DREIZEHNTES KAPITEL
Natur, Genießer und Bewusstsein
VERS 1-2
Arjuna sagte: O mein lieber Krsna, ich möchte prakçti
[die Natur], purusa [den Genießer], das Feld, den
Kenner des Feldes, Wissen und das Ziel des Wissens
verstehen.
Darauf sprach der Segenspendende Herr: Den Körper,
o Sohn Kuntis, nennt man das Feld, und wer den
Körper kennt, wird als der Kenner des Feldes
bezeichnet.
ERLÄUTERUNG
Arjuna war begierig, etwas über prakçti (die Natur), purusa
(den Genießer), ksetra (das Feld), ksetrajna (den Kenner
des Feldes), Wissen und das Ziel des Wissens zu erfahren.
Als er nach all diesen Dingen fragte, sagte Krsna, dass der
Körper das Feld sei, und derjenige, der dieses Feld kenne,
werde Kenner des Feldes genannt. Der Körper ist das
Tätigkeitsfeld der bedingten Seele. Die bedingte Seele ist
im materiellen Dasein gefangen, und sie versucht, sich die
materielle Natur untertan zu machen. Folglich bekommt
sie, je nach ihrer Fähigkeit, die materielle Natur zu
beherrschen, ein entsprechendes Tätigkeitsfeld. Dieses
Tätigkeitsfeld ist der Körper. Und was ist der Körper? Der
Körper besteht aus Sinnen. Die bedingte Seele möchte die
Befriedigung dieser Sinne genießen, und je nach ihrem
Vermögen, die Sinne zu genießen, wird ihr ein Körper oder
Tätigkeitsfeld gegeben. Deshalb nennt man den Körper
ksetra oder das Tätigkeitsfeld der bedingten Seele. Jemand
nun, der sich nicht mit dem Körper identifiziert, wird als
ksetrajna oder der Kenner des Feldes bezeichnet. Es ist
nicht sehr schwer, den Unterschied zwischen dem Feld und
seinem Kenner, das heißt zwischen dem Körper und dem
Kenner des Körpers, zu verstehen. Jeder kann verstehen,
dass er von der Kindheit bis zum Alter fortwährend
körperlichen Wandlungen unterworfen ist und dennoch die
gleiche Person bleibt. Es besteht also ein Unterschied
zwischen dem Kenner des Tätigkeitsfeldes und dem
Tätigkeitsfeld an sich. Eine lebendige bedingte Seele kann
daher verstehen, dass sie vom Körper verschieden ist. Zu
Beginn der Bhagavad-Gita wurde gesagt: dehe 'smin. Das
Lebewesen befindet sich im Körper, und der Körper
verändert sich von Kindheit zu Knabenzeit, von Knabenzeit
zu Jugend und von Jugend zu Alter, und die Person, die den
Körper besitzt, weiß, dass sich der Körper verändert. Der
Eigentümer ist eindeutig ksetrajna (der Kenner des Feldes).
Manchmal können wir verstehen: Ich bin glücklich; ich bin
verrückt; ich bin eine Frau; ich bin ein Hund; ich bin eine
Katze; wir sind die Kenner; doch der Kenner ist vom Feld
verschieden. Obwohl wir viele Gegenstände gebrauchen,
wie zum Beispiel unsere Kleider, wissen wir, dass wir von
den Dingen, die wir benutzen, verschieden sind. In
ähnlicher Weise können wir mit ein wenig Überlegung
auch verstehen, dass wir vom Körper verschieden sind.
In den ersten sechs Kapiteln der Bhagavad-Gita werden der
Kenner des Körpers, das Lebewesen, und die Haltung,
durch die es den Höchsten Herrn verstehen kann,
beschrieben. In den mittleren sechs Kapiteln der Gita
werden die Höchste Persönlichkeit Gottes und die
Beziehung zwischen der individuellen Seele und der Überseele
hinsichtlich des hingebungsvollen Dienstes
beschrieben. In diesen Kapiteln werden die übergeordnete
Stellung der Höchsten Persönlichkeit Gottes und die untergeordnete
Stellung der individuellen Seele eindeutig
definiert. Die Lebewesen sind unter allen Umständen
untergeordnet, doch weil sie diese Tatsache vergessen
haben, leiden sie. Wenn sie durch fromme Werke erleuchtet
sind, wenden sie sich dem Herrn ihren verschiedenen
Stellungen entsprechend zu: als Leidende, als diejenigen,
denen es an Geld mangelt, als Neugierige und als die, die
auf der Suche nach Wissen sind. Das wurde ebenfalls
beschrieben. Vom Dreizehnten Kapitel an wird nun erklärt,
wie das Lebewesen mit der materiellen Natur in Berührung
kommt und auf welche Weise es vom Höchsten Herrn
durch die verschiedenen Methoden des fruchtbringenden
Tuns, der Kultivierung von Wissen und der Ausführung
hingebungsvollen Dienstes befreit wird. Obwohl das
Lebewesen vom materiellen Körper völlig verschieden ist,
wird es irgendwie mit diesem verbunden. Auch das wird erklärt.
VERS 3
O Nachkomme Bharatas, du solltest verstehen, dass Ich
ebenfalls der Kenner in allen Körpern bin, und den
Körper und seinen Besitzer zu kennen wird als Wissen
bezeichnet. Das ist Meine Ansicht.
ERLÄUTERUNG
Während wir den Körper und den Besitzer des Körpers, die
Seele und die Überseele erörtern, werden wir drei
verschiedene Studienobjekte finden: den Herrn, das
Lebewesen und die Materie. In jedem Tätigkeitsfeld, das
heißt in jedem Körper, gibt es zwei Seelen: die individuelle
Seele und die Überseele. Weil die Überseele eine vollständige
Erweiterung der Höchsten Persönlichkeit Gottes,
Krsnas, ist, sagt Krsna:
"Ich bin ebenfalls der Kenner, doch bin Ich nicht der
individuelle Besitzer des Körpers. Ich bin der höchste
Kenner. Ich bin in jedem Körper als Paramatma oder Überseele
gegenwärtig."
Wer das Thema vom Tätigkeitsfeld und dem Kenner des
Feldes sehr eingehend im Sinne der Bhagavad-Gita studiert,
kann Wissen erlangen. Der Herr sagt: "Ich bin der Kenner
des Tätigkeitsfeldes in jedem individuellen Körper." Das
Individuum mag seinen eigenen Körper kennen, doch ist es
sich nicht anderer Körper bewusst. Die Höchste
Persönlichkeit Gottes, die als Überseele in allen Körpern
anwesend ist, weiß alles über alle Körper. Der Herr kennt
all die verschiedenen Körper aller verschiedenen
Lebensformen. Ein Bürger kennt vielleicht sein eigenes
Stück Land, doch der König kennt nicht nur seinen Palast,
sondern auch alle Ländereien, die die einzelnen Bürger
besitzen. In ähnlicher Weise mag man der Besitzer seines
eigenen Körpers sein, doch der Herr ist der Besitzer aller
Körper. Der König ist der ursprüngliche Besitzer des
Königreichs, und der Bürger ist der zweitrangige Besitzer.
In ähnlicher Weise ist der Höchste Herr der höchste
Besitzer aller Körper.
Der Körper besteht aus den Sinnen. Der Höchste Herr ist
Hrsikesa, was soviel bedeutet wie "Lenker der Sinne". Er
ist der ursprüngliche Lenker der Sinne, ebenso wie der
König der ursprüngliche Lenker aller Tätigkeiten des
Staates ist; die Bürger sind zweitrangige Lenker. Der Herr
sagt auch: "Ich bin ebenfalls der Kenner." Dies bedeutet,
dass Er der höchste Kenner ist; die individuelle Seele kennt
nur ihren jeweiligen Körper. In den vedischen Schriften
heißt es:
Der Körper wird ksetra genannt, und in ihm weilen der
Besitzer des Körpers und der Höchste Herr, der sowohl den
Körper als auch den Besitzer des Körpers kennt. Deshalb
wird Er der Kenner aller Felder genannt. Der Unterschied
zwischen dem Tätigkeitsfeld, dem Besitzer der Tätigkeiten
und dem höchsten Besitzer der Tätigkeiten wird wie folgt
beschrieben: Vollkommenes Wissen von der
Beschaffenheit des Körpers, der Beschaffenheit der
individuellen Seele und der Beschaffenheit der Überseele
ist in den vedischen Schriften als jnanam bekannt. Das ist
Krsnas Ansicht. Die Seele und die Überseele als eins und
doch verschieden zu verstehen ist Wissen. Wer das
Tätigkeitsfeld und den Kenner der Tätigkeit nicht versteht,
verfügt über kein vollkommenes Wissen. Man muss die
Position von prakçti (der Natur), purusa (dem Genießer der
Natur) und Öèvara (dem Kenner), der die Natur und die
individuellen Seelen beherrscht, verstehen. Man sollte diese
drei in ihren verschiedenen Eigenschaften und Kräften
nicht miteinander verwechseln. Man sollte den Maler, das
Gemälde und die Staffelei nicht durcheinanderbringen. Die
materielle Welt, die das Feld der Tätigkeiten ist, ist die
Natur; der Genießer der Natur ist das Lebewesen, und über
beiden steht der höchste Lenker, die Persönlichkeit Gottes.
In der vedischen Literatur heißt es: bhokta bhogyaà
preritaraà ca matva sarvaà proktaà trividhaà brahmam
etat. Es gibt drei Auffassungen vom Brahman: prakçti ist
Brahman als das Feld der Tätigkeiten; jiva (die individuelle
Seele) ist auch Brahman und versucht, die materielle Natur
zu beherrschen, und der Lenker beider ist ebenfalls
Brahman, aber Er ist der eigentliche Herrscher.
In diesem Kapitel wird auch erklärt werden, dass von den
beiden Kennern der eine fehlbar und der andere unfehlbar
ist. Einer ist übergeordnet, und der andere ist
untergeordnet. Wer glaubt, die beiden Kenner des Feldes
seien ein und derselbe, widerspricht dem Herrn, der
Höchsten Persönlichkeit Gottes, der hier sehr klar sagt: "Ich
bin ebenfalls der Kenner des Tätigkeitsfeldes." Wer ein Seil
fälschlich für eine Schlange hält, hat kein Wissen. Es gibt
verschiedene Arten von Körpern, und es gibt verschiedene
Besitzer der Körper. Weil jede individuelle Seele ihre
individuelle Fähigkeit hat, über die materielle Natur zu
herrschen, gibt es unterschiedliche Körper. Aber der
Höchste ist auch in ihnen als der Lenker gegenwärtig. Das
Wort ca ist hier von Bedeutung, da es auf die Gesamtzahl
aller Körper hinweist. Das ist die Ansicht Srila Rupa Baladeva
Vidyabhusanas. Krsna ist die Überseele, die in jedem
einzelnen Körper neben der individuellen Seele weilt. Und
Krsna sagt hier ausdrücklich, dass die Überseele sowohl das
Tätigkeitsfeld als auch den begrenzten Genießer lenkt.
