ZWÖLFTES KAPITEL
Hingebungsvoller Dienst
VERS 1
Arjuna fragte: Wer wird als vollkommener angesehen
- diejenigen, die in rechter Weise in Deinem
hingebungsvollen Dienst tätig sind, oder diejenigen, die
das unpersönliche Brahman, das Unmanifestierte,
verehren?
ERLÄUTERUNG
Krsna hat nun das Persönliche, das Unpersönliche und das
Universale erklärt und alle Arten von Gottgeweihten und
yogis beschrieben. Grundsätzlich können die
Transzendentalisten in zwei Gruppen unterteilt werden: in
Persönlichkeits- und Unpersönlichkeitsanhänger. Wer sich
dem persönlichen Aspekt des Höchsten weiht, beschäftigt
sich mit ganzer Kraft im Dienst des Höchsten Herrn. Der
Unpersönlichkeitsanhänger hingegen dient Krsna nicht
direkt, sondern meditiert über das unpersönliche Brahman,
das Unmanifestierte.
In diesem Kapitel erfahren wir, dass von den verschiedenen
Vorgängen zur Erkenntnis der Absoluten Wahrheit
bhakti-yoga oder hingebungsvoller Dienst der höchste ist.
Wenn man tatsächlich den Wunsch hat, mit der Höchsten
Persönlichkeit Gottes zusammenzusein, muss man sich dem
hingebungsvollen Dienst zuwenden.
Diejenigen, die den Höchsten Herrn direkt durch
hingebungsvollen Dienst verehren, werden
Persönlichkeitsanhänger genannt, und jene, die über das
unpersönliche Brahman meditieren, nennt man
Unpersönlichkeitsanhänger. Arjuna fragt hier, welche
Position besser sei. Es gibt verschiedene Wege zur
Erkenntnis der Absoluten Wahrheit, doch Krsna deutet in
diesem Kapitel an, dass bhakti-yoga oder hingebungsvoller
Dienst der höchste aller Pfade ist. Es ist das direkteste und
einfachste Mittel, mit Gott zusammenzusein.
Im Zweiten Kapitel erklärt der Herr, dass das Lebewesen
nicht der materielle Körper, sondern ein spiritueller Funke
ist, ein Teil der Absoluten Wahrheit. Im Siebten Kapitel
spricht Er von dem Lebewesen als einem winzigen
Bestandteil des Höchsten Ganzen und empfiehlt, die
Aufmerksamkeit völlig auf das Ganze zu richten. Im
Achten Kapitel wird gesagt, dass jeder, der im Augenblick
des Todes an Krsna denkt, sogleich zum spirituellen
Himmel, dem Reich Krsnas, erhoben wird. Am Ende des
Sechsten Kapitels sagt der Herr, dass der yogi der
vollkommenste unter den yogis ist, der in seinem Innern an
Krsna denkt. Überall in der Gita wird also die persönliche
Hingabe an Krsna als die höchste Form spiritueller
Verwirklichung empfohlen. Trotzdem gibt es Menschen,
die sich zu Krsnas unpersönlicher brahmajyoti-
Ausstrahlung hingezogen fühlen, dem
alldurchdringenden Aspekt der Absoluten Wahrheit, der
unmanifestiert ist und außerhalb der Reichweite der
materiellen Sinne liegt. Arjuna möchte nun wissen, welcher
dieser Transzendentalisten über vollkommeneres Wissen
verfügt. Mit anderen Worten: Er erhellt seine eigene Position,
denn er fühlt sich zur persönlichen Gestalt Krsnas
hingezogen, nicht zum unpersönlichen Brahman. Er möchte
wissen, ob seine Position sicher ist. Die unpersönliche
Manifestation des Höchsten Herrn stellt sowohl in der
materiellen als auch in der spirituellen Welt für die
Meditation ein Problem dar. Im Grunde kann man den
unpersönlichen Aspekt der Absoluten Wahrheit nicht in
vollkommener Weise erfassen. Arjuna will daher sagen:
"Was nützt eine solche Zeitverschwendung?" Arjuna
machte im Elften Kapitel die Erfahrung, dass es das beste
ist, wenn man an der persönlichen Gestalt Krsnas haftet,
denn so konnte er zur gleichen Zeit alle anderen Formen
verstehen, ohne dass seine Liebe zu Krsna beeinträchtigt
wurde. Diese wichtige Frage Arjunas an Krsna wird den
Unterschied zwischen der unpersönlichen und der
persönlichen Auffassung von der Absoluten Wahrheit
klarstellen.
VERS 2
Der Segenspendende Herr sprach: Derjenige, dessen
Geist auf Meine persönliche Gestalt gerichtet ist und der
immer damit beschäftigt ist, Mich mit großem und
transzendentalem Glauben zu verehren, wird von Mir
als der Vollkommenste angesehen.
ERLÄUTERUNG
Als Antwort auf Arjunas Frage sagt Krsna klar, dass
derjenige, der sich auf Seine persönliche Form konzentriert
und Ihn mit Glauben und Hingabe verehrt, als der
vollkommenste yogi anzusehen ist. Für jemand in solchem
Krsna-Bewusstsein gibt es keine materiellen Tätigkeiten,
weil alles für Krsna getan wird. Ein reiner Gottgeweihter ist
ständig beschäftigt - manchmal chantet er über Krsna,
manchmal hört er über Krsna, zuweilen liest er Bücher über
Krsna, dann wieder kocht er prasada für Krsna oder geht
zum Marktplatz, um etwas für Krsna zu kaufen; ein anderes
Mal reinigt er den Tempel oder wäscht das Geschirr -
doch was immer er auch tut, er lässt keinen Augenblick
vergehen, ohne seine Tätigkeiten Krsna zu weihen. Solches
Handeln findet in völligem samadhi statt.
VERS 3-4
Dieienigen aber, die ausschließlich das Unmanifestierte
verehren, welches jenseits der Wahrnehmung der Sinne
liegt, das Alldurchdringende, Unbegreifliche,
Unwandelbare und Unbewegliche - die unpersönliche
Auffassung von der Absoluten Wahrheit -, indem sie
die verschiedenen Sinne beherrschen und jedem
gleichgesinnt sind, solche Menschen, zum Wohl aller
beschäftigt, erreichen Mich am Ende ebenfalls.
