
Natur, doch die Seele und die Überseele im Körper sind
von der gleichen spirituellen Qualität. Dass sich die Seele
und die Überseele qualitativ ähnlich sind, bedeutet jedoch
nicht, dass sie auch in der Quantität gleich sind, denn die
individuelle Seele ist nur in ihrem jeweiligen Körper
anwesend, wohingegen der Paramatma in jedem einzelnen
Körper gegenwärtig ist. Ein Krsna-Bewusster Mensch ist
sich dessen völlig Bewusst, und daher ist er wahrhaft gelehrt
und sieht mit gleichen Augen. Die gemeinsamen Merkmale
der Seele und der Überseele bestehen darin, dass sie beide
Bewusst, ewig und glückselig sind. Der Unterschied jedoch
liegt darin, dass die individuelle Seele nur innerhalb der
Grenzen ihres eigenen Körpers Bewusst ist, während Sich
die Überseele aller Körper Bewusst ist. Die Überssele ist
ohne Ausnahme in allen Körpern gegenwärtig.
VERS 19
Diejenigen, deren Geist in Gleichmut und
Ausgeglichenheit ruht, haben bereits die Bedingungen
von Geburt und Tod überwunden. Sie sind unbefleckt
wie das Brahman, und daher sind sie bereits im
Brahman verankert.
ERLÄUTERUNG
Gleichmut des Geistes, wie oben erwähnt, ist das Zeichen
von Selbstverwirklichung. Diejenigen, die solch eine Stufe
tatsächlich erreicht haben, sollten als Seelen betrachtet
werden, die die materiellen Bedingungen, insbesondere
Geburt und Tod überwunden haben. Solange man sich mit
seinem Körper identifiziert, gilt man als bedingte Seele,
doch sobald man durch Erkenntnis des Selbst zur Stufe des
Gleichmuts erhoben wird, ist man vom bedingten Leben
befreit. Mit anderen Worten: Man ist nicht länger
gezwungen, in der materiellen Welt geboren zu werden,
sondern kann nach dem Tod in den spirituellen Himmel
eingehen. Der Herr ist makellos, weil Er frei von
Anziehung oder Hass ist. Wenn ein Lebewesen frei von
Anziehung oder Hass ist, wird es ebenso makellos und
damit geeignet, in den spirituellen Himmel einzugehen.
Solche Seelen sind als bereits befreit anzusehen, und ihre
Merkmale werden im nächsten Vers beschrieben.
VERS 20
Wer weder frohlockt, wenn er etwas Angenehmes
erreicht, noch klagt, wenn ihm etwas Unangenehmes
widerfährt, wer selbst-intelligent ist, nicht verwirrt und
die Wissenschaft von Gott kennt, ist als jemand zu
verstehen, der sich bereits in der Transzendenz befindet.
ERLÄUTERUNG
Hier werden die Merkmale eines selbstverwirklichten
Menschen aufgeführt. Das erste Merkmal ist, dass er nicht
durch die falsche Identifizierung des Körpers mit seinem
wahren Selbst in Illusion ist. Er weiß sehr wohl, dass er
nicht der Körper ist, sondern ein fragmentarischer Teil der
Höchsten Persönlichkeit Gottes. Er ist daher weder voller
Freude, wenn er etwas bekommt, noch klagt er, wenn er
etwas verliert, was in Beziehung zu seinem Körper steht.
Diese Beständigkeit des Geistes wird als sthira-buddhi oder
Selbst-Intelligenz bezeichnet. Er ist daher weder verwirrt,
weil er fälschlicherweise den grobstofflichen Körper für die
Seele hält, noch sieht er den Körper als ewig an und
missachtet die Existenz der Seele. Dieses Wissen hebt ihn
auf die Stufe, auf der er die vollständige Wissenschaft von
der Absoluten Wahrheit, nämlich Brahman, Paramatma und
Bhagavan, versteht. Er kennt daher seine wesensgemäße
Stellung sehr genau und versucht nicht fälschlich, mit dem
Höchsten in jeder Hinsicht eins zu werden. Das nennt man
Brahman-Erkenntnis oder Selbstverwirklichung. Ein solch
stetiges Bewusstsein bezeichnet man als Krsna-Bewusstsein.
VERS 21
ÜBERSETZUNG
Solch ein befreiter Mensch fühlt sich weder zu
materieller Sinnenfreude noch zu äußeren Obiekten
hingezogen, sondern befindet sich immer in Trance und
genießt die Freude im Innern. Auf diese Weise genießt
der Selbstverwirklichte unbegrenztes Glück, denn er
konzentriert sich auf den Höchsten.