VERS 4
Der Herr beschreibt hier das Tätigkeitsfeld und den Kenner
des Tätigkeitsfeldes in ihren wesensgemäßen Positionen.
Man muss wissen, wie der Körper beschaffen ist, aus
welchen Materialien der Körper besteht, unter wessen
Kontrolle der Körper arbeitet, wie die Veränderungen
auftreten, woher diese Veränderungen kommen, was die
Ursachen sind, was die Gründe sind, was das Endziel des
Individuums ist und was die eigentliche Form der
individuellen Seele ist. Man sollte ebenfalls den
Unterschied zwischen der individuellen lebendigen Seele
und der Überseele, ihre verschiedenen Einflüsse, ihre
Potentiale usw. kennen. Man braucht nur die BhagavadGita
nach der Beschreibung der Höchsten Persönlichkeit
Gottes zu verstehen, und all diese Punkte werden geklärt
sein. Man sollte jedoch darauf achten, die Höchste Persönlichkeit
Gottes in jedem Körper und jeder individuellen
Seele nicht für den jiva zu halten. Das würde bedeuten, den
Mächtigen mit dem Machtlosen gleichzusetzen.
VERS 5
Dieses Wissen vom Tätigkeitsfeld und dem Kenner der
Tätigkeiten wird von verschiedenen Weisen in
verschiedenen vedischen Schriften beschrieben -
besonders im Vedanta-sutra -, und es wird mit aller
Beweisführung in Bezug auf Ursache und Wirkung
präsentiert.
ERLÄUTERUNG
Die Höchste Persönlichkeit Gottes, Krsna, ist die höchste
Autorität, wenn es darum geht, dieses Wissen zu erklären.
Selbstverständlich ist es unter erfahrenen Gelehrten und
maßgebenden Autoritäten immer noch üblich, stets
vorangegangene Autoritäten als Beweis anzuführen, und so
erklärt Krsna diesen äußerst umstrittenen Punkt - die
Dualität und Nichtdualität der Seele und der Überseele -,
indem Er Sich auf Schriften wie das Vedanta-sutra bezieht,
die als Autorität anerkannt sind. Als erstes sagt Er, dass
dieses Wissen mit den Lehren verschiedener Weiser
übereinstimmt. Außer Ihm Selbst ist auch Vyasadeva, der
Verfasser des Vedanta-sutra, ein großer Weiser, und im
Vedanta-sutra wird Dualität in vollendeter Form erklärt.
Auch Vyasadevas Vater, Parasara, war ein großer Weiser,
der in seinen Büchern über Religiosität unter anderem
schreibt: aham tvaà ca athanye ... "Wir - du, ich und die
verschiedenen anderen Lebewesen - sind alle
transzendental, obwohl wir uns in materiellen Körpern
befinden. Jetzt sind wir, je nach unserem karma, in die
Bahnen der drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur
gefallen, und so befinden sich einige auf höheren Ebenen
und andere in der niederen Natur. Die höheren und
niederen Naturen existieren aufgrund von Unwissenheit
und werden in einer unbegrenzten Anzahl von Lebewesen
sichtbar. Die Überseele aber, die unfehlbar ist, wird von
den drei Eigenschaften der Natur nicht verunreinigt - Sie
ist transzendental."
Auch in den ursprünglichen Veden, besonders in der
Katha-Upanisad, wird zwischen der Seele, der Überseele
und dem Körper unterschieden.
Es gibt eine Manifestation der Energie des Herrn,
annamaya genannt, durch die man einfach von Nahrung
abhängig ist, um zu leben. Das ist eine materialistische
Erkenntnis des Höchsten. Dann gibt es pranamaya, was
bedeutet, dass man, nachdem man die Höchste Absolute
Wahrheit in der Nahrung erkannt hat, die Absolute
Wahrheit in den Lebenssymptomen oder in den
Lebensformen wahrnehmen kann. Auf der Stufe der
jnanamaya entwickelt sich das Lebenssymptom bis hin
zum Denken, Fühlen und Wollen. Dann folgt
Brahman-Erkenntnis und die als vijnanamaya bekannte
Erkenntnis, durch die der Geist und die Lebenssymptome
des Lebewesens vom Lebewesen selbst unterschieden
werden. Die nächste und höchste Stufe ist anandamaya, die
Erkenntnis der allglückseligen Natur. Es gibt also fünf
Stufen der Brahman-Erkenntnis, die man brahma-puccham
nennt. Von diesen bilden die ersten drei-annamaya,
pranamaya und jnanamaya - die Tätigkeitsfelder der
Lebewesen. Transzendental zu all diesen Tätigkeitsfeldern
steht der Höchste Herr, der anandamaya genannt wird.
Auch im Vedanta-sutra wird der Höchste als anandamayo
'bhyasat bezeichnet. Der Herr, die Höchste Persönlichkeit
Gottes, ist von Natur aus voller Freude, und um Seine
transzendentale Glückseligkeit zu genießen, erweitert Er
Sich in vijnanamaya, pranamaya, jnanamaya und
annamaya. In diesem Tätigkeitsfeld gilt das Lebewesen als
der Genießer, und verschieden von ihm ist der anandamaya.
Dies bedeutet, dass das Lebewesen vollkommen
wird, wenn es sich entschließt, in Verbindung mit dem
anandamaya zu genießen. Das ist das wahre Bild vom
Höchsten Herrn als höchstem Kenner des Feldes, vom
Lebewesen als untergeordnetem Kenner und von der Natur
des Tätigkeitsfeldes.
VERS 6-7
Die fünf Hauptelemente, falsches Ego, Intelligenz, das
Unmanifestierte, die zehn Sinne, der Geist, die fünf
Sinnesobjekte, Verlangen, Hass, Glück, Leid, die
Gesamtheit, die Lebenssymptome und Überzeugungen
- all diese werden, zusammengenommen, als das
Tätigkeitsfeld und seine Wechselwirkungen angesehen.
ERLÄUTERUNG
Nach allen autoritativen Aussagen der großen Weisen, der
vedischen Hymnen und der Aphorismen des Vedanta-sutra
sind die Hauptbestandteile dieser Welt Erde, Wasser, Feuer,
Luft und Äther. Dies sind die fünf wesentlichen Elemente
(maha-bhuta). Als nächstes folgen falsches Ego, Intelligenz
und der unmanifestierte Zustand der drei
Erscheinungsweisen der Natur. Weiter gibt es fünf Sinne,
um Wissen zu erwerben: Augen, Ohren, Nase, Zunge und
Tastsinn; außerdem fünf Arbeitssinne: Stimme, Beine,
Hände, Anus und Genitalien, und dann, über den Sinnen,
den Geist, der sich im Innern befindet und deshalb auch als
der innere Sinn bezeichnet werden kann. Mit dem Geist
gibt es also insgesamt elf Sinne. Auch gibt es noch fünf
Objekte der Sinne: Form, Klang, Geruch, Geschmack und
Wärme. Die Gesamtheit dieser vierundzwanzig Elemente
wird als das Tätigkeitsfeld bezeichnet. Wenn man ein
analytisches Studium dieser vierundzwanzig Elemente
vornimmt, kann man das Tätigkeitsfeld sehr gut verstehen.
Weiter gibt es Verlangen, Hass, Freude und Schmerz, die
Wechselwirkungen und Repräsentationen der fünf großen
Elemente im groben Körper sind. Die Lebenssymptome,
die von Bewusstsein und Überzeugung repräsentiert werden,
sind die Manifestationen des feinstofflichen Körpers -
Geist, Ego und Intelligenz. Diese feinstofflichen Elemente
sind im Tätigkeitsfeld enthalten.
Die fünf Hauptelemente sind eine grobstoffliche
Repräsentation des feinstofflichen falschen Egos. Sie sind
eine Repräsentation in der materiellen Auffassung.
Bewusstsein wird von der Intelligenz repräsentiert, deren
unmanifestierte Stufe die drei Erscheinungsweisen der
materiellen Natur bilden. Die unmanifestierten drei
Erscheinungsweisen der materiellen Natur werden
pradhana genannt. Wer die vierundzwanzig Elemente mit
ihren Wechselwirkungen im einzelnen kennen möchte,
sollte diese Philosophie eingehender studieren; in der
Bhagavad-Gita wird nur eine Zusammenfassung gegeben.
Der Körper ist die Repräsentation all dieser Faktoren, und
es gibt sechs Veränderungen des Körpers: Er wird geboren,
wächst, bleibt eine Zeitlang bestehen, erzeugt
Nebenprodukte, beginnt dann zu zerfallen und vergeht
schließlich. Deshalb ist das Tätigkeitsfeld eine
nicht-dauerhafte, materielle Sache. Der ksetrajna jedoch,
der Kenner des Feldes, sein Besitzer, ist von anderer Natur.
VERS 8-12
Demut, Bescheidenheit, Gewaltlosigkeit, Duldsamkeit,
Einfachheit, Aufsuchen eines echten spirituellen
Meisters, Sauberkeit, Stetigkeit und Selbstbeherrschung;
Entsagung der Objekte der Sinnenbefriedigung, Freisein
von falschem Ego und das
Erkennen des Übels von Geburt, Tod, Alter und
Krankheit; Nichtangehaftetsein an Kinder, Frau, Heim
und dergleichen, Gleichmut inmitten erfreulicher und
unerfreulicher Ereignisse, beständige und unverfälschte
Hingabe an Mich, Sichzurückziehen an einsame Orte,
Loslösung von der allgemeinen Masse der Menschen,
Erkenntnis der Wichtigkeit der Selbstverwirklichung
und die philosophische Suche nach der Absoluten
Wahrheit - all diese Dinge erkläre Ich hiermit für
Wissen, und alles, was dem widerspricht, ist
Unwissenheit.
ERLÄUTERUNG
Dieser Vorgang des Wissens wird manchmal von weniger
intelligenten Menschen als die Wechselwirkung des
Tätigkeitsfeldes missverstanden. Tatsächlich aber ist dies
der echte Vorgang des Wissens. Wenn man diesen Vorgang
annimmt, besteht die Möglichkeit, der Absoluten Wahrheit
näherzukommen. Er ist nicht eine Wechselwirkung der
zehnfachen Elemente, wie zuvor beschrieben wurde. Er ist
eigentlich das Mittel, davon frei zu werden. Der wichtigste
Aspekt des Wissens wird in der ersten Zeile des elften
Verses erwähnt: Der Vorgang des Wissens gipfelt in
unverfälschtem hingebungsvollem Dienst für den Herrn.
Wenn man sich also dem transzendentalen Dienst des Herrn
nicht zuwendet oder nicht dazu imstande ist, haben die
anderen neunzehn Punkte keinen besonderen Wert. Doch
wenn sich jemand dem hingebungsvollen Dienst in
völligem Krsna-Bewusstsein zuwendet, entwickeln sich die
restlichen neunzehn Eigenschaften von selbst in ihm. Das
im achten Vers erwähnte Prinzip, einen spirituellen Meister
anzunehmen, ist essentiell. Selbst für jemand, der sich dem
hingebungsvollen Dienst zuwendet, ist es überaus wichtig.