ERLÄUTERUNG
Diejenigen, die den Höchsten Gott, Krsna, nicht direkt
verehren, sondern versuchen, an das gleiche Ziel durch
einen indirekten Vorgang zu gelangen, erreichen am Ende
ebenfalls das höchste Ziel, Sri Krsna. Dazu heißt es: "Nach
vielen Geburten sucht der Weise Zunucht bei Mir, da er
weiß, dass Vasudeva alles ist." (Bg. 7.19) Wenn jemand
nach vielen Geburten zu vollkommenem Wissen gelangt,
ergibt er sich Krsna, dem Herrn. Wenn man sich Gott nach
der in diesem Vers erwähnten Methode zuwendet, muss
man die Sinne beherrschen, jedem dienen und sich zum
Wohl aller Wesen betätigen. Es ist notwendig, sich Krsna
zuzuwenden; andernfalls ist es nicht möglich, vollkommene
Erkenntnis zu erlangen. Oft muss man viele Bußen auf sich
nehmen, bevor man sich dem Höchsten Herrn völlig ergibt.
Um die Überseele in der individuellen Seele wahrnehmen
zu können, muss man die Sinnestätigkeiten, wie Sehen,
Hören, Schmecken und Berühren, einstellen. Dann erst
gelangt man zu dem Verständnis, dass die Höchste Seele
überall gegenwärtig ist. Wenn man das erkennt, beneidet
man kein Lebewesen - man sieht keinen Unterschied
mehr zwischen Mensch und Tier, denn man sieht nur die
Seele, und nicht die äußere Hülle. Für den gewöhnlichen
Menschen jedoch ist diese Methode der unpersönlichen
Verwirklichung nur sehr schwer durchführbar.
VERS 5
Für diejenigen, deren Geist am unmanifestierten,
unpersönlichen Aspekt des Höchsten haftet, ist
Fortschritt sehr mühsam. Auf diesem Pfad fortzuschreiten
fällt den verkörperten Seelen stets schwer.
ERLÄUTERUNG
Diejenigen Transzendentalisten, die dem Pfad des
unbegreiflichen, unmanifestierten und unpersönlichen
Aspektes des Höchsten Herrn folgen, werden jnana-yogis
genannt, und Menschen, die völlig Krsna-bewusst sind und
sich im hingebungsvollen Dienst des Herrn beschäftigen,
werden als bhakti-yogis bezeichnet. Hier wird nun
eindeutig der Unterschied zwischen jnana-yoga und
bhakti-yoga erklärt. Zwar führt der Vorgang des
jnana-yoga letztlich zum gleichen Ziel, aber er ist sehr
mühsam, wohingegen der Pfad des bhakti-yoga, bei dem
man sich direkt im Dienst der Höchsten Persönlichkeit
Gottes betätigt, für die verkörperte Seele einfacher und
natürlich ist. Die individuelle Seele ist seit undenklichen
Zeiten verkörpert. Es ist für sie deshalb sehr schwierig,
auch nur theoretisch zu verstehen, dass sie nicht der Körper
ist. Aus diesem Grunde anerkennt der bhakti-yogi, dass die
transzendentale Bildgestalt Krsnas der Verehrung würdig
ist, denn auf diese Weise kann die körperliche Auffassung,
die sich im Geist festgesetzt hat, genutzt werden. Natürlich
hat die Verehrung der Höchsten Persönlichkeit Gottes in
Form der Bildgestalt im Tempel nichts mit
Götzenverehrung zu tun. In den vedischen Schriften findet
man den Hinweis, dass die Verehrung entweder saguna
oder nirguna sein kann - als Verehrung des Höchsten mit
oder ohne Eigenschaften. Die Verehrung der Bildgestalt
des Herrn im Tempel ist saguna-Verehrung, denn der Herr
wird in diesem Fall durch materielle Eigenschaften
repräsentiert. Doch die Form des Herrn, obwohl durch
materielle Elemente wie Stein, Holz oder Ölfarbe
repräsentiert, ist in Wirklichkeit nicht materiell. Das ist das
absolute Wesen des Höchsten Herrn.
Ein grobes Beispiel mag hier gegeben werden. Auf der
Straße sind Briefkästen aufgestellt, und wenn wir unsere
Briefe in diese Kästen werfen, werden sie selbstverständlich
und ohne Schwierigkeiten an ihren
Bestimmungsort gelangen. Aber irgendein alter Kasten
oder eine Imitation, die nicht vom Postamt aufgestellt
worden ist, wird diese Aufgabe nicht erfüllen. In ähnlicher
Weise ist die transzendentale Bildgestalt (arca-vigraha)
eine autorisierte Repräsentation Gottes. Diese arca-vigraha
ist eine Inkarnation des Höchsten Herrn. Gott wird durch
diese Form Dienst entgegennehmen. Der Herr ist
allgewaltig und allmächtig; deshalb kann Er, um es den
bedingten Seelen leicht zu machen - durch Seine
Inkarnation als arca-vigraha den Dienst des Gottgeweihten
entgegennehmen.
Für einen Gottgeweihten ist es also nicht schwierig, sich
dem Höchsten sogleich und direkt zu nähern; aber für jene,
die den unpersönlichen Weg zu spiritueller Verwirklichung
einschlagen, ist der Pfad schwierig. Sie müssen die
unmanifestierte Repräsentation des Höchsten durch solche
vedischen Schriften wie die Upanisaden verstehen; sie
müssen die Sprache erlernen und die nicht wahrnehmbaren
Gefühle verstehen und all diese verschiedenen Vorgänge
auch noch verwirklichen. Das ist für einen gewöhnlichen
Menschen nicht so leicht. Ein Mensch im
Krsna-Bewusstsein, der im hingebungsvollen Dienst tätig
ist, erkennt die Höchste Persönlichkeit Gottes sehr leicht,
indem er sich einfach von einem echten spirituellen Meister
führen lässt, der Bildgestalt regelmäßig Ehrerbietungen
erweist, von der Herrlichkeit des Herrn hört und die Reste
der Speisen ißt, die dem Herrn geopfert wurden. Es besteht
kein Zweifel darüber, dass die Unpersönlichkeitsanhänger
unnötigerweise einen mühseligen Pfad beschreiten mit der
Gefahr, die Absolute Wahrheit letztlich doch nicht zu
erkennen. Der Persönlichkeitsanhänger hingegen nähert
sich der Höchsten Persönlichkeit Gottes direkt, ohne
Risiko, Mühsal oder Schwierigkeit. Im Srimad-
Bhagavatam findet man einen ähnlichen Abschnitt, in dem
es heißt: Wenn man sich letztlich doch der Höchsten
Persönlichkeit Gottes ergeben muss (diesen Vorgang der
Hingabe nennt man bhakti), aber stattdessen die Mühe auf
sich nimmt, zu verstehen, was Brahman und was nicht
Brahman ist, und sein ganzes Leben so verbringt, ist die
Folge nur Mühsal. Daher wird hier empfohlen, diesen
beschwerlichen Pfad der Selbsterkenntnis nicht zu
beschreiten, da das Endergebnis unsicher ist.