ERLÄUTERUNG
Sri Yamunacarya, ein großer Gottgeweihter im
Krsna-Bewusstsein, sagte:
"Seitdem ich im transzendentalen liebevollen Dienst Krsnas
tätig bin, erfahre ich immer neue Freude, und immer wenn
ich an sexuelle Freude denke, speie ich auf den Gedanken,
und meine Lippen verziehen sich vor Abscheu."
Ein Mensch im brahma-yoga oder Krsna-Bewusstsein ist so
sehr in den liebevollen Dienst des Herrn vertieft, dass er den
Geschmack an materieller Sinnenfreude verliert. Die
höchste materielle Freude ist sexuelle Freude. Die ganze
Welt bewegt sich unter ihrem Zauber, und ein Materialist
kann ohne diesen Beweggrund nicht arbeiten. Aber ein
Mensch, der im Krsna-Bewusstsein tätig ist, kann ohne
sexuelle Freude, die er vermeidet, mit größerer Energie
arbeiten. Das ist der Prüfstein für spirituelle
Verwirklichung. Spirituelle Verwirklichung und sexuelle
Freude sind unvereinbar. Ein Krsna-Bewusster Mensch wird
von keinerlei Sinnenfreude angezogen, da er eine befreite
Seele ist.
VERS 22
Ein intelligenter Mensch schöpft nicht aus den Quellen
des Leids, die aus der Berührung mit den materiellen
Sinnen entstehen. O Sohn Kuntis, solche Freuden haben
einen Anfang und ein Ende, und daher erfreut sich der
Weise nicht an ihnen.
ERLÄUTERUNG
Materielle Sinnenfreuden entstehen aus Kontakt mit den
materiellen Sinnen, die alle zeitweilig sind, weil der Körper
selbst zeitweilig ist. Eine befreite Seele ist an nichts
Zeitweiligem interessiert. Wie könnte sie dem Genuss
falscher Freude zustimmen, wenn sie die Glückseligkeit
transzendentaler Freuden kennt? Im Padma Purana heißt
es:
"Die Mystiker schöpfen unbegrenzte transzendentale
Freuden aus der Absoluten Wahrheit, und daher ist die
Höchste Absolute Wahrheit, die Persönlichkeit Gottes, auch
als Rama bekannt."
Auch im Srimad-Bhagavatam (5.5.1) wird gesagt:
"Meine lieben Söhne, es gibt keinen Grund, in dieser
menschlichen Form des Lebens sehr schwer für
Sinnenfreude zu arbeiten; solche Freuden sind auch den
Kotessern (Schweinen) zugänglich. Ihr solltet euch statt
dessen in diesem Leben tapasya auferlegen, durch die euer
Dasein geläutert werden wird, und als Ergebnis werdet ihr
imstande sein, grenzenlose transzendentale Glückseligkeit
zu genießen."
Deshalb verspüren diejenigen, die wahre yogis oder
gelehrte Transzendentalisten sind, keinerlei Anziehung zu
Sinnenfreuden, die die Ursachen fortgesetzten materiellen
Daseins sind. Je mehr man an materiellen Freuden hängt,
desto mehr ist man von materiellen Leiden gefangen.
VERS 23
Wenn jemand, bevor er den gegenwärtigen Körper
aufgibt, dem Drang der materiellen Sinne widerstehen
und die Macht von Begierde und Zorn bezwingen kann,
ist er ein yogi und lebt glücklich in dieser Welt.
ERLÄUTERUNG
Wenn man auf dem Pfad der Selbstverwirklichung stetig
fortschreiten will, muss man versuchen, die Kräfte der
materiellen Sinne zu beherrschen. Es gibt den Drang des
Redens, des Zorns, des Geistes, des Magens, der Genitalien
und der Zunge. Wer fähig ist, die Dränge all dieser
verschiedenen Sinne und den Geist zu beherrschen, wird als
Gosvami oder svami bezeichnet. Solche Gosvamis leben ein
streng beherrschtes Leben und gehen den Drängen der
Sinne ganz aus dem Wege. Wenn materielle Wünsche
unbefriedigt bleiben, erzeugen sie Zorn, und so werden der
Geist, die Augen und die Brust erregt. Deshalb muss man
sich darin üben, sie zu beherrschen, bevor man den
materiellen Körper aufgibt. Wer dazu fähig ist, wird als
selbstverwirklicht angesehen, und ist so im Zustand der
Selbstverwirklichung glücklich. Es ist die Pflicht des
Transzendentalisten, mit aller Kraft zu versuchen, Begierde
und Zorn zu beherrschen.