Transzendentales Leben beginnt, wenn man einen echten
spirituellen Meister annimmt. Die Höchste Persönlichkeit
Gottes, Sri Krsna, sagt hier eindeutig, dass dieser Vorgang
des Wissens der richtige Pfad ist. Jede Spekulation, die
davon abweicht, ist Unsinn.
Das hier dargelegte Wissen kann wie folgt analysiert
werden:
Demut bedeutet, nicht danach zu streben, von anderen
geehrt zu werden. Die materielle Auffassung vom Leben
macht uns sehr begierig, von anderen Ehre zu empfangen;
doch in den Augen eines Menschen mit vollkommenem
Wissen - der weiß, dass er nicht der Körper ist - ist alles,
was sich auf den Körper bezieht, ob Ehre oder Schmach,
nutzlos. Man sollte nicht diesem materiellen Selbstbetrug
nachjagen. Viele Leute sind sehr darauf aus, für ihre
Religion berühmt zu werden, und so kann man manchmal
beobachten, wie sich jemand, ohne die Prinzipien der
Religion zu verstehen, einer Gruppe anschließt, die in
Wirklichkeit keine religiösen Prinzipien befolgt, und sich
dann als religiöser Lehrer aufspielen möchte. Um zu
prüfen, wie weit man tatsächlich in der spirituellen
Wissenschaft fortgeschritten ist, sollte man anhand dieser
Gesichtspunkte urteilen.
Unter Gewaltlosigkeit wird im allgemeinen verstanden, den
Körper nicht zu töten oder zu zerstören; doch in
Wirklichkeit bedeutet Gewaltlosigkeit, anderen kein Leid
zuzufügen. Die meisten Menschen sind durch Unwissenheit
in der materiellen Lebensauffassung gefangen und erleiden
daher unaufhörlich materielle Qualen. Solange man also die
Menschen nicht zu spirituellem Wissen erhebt, ist man
gewalttätig. Man sollte sein Bestes versuchen, den
Menschen wirkliches Wissen zu vermitteln, so dass sie
erleuchtet werden und der materiellen Verstrickung
entkommen können. Das ist Gewaltlosigkeit.
Duldsamkeit bedeutet, es gelernt zu haben, Beleidigungen
und Schmähungen seitens anderer zu ertragen. Wenn man
sich bemüht, im spirituellen Wissen fortzuschreiten, wird
man oft von anderen beleidigt und geschmäht. Das ist zu
erwarten, weil die materielle Natur so beschaffen ist. Selbst
ein Junge wie Prahlada, der schon mit fünf Jahren
spirituelles Wissen kultivierte, geriet in Gefahr, als sein
Vater seine Hingabe unterbinden wollte. Der Vater
versuchte, ihn auf viele Arten zu töten, doch Prahlada ließ
sich das von ihm gefallen. Es kann also viele Hindernisse
geben, wenn man Fortschritte im spirituellen Wissen
machen will, doch wir sollten Geduld haben und mit
Entschlossenheit weiter vorwärtsschreiten.
Einfachheit bedeutet, dass man ohne Diplomatie so
aufrichtig sein sollte, dass man sogar einem Feind die reine
Wahrheit offenbaren kann.
Einen spirituellen Meister anzunehmen ist unbedingt
notwendig,
weil man ohne die Anweisungen eines echten
spirituellen Meisters in der spirituellen Wissenschaft nicht
fortschreiten kann. Man sollte sich dem spirituellen Meister
in aller Demut nähern und ihm alle Dienste anbieten, so dass
es ihm eine Freude sein wird, dem Schüler seine
Segnungen zu erteilen. Wenn ein spiritueller Meister seinen
Schüler segnet, macht der Schüler sogleich Fortschritte,
ohne die regulierenden Prinzipien zu befolgen, denn ein
echter spiritueller Meister ist ein Repräsentant Krsnas.
Zumindest wird es einem Schüler, der dem spirituellen
Meister vorbehaltlos gedient hat, leichter fallen, die
regulierenden Prinzipien einzuhalten.
Sauberheit ist unerlässlich, um im spirituellen Leben
Fortschritte zu machen. Es gibt zwei Arten von Sauberheit:
äußere und innere. Äußere Sauberkeit bedeutet, ein Bad zu
nehmen, doch um innerlich sauber zu werden, muss man
immer an Krsna denken und Hare Krsna, Hare Krsna,
Krsna Krsna, Hare Hare / Hare Rama, Hare Rama, Rama
Rama, Hare Hare chanten. Dieser Vorgang reinigt den
Geist vom angesammelten Staub vergangenen karmas.
Stetigkeit bedeutet, sehr entschlossen zu sein, Fortschritt im
spirituellen Leben zu machen. Ohne solche
Entschlossenheit kann man keinen spürbaren Fortschritt
machen. Und Selbstbeherrschung bedeutet, nichts
anzunehmen, was dem Pfad des spirituellen Fortschritts
entgegensteht. Man sollte es sich zur Gewohnheit machen,
alles abzulehnen, was gegen den Pfad spirituellen
Fortschritts ist. Das ist wirkliche Entsagung. Die Sinne sind
so stark, dass sie ständig nach Befriedigung begehren. Man
sollte solchen Bedürfnissen, die nicht notwendig sind, nicht
nachgeben. Die Sinne sollten nur befriedigt werden, um
den Körper gesund zu halten, so dass man seine Pflicht, im
spirituellen Leben fortzuschreiten, erfüllen kann. Der
wichtigste und zügelloseste aller Sinne ist die Zunge. Wenn
man die Zunge beherrschen kann, ist es auch möglich, die
anderen Sinne zu kontrollieren. Die Zunge hat die Aufgabe,
zu schmecken und Klangschwingungen zu erzeugen;
deshalb sollte die Zunge durch systematische Regulierung
immer damit beschäftigt sein, die Reste von Krsna geopferten
Speisen zu schmecken und Hare Krsna zu chanten.
Was die Augen betrifft, so sollte ihnen nicht erlaubt
werden, etwas anderes zu sehen als die schöne Gestalt
Krsnas. Das wird die Augen beherrschen. In ähnlicher
Weise sollten die Ohren damit beschäftigt werden, von
Krsna zu hören, und die Nase sollte Krsna geopferte
Blumen riechen. Das ist der Vorgang des hingebungsvollen
Dienstes, und hieraus kann man ersehen, dass die
Bhagavad-Gita nichts anderes darlegt als die Wissenschaft
des hingebungsvollen Dienstes. Hingebungsvoller Dienst
ist das einzige und hauptsächliche Ziel. Unintelligente
Kommentatoren versuchen, den Geist des Lesers auf andere
Dinge zu lenken, doch es gibt in der Bhagavad-Gita kein
anderes Thema als hingebungsvollen Dienst.
Falsches Ego bedeutet, den Körper für sich selbst zu halten.
Wenn man versteht, dass man nicht der Körper, sondern
spirituelle Seele ist, so ist das wahres Ego. Ego ist existent.
Falsches Ego wird verurteilt, aber nicht das wahre Ego. In
den vedischen Schriften wird gesagt: aham brahmasmi.
"Ich bin Brahman, ich bin spirituelle Seele." Dieses "ich
bin", dieses Gefühl des Selbst, existiert auch auf der
befreiten Stufe der Selbstverwirklichung. Dieses Gefühl des
"ich bin" ist das Ego, doch wenn dieses Gefühl des "ich
bin" auf den falschen Körper gerichtet wird, ist es falsches
Ego. Wenn das Gefühl des Selbst jedoch auf die Realität
gerichtet wird, ist dies das wahre Ego. Einige Philosophen
sagen, wir sollten unser Ego aufgeben, aber wir können
unser Ego nicht aufgeben, denn Ego bedeutet Identität.
Selbstverständlich sollten wir die falsche Identifizierung
mit dem Körper aufgeben.
Man sollte versuchen, das Leid zu verstehen, das darin
besteht, Geburt, Tod, Alter und Krankheit ertragen zu
müssen. Es gibt in den verschiedenen vedischen Schriften
Beschreibungen der Geburt. Im Srimad-Bhagavatam finden
wir eine anschauliche Beschreibung der Welt des
Ungeborenen, das heißt, unter welchen Bedingungen das
Kind im Mutterschoß lebt, wie es leidet, usw. Man sollte
unbedingt verstehen, dass Geburt qualvoll ist. Weil wir
vergessen haben, wie sehr wir im Schoß der Mutter gelitten
haben, lösen wir nicht das Problem der Wiederholung von
Geburt und Tod. In ähnlicher Weise gibt es zur Zeit des
Todes vielerlei Leiden, die ebenfalls in den maßgebenden
Schriften erwähnt werden. Diese Schriften sollten diskutiert
werden. Und was Krankheit und Alter betrifft, so macht
jeder die praktische Erfahrung davon. Niemand möchte
krank sein, und niemand will alt werden, doch Krankheit
und Alter sind unvermeidlich. Solange wir das
materialistische Leben in Anbetracht der Leiden von
Geburt, Alter, Krankheit und Tod nicht mit Pessimismus
sehen, haben wir keinen Antrieb, im spirituellen Leben
Fortschritt zu machen.
Mit der Loslösung von Heim, Frau und Kindern ist nicht
gemeint, dass man keine Gefühle für sie haben soll.
Zuneigung zu ihnen ist natürlich, doch wenn sie für den
spirituellen Fortschritt nicht förderlich sind, sollte man
nicht an ihnen hängen. Der beste Vorgang, sein Heim
angenehm zu gestalten, ist Krsna-Bewusstsein. Wenn
jemand völlig im Krsna-Bewusstsein lebt, kann er in seinem
Heim eine sehr glückliche Atmosphäre schaffen, denn
dieser Vorgang des Krsna-Bewusstseins ist sehr einfach.