Ein Lebewesen ist ewig eine individuelle Seele, und wenn
es in das spirituelle Ganze eingehen will, mag es den
Ewigkeits- und Wissensaspekt seines ursprünglichen
Wesens erkennen, aber nicht den glückseligen Teil. Durch
die Gnade eines Gottgeweihten mag ein solcher
Transzendentalist, der im Vorgang des jnana-yoga sehr
gelehrt ist, dazu kommen, sich mit bhakti-yoga oder
hingebungsvollem Dienst zu befassen, aber auch dann wird
die lange Beschäftigung mit der Unpersönlichkeitslehre zur
Ursache von Schwierigkeiten, da er diese Vorstellung nicht
aufgeben kann. Folglich hat eine verkörperte Seele mit dem
Unmanifestierten immer Schwierigkeiten - sowohl in der
Praxis als auch bei der Verwirklichung. Jedes Lebewesen
besitzt eine winzige Unabhängigkeit, und man sollte mit
Sicherheit wissen, dass die Erkenntnis des Unmanifestierten
dem Wesen unseres spirituellen, glückseligen Selbst
widerspricht. Man sollte sich deshalb diesem Vorgang nicht
zuwenden. Der beste Weg für alle Lebewesen ist der
Vorgang des Krsna-Bewusstseins, zu dem völlige
Beschäftigung im hingebungsvollen Dienst gehört.
Versucht man, diesem hingebungsvollen Dienst aus dem
Wege zu gehen, besteht die Gefahr, dass man sich dem
Atheismus zuwendet. Deshalb sollte dieser Vorgang, die
Aufmerksamkeit auf das Unmanifestierte oder das
Unvorstellbare zu richten, das jenseits der Reichweite der
Sinne liegt, niemals empfohlen werden, vor allem nicht in
diesem Zeitalter. Er wird von Sri Krsna nicht empfohlen.
VERS 6-7
O Sohn Prthas, wer Mich verehrt, alle Tätigkeiten Mir
weiht und Mir völlig hingegeben ist, wer sich im
hingebungsvollen Dienst beschäftigt, ständig über Mich
meditiert und seinen Geist auf Mich gerichtet hat - ihn
befreie Ich sehr schnell aus dem Ozean von Geburt und
Tod.
ERLÄUTERUNG
Es wird hier ausdrücklich gesagt, dass sich die
Gottgeweihten in einer sehr glücklichen Lage befinden, da
der Herr sie schon sehr bald aus dem materiellen Dasein
befreien wird. Im reinen hingebungsvollen Dienst kommt
man zu der Erkenntnis, dass Gott groß und die individuelle
Seele Ihm untergeordnet ist. Ihre Pflicht ist es, dem Herrn
zu dienen: andernfalls wird sie maya dienen.
Wie zuvor erklärt wurde, kann der Höchste Herr nur durch
hingebungsvollen Dienst erkannt werden. Deshalb sollte
man völlig hingegeben sein. Man sollte seinen Geist
vollständig auf Krsna fixieren, um Ihn zu erreichen. Man
sollte für Krsna arbeiten. Es ist gleich, mit welcher Arbeit
man sich beschäftigt, aber diese Arbeit sollte ausschließlich
für Krsna getan werden. Das ist der Standard
hingebungsvollen Dienstes. Der Gottgeweihte strebt nach
nichts anderem, als die Höchste Persönlichkeit Gottes zu
erfreuen. Die Mission seines Lebens besteht darin, Krsna zu
erfreuen, und er kann alles für Krsnas Zufriedenstellung
opfern, genau wie es Arjuna in der Schlacht von Kuruksetra
tat. Der Vorgang ist sehr einfach: Man kann seiner jeweiligen
Beschäftigung nachgehen und zur gleichen Zeit Hare
Krsna, Hare Krsna. Krsna Krsna, Hare Hare / Hare Rama,
Hare Rama, Rama Rama, Hare Hare chanten. Solch
transzendentales Chanten zieht den Gottgeweihten zur
Persönlichkeit Gottes hin.
Der Höchste Herr verspricht hier, dass Er einen reinen
Gottgeweihten, der so handelt, unverzüglich aus dem
Ozean der materiellen Existenz befreien wird. Diejenigen,
die im yoga fortgeschritten sind, können die Seele durch
den yoga-Vorgang nach Belieben zu irgendeinem Planeten
erheben, der ihnen gefällt. Die yogis machen in
verschiedener Weise von dieser Möglichkeit Gebrauch,
doch was den Gottgeweihten betrifft, so heißt es eindeutig,
dass der Herr Sich persönlich seiner annimmt. Er braucht
nicht darauf zu warten, sehr erfahren zu werden, um sich
zum spirituellen Himmel zu erheben. Im Varaha Puraäa
erscheint der folgende Vers:
Die Bedeutung dieses Verses ist, dass ein Gottgeweihter
nicht asòaâga-yoga zu praktizieren braucht, um seine Seele
zu den spirituellen Planeten zu erheben. Die Verantwortung
hierfür übernimmt der Höchste Herr persönlich. Er sagt hier
klar, dass Er Selbst zum Befreier Seines Geweihten wird.