VERS 24
Jemand, dessen Glück im Innern liegt, wer im Innern
tätig ist, sich im Innern erfreut und im Innern
erleuchtet ist, ist der wahrhaft vollkommene Mystiker.
Er ist im Höchsten befreit, und letztlich erreicht er den
Höchsten.
ERLÄUTERUNG
Solange man nicht fähig ist, Glück im Innern zu kosten,
wie kann man von äußeren Beschäftigungen ablassen, die
oberflächliches Glück bewirken sollen? Ein befreiter
Mensch genießt Glück durch tatsächliche Erfahrung. Er
kann sich daher an jedem beliebigen Ort schweigend
niederlassen und die Tätigkeiten des Lebens von innen her
genießen. Solch ein befreiter Mensch begehrt nicht länger
nach äußerem materiellen Glück. Diesen Zustand nennt
man brahma-bhuta, und wenn man ihn erreicht, ist es
sicher, dass man zu Gott, nach Hause, zurückkehrt.
VERS 25
Wer sich jenseits von Dualität und Zweifel befindet,
wessen Geist im Innern tätig ist, wer ständig für das
Wohl aller fühlenden Wesen arbeitet und wer frei von
allen Sünden ist, erreicht Befreiung im Höchsten.
ERLÄUTERUNG
Nur von einem völlig Krsna-Bewussten Menschen kann man
sagen, dass er zum Wohl aller Lebewesen handelt. Wenn
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jemand wirklich weiß, dass Krsna der Urquell allen Seins ist
und auch in diesem Geiste handelt, handelt er zum Wohl
aller. Die Menschheit leidet, weil sie vergessen hat, dass
Krsna der höchste Genießer, der höchste Besitzer und der
höchste Freund ist. Zu handeln, um dieses Bewusstsein in
der menschlichen Gesellschaft wiederzubeleben, ist daher
die höchste Wohltätigkeitsarbeit. Man kann keine
erstklassige Wohltätigkeitsarbeit leisten, ohne im Höchsten
befreit zu sein. Ein Krsna-Bewusster Mensch zweifelt nicht
an der Oberhoheit Krsnas. Er hegt keinen Zweifel, weil er
völlig frei von allen Sünden ist. Das ist die Stufe göttlicher
Liebe.
Jemand, der nur das körperliche Wohlergehen der
menschlichen Gesellschaft fördert, kann im Grunde
niemandem helfen. Zeitweilige Erleichterung für den
äußeren Körper und den Geist führt zu keiner
befriedigenden Lösung. Die eigentliche Ursache der
Schwierigkeiten im harten Lebenskampf liegt darin, dass
man seine Beziehung zum Höchsten Herrn vergessen hat.
Wenn sich ein Mensch seiner Beziehung zu Krsna völlig
Bewusst ist, ist er tatsächlich eine befreite Seele, obwohl er
sich noch in einem materiellen Körper befinden mag.
VERS 26
Wer frei von Zorn und allen materiellen Wünschen ist,
selbstverwirklicht, selbstdiszipliniert und ständig um
Vollkommenheit bemüht, wird mit Sicherheit in sehr
naher Zukunft im Höchsten befreit.
ERLÄUTERUNG
Von allen heiligen Menschen, die ständig nach Erlösung
streben, ist derjenige der beste, der sich im
Krsna-Bewusstsein befindet. Das Bhagavatam (4.22.39)
bestätigt diese Tatsache wie folgt:
"Versuche einfach, Vasudeva, die Höchste Persönlichkeit
Gottes, durch hingebungsvollen Dienst zu verehren. Selbst
große Weise sind nicht fähig, die Dränge der Sinne so
wirksam zu meistern wie diejenigen, die transzendentale
Glückseligkeit erfahren, indem sie den Lotosfüßen des
Herrn dienen und so den tiefverwurzelten Wunsch nach
fruchtbringenden Tätigkeiten entwurzeln."
In der bedingten Seele ist der Wunsch, die
fruchtbringenden Ergebnisse ihrer Arbeit zu genießen, so
tief verwurzelt, dass es selbst für die großen Weisen - trotz
großer Bemühung - sehr schwer ist, solche Wünsche zu
beherrschen. Ein Geweihter des Herrn, der ständig in
hingebungsvollem Dienst im Krsna-Bewusstsein beschäftigt
ist und vollkommene Selbstverwirklichung erlangt hat,
erreicht sehr schnell Befreiung im Höchsten. Dank seinem
vollständigen Wissen in Selbstverwirklichung bleibt er
immer in Trance. Ein Beispiel hierfür lautet:
"Allein durch Anblicken, Meditation und Berührung sorgen
die Fische, Schildkröten und Vögel für ihre Nachkommen.