Man braucht nur Hare Krsna, Hare Krsna, Krsna Krsna,
Hare Hare / Hare Rama, Hare Rama, Rama Rama, Hare
Hare zu chanten, die Überreste von Speisen zu essen, die
Krsna geopfert wurden, über Bücher wie die Bhagavad-Gita
und das Srimad-Bhagavatam zu sprechen und die
Bildgestalten Krsnas zu verehren. Diese vier Dinge werden
einen glücklich machen. Man sollte die Mitglieder seiner
Familie also in dieser Weise schulen. Die
Familienangehörigen können sich morgens und abends
zusammensetzen und gemeinsam Hare Krsna, Hare Krsna,
Krsna Krsna, Hare Hare / Hare Rama, Hare Rama, Rama
Rama, Hare Hare chanten. Wenn man sein Familienleben
auf diese Weise gestalten kann, um Krsna-Bewusstsein zu
entwickeln, indem man diesen vier Prinzipien folgt, ist es
nicht notwendig, vom Familienleben zu einem Leben der
Entsagung zu wechseln. Wenn es jedoch für den
spirituellen Fortschritt nicht zuträglich oder förderlich ist,
sollte das Familienleben aufgegeben werden. Man muss
alles opfern, um Krsna zu erkennen oder zu dienen, genau
wie Arjuna. Arjuna wollte seine Familienangehörigen nicht
töten, aber als er verstand, dass diese Familienangehörigen
Hindernisse für seine Erkenntnis Krsnas waren, nahm er
Krsnas Anweisungen an, kämpfte gegen seine Verwandten
und tötete sie. In jedem Fall sollte man vom Glück und
Leid des Familienlebens losgelöst sein, denn in dieser Welt
kann man niemals völlig glücklich oder völlig unglücklich
sein. Glück und Leid sind untrennbare Faktoren des
materiellen Lebens. Wie in der Bhagavad-Gita empfohlen
wird, sollte man lernen, sie zu dulden. Da man dem
Kommen und Gehen von Glück und Leid niemals Einhalt
gebieten kann, sollte man sich von der materialistischen
Lebensweise lösen und von selbst in beiden Fällen gleichmütig
bleiben. Gewöhnlich sind wir sehr glücklich, wenn
wir etwas Erwünschtes bekommen, und wenn uns etwas
Unerwünschtes widerfährt, sind wir unglücklich. Wenn wir
jedoch tatsächlich auf der spirituellen Ebene verankert sind,
werden uns diese Dinge nicht länger berühren. Um diese
Stufe zu erreichen, müssen wir unabweichlichen,
uneingeschränkten hingebungsvollen Dienst praktizieren;
hingebungsvoller Dienst für Krsna ohne Abweichung
bedeutet, sich in den neun Vorgängen des
hingebungsvollen Dienstes, Chanten, Hören, Verehren,
Ehrerbietungen erweisen usw., zu betätigen, wie im letzten
Vers des Neunten Kapitels beschrieben wird. Diesem
Vorgang sollte man folgen. Wenn man ein spirituelles
Leben führt, wird man natürlicherweise nicht mehr mit
materialistischen Menschen zusammensein wollen. Das
würde einem zuwider sein. Man kann sich prüfen, indem
man feststellt, inwieweit man geneigt ist, an einem
einsamen Ort ohne unerwünschten Umgang zu leben.
Natürlicherweise findet ein Gottgeweihter keinen
Geschmack an unnötigem Sport, Kinobesuchen oder
gesellschaftlichen Veranstaltungen, denn er versteht, dass
diese Dinge nichts als Zeitverschwendung sind. Es gibt
viele Forscher und Philosophen, die das sexuelle Verhalten
oder irgendetwas anderes studieren, doch nach den Lehren
der Bhagavad-Gita haben solche Forschungsarbeiten und
philosophischen Spekulationen keinen Wert. All dies ist
mehr oder weniger unsinnig. Der Bhagavad-Gita gemäß
sollte man mit philosophischer Besonnenheit das Wesen
der Seele erforschen. Man sollte forschen, um zu verstehen,
was für das Selbst von Wichtigkeit ist. Das wird hier
empfohlen.
Was Selbstverwirklichung anbelangt, so heißt es hier klar,
dass bhakti-yoga besonders geeignet ist. Sobald von
Hingabe die Rede ist, muss man die Beziehung zwischen
der Überseele und der individuellen Seele in Betracht
ziehen. Die individuelle Seele und die Überseele können
nicht eins sein - zumindest nicht in der
bhakti-Auffassung, der hingebungsvollen Außassung vom
Leben. Dieser Dienst der individuellen Seele für die
Höchste Seele ist nityam (ewig), wie es hier eindeutig heißt.
Bhakti oder hingebungsvoller Dienst ist also ewig. Man
sollte in dieser philosophischen Überzeugung gefestigt sein,
sonst verschwendet man nur Zeit und befindet sich in
Unwissenheit.
Dies wird auch im Srimad-Bhagavatam (1.2.11) erklärt:
Diejenigen, die die Absolute Wahrheit wahrhaft kennen,
wissen, dass das Höchste Selbst in drei verschiedenen
Aspekten als Brahman, Paramatma und Bhagavan erkannt
wird."
Bhagavan ist die höchste Stufe in der Erkenntnis der
Absoluten Wahrheit; deshalb sollte man die Ebene des
Verständnisses der Höchsten Persönlichkeit Gottes erreichen
und sich dann im hingebungsvollen Dienst des
Herrn beschäftigen. Das ist die Vollkommenheit des
Wissens.
Angefangen mit dem Sichüben in Demut bis zur Erkenntnis
der Höchsten Wahrheit, der Absoluten Persönlichkeit
Gottes, gleicht der ganze Vorgang einer Treppe, die vom
Erdgeschoß bis zum obersten Stockwerk führt. Auf dieser
Treppe stehen viele Menschen, die bereits den ersten,
zweiten oder dritten Stock erreicht haben, doch solange
man nicht das oberste Stockwerk erreicht, das heißt Krsna
versteht, befindet man sich auf einer unteren Stufe des
Wissens. Wenn sich jemand mit Gott messen und zur
selben Zeit Fortschritte im spirituellen Wissen machen will,
wird er frustriert werden. Es wird klar gesagt, dass ohne
Demut Wissen schädlich ist. Sich für Gott zu halten ist
höchst eingebildet. Obwohl das Lebewesen ständig von den
strengen Gesetzen der Natur getreten wird, denkt es
aufgrund von Unwissenheit: "Ich bin Gott." Man sollte
demütig sein und wissen, dass man dem Höchsten Herrn
untergeordnet ist. Nur weil man gegen den Höchsten Herrn
rebelliert, gerät man unter den Einfluss der materiellen
Natur. Man muss diese Wahrheit erkennen und von ihr
überzeugt sein.
VERS 13
Ich werde dir jetzt das Erkennbare erklären, bei dessen
Erkenntnis du das Ewige kosten wirst. Es ist anfanglos
und Mir untergeordnet. Man nennt es Brahman oder
die spirituelle Natur, und es liegt jenseits der Ursache
und Wirkung dieser materiellen Welt.
ERLÄUTERUNG
Der Herr hat das Tätigkeitsfeld und den Kenner des Feldes
erklärt. Er hat auch erklärt, wie man den Kenner des
Tätigkeitsfeldes erkennen kann. Jetzt erklärt Er das
Erkennbare, das heißt die Seele und die Überseele. Wenn
man den Kenner, nämlich die Seele und die Überseele,
kennt, kann man den Nektar des Lebens kosten. Wie im
Zweiten Kapitel erklärt wird, ist das Lebewesen ewig. Das
wird auch hier bestätigt. Es gibt keinen bestimmten
Zeitpunkt, an dem der jiva geboren wurde, noch kann jemand
herausfinden, wann der jivatma vom Höchsten Herrn
manifestiert wurde. Deshalb hat er keinen Anfang. Die
vedischen Schriften bestätigen dies: na jayate mriyate va
vispaècit. Der Kenner des Körpers wird niemals geboren
und stirbt niemals, und er ist voller Wissen. Der Höchste
Herr wird in der vedischen Literatur auch als
pradhana-ksetrajna-patir gunesah beschrieben. Der
Höchste Herr ist als die Überseele der Hauptkenner des
Körpers, und Er ist der Herr der drei Erscheinungsweisen
der materiellen Natur. In der smrti heißt es: Die Lebewesen stehen
ewig im Dienst des Höchsten Herrn. Das wird auch von Sri
Caitanyas Lehren bestätigt; deshalb bezieht sich die in
diesem Vers erwähnte Beschreibung des Brahman auf die
individuelle Seele, und wenn mit dem Wort "Brahman" das
Lebewesen gemeint ist, muss man verstehen, dass das Le-
bewesen vijnanam brahma im Gegensatz zu
ananta-brahma ist. Ananta-brahma ist das Höchste
Brahman, die Persönlichkeit Gottes.
VERS 14
Überall sind die Hände, Beine, Augen und Gesichter des
Herrn, und Er hört alles. Auf diese Weise existiert die
Überseele.
ERLÄUTERUNG
Ähnlich wie die Sonne, die ihre zahllosen Strahlen
verbreitet, existiert auch die Überseele oder Höchste
Persönlichkeit Gottes. Sie existiert in Ihrer alldurchdringenden
Form, und in Ihr existieren alle individuellen
Lebewesen -angefangen mit dem ersten großen Lehrer,
Brahma, bis hinab zu den kleinen Ameisen. Es gibt unbegrenzt
viele Köpfe, Beine, Hände und Augen und
unbegrenzt viele Lebewesen. Sie alle existieren in der
Überseele und sind von Ihr abhängig. Deshalb ist die
Überseele alldurchdringend. Die individuelle Seele kann
jedoch nicht von sich behaupten, sie habe ihre Hände,
Beine und Augen überall. Das ist nicht möglich. Wenn sie
denkt, aufgrund von Unwissenheit sei sie sich nicht
bewusst, dass ihre Hände und Beine überall verbreitet seien,
sie werde aber zu dieser Stufe kommen, wenn sie richtiges
Wissen erlange, widerspricht sich dieses Denken. Das
würde nämlich bedeuten, dass die individuelle Seele, da sie
von der materiellen Natur bedingt wurde, nicht in höchster
Stellung steht. Der Höchste ist von Der individuellen Seele
verschieden. Der Höchste Herr kann Seine Hand
unbegrenzt weit ausstrecken; die individuelle Seele kann
dies nicht. In der Bhagavad-Gita sagt der Herr, dass Er von
jedem, der Ihm eine Blume oder eine Frucht oder ein wenig
Wasser opfert, solches annimmt. Hier mag sich die Frage
stellen, wie der Herr Dinge annehmen kann, wenn Er so
weit entfernt ist. Das ist die Allmacht des Herrn. Obwohl Er
Sich in Seinem Reich, weit entfernt von der Erde, aufhält,
kann Er Seine Hand überallhin ausstrecken, um Opfergaben
anzunehmen. Das ist Seine Macht. In der Brahma-samhita
heißt es: goloka eva nivasati. Obwohl Er auf Seinem
transzendentalen Planeten immer in Spiele vertieft ist, ist Er
alldurchdringend. Die individuelle Seele kann nicht
behaupten, sie sei alldurchdringend. Folglich beschreibt
dieser Vers die Höchste Seele, die Persönlichkeit Gottes,
nicht die individuelle Seele.
VERS 15
Die Überseele ist die ursprüngliche Quelle aller Sinne,
und doch ist Sie ohne Sinne. Der Herr ist unangehaftet,
obwohl Er der Erhalter aller Lebewesen ist. Er steht in
transzendentaler Stellung zu den Erscheinungsweisen
der Natur, und zugleich ist Er der Herr aller
Erscheinungsweisen der materiellen Natur.
ERLÄUTERUNG
Obwohl der Höchste Herr der Ursprung aller Sinne der
Lebewesen ist, hat Er keine materiellen Sinne wie sie.
Eigentlich haben die individuellen Seelen spirituelle Sinne,
doch im bedingten Leben sind diese von den materiellen
Elementen bedeckt, und so werden die Tätigkeiten der
Sinne durch Materie hindurch entfaltet. Die Sinne des
Höchsten Herrn sind nicht in solcher Weise bedeckt. Seine
Sinne sind transzendental und werden daher nirguna
genannt. Mit guäa sind die materiellen Erscheinungsweisen
gemeint, doch Seine Sinne sind nicht von Materie bedeckt.