Ein Kind weiß, dass sich seine Eltern in jeder Beziehung um
es kümmern, und so kann es sich in Sicherheit fühlen. In
ähnlicher Weise braucht sich ein Gottgeweihter nicht zu
bemühen, durch yoga zu anderen Planeten zu gelangen.
Vielmehr kommt der Höchste Herr aus Seiner großen
Barmherzigkeit auf Seinem Vogelträger GaruÅa sogleich
herbei und befreit den Gottgeweihten unverzüglich aus dem
materiellen Dasein. Obwohl ein Mensch, der in den Ozean
gefallen ist, sehr schwer kämpfen mag und vielleicht auch
ein guter Schwimmer ist, wird er sich nicht retten können.
Wenn aber jemand kommt und ihn aus dem Wasser zieht,
befindet er sich in Sicherheit. In ähnlicher Weise zieht der
Herr den Gottgeweihten aus dem materiellen Dasein. Man
braucht nur den einfachen Vorgang des Krsna-Bewusstseins
zu praktizieren und sich völlig im hingebungsvollen Dienst
zu beschäftigen. Jeder intelligente Mensch sollte stets den
Vorgang des hingebungsvollen Dienstes allen anderen
Pfaden vorziehen. Im Narayaniya wird dies wie folgt
bestätigt:
Die Bedeutung dieses Verses ist, dass man sich nicht mit
den verschiedenen Vorgängen fruchtbringenden Tuns oder
mit der Kultivierung von Wissen durch gedankliche
Spekulation befassen sollte. Wer der Höchsten
Persönlichkeit hingegeben ist, kann alles erreichen, was
man durch andere yoga-Vorgänge, Spekulation, Rituale,
Opfer, Wohltätigkeiten usw. erreichen kann. Das ist der
besondere Segen, den man im hingebungsvollen Dienst
erhält.
Einfach durch das Chanten der Heiligen Namen Krsnas -
Hare Krsna, Hare Krsna, Krsna Krsna, Hare Hare / Hare
Rama, Hare Rama, Rama Rama, Hare Hare - kann sich
ein Geweihter des Herrn leicht und freudig dem höchsten
Ziel nähern. Diesen Bestimmungsort kann er durch keinen
anderen Vorgang der Religion erreichen. Die
Schlußfolgerung der Bhagavad-Gita findet man im
Achtzehnten Kapitel:
Man sollte alle anderen Vorgänge der Selbstverwirklichung
aufgeben und einfach hingebungsvollen Dienst im
Krsna-Bewusstsein ausführen. Das wird einen befähigen,
die höchste Vollkommenheit des Lebens zu erreichen. Man
braucht sich über die sündigen Handlungen seines
vergangenen Lebens keine Gedanken zu machen, denn der
Höchste Herr übernimmt für einen die volle
Verantwortung. Daher sollte man nicht sinnlos versuchen,
sich durch spirituelle Erkenntnis aus eigener Kraft zu
befreien. Möge jeder beim höchsten allmächtigen Gott,
Krsna, Zuflucht suchen. Das ist die höchste
Vollkommenheit des Lebens.
VERS 8
Richte deinen Geist einfach auf Mich, die Höchste
Persönlichkeit Gottes, und beschäftige all deine
Intelligenz in Mir. So wirst du zweifelsohne immer in
Mir leben.
ERLÄUTERUNG
Wer in Sri Krsnas hingebungsvollem Dienst tätig ist, lebt in
einer direkten Beziehung zum Höchsten Herrn, und daher
besteht kein Zweifel, dass seine Stellung von Anfang an
transzendental ist. Ein Gottgeweihter lebt nicht auf der
materiellen Ebene - er lebt in Krsna. Der Heilige Name
des Herrn und der Herr sind nicht voneinander verschieden;
wenn daher ein Gottgeweihter Hare Krsna chantet, tanzen
Krsna und Seine innere Energie auf der Zunge des
Gottgeweihten. Wenn er Krsna Nahrung opfert, nimmt
Krsna diese Speisen direkt an, und der Gottgeweihte wird
Krsna-isiert, indem er die Überreste zu sich nimmt. Wer
sich nicht in solchem Dienst beschäftigt, kann nicht
verstehen, wie dies möglich ist, obgleich dieser Vorgang in
der Gita und anderen vedischen Schriften empfohlen wird.
VERS 9
Mein lieber Arjuna, o Gewinner von Reichtum, wenn du
deinen Geist nicht ohne Abweichung auf Mich richten
kannst, dann folge den regulierenden Prinzipien des
bhakti-yoga. So wirst du den Wunsch entwickeln, zu
Mir zu gelangen.
ERLÄUTERUNG
In diesem Vers werden zwei verschiedene Vorgänge des
bhakti-yoga angedeutet. Der erste bezieht sich auf jemand,
der durch transzendentale Liebe tatsächlich Zuneigung zu
Krsna, der Höchsten Persönlichkeit Gottes, entwickelt hat.
Der andere ist für jemand, der keine Anhaftung an die
Höchste Person durch transzendentale Liebe entwickelt hat.
Für diese zweite Gruppe gibt es verschiedene
vorgeschriebene Regeln und Regulierungen, die man
befolgen kann, um letztlich auf die Stufe der Anhaftung an
Krsna erhoben zu werden.
Bhakti-yoga bedeutet Läuterung der Sinne. Im
gegenwärtigen Zustand, im materiellen Dasein, sind die
Sinne immer unrein, weil sie mit Sinnenbefriedigung
beschäftigt sind. Durch die Ausübung von bhakti-yoga jedoch
können diese Sinne gereinigt werden, und im gereinigten
Zustand kommen sie direkt mit dem Höchsten Herrn in
Verbindung. Im materiellen Dasein mag ich im Dienst
eines Herrn stehen, aber ich diene meinem Herrn nicht
wirklich liebevoll. Ich diene nur, um etwas Geld zu
bekommen. Und auch der Herr empfindet keine Liebe; er
nimmt Dienst von mir entgegen und bezahlt mich. Von
Liebe kann also keine Rede sein. Um jedoch ein spirituelles
Leben zu führen, muss man auf die Stufe reiner Liebe
erhoben werden. Diese Stufe der Liebe kann durch die
Praxis hingebungsvollen Dienstes, der mit den
gegenwärtigen Sinnen ausgeführt werden kann, erreicht
werden.