In ähnlicher Weise verhalte auch Ich mich, o Padmaja!"
Der Fisch zieht seine Brut auf, indem er sie einfach
anblickt. Die Schildkröte zieht ihre Nachkommen einfach
durch Meditation auf. Sie legt ihre Eier auf dem Land ab
und meditiert über sie, während sie im Wasser bleibt. In
ähnlicher Weise kann ein Gottgeweihter im
Krsna-Bewusstsein, obwohl weit entfernt vom Reich des
Herrn, sich zu diesem Reich erheben, indem er einfach,
durch Betätigung im Krsna-Bewusstsein, ständig an den
Herrn denkt. Er fühlt nicht die Qualen materieller Leiden;
diesen Lebenszustand bezeichnet man als brahma-nirvana
oder die Abwesenheit materieller Leiden, weil man ständig
in Gedanken an den Höchsten versunken ist.
VERS 27-28
Indem der Transzendentalist alle äußeren Sinnesobjekte
ausschließt, die Augen und den Blick zwischen die
Augenbrauen richtet, den ein- und ausströmenden Atem
in den Nasenöffnungen anhält und so Geist, Sinne und
Intelligenz beherrscht, wird er von Begehren, Angst und
Zorn frei. Wer sich immer in diesem Zustand befindet,
ist gewiss befreit.
ERLÄUTERUNG
Wenn man im Krsna-Bewusstsein tätig ist, kann man
sogleich seine spirituelle Identität erkennen und mit Hilfe
des hingebungsvollen Dienstes den Höchsten Herrn
verstehen. Wenn man im hingebungsvollen Dienst gut
gestellt ist, gelangt man auf die transzendentale Ebene, auf
der man qualifziert ist, die Gegenwart des Herrn in seinem
Tätigkeitsbereich zu spüren. Diese besondere Ebene wird
Befreiung im Höchsten genannt.
Nachdem der Herr die obengenannten Prinzipien der
Befreiung im Höchsten erklärt hat, unterweist Er Arjuna,
wie man diese Stellung durch yoga-Mystik, bekannt als
asòaâga-yoga, erreichen kann. Dieser yoga ist achtfach
gegliedert in: yama, niyama, asana, pranayama,
pratyahara, dharana, dhyana und samadhi. Hier, am Ende
des Fünften Kapitels, wird dieses Thema nur vorbereitend
erklärt; im Sechsten Kapitel wird dieser yoga ausführlich
und in allen Einzelheiten beschrieben. Man muss die
Sinnesobjekte, wie Klang, Berührung, Form, Geschmack
und Geruch, durch den pratyahara- (Atmungs-) Vorgang
im yoga vertreiben und dann den Blick zwischen die beiden
Augenbrauen richten und sich mit halbgeschlossenen
Lidern auf die Nasenspitze konzentrieren. Es nützt nichts,
die Augen ganz zu schließen, da dann immer die
Möglichkeit besteht, einzuschlafen. Auch nützt es nichts,
die Augen vollständig zu öffnen, da dann die Gefahr
besteht, von Sinnesobjekten angezogen zu werden. Die
Atembewegung wird in den Nasenöffnungen angehalten,
indem man die auf- und abströmende Luft im Körper
neutralisiert. Durch die Ausübung solchen yogas ist man
fähig, die Sinne zu meistern, sich von äußeren
Sinnesobjekten zurückzuhalten und sich so auf die
Befreiung im Höchsten vorzubereiten.
Dieser yoga-Vorgang hilft einem, von allen Ängsten und
allem Zorn frei zu werden und so die Gegenwart der
Überseele in der transzendentalen Situation zu spüren. Mit
anderen Worten: Krsna-Bewusstsein ist der einfachste
Vorgang, die Prinzipien des yoga auszuführen. Dies wird
im nächsten Kapitel ausführlich erklärt werden. Ein
Krsna-Bewusster Mensch läuft nicht Gefahr, seine Sinne an
andere Beschäftigungen zu verlieren, weil er immer im
hingebungsvollen Dienst tätig ist. Durch diese Methode
kann man seine Sinne besser beherrschen als durch
astanga-yoga.
VERS 29
Da die Weisen Mich als das endgültige Ziel aller Opfer
und Bußen kennen, den Höchsten Herrn aller Planeten
und Halbgötter und den Wohltäter und wohlmeinenden
Freund aller Lebewesen, erlangen sie Frieden von den
Qualen des materiellen Daseins.