Man sollte verstehen, dass Seine Sinne nicht wie die unseren
sind. Obwohl Er die Quelle all unserer Sinnestätigkeiten ist,
hat Er transzendentale Sinne, die nicht verunreinigt sind.
Das wird sehr schön in der Svetasvatara Upanisad erklärt:
sarvataÉ paäi-padam. Der Herr, die Höchste Persönlichkeit
Gottes, hat keine Hände, die materiell verunreinigt sind,
aber Er hat Hände, mit denen Er alle Opfer annimmt, die
Ihm dargebracht werden. Das ist der Unterschied zwischen
der bedingten Seele und der Überseele. Der Paramatma hat
zwar keine materiellen Augen, aber Er hat Augen - wie
könnte Er sonst sehen. Er sieht alles in Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft. Er lebt im Herzen des Lebewesens
und weiß, was wir in der Vergangenheit getan haben, was
wir jetzt tun und was uns in der Zukunft erwartet. Das wird
auch in der Bhagavad-Gita bestätigt: "Er weiß alles, doch
niemand kennt Ihn." Es wird gesagt, dass der Höchste Herr
keine Beine hat wie wir, doch Er kann durch den Weltraum
reisen, weil Er spirituelle Beine hat. Mit anderen Worten:
Der Herr ist nicht unpersönlich; Er hat Augen, Beine,
Hände und alles andere, und weil wir Teile des Höchsten
Herrn sind, haben auch wir diese Dinge. Doch Seine
Hände, Beine, Augen und Sinne sind nicht durch die
materielle Natur verunreinigt.
Die Bhagavad-Gita bestätigt ebenfalls, dass der Herr, wenn
Er herabsteigt, durch Seine innere Kraft unverändert, wie
Er ist, erscheint. Er wird durch die materielle Energie nicht
verunreinigt, weil Er der Herr der materiellen Energie ist.
In den vedischen Schriften finden wir, dass Seine ganze
Verkörperung spirituell ist. Er hat Seine ewige Gestalt, die
man sac-cid-ananda-vigraha nennt. Er ist von allem
Reichtum erfüllt. Er ist der Besitzer aller Schätze und der
Eigentümer aller Energie. Er ist der Intelligenteste, und Er
ist voller Wissen. Dies sind einige Kennzeichen der
Höchsten
Persönlichkeit Gottes. Er ist der Erhalter aller
Lebewesen und der Zeuge jeder Tätigkeit. Wie wir aus den
vedischen Schriften verstehen können, ist der Herr immer
transzendental. Obwohl wir Seinen Kopf, Sein Gesicht,
Seine Hände und Seine Beine nicht sehen können, sind sie
da, und wenn wir auf die transzendentale Stufe erhoben
werden, können wird die Gestalt des Herrn sehen. Weil
unsere Sinne durch Materie verunreinigt sind, können wir
Seine Gestalt nicht wahrnehmen. Deshalb können die
Unpersönlichkeitsanhänger, die immer noch von Materie
beeinflusst werden, die Persönlichkeit Gottes nicht
verstehen.
VERS 16
Der Herr, die Höchste Wahrheit, existiert sowohl
innerhalb als auch außerhalb - im Sichbewegenden
und im Sich-nicht-Bewegenden. Es ist nicht möglich, Ihn
durch materielle Sinne zu sehen oder zu erkennen. Obwohl
weit, weit entfernt, ist Er allem auch nah.
ERLÄUTERUNG
Aus der vedischen Literatur verstehen wir, dass Narayaäa,
die Höchste Person, sowohl innerhalb als auch außerhalb
jedes Lebewesens weilt. Er ist sowohl in der spirituellen als
auch in der materiellen Welt gegenwärtig. Obwohl Er weit,
weit entfernt ist, ist Er uns doch sehr nah. So lauten die
Aussagen der vedischen Literatur. Und weil Er immer in
transzendentaler Glückseligkeit vertieft ist, können wir
nicht verstehen, wie Er all Seinen Reichtum genießt. Dies
können wir mit unseren materiellen Sinnen nicht verstehen
oder erfahren. Deshalb heißt es der vedischen Version
gemäß, dass unser materieller Geist und unsere materiellen
Sinne nicht geeignet sind, Ihn zu verstehen. Wer jedoch
seine Sinne und seinen Geist durch das Praktizieren von
Krsna-Bewusstsein im hingebungsvollen Dienst gereinigt
hat, kann den Herrn ständig sehen. In der Brahma-samhita
wird bestätigt, dass der Gottgeweihte, der Liebe zum
Höchsten Gott entwickelt hat, den Herrn immer ohne
Unterbrechung sehen kann. Und in der Bhagavad-Gita
(11.54) wird erklärt, dass Er nur durch hingebungsvollen
Dienst gesehen und verstanden werden kann.
VERS 17
Obwohl der Herr, die Überseele, in viele aufgeteilt zu
sein scheint, ist Er niemals geteilt. Er ist Einer. Obwohl
Er der Erhalter aller Lebewesen ist, muss man
verstehen, dass Er sie alle verschlingt und entwickelt.
ERLÄUTERUNG
Der Herr weilt als Überseele im Herzen eines jeden.
Bedeutet das aber, dass Er Sich aufgeteilt hat? Nein. Im
Grunde ist Er Einer. In diesem Zusammenhang wird das
Beispiel der Sonne gegeben: Im Zenit hat die Sonne einen
bestimmten Standort. Wenn man aber 5000 Kilometer in
alle Richtungen ginge und fragte: Wo ist die Sonne?",
würde jeder sagen, dass sie auf seinen Kopf scheine. In der
vedischen Literatur wird dieses Beispiel gegeben, um zu
zeigen, dass der Herr, obwohl Er ungeteilt ist, aufgeteilt zu
sein scheint. In der vedischen Literatur heißt es auch, dass
ein Visnu durch Seine Allmacht überall gegenwärtig ist,
ebenso wie die Sonne vielen Menschen an vielen Orten
erscheint. Und obwohl der Höchste Herr der Erhalter eines
jeden Lebewesens ist, wird zur Zeit der Vernichtung alles
von Ihm verschlungen. Das wurde im Elften Kapitel
bestätigt, als der Herr sagte, dass Er gekommen sei, um alle
auf dem Schlachtfeld von Kuruksetra versammelten
Krieger zu verschlingen. Er erwähnte auch, dass Er in der
Form der Zeit ebenfalls alles verschlinge. Er ist der Vernichter
und der Töter aller. Zur Zeit der Schöpfung
entwickelt Er alle aus ihrem ursprünglichen Zustand, und
zur Zeit der Vernichtung verschlingt Er sie. Die vedischen
Hymnen bestätigen die Tatsache, dass Er der Ursprung und
der Ruheort aller Lebewesen ist. Nach der Schöpfung ruht
alles in Seiner Allmacht, und nach der Vernichtung kehrt
alles wieder zurück, um in Ihm zu ruhen. So lauten die
Bestätigungen der vedischen Hymnen.
VERS 18
Er ist die Lichtquelle in allen leuchtenden
Gegenständen. Er befindet Sich jenseits der Dunkelheit
der Materie und ist unmanifestiert. Er ist Wissen, Er ist
der Gegenstand des Wissens, und Er ist das Ziel des
Wissens. Er weilt im Herzen eines jeden.
ERLÄUTERUNG
Die Überseele, die Höchste Persönlichkeit Gottes, ist die
Lichtquelle in allen leuchtenden Gegenständen wie Sonne,
Mond, Sternen usw. Aus der vedischen Literatur erfahren
wir, dass im spirituellen Königreich Sonne und Mond nicht
notwendig sind, weil dort alles von der Ausstrahlung des
Höchsten Herrn erleuchtet wird. In der materiellen Welt ist
dieses brahmajyoti, die spirituelle Ausstrahlung des Herrn,
vom mahat-tattva oder den materiellen Elementen bedeckt.
Deshalb benötigen wir in der materiellen Welt die Hilfe
von Sonne, Mond, Elektrizität usw., um Licht zu haben. In
der spirituellen Welt aber sind solche Dinge nicht
notwendig. In der vedischen Literatur wird klar gesagt, dass
alles von der gleißenden Ausstrahlung des Herrn erleuchtet
wird. Es ist daher klar, dass Sein Aufenthaltsort nicht in der
materiellen Welt liegt. Er weilt in der spirituellen Welt, die
weit, weit entfernt im spirituellen Himmel liegt. Auch das
wird in der vedischen Literatur bestätigt: Er gleicht der Sonne,
ewig leuchtend,
doch befindet Er Sich weit, weit jenseits der Dunkelheit der
materiellen Welt. Sein Wissen ist transzendental. Die
vedische Literatur bestätigt, dass Brahman konzentriertes
transzendentales Wissen ist. Wenn jemand in die spirituelle
Welt erhoben werden möchte, gibt ihm der Höchste Herr,
der im Herzen eines jeden weilt, das dazu notwendige
Wissen.
Einer der vedischen mantras lautet: Man muss sich der Höchsten
Persönlichkeit
Gottes ergeben, wenn man tatsächlich befreit werden will.
Und was das Ziel endgültigen Wissens betrifft, so wird in
der vedischen Literatur ebenfalls bestätigt: "Nur wenn man
Dich kennt, kann man
die Grenzen von Geburt und Tod überschreiten." Er weilt
im Herzen eines jeden als höchster Lenker. Die Beine und
Hände des Höchsten sind überallhin verbreitet, was man
von der individuellen Seele nicht behaupten kann. Daher
muss man anerkennen, dass es zwei Kenner des
Tätigkeitsfeldes gibt - die individuelle Seele und die
Überseele. Unsere Hände und Beine befinden sich nur an
einem Ort, doch Krsnas Hände und Beine sind überall
verbreitet. Das wird in der Svetasvatara Upanisad bestätigt:
Die Höchste Persönlichkeit Gottes, die Überseele, ist der
prabhu oder Herr aller Lebewesen; deshalb ist Sie der
letztliche Mittelpunkt aller Lebewesen. Man kann also nicht
die Tatsache leugnen, dass die Höchste Überseele und die
individuelle Seele immer verschieden sind.
VERS 19
Somit habe Ich das Feld der Tätigkeiten [den Körper],
Wissen und das Erkennbare zusammenfassend
beschrieben. Nur Meine Geweihten können dies genau
verstehen und so Meine Natur erreichen.
ERLÄUTERUNG
Der Herr hat in einer Zusammenfassung den Körper,
Wissen und das Erkennbare beschrieben. Dieses Wissen
umfasst drei Dinge: den Kenner, das Erkennbare und den
Vorgang der Erkenntnis. Zusammen nennt man sie
vijnanam oder die Wissenschaft von der Erkenntnis.