Diese Liebe zu Gott, die im Herzen eines jeden vorhanden
ist, befindet sich gegenwärtig in einem schlummernden
Zustand. Sie ist dort unterschiedlich manifestiert, ist jedoch
durch die Verbindung mit Materie verunreinigt. Diese
Verbindung mit der Materie muss jetzt gelöst und die
schlafende, natürliche Liebe zu Krsna wiederbelebt werden.
Das ist der ganze Vorgang.
Um die regulierenden Prinzipien des bhakti-yoga zu
praktizieren, sollte man, unter der Führung eines kundigen
spirituellen Meisters, bestimmten Prinzipien folgen: Man
sollte frühmorgens aufstehen, ein Bad nehmen, in den
Tempel gehen, Gebete darbringen und Hare Krsna chanten;
dann sollte man Blumen pflücken, um sie der Bildgestalt
darzubringen, Speisen kochen, um sie der Bildgestalt zu
opfern, prasada zu sich nehmen und so fort. Es gibt viele
verschiedene Regeln und Vorschriften, die man beachten
sollte. Auch sollte man von reinen Gottgeweihten ständig
aus der Bhagavad-Gita und dem Srimad-Bhagavatam
hören. Diese Praxis kann jedem helfen, auf die Ebene der
Liebe zu Gott zu gelangen, und dann ist es sicher, dass man
auf dem Weg in das spirituelle Königreich Gottes
Fortschritte macht. Wenn man bhakti-yoga nach diesen
Regeln und Vorschriften und unter der Führung eines spirituellen
Meisters praktiziert, wird man mit Sicherheit auf die
Stufe der Liebe zu Gott erhoben.
VERS 10
Wenn du die Regulierungen des bhakti-yoga nicht
praktizieren kannst, dann versuche einfach, für Mich zu
arbeiten; denn indem du für Mich arbeitest, wirst du die
Stufe der Vollkommenheit erreichen.
ERLÄUTERUNG
Wer nicht imstande ist, den regulierenden Prinzipien des
bhakti-yoga unter der Führung eines spirituellen Meisters
zu folgen, kann dennoch auf diese Stufe der
Vollkommenheit erhoben werden, indem er für den
Höchsten arbeitet. Wie diese Arbeit verrichtet werden kann,
wurde bereits im fünfundfünfzigsten Vers des Elften
Kapitels erklärt: Man sollte die Verbreitung des
Krsna-Bewusstseins unterstützen. Es gibt viele
Gottgeweihte, die mit der Verbreitung des
Krsna-Bewusstseins beschäftigt sind und Hilfe benötigen.
Selbst wenn man also die regulierenden Prinzipien des
bhakti-yoga nicht praktizieren kann, kann man versuchen,
solche Arbeit zu unterstützen. Jede Bemühung erfordert
Land, Kapital, Organisation und Arbeit. Genauso wie man
im Geschäftsleben eine Niederlassung, Kapital, Arbeit und
eine Organisation benötigt, um sich zu erweitern, so sind
auch in Krsnas Dienst solche Dinge erforderlich. Der
einzige Unterschied besteht darin, dass man im materiellen
Leben für die Befriedigung seiner Sinne arbeitet. Die
gleiche Arbeit kann jedoch für die Zufriedenstellung
Krsnas verrichtet werden und so zu einer spirituellen
Tätigkeit werden. Wenn jemand genügend Geld besitzt,
kann er helfen, ein Büro oder einen Tempel zur
Verbreitung des Krsna-Bewusstseins zu bauen. Oder er
kann mit Publikationen helfen. Es gibt viele
Tätigkeitsbereiche, und man sollte an solchen Tätigkeiten
interessiert sein. Wenn man nicht das Ergebnis solcher
Tätigkeiten zu opfern vermag, kann man doch zumindest
einen gewissen Prozentsatz geben, um Krsna-Bewusstsein
zu verbreiten. Dieser freiwillige Dienst für die Sache des
Krsna-Bewusstseins wird uns helfen, auf eine höhere Stufe
der Liebe zu Gott zu gelangen, wodurch man vollkommen
wird.
VERS 11
Wenn du jedoch unfähig bist, in diesem Bewusstsein zu
arbeiten, dann versuche zu handeln, indem du auf alle
Ergebnisse deiner Arbeit verzichtest, und versuche, im
Selbst verankert zu sein.
ERLÄUTERUNG
Es mag sein, dass man aufgrund sozialer, familiärer oder
religiöser Bedenken oder irgendwelcher anderen
Hindernisse mit den Tätigkeiten des Krsna-Bewusstseins
nicht einmal sympathisieren kann. Würde man sich direkt
mit den Tätigkeiten des Krsna-Bewusstseins befassen,
könnten Familienangehörige Einwände erheben, oder es
könnten viele andere Schwierigkeiten auftreten. Einem
Menschen, der vor diesem Problem steht, wird geraten, das
Ergebnis seiner Tätigkeiten für einen guten Zweck zu
opfern. Dieser Weg wird in den vedischen Unterweisungen
beschrieben. Es gibt viele Beschreibungen von Opfern und
besonderen Funktionen der pumundi oder besonderen
Arbeit, bei der das Ergebnis früheren Tuns verwendet
werden kann. So kann man allmählich auf die Stufe des
Wissens erhoben werden. Es geschieht auch oft, dass
jemand, der an den Tätigkeiten des Krsna-Bewusstseins kein
Interesse findet, einem Krankenhaus oder einer anderen
sozialen Einrichtung Geld spendet und auf diese Weise auf
die schwer verdienten Früchte seiner Arbeit verzichtet. Das
wird hier ebenfalls empfohlen, denn wenn man sich darin
übt, auf die Früchte seines Tuns zu verzichten, ist es sicher,
dass man seinen Geist allmählich läutert, und auf dieser
Stufe des gereinigten Geistes wird man fähig, Krsna-
Bewusstsein zu verstehen. Natürlich ist Krsna-Bewusstsein
von keiner anderen Erfahrung abhängig, denn
Krsna-Bewusstsein an sich kann den Geist eines Menschen
läutern. Wenn aber dem Krsna-Bewusstsein Hindernisse im
Weg liegen, kann man versuchen, auf das Ergebnis seines
Tuns zu verzichten. So gesehen mögen auch sozialer
Dienst, Gemeindedienst, nationaler Dienst, Opfer für das
Land usw. annehmbar sein, so dass man eines Tages auf die
Stufe reinen hingebungsvollen Dienstes für den Höchsten
Herrn gelangen mag. In der Bhagavad-Gita finden wir die
Feststellung yatah pravrttir bhutanam. Wenn man sich
dazu entschließt, für die höchste Ursache Opfer zu bringen,
wird man, selbst wenn man nicht weiß, dass Krsna die
höchste Ursache ist, durch den Vorgang des Opfers
allmählich zu dem Verständnis gelangen, dass Krsna die
höchste Ursache ist.