ERLÄUTERUNG
Die bedingten Seelen, die sich in den Klauen der
illusionierenden Energie befinden, sind alle bestrebt, in der
materiellen Welt Frieden zu finden. Aber sie kennen nicht
die Friedensformel, die in diesem Teil der Bhagavad-Gita
erklärt wird. Die größte Friedensformel lautet einfach: Sri
Krsna ist der Nutznießer aller menschlichen Tätigkeiten.
Die Menschen sollten alles für den transzendentalen Dienst
des Herrn opfern, da Er der Besitzer aller Planeten und der
Halbgötter auf ihnen ist. Niemand ist größer als Er. Er ist
größer als die Größten der Halbgötter wie Siva und
Brahma. In den Veden wird der Höchste Herr als tam
isvaranam paramam mahesvaram beschrieben. Im Banne
der Illusion versuchen die Lebewesen, alles in ihrem
Umkreis zu beherrschen; in Wirklichkeit aber werden sie
von der materiellen Energie des Herrn beherrscht. Der Herr
ist der Meister der materiellen Natur, und die bedingten
Seelen unterstehen ihren strengen Regeln. Solange man
diese einfachen Tatsachen nicht versteht, ist es weder
individuell noch kollektiv möglich, auf der Welt Frieden zu
erreichen. Der Grundgedanke des Krsna-Bewusstseins
lautet: Sri Krsna ist der höchste Herrscher, und alle
Lebewesen, einschließlich der großen Halbgötter, sind
Seine Untergebenen. Vollkommener Friede läßt sich nur im
völligen Krsna-Bewusstsein finden.
Dieses Fünfte Kapitel ist eine praktische Erklärung des
Krsna-Bewusstseins, die allgemein als karma-yoga bekannt
ist. Die gedanklicher Spekulation entspringende Frage, wie
karma-yoga zur Befreiung führen kann, ist hiermit
beantwortet. Im Krsna-Bewusstsein tätig zu sein bedeutet, in
dem vollständigen Wissen zu arbeiten, dass der Herr der
Herrscher ist. Solche Arbeit unterscheidet sich nicht von
transzendentalem Wissen. Direktes Krsna-Bewusstsein ist
bhakti-yoga, und jnana-yoga ist ein Pfad, der zu
bhakti-yoga führt. Krsna-Bewusstsein bedeutet, im
vollständigen Wissen um seine Beziehung zum Höchsten
Absoluten zu arbeiten, und die Vollkommenheit dieses
Bewusstseins ist umfassendes Wissen über Krsna oder die
Höchste Persönlichkeit Gottes. Eine reine Seele ist als
fragmentarisches winziges Bestandteil Gottes Sein ewiger
Diener. Sie kommt mit maya (Illusion) in Berührung, weil
sie den Wunsch hat, über maya zu herrschen, und das ist die
Ursache ihrer vielen Leiden. Solange die bedingte Seele mit
Materie in Berührung ist, muss sie entsprechend materiellen
Notwendigkeiten tätig sein. Krsna-Bewusstsein jedoch
bringt sie in das spirituelle Leben zurück, selbst wenn sie
sich noch im Einflussbereich der Materie befindet, denn
Krsna-Bewusstsein bedeutet, durch praktisches Handeln in
der materiellen Welt das spirituelle Dasein wiederzuerwekken.
Je weiter jemand fortschreitet, desto mehr wird er aus
der Gewalt der Materie befreit. Der Herr bevorzugt oder
benachteiligt niemanden. Alles hängt davon ab, inwieweit
man seine Pflichten praktisch erfüllt und sich bemüht, die
Sinne zu beherrschen und den Einfluss von Begierde und
Zorn zu bezwingen. Und wenn man durch die Meisterung
der obenerwähnten Leidenschaften Krsna-Bewusstsein
erlangt, wird man auf der transzendentalen Ebene oder im
brahma-nirvaäa verankert. Der achtfache mystische yoga
wird im Krsna-Bewusstsein von selbst praktiziert, denn es
wird das gleiche endgültige Ziel erreicht. Durch die
Ausübung von yama, niyama, asana, pratyahara, dhyana,
dharaäa, praäayama und samadhi wird man allmählich
erhoben. Aber dieser achtfache yoga-Pfad ist nur die
Einführung in den hingebungsvollen Dienst, der allein dem
Menschen Frieden bringen kann. Er ist die höchste
Vollkommenheit des Lebens.
Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum
Fünften Kapitel der Srimad-Bhagavad-Gita mit dem Titel:
"Karma-yoga - Handeln im Krsna-Bewusstsein".