Vollkommenes Wissen kann von den unverfälschten
Geweihten des Herrn direkt verstanden werden. Andere
sind dazu nicht imstande. Die Monisten sagen, dass diese
drei Dinge letztlich eins werden, doch die Gottgeweihten
stimmen dem nicht zu. Wissen und die Entwicklung von
Wissen bedeuten, sich selbst im Krsna-Bewusstsein zu
verstehen. Wir lassen uns von materiellem Bewusstsein
leiten, doch sobald wir alles Bewusstsein auf Krsnas Taten
übertragen und erkennen, dass Krsna alles ist, erreichen wir
wirkliches Wissen. Mit anderen Worten: Wissen ist nichts
anderes als die Vorstufe des vollkommenen Verständnisses
von hingebungsvollem Dienst.
VERS 20
Man sollte verstehen, dass die materielle Natur und die
Lebewesen anfanglos sind. Ihre Umwandlungen und die
Erscheinungsweisen der Materie sind Produkte der
materiellen Natur.
ERLÄUTERUNG
Durch dieses Wissen können der Körper, das Feld der
Tätigkeiten und die Kenner des Körpers (sowohl die
individuelle Seele als auch die Überseele) erkannt werden.
Der Körper ist das Tätigkeitsfeld und ist aus der materiellen
Natur zusammengesetzt. Die individuelle Seele ist im
Körper eingeschlossen. Der purusa oder das Lebewesen
genießt die Tätigkeiten des Körpers. Er ist ein Kenner, und
der andere ist die Überseele. Natürlich muss man verstehen,
dass sowohl die Überseele als auch das individuelle
Lebewesen verschiedene Manifestationen der Höchsten
Persönlichkeit Gottes sind. Das Lebewesen gehört zu
Seiner Energie, und die Überseele gehört zu Seinen
persönlichen Erweiterungen.
Sowohl die materielle Natur als auch das Lebewesen sind
ewig. Das bedeutet, dass sie bereits vor der Schöpfung
existierten. Die materielle Manifestation kommt von der
Energie des Höchsten Herrn, ebenso wie die Lebewesen,
doch sind diese von höherer Energie. Beide existierten,
bevor dieser Kosmos manifestiert wurde. Die materielle
Natur ruhte in der Höchsten Persönlichkeit Gottes,
Maha-Visnu, und als es notwendig war, wurde sie mit Hilfe
des mahat-tattva manifestiert. In ähnlicher Weise weilen
auch die Lebewesen in Ihm, doch weil sie bedingt sind,
weigern sie sich, dem Höchsten Herrn zu dienen. Daher ist
es ihnen nicht gestattet, in den spirituellen Himmel
einzugehen. Nachdem die materielle Natur aufgelöst
worden ist, wird diesen Lebewesen erneut die Möglichkeit
gegeben, in der materiellen Welt zu handeln und sich
darauf vorzubereiten, in die spirituelle Welt
zurückzukehren. Das ist das Mysterium dieser materiellen
Schöpfung. Eigentlich ist das Lebewesen ursprünglich ein
spirituelles Teilchen des Höchsten Herrn, doch wegen
seiner rebellischen Haltung ist es durch die materielle Natur
bedingt. Es ist tatsächlich nicht wichtig, wie die Lebewesen
oder höheren Bestandteile des Höchsten Herrn mit der
materiellen Natur in Berührung gekommen sind. Die
Höchste Persönlichkeit Gottes weiß jedoch, wie und warum
dies geschah. In den Schriften sagt der Herr, dass diejenigen,
die sich zur materiellen Natur hingezogen fühlen,
einen harten Kampf ums Dasein führen müssen. Aber wir
sollten den Beschreibungen dieser wenigen Verse mit
Gewissheit entnehmen, dass alle Wandlungen und Einflüsse
der materiellen Natur, die durch die drei
Erscheinungsweisen hervorgerufen werden, ebenfalls Produkte
der materiellen Natur sind. Alle Wandlungen und
Verschiedenheiten hinsichtlich der Lebewesen beziehen
sich auf den Körper. Was die spirituelle Natur betrifft, so
sind die Lebewesen alle gleich.
VERS 21
Die Natur gilt als die Ursache aller materiellen
Tätigkeiten und Wirkungen, wohingegen das Lebewesen
die Ursache der verschiedenen Leiden und Genüsse in
der Welt ist.
ERLÄUTERUNG
Die verschiedenen Manifestationen von Körpern und
Sinnen, die unter den Lebewesen zu finden sind, haben ihre
Ursache in der materiellen Natur. Es gibt 8 400 000
verschiedene Arten des Lebens, und diese
Verschiedenheiten sind die Schöpfung der materiellen
Natur. Sie entstehen aus den verschiedenen Sinnenfreuden
des Lebewesens, das so den Wunsch ausdrückt, in diesem
oder jenem Körper zu leben. Wenn es in verschiedene
Körper gesetzt wird, genießt es verschiedene Formen von
Glück und Leid. Sein materielles Glück und Leid sind auf
den Körper zurückzuführen, nicht auf es selbst, wie es ist.
In seinem ursprünglichen Zustand gibt es zweifellos
Genuss; deshalb ist das sein wirklicher Zustand. Aufgrund
seines Wunsches, die materielle Natur zu beherrschen,
befindet es sich in der materiellen Welt. In der spirituellen
Welt gibt es so etwas nicht. Die spirituelle Welt ist rein,
doch in der materiellen Welt kämpft jeder schwer, um
Dinge zu erbeuten, die dem Körper verschiedene Freuden
bescheren. Um es deutlicher auszudrücken: Der Körper ist
das Ergebnis der Sinnesorgane. Die Sinne sind Instrumente,
um Wünsche zu befriedigen. Dem Lebewesen wird also
alles zusammen - Körper und Sinneswerkzeuge - von
der materiellen Natur zur Verfügung gestellt, und wie der
nächste Vers klarmacht, wird das Lebewesen je nach seinen
vergangenen Wünschen und Tätigkeiten mit den
entsprechenden Umständen gesegnet oder bestraft. Seinen
Wünschen und Tätigkeiten gemäß wird man von der
materiellen Natur in verschiedene Wohnstätten gesetzt. Das
Lebewesen selbst ist die Ursache solcher Wohnstätten und
der es begleitenden Freuden und Leiden. Einmal in einen
bestimmten Körper gesetzt, kommt es unter die Herrschaft
der Natur; da nämlich der Körper aus Materie besteht, handelt
er nach den Gesetzen der Natur. Zu dem Zeitpunkt hat
das Lebewesen nicht die Macht, dieses Gesetz zu ändern.
Nehmen wir an, ein Wesen wird in den Körper eines
Hundes gesetzt. Sobald es in den Körper eines Hundes
gesetzt worden ist, muss es wie ein Hund handeln. Es kamt
nicht anders handeln. Und wenn das Lebewesen in den
Körper eines Schweines gesetzt wird, ist es gezwungen,
Kot zu fressen und wie ein Schwein zu handeln. In
ähnlicher Weise muss das Lebewesen, wenn es in den
Körper eines Halbgottes gesetzt wird, in Entsprechung zu
diesem Körper handeln. Das ist das Gesetz der Natur. Doch
unter allen Umständen ist die Überseele bei der
individuellen Seele. Dies wird in den Veden wie folgt
erklärt: Der Höchste Herr ist mit dem Lebewesen so gütig,
dass Er die individuelle Seele immer begleitet und unter
allen Umständen als Überseele oder Paramatma gegenwärtig ist.
VERS 22
So folgt das Lebewesen in der materiellen Natur den
Wegen des Lebens und genießt die drei
Erscheinungsweisen der Natur. Das hat seine Ursache in
der Verbindung mit dieser materiellen Natur. Auf diese
Weise trifft es mit Gut und Schlecht unter den
verschiedenen Arten des Lebens zusammen.
ERLÄUTERUNG
Dieser Vers ist sehr wichtig, um zu verstehen, wie das
Lebewesen von einem Körper zum anderen wandert. Im
Zweiten Kapitel wurde erklärt, dass das Lebewesen von
Körper zu Körper wandert, so wie jemand Kleider
wechselt. Dieses Wechseln der Kleidung ist auf die
Anhaftung des Lebewesens an die materielle Existenz
zurückzuführen. Solange es von dieser falschen materiellen
Manifestation gefangen ist, muss es weiter von einem
Körper zum anderen wandern. Aufgrund seines Wunsches,
die materielle Natur zu beherrschen, wird es in solche nicht
wünschenswerten Umstände versetzt. Unter dem Einfluss
materieller Wünsche wird das Lebewesen mal als Halbgott,
mal als Mensch, als Säugetier, als Vogel, als Wurm, als
Wassertier, als Reptil, als Wanze usw. geboren. Das ist der
Lauf der Welt. Und in allen Fällen hält sich das Lebewesen
für den Herrn seiner Lebensumstände, obwohl es dem
Einfluss der materiellen Natur untersteht.
Wie das Lebewesen in solch verschiedene Körper gesetzt
wird, ist hier erklärt. Die Ursache liegt in der Gemeinschaft
mit den verschiedenen Erscheinungsweisen der Natur. Man
muss sich daher über die drei materiellen
Erscheinungsweisen erheben und in der transzendentalen
Stellung verankert werden. Das nennt man Krsna--
Bewusstsein. Solange das Lebewesen nicht im
Krsna-Bewusstsein verankert ist, wird sein materielles
Bewusstsein es zwingen, von einem Körper zum anderen zu
wandern; denn es hat schon seit undenklichen Zeiten
materielle Wünsche. Diese Auffassung muss es ändern.
Solcher Gesinnungswandel kann nur stattfinden, wenn man
aus autoritativen Quellen hört. Das beste Beispiel sehen wir
hier: Arjuna hört von Krsna die Wissenschaft von Gott.
Wenn sich das Lebewesen diesem Vorgang des Hörens
widmet, wird es seinen langgehegten Wunsch, über die
materielle Natur zu herrschen, verlieren, und allmählich
und in dem Maße, wie es sein altes Verlangen zu
beherrschen aufgibt, wird es die Ebene erreichen, auf der es
spirituelles Glück genießt. In einem vedischen mantra heißt
es, dass man in dem Maße, wie man in Gemeinschaft mit
der Höchsten Persönlichkeit Gottes zu Wissen gelangt, sein
ewiges glückseliges Leben zu kosten beginnt.
VERS 23
Jedoch gibt es in diesem Körper noch einen anderen,
einen transzendentalen Genießer, den Herrn, den
höchsten Besitzer, der als Beobachter und
Erlaubnisgeber gegenwärtig ist und den man als
Überseele kennt.
ERLÄUTERUNG
Hier wird gesagt, dass die Überseele, die die individuelle
Seele ständig begleitet, die Repräsentation des Höchsten
Herrn ist. Die Überseele ist kein gewöhnliches Lebewesen.