VERS 12
Wenn du auch auf diese Weise nicht handeln kannst,
dann beschäftige dich mit der Kultivierung von Wissen.
Besser als Wissen indes ist Meditation, und besser als
Meditation ist der Verzicht auf die Früchte des Tuns,
denn durch solche Entsagung kann man inneren
Frieden erlangen.
ERLÄUTERUNG
Wie im vorherigen Vers erwähnt wurde, gibt es zwei Arten
hingebungsvollen Dienstes: den Weg der regulierenden
Prinzipien und den Weg der völligen Anhaftung in Liebe
an die Höchste Persönlichkeit Gottes. Für diejenigen, die
tatsächlich nicht imstande sind, die Prinzipien des
Krsna-Bewusstseins zu befolgen, ist es besser, Wissen zu
kultivieren, denn durch Wissen kann man seine wirkliche
Stellung verstehen lernen. Allmählich wird sich Wissen zur
Stufe der Meditation entwickeln, und durch Meditation
kann man in einem allmählichen Vorgang die Höchste
Persönlichkeit Gottes verstehen. Es gibt Vorgänge, die einem
zu verstehen geben, dass man selbst der Höchste ist; diese
Art der Meditation wird von Menschen bevorzugt, die
unfähig sind, sich im hingebungsvollen Dienst zu betätigen.
Wenn man nicht imstande ist, auf solche Art zu meditieren,
dann gibt es vorgeschriebene Pflichten, wie sie in den
vedischen Schriften für die brahmaäas, ksatriyas, vaièyas
und èôdras niedergelegt sind und die wir im Achtzehnten
Kapitel der Bhagavad-Gita finden werden. In jedem Fall
aber sollte man auf die Ergebnisse oder Früchte seiner
Arbeit verzichten, was bedeutet, die Früchte des karma für
einen guten Zweck zu verwenden.
Zusammenfassend gesagt gibt es zwei Vorgänge, die
Höchste Persönlichkeit Gottes, das höchste Ziel, zu
erreichen: den allmählicher Entwicklung und den direkten.
Hingebungsvoller Dienst im Krsna-Bewusstsein ist die
direkte Methode. Die andere Methode besteht darin, auf die
Früchte seiner Tätigkeiten zu verzichten. Danach kann man
auf die Stufe von Wissen gelangen, von dort auf die Stufe
der Meditation, dann auf die Stufe des Verständnisses der
Überseele und schließlich auf die Stufe auf der man die
Höchste Persönlichkeit Gottes erkennt. Man kann sich
entweder für den allmählichen oder den direkten Pfad
entscheiden. Der direkte Vorgang ist nicht für jeden
möglich; daher ist der indirekte Vorgang ebenfalls gut. Man
sollte jedoch verstehen, dass der indirekte Vorgang Arjuna
nicht empfohlen wird, denn er befindet sich bereits auf der
Stufe liebenden hingebungsvollen Dienstes für den
Höchsten Herrn. Der indirekte Weg ist für diejenigen
bestimmt, die noch nicht auf dieser Stufe sind; sie sollten
dem allmählichen Vorgang der Entsagung, des Wissens,
der Meditation und der Erkenntnis der Überseele und des
Brahman folgen. Was aber die Bhagavad-Gita betrifft, so
wird hier die direkte Methode betont. Jedem wird geraten,
die direkte Methode anzunehmen und sich der Höchsten
Persönlichkeit Gottes, Krsna, zu ergeben.
VERS 13-14
Wer nicht neidisch ist, sondern allen Lebewesen ein
gütiger Freund, wer sich nicht für einen Besitzer hält,
wer frei ist von falschem Ego und in Glück und Leid
gleichmütig bleibt, wer immer zufrieden und mit
Entschlossenheit im hingebungsvollen Dienst tätig ist
und wessen Geist und Intelligenz mit Mir in Einklang
stehen - er ist Mir sehr lieb.