Weil die Monisten der Ansicht sind, es gebe nur einen
Kenner des Körpers, glauben sie, zwischen der Überseele
und der individuellen Seele bestehe kein Unterschied. Um
dies klarzustellen, sagt der Herr, dass Er die
Paramatma-Repräsentation in jedem Körper ist. Er ist von
der individuellen Seele verschieden; Er ist parah oder
transzendental. Die individuelle Seele genießt die
Tätigkeiten eines bestimmten Feldes, aber die Überseele ist
weder als begrenzter Genießer noch als Teilnehmer an
körperlichen Tätigkeiten anwesend, sondern als Zeuge,
Beobachter, Erlaubnisgeber und höchster Genießer. Ihr
Name ist Paramatma, nicht atma, und Sie ist
transzendental. Es ist sehr offensichtlich, dass atma und
Paramatma voneinander verschieden sind. Die Überseele,
der Paramatma, hat Beine und Hände, die sich überall
befinden, die individuelle Seele hingegen nicht. Und da Er
der Höchste Herr ist, ist Er im Innern gegenwärtig, um die
Wünsche der individuellen Seele nach materiellem Genuss
zu bewilligen. Ohne die Einwilligung der Höchsten Seele
kann die individuelle Seele nichts tun. Das Individuum ist
bhakta oder derjenige, der erhalten wird, und der Herr ist
bhukta oder der Erhalter. Es gibt unzählige Lebewesen, und
Er weilt in ihnen als Freund.
Tatsache ist, dass die individuellen Lebewesen ewiglich
winzige Bestandteile des Höchsten Herrn und mit Ihm sehr
eng in Freundschaft verbunden sind. Doch das Lebewesen
neigt dazu, die Einwilligung des Höchsten Herrn
zurückzuweisen und unabhängig zu handeln, um die
materielle Natur zu beherrschen. Weil es diese Neigung hat,
wird es als die marginale Energie des Höchsten bezeichnet.
Das Lebewesen kann sich entweder in der materiellen oder
in der spirituellen Energie aufhalten. Solange es durch die
materielle Energie bedingt ist, bleibt der Höchste Herr als
sein Freund, die Überseele, bei ihm, um es dazu zu
bewegen, zur spirituellen Energie zurückzukehren. Der
Herr ist immer bemüht, es zur sprituellen Energie
zurückzuführen, doch aufgrund seiner winzigen
Unabhängigkeit lehnt das individuelle Lebewesen es
fortwährend ab, mit dem spirituellen Licht verbunden zu
sein. Dieser Missbrauch seiner Unabhängigkeit ist die
Ursache seines materiellen Kampfes in der bedingten
Natur. Der Herr gibt ihm daher von innen und außen
ständig Unterweisungen. Von außen gibt Er
Unterweisungen, wie sie in der Bhagavad-Gita zu finden
sind, und von innen versucht Er das Lebewesen davon zu
überzeugen, dass Tätigkeiten im materiellen Feld für wahres
Glück nicht förderlich sind. Er sagt: "Gib solches Tun
einfach auf, und wende dein Vertrauen Mir zu. Dann wirst
du glücklich sein." Der intelligente Mensch, der sein
Vertrauen in den Paramatma oder die Höchste
Persönlichkeit Gottes setzt, macht so den ersten Schritt auf
dem Weg zu einem glückseligen ewigen Leben voller
Wissen.
VERS 24
Wer diese Philosophie von der materiellen Natur, dem
Lebewesen und der Wechselwirkung der Erscheinungsweisen
der Natur versteht, wird mit Sicherheit Befreiung erlangen.
Er wird in dieser Welt nicht wiedergeboren werden, ungeachtet
seiner jetzigen Stellung.
ERLÄUTERUNG
Wenn man die materielle Natur, die Überseele, die
individuelle Seele und ihre Wechselbeziehungen klar
versteht, ist man geeignet, befreit zu werden und die spirituelle
Welt zu erreichen, ohne gezwungen zu sein, zur
materiellen Natur zurückzukehren. Das ist das Ergebnis
von Wissen. Der Zweck des Wissens besteht in dem klaren
Verständnis, dass das Lebewesen zufällig in die materielle
Existenz gefallen ist. Durch seine persönliche Bemühung in
der Gemeinschaft von Autoritäten, Heiligen und einem
spirituellen Meister muss es seine Stellung verstehen und
dann zu seinem spirituellen Bewusstsein oder
Krsna-Bewusstsein zurückkehren, indem es die
Bhagavad-Gita so versteht, wie sie von der Persönlichkeit
Gottes erklärt wird. Dann ist es sicher, dass es nie wieder in
die materielle Existenz zurückkommen wird; es wird in die
spirituelle Welt erhoben zu einem glückseligen ewigen
Leben voller Wissen.
VERS 25
Einige erkennen die Überseele durch Meditation, andere
durch die Entwicklung von Wissen und wieder andere
durch Arbeit, die ohne fruchtbringendes Verlangen
verrichtet wird.
ERLÄUTERUNG
Der Herr teilt Arjuna mit, dass die bedingten Seelen in
bezug auf ihre Suche nach Selbstverwirklichung in zwei
Gruppen eingeteilt werden können. Atheisten, Agnostiker
und Skeptiker haben keinen Sinn für spirituelles
Verständnis. Doch es gibt andere, die Vertrauen in ihr
Verständnis vom spirituellen Leben haben, und zwar
diejenigen, die auf die Früchte ihrer Arbeit verzichtet
haben. Diejenigen, die fortwährend versuchen, die Lehre
des Monismus zu verbreiten, werden ebenfalls zu den
Atheisten und Agnostikern gezählt. Mit anderen Worten:
Nur die Geweihten der Höchsten Persönlichkeit Gottes sind
wahrhaft zu spirituellem Verständnis fähig, da sie
verstehen, dass jenseits der materiellen Natur die spirituelle
Welt und der Herr, die Höchste Persönlichkeit Gottes,
existieren, der sich als Paramatma, die Überseele in jedem
als alldurchdringender Gott, erweitert hat. Natürlich gibt es
auch Menschen, die versuchen, die Höchste Absolute
Wahrheit durch die Kultivierung von Wissen zu verstehen;
sie werden zur zweiten Gruppe gezählt. Die atheistischen
Philosophen zerlegen die materielle Welt in
vierundzwanzig Elemente und setzen die Seele als
fünfundzwanzigstes hinzu. Wenn sie verstehen können, dass
die Natur der individuellen Seele transzendental zu den
materiellen Elementen ist, können sie auch verstehen, dass
über der individuellen Seele die Höchste Persönlichkeit
Gottes steht. Der Herr ist das sechsundzwanzigste Element.
So gelangen auch sie allmählich auf die Stufe des
hingebungsvollen Dienstes im Krsna-Bewusstsein.
Diejenigen, die ohne fruchtbringende Ergebnisse arbeiten,
sind in ihrer Haltung ebenfalls vollkommen. Ihnen wird die
Möglichkeit gegeben, auf die Ebene des hingebungsvollen
Dienstes im Krsna-Bewusstsein zu gelangen. In diesem Vers
heißt es auch, dass es einige Menschen gibt, die im
Bewusstsein rein sind und versuchen, die Überseele durch
Meditation zu finden. Wenn sie die Überseele in ihrem
Innern entdecken, werden auch sie in der Transzendenz
verankert. Andere versuchen, die Höchste Seele durch die
Kultivierung von Wissen zu verstehen, und wieder andere
üben sich im hatha-yoga-System und versuchen, die
Höchste Persönlichkeit Gottes durch kindische Spielereien
zu erfreuen.
VERS 26
Und es gibt andere, die zwar im spirituellen Wissen
nicht erfahren sind, die aber beginnen, die Höchste
Person zu verehren, nachdem sie von anderen von Ihr
gehört haben. Weil sie die Neigung haben, von
Autoritäten zu hören, transzendieren auch sie den Pfad
von Geburt und Tod.
ERLÄUTERUNG
Dieser Vers trifft besonders auf die moderne Gesellschaft
zu, denn heutzutage gibt es so gut wie keine spirituelle
Bildung. Manche Menschen mögen atheistisch, agnostisch
oder philosophisch erscheinen, doch in Wirklichkeit gibt es
kein Wissen von Philosophie. Was den gewöhnlichen
Menschen betrifft, so besteht für ihn die Möglichkeit, durch
Hören Fortschritte zu machen, wenn er eine gute Seele ist.
Dieser Vorgang des Hörens ist sehr wichtig. Sri Caitanya,
der Krsna-Bewusstsein in der modernen Welt predigte, legte
auf den Vorgang des Hörens großen Nachdruck, denn wenn
der gewöhnliche Mensch einfach aus autoritativen Quellen
hört, kann er Fortschritt machen; das ist ganz besonders der
Fall, wie Sri Caitanya sagt, wenn er die transzendentale
Klangschwingung Hare Krsna, Hare Krsna, Krsna Krsna,
Hare Hare / Hare Rama, Hare Rama, Rama Rama, Hare
Hare hört. Es wird daher gesagt, dass alle Menschen den
Vorteil, von selbstverwirklichten Seelen zu hören, nutzen
und allmählich fähig werden sollten, alles zu verstehen.
Dann werden sie zweifellos beginnen, den Höchsten zu
verehren. Sri Caitanya hat gesagt, dass im gegenwärtigen
Zeitalter niemand seine Stellung zu wechseln braucht, dass
man aber die Bemühung aufgeben soll, die Absolute
Wahrheit durch spekulatives Schlussfolgern zu verstehen.
Man soll versuchen, der Diener derer zu werden, die den
Höchsten Herrn kennen. Wenn man so glücklich ist, bei
einem reinen Gottgeweihten Zuflucht zu suchen, von ihm
über Selbstverwirklichung zu hören und seinen Fußspuren
zu folgen, wird man allmählich zur Stellung eines reinen
Gottgeweihten erhoben. In diesem Vers wird insbesondere
der Vorgang des Hörens mit Nachdruck empfohlen, und
das ist auch angemessen. Wenngleich der gewöhnliche
Mensch oft nicht so begabt ist wie sogenannte Philosophen,
wird ihm das vertrauensvolle Hören von einer wirklichen
Autorität helfen, die materielle Existenz zu transzendieren
und nach Hause, zu Gott, zurückzukehren.
VERS 27
O Oberhaupt der Bharatas, was immer du existieren
siehst - ob es sich bewegt oder nicht -, ist nur die
Verbindung des Feldes der Tätigkeiten mit dem Kenner
des Feldes.
ERLÄUTERUNG
In diesem Vers werden sowohl die materielle Natur als
auch das Lebewesen erklärt, die bereits vor der Schöpfung
des Kosmos existierten. Alles Erschaffene ist nichts als die
Verbindung des Lebewesens mit der materiellen Natur. Es
gibt viele Manifestationen, wie Bäume, Berge und Hügel,
die sich nicht bewegen, und es gibt viele Formen des
Daseins, die sich bewegen; sie alle sind nichts weiter als
Verbindungen der materiellen Natur mit der höheren Natur,
dem Lebewesen. Ohne die Berührung der höheren Natur,
des Lebewesens, kann nichts wachsen. Deshalb besteht die
Beziehung zwischen der Materie und der höheren Natur
ewig, und diese Verbindung ist vom Höchsten Herrn so
vorgesehen. Folglich ist Er der Lenker sowohl der höheren
als auch der niederen Natur. Die materielle Natur wurde
von Ihm geschaffen, und die höhere Natur ist in diese Natur
hineingesetzt, und so kommen alle Tätigkeiten und
Manifestationen zustande.
VERS 28
Wer sieht, dass die Überseele die individuelle Seele in
allen Körpern begleitet, und versteht, dass weder die
Seele noch die Überseele jemals zerstört werden, hat die
wahre Sicht.
ERLÄUTERUNG
Jeder, der drei Dinge erkennen kann - den Körper, den
Besitzer des Körpers oder die individuelle Seele und den
Freund der individuellen Seele, die durch gute
Gemeinschaft miteinander verbunden sind -, gründet
tatsächlich in Wissen. Diejenigen, die mit dem Freund der
Seele keine Gemeinschaft haben, sind unwissend; sie sehen
nur den Körper und denken, alles sei zu Ende, wenn der
Körper zerstört werde. Aber das ist nicht der Fall. Nach der
Zerstörung des Körpers existieren sowohl die Seele als
auch die Überseele, und sie bestehen ewig weiter in
verschiedenen sich bewegenden und sich nicht bewegenden
Formen. Das Sanskritwort paramesvaram wird manchmal
mit "individuelle Seele" übersetzt, denn die Seele ist der
Herr des Körpers, und nach der Zerstörung des Körpers
wandert sie in eine andere Form. So gesehen ist sie
tatsächlich Herr. Andere übersetzen dieses paramesvaram
mit "Überseele", aber in beiden Fällen existieren die
individuelle Seele und die Überseele weiter. Sie werden
nicht zerstört. Wer so zu sehen vermag, kann tatsächlich
verstehen, was geschieht.
VERS 29
Wer sieht, dass die Überseele in jedem Lebewesen weilt
und überall gleich ist, wird durch seinen Geist nicht
erniedrigt. So nähert er sich dem transzendentalen Ziel.
ERLÄUTERUNG
Wenn das Lebewesen erkennt, dass sein materielles Dasein
nur viel Leid bedeutet, kann es in seiner spirituellen
Existenz verankert werden. Wenn jemand versteht, dass der
Höchste in Seiner Paramatma-Manifestation überall
gegenwärtig ist, das heißt, wenn er die Gegenwart der
Höchsten Persönlichkeit Gottes in jedem Lebewesen sieht,
erniedrigt er sich nicht und macht daher allmählich
Fortschritt auf die spirituelle Welt zu. Für gewöhnlich ist
der Geist selbstzentrierten Denkvorgängen verfallen, doch
wenn er sich der Überseele zuwendet, macht man
Fortschritte im spirituellen Verständnis.
VERS 30
Wer sehen kann, dass alle Tätigkeiten vom Körper
ausgeführt werden, der von der materiellen Natur
geschaffen ist, und versteht, dass das Selbst nichts tut,
hat die wahre Sicht.
ERLÄUTERUNG
Der Körper ist von der materiellen Natur unter der
Anweisung der Überseele geschaffen worden, und alle
Tätigkeiten in Beziehung zum Körper führt man nicht
selbst aus. Zu allem, was man tut - sei es, um Glück zu
erlangen oder um zu leiden -, wird man aufgrund der
körperlichen Veranlassung gezwungen. Das Selbst jedoch
befindet sich jenseits solcher körperlichen Tätigkeiten. Der
Körper wird einem in Entsprechung zu seinen vergangenen
Wünschen gegeben. Um bestimmte Wünsche zu erfüllen,
wird einem der Körper gegeben, mit dem man
dementsprechend handelt. Im Grunde ist der Körper eine
Maschine, die vom Höchsten Herrn entworfen wurde, um
Wünsche zu erfüllen. Aufgrund von Wünschen wird man in
schwierige Umstände versetzt, um zu leiden oder zu
genießen. Wenn man dieses transzendentale Verständnis
vom Lebewesen entwickelt, löst man sich von körperlichen
Tätigkeiten. Wer ein solches Verständnis hat, sieht die
Dinge im richtigen Licht.
VERS 31
Wenn ein vernünftiger Mensch aufhört, aufgrund
verschiedener materieller Körper verschiedene
Identitäten zu sehen, erlangt er die Brahman-
Erkenntnis. Dann sieht er, dass Lebewesen überall
verbreitet sind.
ERLÄUTERUNG
Wenn man erkennen kann, dass die verschiedenen Körper
der Lebewesen aus den verschiedenen Wünschen der
individuellen Seele entstehen und zur Seele an sich nicht
wirklich gehören, sieht man die Dinge, wie sie tatsächlich
sind. In der materiellen Lebensauffassung sehen wir den
einen als Halbgott, einen anderen als Menschen, als Hund,
als Katze usw. Das ist materielle Sicht, nicht wirkliche
Sicht. Diese materielle Unterscheidung hat ihre Ursache in
einer materiellen Auffassung vom Leben. Nach der
Zerstörung des materiellen Körpers bleibt die Seele, wie sie
ist. Nur weil die Seele mit der materiellen Natur in
Berührung ist, bekommt sie verschiedene Arten von
Körpern. Wenn jemand das sehen kann, erlangt er
spirituelle Sicht; wenn er nicht mehr unterscheidet
zwischen Mensch und Tier, groß und klein, usw., wird sein
Bewusstsein gereinigt, und er wird fähig, in seiner
spirituellen Identität Krsna-Bewusstsein zu entwickeln. Wie
er dann die Dinge sieht, wird im nächsten Vers erklärt.
VERS 32
Wer mit den Augen der Ewigkeit sieht, kann verstehen,
dass die Seele transzendental und ewig ist und sich
jenseits der Erscheinungsweisen der Natur befindet. O
Arjuna, obwohl sie mit dem materiellen Körper in
Berührung ist, tut die Seele nichts, noch ist sie
verstrickt.
ERLÄUTERUNG
Ein Lebewesen scheint aufgrund der Geburt des materiellen
Körpers geboren zu sein, doch in Wirklichkeit ist das
Lebewesen ewig. Es wird nicht geboren, und obwohl es
sich in einem materiellen Körper aufhält, ist es
transzendental und ewig. Folglich kann es nicht zerstört
werden. Es ist von Natur aus voller Glückseligkeit. Es
befaßt sich nicht mit irgendwelchen materiellen Tätigkeiten
und wird daher auch nicht durch Tätigkeiten verstrickt, die
aufgrund seiner Verbindung mit materiellen Körpern
ausgeführt werden.
VERS 33
Aufgrund seiner feinstofflichen Natur vermischt sich
der Himmel mit keinem anderen Element, obwohl er
alldurchdringend ist. In ähnlicher Weise vermischt sich
eine Seele, die in der Brahman-Erkenntnis verankert ist,
nicht mit dem Körper, obwohl sie sich im Körper
befindet.
ERLÄUTERUNG
Luft ist in Wasser, Schlamm, Kot und allem, was es sonst
noch geben mag, enthalten; trotzdem vermischt sie sich mit
nichts. In ähnlicher Weise hat das Lebewesen aufgrund
seiner subtilen Natur mit all den verschiedenen Körpern, in
denen es sich befinden mag, nichts zu tun. Deshalb ist es
unmöglich, mit materiellen Augen zu sehen, wie das
Lebewesen mit dem Körper in Verbindung ist und nach der
Zerstörung des Körpers nicht mehr in ihm ist. Kein
Wissenschaftler kann das feststellen.
VERS 34
O Nachkomme Bharatas, so wie die Sonne allein das
ganze Universum erleuchtet, so erleuchtet ein
Lebewesen allein den ganzen Körper mit Bewusstsein.
ERLÄUTERUNG
Über das Bewusstsein gibt es verschiedene Theorien. Hier
in der Bhagavad-Gita wird das Beispiel der Sonne und des
Sonnenscheins gegeben. So wie die Sonne an einem Ort
steht und trotzdem das ganze Universum erleuchtet, so
erleuchtet ein kleines Teilchen wie die Seele, obwohl es
sich im Herzen des Körpers befindet, den ganzen Körper
mit Bewusstsein. Somit ist Bewusstsein der Beweis für das
Vorhandensein der Seele, ähnlich wie Sonnenschein oder
Licht der Beweis für die Gegenwart der Sonne ist. Wenn
die Seele im Körper gegenwärtig ist, ist das Bewusstsein
über den gesamten Körper verbreitet, doch sobald die Seele
den Korper verlassen hat, gibt es kein Bewusstsein mehr.
Jeder intelligente Mensch kann dies ohne weiteres verstehen.
Daher ist Bewusstsein kein Produkt materieller
Verbindungen. Es ist das Symptom des Lebewesens. Das
Bewusstsein des Lebewesens, obwohl eigenschaftsmäßig
mit dem höchsten Bewusstsein eins, ist nicht von höchster
Natur, da das Bewusstsein eines bestimmten Körpers nicht
am Bewusstsein eines anderen Körpers teilhat. Die
Überseele aber, die in allen Körpern als Freund der
individuellen Seele weilt, ist Sich aller Körper bewusst. Das
ist der Unterschied zwischen höchstem Bewusstsein und
individuellem Bewusstsein.
VERS 35
Wer bewusst den Unterschied zwischen dem Körper und
dem Besitzer des Körpers sieht und den Vorgang der
Befreiung aus dieser Knechtschaft verstehen kann,
erreicht ebenfalls das höchste Ziel.
ERLÄUTERUNG
Der Sinn des Dreizehnten Kapitels besteht darin, den
Unterschied zwischen dem Körper, dem Besitzer des
Körpers und der Überseele zu verstehen. Ein gläubiger
Mensch sollte sich zunächst einer guten Gemeinschaft
anschließen, um von Gott zu hören und so allmählich
erleuchtet zu werden. Wenn jemand einen spirituellen Meister
annimmt, kann er lernen, zwischen Materie und
spiritueller Natur zu unterscheiden, und dies ist das
Sprungbrett zu weiterer spiritueller Verwirklichung. Ein
spiritueller Meister lehrt seine Schüler durch verschiedene
Anweisungen, von der materiellen Lebensauffassung frei
zu werden. In der Bhagavad-Gita zum Beispiel finden wir,
dass Krsna Arjuna unterweist, um ihn von materialistischen
Überlegungen zu befreien.
Man kann verstehen, dass der Körper Materie ist und aus
vierundzwanzig Elementen besteht. Das ist die grobe
Manifestation; die feinstoffliche Manifestation besteht aus
dem Geist und den psychologischen Vorgängen. Und die
Symptome des Lebens sind die Wechselwirkungen dieser
Erscheinungen. Aber darüber hinaus gibt es noch die Seele
und auch die Überseele. Die Seele und die Überseele sind
voneinander verschieden. Die materielle Welt ist durch die
Verbindung der Seele mit den vierundzwanzig materiellen
Elementen in Bewegung, und wer den Aufbau der gesamten
materiellen Manifestation als die Verbindung der
Seele mit den materiellen Elementen versteht und auch die
Stellung der Höchsten Seele verstehen kann, qualifiziert
sich, in die spirituelle Welt erhoben zu werden. Diese
Dinge sind zur Betrachtung und Verwirklichung bestimmt,
und daher sollte man dieses Kapitel mit der Hilfe des
spirituellen Meisters genau verstehen.
Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum
Dreizehnten Kapitel der Srimad-Bhagavad-Gita mit dem
Titel: "Natur, Genießer und Bewusstsein."