ERLÄUTERUNG
Der Herr wendet Sich nun wieder dem reinen
hingebungsvollen Dienst zu und beschreibt in diesen beiden
Versen die transzendentalen Eigenschaften eines reinen
Gottgeweihten. Ein reiner Gottgeweihter ist niemals durch
irgendwelche Umstände gestört, noch beneidet er jemand,
noch wird ein Gottgeweihter der Feind seines Feindes; er
denkt, nur aufgrund seiner eigenen vergangenen Missetaten
sei ein anderer sein Feind, und daher sei es besser zu leiden
als zu protestieren. Im Srimad Bhagavatam wird gesagt: Wann immer ein
Gottgeweihter leidet oder in Schwierigkeiten ist, denkt er,
alles sei die Barmherzigkeit des Herrn. Er denkt: "Aufgrund
meiner vergangenen Missetaten sollte ich eigentlich viel,
viel mehr leiden, als ich jetzt leide. Es ist nur der
Barmherzigkeit des Herrn zu verdanken, dass ich nicht all
die Strafe erhalte, die ich verdient habe. Durch die
Barmherzigkeit der Höchsten Persönlichkeit Gottes
bekomme ich nur einen geringen Teil." Deshalb ist ein
Gottgeweihter trotz vieler leidvoller Umstände immer
gelassen, still und geduldig. Auch ist er jedem stets
freundlich gesinnt, selbst seinem Feind. Nirmama bedeutet,
dass der Gottgeweihte dem Frieden und dem Elend, die sich
auf den Körper beziehen, nicht viel Bedeutung beimisst, da
er sehr wohl weiß, dass er nicht der materielle Körper ist. Er
identifiziert sich nicht mit dem Körper und ist daher von
der Vorstellung des falschen Egos frei und sowohl in Glück
als auch in Leid ausgeglichen. Er ist duldsam und mit allem
zufrieden, was durch die Gnade des Höchsten Herrn
kommt. Er bemüht sich nicht sehr um etwas, was nur unter
großen Schwierigkeiten zu erreichen ist; deshalb ist er
immer fröhlich. Er ist ein absolut vollkommener Mystiker,
denn er ist in den Anweisungen, die er von seinem
spirituellen Meister empfing, gefestigt; weil seine Sinne
beherrscht sind, ist er entschlossen. Er wird durch falsche
Argumente nicht verunsichert, denn niemand kann ihn von
seiner festen Entschlossenheit im hingebungsvollen Dienst
abbringen. Er ist sich völlig bewusst, dass Krsna der ewige
Herr ist, und daher kann ihn niemand aus der Fassung
bringen. All seine Qualifikationen ermöglichen es ihm, in
jeder Hinsicht vom Höchsten Herrn abhängig zu sein. Eine
solche Stufe hingebungsvollen Dienstes ist zweifellos sehr
selten, doch ein Gottgeweihter wird auf dieser Ebene
verankert, wenn er den regulierenden Prinzipien des
hingebungsvollen Dienstes folgt. Weiter sagt der Herr, dass
Ihm ein solcher Gottgeweihter sehr lieb ist, denn der Herr
ist mit all seinen Tätigkeiten in völligem Krsna-Bewusstsein
immer zufrieden.
VERS 15
Wer niemanden in Schwierigkeiten bringt, nicht von
Angst beunruhigt wird und beständig ist in Glück und
Leid, ist Mir sehr lieb.
ERLÄUTERUNG
Hier werden einige weitere Qualifikationen eines
Gottgeweihten aufgeführt. Niemand wird von solch einem
Gottgeweihten in Schwierigkeiten, Besorgnis, Angst oder
Unzufriedenheit gestürzt. Weil ein Gottgeweihter zu jedem
gütig ist, handelt er nicht in einer Weise, die andere
beängstigt, und zur gleichen Zeit ist der Gottgeweihte nicht
gestört, wenn andere versuchen, ihn in Angst zu versetzen.
Durch die Gnade des Herrn ist er darin geübt, sich von
keiner äußeren Störung beeinflussen zu lassen. Weil ein
Gottgeweihter immer im Krsna-Bewusstsein gründet und im
hingebungsvollen Dienst tätig ist, können ihn solche
materiellen Umstände nicht verwirren. Im allgemeinen ist
ein materialistischer Mensch sehr glücklich, wenn er etwas
für seine Sinnenbefriedigung und seinen Körper bekommt,
doch sobald er sieht, dass andere etwas für die Befriedigung
ihrer Sinne haben, das er nicht hat, wird er verärgert und
neidisch. Wenn er die Rache eines Feindes erwartet,
befindet er sich in einem Zustand der Angst, und wenn er
ein Vorhaben nicht erfolgreich durchführen kann, verliert
er den Mut. Ein Gottgeweihter aber steht immer in
transzendentaler Stellung zu solchen Störungen, und daher
ist er Krsna sehr lieb.
VERS 16
Ein Gottgeweihter, der nicht vom gewohnten Verlauf
der Tätigkeiten abhängig ist, der rein, geschickt, ohne
Sorgen, frei von allem Leid ist und der nicht nach
Ergebnissen trachtet, ist Mir sehr lieb.
ERLÄUTERUNG
Geld mag einem Gottgeweihten angeboten werden, doch
sollte er nicht darum kämpfen. Wenn ihm von selbst, durch
die Gnade des Herrn, Geld zukommt, wird er nicht aus der
Ruhe gebracht. Es ist für einen Gottgeweihten
selbstverständlich, mindestens zweimal täglich ein Bad zu
nehmen und frühmorgens aufzustehen, um sich im
hingebungsvollen Dienst zu beschäftigen. So ist er auf
natürliche Art und sowohl innerlich als auch äußerlich rein.
Ein Gottgeweihter ist immer sachkundig, weil er den Sinn
aller Tätigkeiten im Leben genau kennt, und er ist von den
autoritativen Schriften überzeugt. Ein Gottgeweihter
ergreift niemals Partei für eine bestimmte Seite und ist
deshalb immer sorglos. Er leidet nie, denn er ist frei von
allen Designationen oder Bezeichnungen. Er weiß, dass sein
Körper eine Designation ist; körperliche Schmerzen können
ihn daher nicht beeinflussen. Ein reiner Gottgeweihter
bemüht sich um nichts, was den Prinzipien des
hingebungsvollen Dienstes widerspricht. Es erfordert zum
Beispiel viel Energie, ein großes Gebäude zu errichten,
doch ein Gottgeweihter übernimmt eine solche Aufgabe
nicht, wenn es ihm nicht hilft, im hingebungsvollen Dienst
fortzuschreiten. Er mag einen Tempel für den Herrn bauen,
und dafür mag er allerlei Sorgen auf sich nehmen, doch
wird er kein großes Haus für sich oder seine Verwandten
bauen.
VERS 17
Wer weder nach Freude trachtet noch nach Leid, wer
weder klagt noch begehrt und wer sowohl günstigen als
auch ungünstigen Dingen entsagt, ist Mir sehr lieb.
ERLÄUTERUNG
Ein reiner Gottgeweihter ist über materiellen Gewinn und
Verlust weder beglückt noch bekümmert. Auch ist er nicht
sehr bestrebt, einen Sohn oder Schüler zu bekommen, noch
ist er betrübt, wenn er sie nicht bekommt. Wenn er etwas
verliert, was ihm sehr lieb ist, beklagt er sich nicht. Und
auch, wenn er nicht das bekommt, was er sich wünscht, ist
er nicht betrübt. Er bleibt angesichts aller Arten glückbringender,
unglückbringender und sündiger Tätigkeiten in
transzendentaler Stellung verankert. Er ist bereit, jedes
Risiko für die Zufriedenstellung des Höchsten Herrn auf
sich zu nehmen. Nichts kann ihn an der Ausführung seines
hingebungsvollen Dienstes hindern. Solch ein
Gottgeweihter ist Krsna sehr lieb.
VERS 18-19
Wer Freund und Feind gleichgesinnt ist, wer angesichts
von Ehre und Schmach, Hitze und Kälte, Glück und
Leid sowie Ruhm und Schande Gleichmut bewahrt, wer
immer frei von Verunreinigung, immer schweigsam und
mit allem zufrieden ist, wer sich nicht um eine Bleibe
sorgt, wer im Wissen gefestigt ist und sich im
hingebungsvollen Dienst beschäftigt, ist Mir sehr lieb.
ERLÄUTERUNG
Ein Gottgeweihter ist immer frei von allem schlechten
Umgang. Mal wird man gelobt und mal verleumdet - das
ist das Wesen der menschlichen Gesellschaft -, doch ein
Gottgeweihter ist immer transzendental zu künstlicher Ehre
und Unehre, künstlichem Glück oder Leid. Er ist sehr
geduldig. Er spricht über nichts anderes als Krsna; deshalb
wird er schweigsam genannt. Schweigsam zu sein bedeutet
nicht, dass man nicht sprechen sollte; zu schweigen
bedeutet, keinen Unsinn zu reden. Man sollte nur über
Wesentliches reden, und das wesentliche Gesprächsthema
des Gottgeweihten ist der Höchste Herr. Der Gottgeweihte
ist unter allen Bedingungen glücklich; manchmal werden
ihm sehr wohlschmeckende Speisen gereicht, und ein
anderes Mal nicht, doch er ist in jedem Fall zufrieden.
Auch sorgt er sich nicht um irgendeine Bleibe. Es mag sein,
dass er mal unter einem Baum lebt und mal in einem
palastähnlichen Gebäude; er fühlt sich zu keinem von
beiden hingezogen. Er wird als gefestigt bezeichnet, weil er
in seiner Entschlossenheit und seinem Wissen gefestigt ist.
Wir mögen einige Wiederholungen in der Beschreibung der
Eigenschaften eines Gottgeweihten finden, doch dies
geschieht nur, um die Tatsache zu veranschaulichen, dass
ein Gottgeweihter all diese Eigenschaften entwickeln muss.
Ohne gute Eigenschaften kann man kein reiner
Gottgeweihter sein. Wer kein Gottgeweihter ist, hat keine
guten Eigenschaften. Jemand, der als Gottgeweihter
angesehen werden möchte, sollte diese guten Eigenschaften
entwickeln. Natürlich unternimmt ein Gottgeweihter keine
außergewöhnlichen Anstrengungen, um diese Eigenschaften
zu erwerben; Betätigung im Krsna-Bewusstsein und
hingebungsvoller Dienst helfen ihm von selbst, sie zu
entwickeln.
VERS 20
Wer diesem unvergänglichen Pfad des hingebungsvollen
Dienstes folgt, sich mit Glauben völlig beschäftigt und
Mich dabei zum höchsten Ziel macht, ist Mir sehr, sehr
lieb.
ERLÄUTERUNG
In diesem Kapitel wird die Religion der ewigen
Beschäftigung erklärt, das heißt der Vorgang
transzendentalen Dienstes, durch den man sich dem
Höchsten Herrn nähern kann. Dieser Vorgang ist dem
Herrn sehr lieb, und Er akzeptiert jeden, der diesen Pfad
beschreitet. Die Frage Arjunas, wer besser sei - jemand,
der dem Pfad des unpersönlichen Brahman folge, oder
jemand, der im persönlichen Dienst der Höchsten
Persönlichkeit Gottes tätig sei -, beantwortete der Herr
ihm so ausführlich, dass kein Zweifel darüber besteht, dass
hingebungsvoller Dienst für die Persönlichkeit Gottes der
beste aller Vorgänge spiritueller Erkenntnis ist. Mit anderen
Worten: In diesem Kapitel wurde erklärt, dass man sich
durch guten Umgang zu reinem hingebungsvollem Dienst
hingezogen fühlt, sodann einen echten spirituellen Meister
annimmt, von ihm zu hören beginnt, zu chanten anfängt,
mit Glauben, Anhaftung und Hingabe den regulierenden
Prinzipien des hingebungsvollen Dienstes folgt und so im
transzendentalen Dienst des Herrn beschäftigt wird. Dieser
Pfad wird in diesem Kapitel empfohlen; deshalb besteht
kein Zweifel darüber, dass hingebungsvoller Dienst der
einzige absolute Pfad ist, um zur Selbstverwirklichung zu
gelangen, das heißt, um die Höchste Persönlichkeit Gottes
zu erreichen. Wie in diesem Kapitel erklärt wurde, ist die
unpersönliche Auffassung von der Höchsten Absoluten
Wahrheit nur solange empfohlen, bis man sich ergibt, um
Selbstverwirklichung zu erlangen. Mit anderen Worten, so
lange man nicht die Möglichkeit hat, mit einem reinen
Gottgeweihten zusammenzusein, kann auch die
unpersönliche Auffassung von Nutzen sein. In der
unpersönlichen Auffassung von der Absoluten Wahrheit
führt man Tätigkeiten ohne fruchtbringendes Ergebnis aus,
meditiert und kultiviert Wissen, um spirituelle Natur und
Materie zu verstehen. Das ist notwendig, solange man nicht
mit einem reinen Gottgeweihten zusammen ist. Wenn man,
vom Glück begünstigt, den Wunsch entwickelt, sich direkt
im Krsna-Bewusstsein in reinem hingebungsvollem Dienst
zu beschäftigen, braucht man nicht schrittweise auf dem
Pfad der spirituellen Erkenntnis fortzuschreiten.
Hingebungsvoller Dienst, wie er in den mittleren sechs
Kapiteln der Bhagavad-Gita beschrieben wird, ist
geeigneter. Man braucht sich nicht um materielle Dinge zu
kümmern, um Leib und Seele zusammenzuhalten, denn
durch die Gnade des Herrn wird für alles wie von selbst
gesorgt.
Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum
Zwölften Kapitel der Srimad-Bhagavad-Gita mit dem Titel:
"Hingebungsvoller Dienst".